Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen
Praxis-Kommentar
Professor Dr. Harald Bartl
1. Einführung
1.1.1. Aktueller Stand des Vergaberechts
1.1.2. Neufassung der BVB-IT - EVB-IT
Stichwortverzeichnis
1.1.3. Grundsätzliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu Verdingungsunterlagen - BGH, Urt. vom 26.9.1996 - VII ZR 318/95 (Düsseldorf) - NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535
1.1.4. Grundsätzliche weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu den BVB
1.1.5. Neuere Entscheidungen zum Vergabewesen:
1.1.6. Neuere Literatur zum Vergabewesen
1.2. Die VOL/B und ihre bisherige Entwicklung bis zum Jahre 1997
2 Die VOL/B und ihre bisherige Entwicklung bis zum Jahre 1997 läßt sich knapp wie folgt darstellen:
- Fassung von 1932
- Beratung des Deutschen Verdingungsausschusses für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - DVAL bis 1989, Verabschiedung eines Entwurfs am 15.10.1990
- Veröffentlichung im Bundesanzeiger Nr. 215 a vom 19.11.1991 - "Inkraftsetzung" durch die Vorbemerkung der VOL/B 1991 zum 1.7.1992
Daub-Eberstein, Kommentar zur VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 5. Vgl. ferner hierzu auch Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, 4. Aufl., 1998, Einführung, Einführung Rdnr. 70 ff.
Während die VOL/A zwischen 1936 und 1997 mehrfach (1984, 1991, 1993) geändert wurde, wurde die VOL/B seit der Fassung 1992 nicht mehr geändert.
Zur Entwicklung der VOL/A Bartl, Harald, Handbuch öffentliche Aufträge, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 39; auch Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, Rdnr. 1 ff.
3 Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die maßgeblichen Änderungen der Fassung 1991 vor allem darin gesehen werden, daß
- die Verzugsregelung in § 7 umgestaltet wurde,
- in § 8 Rücktritt/Kündigung geregelt sind,
- in den §§ 12 ff. Güteprüfung, Abnahme und Gewährleistung modifiziert wurden sowie
- etwa eine Änderung der §§ 15, 16 ((Rechnung, Stundenverrechnung) und des § 18 (Sicherheitsleistungen) erfolgte.
Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl, 1998, Einführung Rdnr. 6 ff.
1.3. Der Rechtscharakter der VOL/B
4 Die VOL/B sind nichts anderes als "Einkaufsbedingungen" der öffentlichen für sämtliche Leistungen, die nicht unter Bauleistungen (vgl. VOB/B) bzw. EDV-IT-Leistungen fallen. Die VOL/B ist damit weder Gesetz, noch Verordnung. Allerdings sind ihre Bestimmungen als Grundlage allgemeiner Verwaltungsvorschriften von der öffentlichen Hand zu beachten.
Die Vergabestellen der öffentlichen Hand sind in diesem Zusammenhang an die VOL/A ("nationale Vergabeverfahren") als Verwaltungsvorschrift bzw. an die Abschnitte II ("a-§§" und Basis-§§), III ("b-§§" und Basis-§§) und IV (SKR-Vorschriften) als Vorschriften mit Verordnungscharakter gebunden.
§ 9 Nr. 2 VOL/A verlangt, daß in den Verdingungsunterlagen vorgeschrieben wird, daß
"die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) Bestandteil des Vertrages werden."
Hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 10.
1.4. Das Zusammenspiel von VOL/A und VOL/B
5 Die erwähnte VOL/A zwingt die Vergabestellen der öffentlichen Hand, die VOL/B grundsätzlich in den Vertrag einzubeziehen. Nach derzeitiger allgemeiner Auffassung ist die VOL/A als Verwaltungsvorschrift bei Vergabeverfahren mit einem Schwellenwert unter 200 000 Euro zu beachten. Hieraus ergibt sich ein mittelbarer Zwang für die Vergabestellen, die VOL/B den Verdingungsunterlagen zugrundezulegen.
Hierzu Daub/Eberstein, VOL/B, Einführung Rdnr. 10.
Anders ist dies gewiß im Bereich EU-weiter Vergabeverfahren (VOL/A - Abschnitte II., III. und IV.). Da hier Verordnungscharakter anzutreffen ist, kommen m.E. von der VOL/A abweichende Vorgaben (z.B. auch hinsichtlich der VOL/B - vgl. § 9 Nr. 2 VOL/A) nicht in Betracht. Ob diese Differenzierung zwischen nationalem und "EU-weiten" Vergabeverfahren sich zukünftig noch aufrechterhalten läßt, ist nach meiner Auffassung fraglich. Ansprüche nach den Grundsätzen der Culpa in contrahendo sowie z.B. auch nach kartellrechtlichen Bestimmungen (vgl. § 97 ff GWB) sind jedenfalls denkbar.
Hierzu KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998 - Kart 24/97 - ZIP 1998, 1600 - Berliner Straßenbau/Tariftreupflicht - vergabefremde Wertungskriterien. Im übrigen Gröning, Jochem, Rechtsschutzqualität und Verfahrensbeschleunigung im Entwurf für ein Vergabrechtsänderungsgesetz, ZIP 1998, 370 ff; Pietzcker, Jost, Die neue Gestalt des Vergaberechts, ZHR 162 (1998), 427, 469 ff (Rechtsschutz). Nunmehr BGH, Beschluß vom 18.1.2000 - KVR 23/98 - Vorlage an das BVerfG - Tariftreuererklärung (Berlin - vgl. o. Kammergericht); vgl. auch den Referentenentwurf zur Änderung der Vergabeverordnung (FAZ vom 7.1.2000, S. 15)
6 Im übrigen gilt es Folgendes nach § 9 VOL/A zu beachten, der auszugsweise nachfolgend wiedergegeben wird:
Vertragsbedingungen, Vergabeunterlagen
1. Die Vergabeunterlagen bestehen aus dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) und den Verdingungsunterlagen.
2. In den Verdingungsunterlagen ist vorzuschreiben, daß die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) Bestandteil des Vertrages werden.
Das gilt auch für etwaige Zusätzliche, Ergänzende sowie Besondere Vertragsbedingungen und, soweit erforderlich, für etwaige Technische Vertragsbedingungen.
3. (1) Die Allgemeinen Vertragsbedingungen bleiben grundsätzlich unverändert. Sie können von Auftraggebern, die ständig Leistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch Zusätzliche Vertragsbedingungen ergänzt werden. Diese dürfen den Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen.
(2) Für die Erfordernisse einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle können die Allgemeinen Vertragsbedingungen und etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen durch Ergänzende Vertragsbedingungen ergänzt werden.
Die Erfordernisse des Einzelfalles sind durch Besondere Vertragsbedingungen zu berücksichtigen.
In den Ergänzenden und Besonderen Vertragsbedingungen sollen sich Abweichungen von den Allgemeinen Vertragsbedingungen auf die Fälle beschränken, für die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen besondere Vereinbarungen ausdrücklich vorgesehen sind; sie sollen nicht weitergehen als es die Eigenart der Leistung und ihre Ausführung erfordern.
4. In den Zusätzlichen, Ergänzenden und Besonderen Vertragsbedingungen sollen, soweit erforderlich, insbesondere folgende Punkte geregelt werden:
a)....."
Diese Regelungen des § 9 VOL/A sind ohne eine Kenntnis der Entstehungsgeschichte schwer bzw. nicht verständlich.
Hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, § 9 Rdnr. 2 ff.
1.5. Begriffe
7 Vergabeunterlagen = Anschreiben und Verdingungsunterlagen - § 9 Nr. 1 VOL/A
Anschreiben = Schriftliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes - §§ 9 Nr. 1, 17 VOL/A
Verdingungsunterlagen = Gesamtheit der Vertragsvereinbarungen in technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht - einschließlich der Leistungsbeschreibung (vgl. § 8 VOL/A sowie §§ 10 ff VOL/A) Vertragsbedingungen =
- Individualvereinbarungen (Leistungsbeschreibung sowie technische, rechtliche und wirtschaftliche Vertragsvereinbarungen - für den Einzelfall festgelegt) - § 9 Nr. 2 und 3 VOL/A
Allgemeine Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand - entsprechend § 1 I AGBG für eine Vielzahl von Verträgen einseitig gestellt und von der öffentlichen Hand (unbeachtlich: Beteiligung und Diskussion der entsprechenden Wirtschaftskreise) vorformuliert:
- Besondere Vertragsbedingungen wie BVB-X (EDV-IT-Bereich - in der Überarbeitung gewesen - seit dem 12.10.2000 veröffentlicht)
- Technische Vertragsbedingungen
- Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen - VOL/B
8 Die Begriffsbildung und -verwendung des § 9 VOL/A ist mehr als unglücklich. Wie soll ein Praktiker in der Vergabestelle, der mit dieser Vorschrift arbeiten soll, dies verstehen ?
Zunächst steht fest, daß unter "Besonderen Vertragsbedingungen" sowohl Individualvereinbarungen z.B. im Leistungsschein als auch Besondere Vertragsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen z.B. für einen bestimmten Bereich (hier Musterbeispiel BVB-Kauf etc.) verstanden werden können.
Es ist allerdings schwierig, dies aus der konfus gefaßten Vorschrift problemlos herzuleiten, die z.B. nicht in terminologischer Angleichung an § 1 I und § 1 II AGBG zwischen Individualvereinbarungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (einseitig gestellt, vorformuliert, für eine Vielzahl gedacht) unterscheidet.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, daß man sich offensichtlich nicht eindeutig einigen konnte.
Im Grunde geht es bei § 9 Ziff. 2 f VOL/A um die entscheidende Frage, ob eine Vergabestelle die Möglichkeit hat, in den Verdingungsunterlagen die Vertragsbedingungen im einzelnen abweichend von der VOL/B zu regeln. Sofern dies bejaht wird, ist die Frage zu stellen, welche Grenzen für diese Regelungen gelten, insbesondere aber auch die Frage, ob die Vertragsabschluß- und Vertragsgestaltungsfreiheit beschränkt ist
- im Individualteil nur durch die allgemein geltenden Grenzen (§§ 134, 138, 276 S. 2, 306, 826 etc. BGB, 97 ff GWB etc.)
- sowie im nicht für den Einzelfall, sondern generell geltenden Teil der VOL/B oder auch der BVB-X durch das AGBG.
9 Beispielhaft seien für beide Bereiche Entscheidungen genannt: Stichwortverzeichnis
BGH NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535 - Vertragsstrafenregelung "nur für einen Vertrag" - Individualteil
KG Berlin, Beschl. v. 20.5.1998 - Kart 24/97 - ZIP 1998, 1600: Zugrunde lag folgender Sachverhalt:
Die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen des Landes Berlin (Beschwerdeführer) richtete unter dem 9. Februar 1995 das Rundschreiben VI Nr.7/95 an die Bezirksämter und zahlreiche Verwaltungsstellen (u. a. alle Senatsverwaltungen, Sonderbehörden, nicht rechtsfähige Anstalten, Krankenhausbetriebe, Eigengesellschaften, gemischtwirtschaftliche Unternehmen, an denen Berlin überwiegend beteiligt ist, sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts). In dem Schreiben heißt es:
,,Im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Wettbewerbs insbesondere auf dem Arbeitsmarkt ist die Einhaltung tarifvertraglicher Bestimmungen von besonderer Bedeutung. Öffentliche Bauaufträge Berlins dürfen deshalb nur an Bieter vergeben werden, die mit dem Angebot eine Erklärung zur Tariftreue abgegeben haben. Bereits bei der Ausschreibung ist auf diese Verpflichtung hinzuweisen. Ab sofort sind bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen Berlins folgende Verpflichtungen in die ,,Besonderen Vertragsbedingungen" (BVB) unter Nr.9 aufzunehmen und damit zum Vertragsbestandteil zu machen:
,Die beigefügte Erklärung zur Einhaltung der geltenden Berliner Lohntarife sowie die Tariftreueerklärung werden Vertragsbestandteil. Bei Verstoß gegen diese vertragliche Vereinbarung wird der Auftragnehmer für die Dauer von 2 Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Feststellung, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen.
Es wird gebeten, dieses Rundschreiben bei künftigen Vergaben strikt zu beachten. Laufende Verträge bleiben unberührt."
Die von den Bietern abzugebende Tariftreueerklärung lautet (modifizierte Fassung gemäß Rundschreiben der Senatsverwaltung VI Nr.10/1995 v.16.5.1995):
"Ich/Wir erkläre(n), dass bei Auftragserteilung zum o. g. Bauvorhaben die Entlohnung meiner/unserer Arbeitnehmer nicht unter den jeweils geltenden Berliner Lohntarifen erfolgen wird. Beim Einsatz von Nachunternehmern werden diese von mir/uns entsprechend verpflichtet.
Der Auftraggeber behält sich vor, durch Stichproben anhand von mir/uns vorzulegenden Lohnlisten die Einhaltung zu überprüfen.
Mir/Uns ist bekannt, dass bei Verstoß gegen diese vertragliche Vereinbarung mein/unser Unternehmen für zwei Jahre von der Vergabe öffentlicher Bauaufträge ausgeschlossen wird.
Ich/Wir habe(n) dem Betriebsrat diese Erklärung zur Kenntnis gegeben."
Mit der angefochtenen Verfügung hat das Bundeskartellamt dem Beschwerdeführer untersagt, Straßenbauaufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die eine solche Erklärung abgeben, diese Erklärung bei der Vergabe von Straßenbauaufträgen zum Vertragsbestandteil zu machen sowie Auftragnehmer bei einem Verstoß gegen eine vertragliche Vereinbarung mit diesem Inhalt von der Vergabe öffentlicher Aufträge auszuschließen (Verfügungstenor zu 1). Ferner hat das Bundeskartellamt dem Beschwerdeführer verboten, das Rundschreiben VI Nr.10/95 in
Bezug auf Straßenbauarbeiten in Kraft zu lassen, seine Adressaten über die Außerkraftsetzung in Unkenntnis zu halten, durch neue Rundschreiben mit vergleichbarem Inhalt oder sonstige Maßnahmen auf die Bezirke einzuwirken, um ein Verhalten durchzusetzen, das mit Nr.1 der Verfügung untersagt wurde (Beschlusstenor zu 2).
Das KG entschied u.a. wie folgt:
"Die gesamte vertragliche Handhabung der Tariftreueerklärung ist insgesamt aus weiteren Gründen zu missbilligen, die auch in den Fällen zum Tragen kommen, in denen die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung der Berliner Tariflöhne also solche unbedenklich erscheint.
Die sofortige Sanktionierung mit einer zweijährigen Auftragssperre verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG.
Die Ausschlussklausel ist als Bestandteil der ,,Besonderen Vertragsbedingungen" eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Vergabestellen des Landes der jeweils anderen Vertragspartei bei Abschluss von Verträgen stellt. Sie muss sich deshalb an den Bestimmungen des AGB-Gesetzes messen lassen. Mit der Klausel eröffnet sich der Verwender die Möglichkeit, einen Vertragspartner unabhängig von der Schwere seines Verstoßes (Anzahl der unterbezahlten Arbeitnehmer, Zeitraum der untertariflichen Beschäftigten, Volumen des Auftrags, Verschuldensgrad) sofort für zwei Jahre zu sperren. Diese Rechtsfolge kann von Fall zu Fall unter zwei Gesichtspunkten unverhältnismäßig sein und den Bieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei leichteren und insbesondere bei erstmaligen Verstößen kann es bereits unangemessen sein, den betreffenden Unternehmer sogleich von der weiteren Vergabe auszuschließen. Zwar existiert keine bundesweit einheitliche Regelung für die Handhabung des Ausschlusses von der Teilnahme am Wettbewerb um öffentliche Bauaufträge (vgl. Heiermann/Ried1/Rusam, VOB, 8. Aufl., A § 8 Rz. 58).
Jedoch gibt das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., Einl. Rz. 104) Anhaltspunkte dafür, welche Verfehlungen eines Unternehmers als so schwer anzusehen sind, dass seine Zuverlässigkeit als Bewerber (vgl. § 8 Nr.5 lit. c VOB/A) in Frage steht und eine sofortige Auftragssperre gerechtfertigt ist.
Dies sind vollendete oder versuchte Beamtenbestechung, Vorteilsgewährung sowie schwerwiegende im Geschäftsverkehr begangene Straftaten, insbesondere Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Betrug, Untreue und Urkundenfälschung.
Ferner Verstöße gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, unter anderem die Beteiligung an Absprachen über Preise oder Preisbestandteile, verbotene Preisempfehlungen, die Beteiligung an Empfehlungen oder Absprachen über die Abgabe oder Nichtabgabe von Angeboten, über die Aufrechnung von Ausfallentschädigungen sowie über Gewinnbeteiligungen und Abgaben an andere Bewerber.
Aus den Materialien zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und anderer Gesetze vom 26. Juli 1994 (vgl. BT-Drucks. 12/7563, S.10 f; dazu auch Ingenstau/Korbion, aaO, A, § 8 Rz. 72) ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber eine Auftragssperre bei Verstößen gegen dieses Gesetz nicht in allen Fällen für zwangsläufig hält, sondern dass eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen ist, bevor diese Rechtsfolgenanordnung ausgesprochen wird.
Danach kommt es u. a. auf die relative und absolute Zahl der illegal beschäftigten Arbeitnehmer, die Dauer ihrer Beschäftigung, die Häufigkeit etwaiger Verstöße, eine etwa bestehende Wiederholungsgefahr und den Umfang der Auswirkungen eines Normenverstoßes auf den öffentlichen Auftraggeber an (vgl. Ingenstau/Korbion, aaO, A § 8 Rz. 72).
Auch auf Länderebene gibt es Regelungen, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Beispielsweise sieht ein Runderlass der Hessischen Landesregierung vor, dass bei Verfehlungen, durch die dem Auftraggeber kein oder nur ein geringer Schaden entstanden ist, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit von einem Ausschluss abgesehen werden kann. In einem solchen Fall ist der betreffende Bewerber bzw. Unternehmer auf den festgestellten Sachverhalt und die im Wiederholungsfall zu erwartenden Konsequenzen hinzuweisen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, aaO, A. § 8 Rz. 59).
Nicht jeder Verstoß gegen die Tariftreueerklärung wiegt so schwer, dass die sofortige Verhängung einer Auftragssperre als adäquate Rechtsfolge angemessen ist. Soweit es die Dauer der ausgesprochenen Auftragssperre anbelangt, geben die Gesetzgebungsmaterialien für das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und anderer Gesetze vom 26. Juli 1994 ebenfalls Anhaltspunkte für die Verhältnismäßigkeit von Sanktionen. Danach soll der Bewerber bei einer erstmaligen Verfehlung in der Regel für sechs Monate ausgeschlossen werden und (erst) im Wiederholungsfall für 2 Jahre.
Demgemäß kann die sofortige Sanktionierung mit einer Auftragssperre von 2 Jahren den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben auch dann unverhältnismäßig benachteiligen, wenn der zeitweilige Ausschluss von weiteren Vergabeverfahren im Hinblick auf den Verstoß dem Grunde nach gerechtfertigt erscheint.
Die Sanktionsklausel wäre, so wie sie in den Verträgen des Landes Berlin über Bauleistungen verwendet wird, also selbst dann rechtswidrig, wenn die Rechtmäßigkeit der Tariftreueerklärung als vertragliche Vereinbarung unterstellt würde oder wenn sie von solchen Unternehmen verlangt wird, die ohnehin zur Zahlung von Tariflöhnen verpflichtet sind."
Diese beiden Entscheidungen, denen im übrigen zu folgen ist, zeigen auf, daß die Rechtsprechung mit Recht unterscheidet zwischen
- Individualvereinbarungen der "Vertragsbedingungen" (vgl. auch § 1 II AGBG bzw. § 4 AGBG)
- sowie vorformulierten, einseitig gestellten und für eine Vielzahl von Verträgen gedachten Klauseln (vgl. § 1 I AGBG).
1.7. Gestaltung von Verträgen
10 Dies ist bei der Gestaltung von Verträgen zu beachten, bei denen die VOL/B grundsätzlich als Vertragsbestandteil vorgesehen ist.
Gleichzeitig ist anzumerken, daß die Rechtsprechung (vgl. o. KG und BGH) offensichtlich grundsätzlich keine Bedenken dagegen hat, daß die Vergabestelle die Bestimmungen der VOL/B im Einzelfall "durch Besondere Vertragsbedingungen" = Individualvereinbarungen ergänzen und abändern darf.
11 Allerdings sind in diesem Zusammenhang einige Schranken zu beachten:
- Wenn es in § 9 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A heißt, daß die VOL/B grundsätzlich unverändert bleibt, so ergibt sich hieraus, daß sie im besonderen Einzelfall verändert und ergänzt werden darf.
Das bedeutet indessen m.E., daß ein sachlicher Grund für die Ergänzung oder Änderung vorliegen muß. Dieser kann nur in den Besonderheiten des einzelnen Falles liegen - etwa dann, wenn die VOL/B mit ihrer jeweiligen "generellen Lösung" für die spezielle Leistung nicht geeignet ist (z.B. moderne Dienstleistungen).
- Unklar ist die in § 9 Ziff. 3 Abs. 1 S. 2 VOL/A enthaltene Schranke, daß es sich um Auftraggeber handeln muß, die "ständig Leistungen vergeben".
Das ist an sich bei jeder Vergabestelle anzutreffen. Entscheidender ist wohl, daß eine Ergänzung "für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch zusätzliche Vertragsbedingungen" zulässig ist, wobei diese den "Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen dürfen."
Ein derartiger Wirrwarr von Formulierungen und Unklarheiten ist selten anzutreffen. Die insofern anzutreffenden Kommentierungen führen daher im Grunde letztlich aus, daß
- Gründe für eine Änderung der VOL/B anzutreffen sein müssen (also Art der Leistung, Unbrauchbarkeit des allgemeinen Abwicklungsrasters der VOL/B für den Einzelfall)
- die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit aus rechtlichen oder auch technischen Gründen belegt werden kann.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 44.
12 Insofern wird man folglich davon auszugehen haben, daß hier mehr als das grundsätzliche Ziel der Beschränkung der Gestaltungsfreiheit der öffentlichen Hand durch Individual- oder generelle Abweichungen wohl nicht erreicht werden kann.
Fraglich ist vor allem, wo der "ermessensfehlerhafte Gebrauch" von Änderungen oder Ergänzungen beginnt. Andererseits stellt sich daneben die Frage, in welchen Fällen die Nichtänderung der VOL/B einen "Kunstfehler" der Vergabestelle darstellt. Beispielhaft sind die BVB-Kauf etc. für die Beschaffung von EDV-IT-Leistungen, die nach zwei Entscheidungen des BGH unwirksame Klauseln enthalten (Verstoß gegen § 9 AGBG), die sicherlich durch entsprechende Änderungen/Ergänzungen zu korrigieren sind, weil die öffentliche Hand ansonsten nicht unerhebliche Nachteile treffen (keine Schadensersatzansprüche, lediglich Rücktritt und Vertragsstrafen).
Grundsätzliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu den BVB- BGH Urteil vom 4.3.1997 - X ZR 141/95 (OLG Frankfurt) - CR 1997, 470 BVB II; BGH Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 076 = BB 1991, 373 - BVB I. Hierzu Bartl, Harald, Handbuch Rdnr. 135 ff. mit einem entsprechenden Vorschlag für eine "Individualvereinbarung".
13 Den Hintergrund bildet der Streit zwischen Industrievertretern und Vertretern der öffentlichen Hand im DVAL. Die Industrie verlangte natürlich eine "Festschreibung", die Vertreter der öffentlichen Hand eine Öffnung für Individualvereinbarungen, "Zusätzliche, Ergänzende und Besondere Vertragsbedingungen". Herausgekommen ist ein schwer verständlicher und löchriger Kompromiß, der es letztlich - bei entsprechendem Willen der Vergabestelle - dieser weitgehend überläßt, Änderungen, Ergänzungen und Sonderabreden festzuschreiben, wenn "Einzelfall" oder "gleichgelagerte Einzelfall-Gruppen" dies erfordern (Eigenart der Leistung bzw. der Ausführung, Einzelfallproblematik, Gruppengesamtproblematik).
Vgl.hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 44 ff.
14 Sichergestellt werden sollte dadurch eine gleichmäßige Anwendung eines "ausgewogenen Bedingungswerkes":
"Eingriffe in die VOL/B könnten den Interessenausgleich, der in dem Bedingungswerk gefunden wurde, gefährden und die Vergabepraxis, die auf die stetige Anwendung allgemeiner Bedingungen angewiesen ist, verunsichern."
Vgl.hierzu Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 44 ff.
Dieses löbliche Ziel (vgl. auch §§ 55 II BHO: "einheitliche Richtlinien") hätte aber nur durch eindeutige und klare Bestimmungen der VOL/A erreicht werden können - sowie durch eine entsprechende klare Fassung der VOL/B.
15 Bei den meisten "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" einer Reihe von Behörden stellt sich daneben die Frage nach der Erforderlichkeit dieser Regelungswerke. Meist zeigt sich, daß diese Besonderen Geschäftsbedingungen weder durch eine besondere Leistungsart etc., noch durch das Erfordernis spezieller zusätzlicher Einkaufsbedingungen gekennzeichnet sind - mithin vielfach überflüssig sind. Die Klage über die Flut von Normen etc. kann hier getrost auch auf diesen Bereich ausgedehnt werden. Der Einkehr des notwendigen "Beschaffungsmanagements" bei der öffentlichen Hand stehen damit zusätzliche und überflüssige Hindernisse entgegen.
16 Das zeigt auch der nachfolgende Gedanke:
Unklar, ja fast grotesk ist die Formulierung in § 9 Nr. 3 Abs. 1 Satz 3, daß die "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" den Allgemeinen Vertragsbedingungen "nicht widersprechen dürfen". Üblicherweise greift hier der Grundsatz ein, daß die "individuelle Regelung" die allgemeinere Bestimmung verdrängt. Mithin treffen wir eine "Anwendungshierarchie" an, der auch z.B. § 1 VOL/B sowie etwa der jeweilige § 2 BVB-X Rechnung tragen.
Besondere oder zusätzliche Vereinbarungen oder auch Geschäftsbedingungen widersprechen grundsätzlich den Allgemeinen Bedingungen. Sonst wären sie überflüssig, da gleichlautend. Dieses "Widerspruchsverbot" kann doch wohl nicht bedeuten, daß bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen (besondere Leistungsart, Sonderrisiken etc.) keine "speziellen Geschäftsbedingungen" genereller Art geschaffen werden können. Der Satz kann sich m.E. auch nicht in einer Aufforderung, unklare Geschäftsbedingungen zu vermeiden, erschöpfen.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 45.
17 Daß Vertragsabreden, speziell auch Allgemeine Geschäftsbedingungen, unmißverständlich und klar abgefaßt sein müssen, wenn sie nicht unwirksam sein sollen (vgl. § 5 AGBG - Unklarheitenregel), versteht sich von selbst.
Daß Individualabreden oder "besondere Geschäftsbedingungen" (wie etwa die BVB) anstelle der VOL/B (bzw. die BVB) dort, wo sie sich öffnet ("soweit nichts anderes vereinbart ist"), vorgesehen werden können, kann ebenfalls nicht bestritten werden.
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 45, m.E. unklar und mißverständlich.
Es bleibt folglich nur der Grundsatz,
daß Abweichungen durch Ergänzungen oder Besondere Vertragsbedingungen nur zulässig sind,
wenn dies im Einzelfall
oder in einer Gruppe von Fällen
erforderlich ist.
18 Das macht auch Sinn. Denn die VOL/A hat u.a. auch das Ziel, eine wirtschaftliche Beschaffung durch Wettbewerb sicherzustellen, andererseits aber auch die Bieter zu schützen - vor einer Ausnutzung der Nachfragemacht durch die einseitige Gestaltung der "Einkaufsbedingungen".
Vgl. Daub/Eberstein, VOL/A,4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 56 ff.
Das ist auch der Tenor der Entscheidungen des BGH zu den BVB-Überlassung bzw. im Fall des KG Berlin (Tariftreuepflichterklärung), wobei anzumerken ist, daß "Bewerbungsbedingungen" selbstverständlich als AGB im Sinn des AGBG aufzufassen sind.
BGH Urteil vom 4.3.1997 - X ZR 141/95 (OLG Frankfurt) - CR 1997, 470 BVB II; BGH Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 076 = BB 1991, 373 - BVB I; KG Berlin Beschluß v. 20.5.1998 - Kart 24/97 - ZIP 1998, 1600 ff. Vgl. abweichend zu der Einordnung von Bewerbungsbedingungen als AGB Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, § 9 Rdnr. 31 gegen die mehrheitlichen Stimmen in der Literatur. Neben den Anknüpfungspunkten
"ständige Auftragsvergabe"/"allgemein gegebene Verhältnisse"/kein "Widerspruch" zur VOL/B
findet sich der Anknüpfungspunkt
Ergänzung der VOL/B für "Erfordernisse einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle"
in § 9 Ziff. 3 Abs. 2 VOL/A.
19 Wenn eine "Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle" gegeben ist, liegen m.E. keine Einzelfälle mehr vor. Auch diese Formulierungen der VOL/A sind alles andere als eindeutig. Man kann allenfalls unterscheiden:
- Zusätzliche und Allgemeine Einkaufsbedingungen (Sonder-AGB und VOL/B) "können" durch Ergänzende Allgemeine Geschäftsbedingungen = ergänzende Vertragsbedingungen ergänzt werden. Diese Regelungen gelten für alle gleichgelagerten "Sonderfälle".
- Den "besonderen Erfordernissen" des Einzelfalls bei dieser "Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle" muß durch die "Besondere Vertragsbedingungen" = Individualvereinbarungen Rechnung getragen werden.
Das zuletzt Genannte soll im Grunde dafür sorgen, daß die Vergabestelle in jedem Einzelfall prüft, ob die "generelle Abwicklungsschablone" z.B. der VOL/B oder anderer Sonder-AGB geeignet ist oder von ihr z.B. infolge besonderer Risiken davon abgewichen werden muß.
Das ist appellartig gedacht, in der Praxis aber nicht leicht gemacht. Es setzt im Grunde eine Überprüfung in jedem Beschaffungsfall voraus, ob die "allgemeine Abwicklungsschablone" der VOL/B geeignet ist oder nicht.
20 Hierbei ist freilich zu beachten, daß die VOL/A und die VOL/B eine Reihe von Vorgaben (vgl. z.B. §§ 10 ff VOL/A) machen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Im übrigen ist zu fragen, welche Folgen sich ergeben, wenn
- unzulässiger Weise von der VOL/B abgewichen worden ist
-oder wenn zulässiger-/erforderlicherweise von der VOL/B hätte abgewichen werden müssen ?
Sanktionen im ersten Fall sind in mehrfacher Weise denkbar:
- Zum einen kann ein Bieter/Mitbewerber die Dienstaufsichtsbeschwerde erheben oder die internen Aufsichtstellen anrufen - im Rahmen EU-weiter Vergabeverfahren auch die Vergabeprüfstellen (sofern noch eingerichtet - vgl. § 103 GWB) bzw. ab 1.1.1999 die Vergabekammern (§§ 104 ff GWB).
- Zum anderen könnte sich der betreffende Vertragspartner (nach dem Zuschlag) auf die Grundsätze der culpa in contrahendo beziehen und Schadensersatz verlangen, wobei er so zu stellen wäre, wie er stehen würde, wenn der betreffende Verstoß nicht erfolgt wäre.
- Ferner greifen zugunsten des Auftragnehmers auch die Schutzvorschriften des AGBG ein, so daß sich im Hinblick auf die Inhaltskontrolle entsprechender Geschäftsbedingungen ("Zusätzliche und Besondere Vertragsbedingungen" als AGB) die Unwirksamkeit einzelner Klauseln ergeben könnte.
Im zweiten Fall der gebotenen Abweichung (Änderung/Ergänzung) der VOL/B kann die Folge sein, daß die Vergabestelle nach dem Nichterkennen besonderer Risiken bei Abwicklung des Vertrages erhebliche Nachteile treffen (z.B. bei unverändertem "Stehenlassen" der BVB-Regeln zu Verzug und Gewährleistung infolge unwirksamer Klauseln).
Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 138, zu den BVB-Klauseln.
21 Die Schranken für die Änderungen etc. durch "Sonder-AGB" (Zusätzliche oder Ergänzende Vertragsbedingungen für eine Gruppe von Fällen = also Vielzahl) ergeben sich nach § 9 Ziff. 3 Abs. 2 VOL/A daraus, daß
- von den Allgemeinen Vertragsbedingungen der VOL/B nur abgewichen werden soll, wenn
- die VOL/B sich insofern öffnet (z.B. durch die Formulierung "Wenn Vertragsstrafen vereinbart sind..." - vgl. § 11 Nr. 1 VOL/B) ,
- die "Ergänzungen/Änderungen/Zusatzfestlegungen" etc. durch die Eigenart und Ausführung der Leistung erforderlich sind
- und im übrigen darüber hinaus den Einzelfallerfordernissen in diesen Fällen durch Individualvereinbarungen z.B. in den Leistungsscheinen Rechnung getragen ist.
22 In allen Fällen soll im übrigen wohl die "Checklist" des § 9 Ziff. 4 VOL/A durchgearbeitet werden, um sicherzustellen, daß der Beschaffungsvorgang individuell durchgeprüft wird und die Risiken erkannt werden. Auch § 9 Ziff. 4 ist eine "Sollvorschrift".
Mithin wird zu prüfen,
- ob im Einzelfall für den betreffenden Regelungspunkt des § 9 Ziff. 4 VOL/A ein Regelungsbedarf besteht,
- ob die allgemeine Abwicklungsschablone nach der VOL/A bzw. VOL/B ausreicht,
- ob Gründe für eine Abweichung von der allgemeinen Abwicklungsschablone der VOL/A bzw. VOL/B gegeben sind,
- ob über den Katalog des § 9 Ziff. 4 VOL/A hinaus Regelungsbedarf erforderlich ist.
In allen Fällen wird man indessen die "Vorgaben" der VOL/A sowie der VOL/B neben dem Grundsatz zu beachten haben, daß die Nachfragemacht nicht durch die einseitige Festlegung unbilliger, unangemessener Vertragsinhalte mißbraucht wird.
Klassisch und damit gegen diese Grundsätze verstoßend sind z.B. die Fälle
- keine Losaufteilung, Nichtbeachtung des Klein- und Mittelstandsprivilegs (vgl. §§ 5, 10 VOL/A),
- nicht ausreichende Ausführungsfristen (vgl. § 11 VOL/A),
- unangemessene Vertragsstrafen - obendrein für Fristen, die keine "Ausführungsfristen" sind und deren Überschreitung keine erheblichen Nachteile verursachen können (vgl. § 12 VOL/A),
- erhebliches Überschreiten der gesetzlichen Gewährleistungsfristen ohne Erforderlichkeit infolge der Eigenart der Leistung und ohne Abwägung aller Umstände (vgl. § 13 VOL/A),
- nicht erforderliche Sicherheitsleistungen in Höhe von mehr als 5 % der Auftragssumme ohne Schadensgefahr für den Auftraggeber (vgl. § 14 VOL/A)
etc.
23 Zusammengefaßt ergeben sich diese Möglichkeiten einer von der VOL/B abweichenden Gestaltung, in denen von dem Grundsatz der Unveränderbarkeit abgewichen werden darf:
1. Ergänzungsmöglichkeit ("kann")
- für ständig Leistungen
vergebende Auftraggeber
- für die bei ihnen allgemein
gegebenen Verhältnisse
- durch Zusätzliche Vertragsbedingungen | Individualvereinbarung |
- ohne Widerspruch zur VOL/B | (Leistungsschein/Verdin- |
gungsunterlagen) | |
oder "Sonder-AGB" |
2. Ergänzungsmöglichkeit ("kann")
- der VOL/B
und etwaiger Zusätzlicher
Vertragsbedingungen
- durch Ergänzende Vertragsbedingungen | Individualvereinbarung |
- für die Erfordernisse | (Leistungsschein/Verdin- |
einer Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle | gungsunterlagen) |
- unter Berücksichtigung der Erfordernisse des | oder "Sonder-AGB" |
Einzelfalls durch | |
Besondere Vertragsbedingungen ("sind") | Individualvereinbarung |
- unter Voraussetzung der | "Sonder-AGB" ? |
ausdrücklichen "Öffnung" | "§ 18 VOLB: "Wenn |
der VOL/B für | Sicherheitsleistung |
besondere Vertragsbedingungen ("soll") | vereinbart ist,...") |
- und der Schranke: | |
Erfordernis infolge Eigenart und | |
Ausführung der Leistung ("soll") | |
3. Änderungsmöglichkeit ("soll") | |
Von der VOL/B abweichende | |
Regelung der in § 9 Ziff. 4 | |
VOL/A enthaltenen Punkte ("sollen") | |
- in den Ergänzenden, | Individualvereinbarung |
Zusätzlichen | "Sonder-AGB" |
und Besonderen Vertragsbedingungen | |
- "soweit erforderlich" |
24 Das Gesamtsystem sieht also entsprechende Schranken für die Abweichung/Ergänzung/Änderung der VOL/B vor. Die Voraussetzungen für die Änderungen etc. sind freilich so unklar formuliert, daß der Änderungsbedarf weitgehend "konstruiert" werden kann. Wer ändern will, dürfte auch eine entsprechende Begründung finden. Soweit dies auf sachlicher Basis beruht, ergeben sich keine Bedenken.
Es geht im Grunde letztlich darum, zwei Fälle zu trennen, nämlich die, in denen
- die allgemeine Abwicklungsschablone mit Blick auf Leistung und Ausführung ohne besondere Risiken im Bereich Verzug, Nichterfüllung oder Schlechtleistung ausreicht, mithin die VOL/B neben den individuellen Angaben im Leistungsschein über Menge, Qualität etc. ausreichen,
sowie die,
- in denen besondere Leistungen, Ausführungen, Risiken etc. betroffen sind, die nicht nach der allgemeinen Schablone der VOL/B abgewickelt werden können.
25 Das System der VOL/A bzw. VOL/B ist allerdings lückenhaft, was im Hinblick auf die Geltung seit 1932/1936 praktizierte sowie die diskutierte Neufassung 1991 erstaunt. So ist z.B. die Frage zu stellen, wie zu verfahren ist, wenn die Vergabestelle, worauf der Bieter vertrauen darf, § 11 Ziff. 1 VOL/A nicht beachtet.
Da die Vergabestelle gehalten ist, nach § 11 Ziff. 1 VOL/A ("ausreichende Ausführungsfristen") zu verfahren, steht die Festlegung "nichtausreichender Ausführungsfristen" nicht im Einklang mit dieser VOL/A-Vorgabe. Bekanntlich entsteht bereits vor Zuschlag (Vertragsschluß durch Annahme des Angebots) ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, aus dem sich Ansprüche aus culpa in contrahendo ergeben können.
Vgl. hierzu Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 55 f; ders. Recht im Amt 1999, 3 ff, m.w.Nachw.; auch Daub/Eberstein, VOL/A, Einführung Rdnr. 73; OLG Düsseldorf BauR 1996, 99 - Zuschlagserteilung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen müssen - Schadensersatz; allgemein Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr. 65 ff., zu öffentlicher Ausschreibung Rdnr. 76; BGH NJW 1985, 1466 - unsachliche Bevorzugung; ebenso OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 1046; BGHZ 120, 284; NJW 1992, 827; OLD Düsseldorf, aaO - Nichtbeachtung der VOL/A- bzw. VOB/A-Bestimmungen BGH NJW 1983, 442 - rechtswidriger Ausschluß eines Bewerbers; KG NVwZ 1996, 413 - EU-weites Vergabeverfahren. Zur Anwendung der c.i.c. auch auf die öffentliche Hand Jäckle NJW 1990, 2521.
26 Entfällt in diesen Fällen der Festlegung nicht ausreichender Ausführungsfristen der Verzug des Auftragnehmers (vgl. § 7 Ziff. 1 VOL/B) ? Ist der Auftragnehmer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn ausreichende Ausführungsfristen festgelegt worden wären ? Wie ist diese Frage zu beantworten, wenn es sich um die Aufbürdung "ungewöhnlicher Wagnisse" in Leistungsbeschreibungen handelt (vgl. ( § 8 Ziff. 1 Abs. 3 VOL/A) ? Welche Folgen hat das Fehlen der die Preisermittlung bildenden Umstände in den Verdingungsunterlagen (vgl. § 8 Ziff. 1 Abs. 2 VOL/A) ? Es stellt sich in diesen Fällen allenfalls die Frage der Verschuldens, mithin die Frage, ob die Vergabestelle die entsprechenden "Fehler" hätte erkennen können/müssen ? Die §§ 276, 278 BGB finden in diesem Zusammenhang Anwendung. Denkbar sind folglich fahrlässige Pflichtverletzungen der Vergabestelle.
Zur Haftung wie in einem Schuldverhältnis vgl. Palandt--Heinrichs, BGB, 59. Aufl., 2000, § 276 Rdnr.70; vgl. auch Bartl, NJW 1999, 2144 - Problematik des § 254 BGB und Software-2000-Frage.
In diesem Zusammenhang der Verstöße gegen die VOL/A stellt sich ferner die Frage, die in § 107 II GWB (Klagebefugnis und Darlegung des entstandenen oder entstehenden Schadens infolge des Verstoßes) sowie die in § 254 BGB enthaltene Problematik (mitwirkendes Verschulden des Auftragnehmers bzw. Bieters bei Erkennen/Erkennbarkeit des Verstoßes - Erforderlichkeit der Rüge vgl. auch § 107 III GWB).
Der Umstand, daß hinsichtlich der VOL/A und der VOL/B kaum gerichtliche Verfahren anzutreffen sind, besagt nicht, daß sich diese Fallgestaltungen nicht ergeben können.
Vgl. z.B. BGH BGHZ 108, 211 zu § 17 Nr. 4 S. 1 VOL/B.
Im übrigen auf die Schlichtungspflicht nach § 19 Nr. 1 VOL/B hinzuweisen, die sicherlich auch dazu beigetragen hat, daß überflüssige Rechtsstreitigkeiten vermieden worden sind. Vgl. auch Vergabeverordnung 2000.
Dennoch stellt dieses System von VOL/A und VOL/B, sofern man z.B. die erläuterten Unklarheiten des § 9 Ziff. 2. und 3. VOL/A außer Acht läßt, für die Vergabestellen eine Hilfe dar, die sich in einer Checklist betrachten und für die jeweilige Bearbeitung im Vergabeverfahren heranziehen läßt.
1.7. Die VOL/B als AGB und das AGBG
27 Es ist - wie bereits erwähnt - zu unterscheiden zwischen
- Individualvereinbarungen bzw. Individualverträgen - vgl. § 1 II AGBG
- sowie Allgemeinen Geschäftsbedingungen - vgl. § 1 I AGBG.
Bei Beschaffungen der öffentlichen Hand kommt es im Regelfall nur in folgenden Fällen nach der VOL/A (vgl. § 24 ) zu "Verhandlungen", nämlich
- bei Freihändiger Vergabe
- bei funktionaler Leistungsbeschreibung (Leistung ist nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbar)
- bei Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen mit dem Bieter des wirtschaftlichsten Angebots
- im "Zweifelsfall".
Das folgt aus § 24 VOL/A. Dort heißt es in § 24 Ziff. 2 Abs. 1 VOL/A eindeutig:
"Andere Verhandlungen, besonders über Änderungen der Angebote und Preise, sind unstatthaft."
Ansonsten kommt es nur im Rahmen der möglichen Markterkundung nach § 4 VOL/A sowie im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen der Bieter nach § 17 Ziff. 6 VOL/A zu möglichen Kontakten, nicht aber zu individuellen Verhandlungen. Ähnlich ist es, wenn z.B. "Muster" oder "Proben" nach § 8 Ziff. 4 VOL/A verlangt werden, sofern diese z.B. bei Projekten etc. in persönlichen Präsentationen bestehen ("Arbeitsprobe", Sozialkompetenz etc.).
Nach § 16 Ziff. 1 VOL/A soll der Auftraggeber erst ausschreiben, wenn alle Verdingungsunterlagen fertiggestellt sind - Fertigstellungsgebot.
28 Das Verfahren ist folglich grundsätzlich schriftlich und vertraulich, da Leistungsbeschreibung und Verdingungsunterlagen, Angebote und Auskünfte schriftlich erfolgen, mithin grundsätzlich keine Verhandlungen, insbesondere kein Aushandeln der Vertragsbedingungen im einzelnen, erfolgen.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die in den Leistungsbeschreibungen/ Verdingungsunterlagen enthaltenen "Vertragsbedingungen", die nur für einen Vertrag (Angebot und Zuschlag = Vertrag) mit einem Vertragspartner gelten, als "Individualvereinbarungen" dieses Vertrages angesehen werden können. Dies hat der BGH in seiner Grundsatzentscheidung bejaht, indem dort ausgeführt wird:
"Daß die Beklagte (erg. Auftraggeber) die Klausel gleichermaßen gegen über allen Anbietern verwendet hat, ist unerheblich. Nach § 1 AGBG ergibt sich die Eigenschaft als Allgemeine Geschäftsbedingung aus der Vorformulierung für viele Verträge, nicht für die Ausschreibung gegenüber mehreren Bietern, die auf den Abschluß nur eines Vertrages abzielt."
BGH NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535; hierzu auch Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 136. Im übrigen BGH NJW 1988, 1066 = ZIP 1998, 336 - Werbevertrag; weitere Nachweise bei Heinrichs, Helmut, Die Entwicklung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Jahre 1997, NJW 1998, 1447, mwNachw. Zur VOL/B auch Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., Anh. §§ 9 - 11, Rdnr. 915 ff.
29 Die Vergabestelle zieht in Abänderung des § 11 VOL/B eine Vertragsstrafe in den "individuellen Teil", also in die Leistungsbeschreibung oder in die die Individualvereinbarungen der Verdingungsunterlagen. Insofern ist dem BGH, aaO, durchaus zuzustimmen, der für diesen Teil des Vertrags den Individualcharakter bejaht, mithin die Anwendung des AGBG für diesen Teil ausschließt.
Zu beachten ist freilich, daß Vergabestellen dann in Gefahr laufen, daß diese "individuellen Klauseln" der konkreten Leistungsbeschreibung dem AGBG unterliegen, wenn diese Klausel
- vorformuliert,
- einseitig gestellt
- und für eine Vielzahl von Verträgen "gedacht" ist oder z.B. ständig gleichmäßig und unterschiedslos angewendet wird.
Hierzu BGH NJW 1998, 991 - Treuhandanstalt; auch Heinrichs, aaO, NJW 1998, 1447, 1448, mwNachw: im Zusammenhang mit Regelungen in Verdingungsunterlagen auch Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 136.
30 Ob AGB vorliegen oder eine "Individualvereinbarung" hängt folglich von den Umständen des jeweiligen Vergabeverfahrens sowie dem Verhalten der Vergabestelle ab. Grundsätzlich ist zu beachten, daß der Verwender der "Klausel" zu beweisen hat, daß diese individuell ausgehandelt worden ist.
BGH NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; Heinrichs, aaO, 1447, 14498.
Es liegt auf der Hand, daß das Nichteingreifen des AGBG für die Vergabestelle Vorteile bietet, da insbesondere die abstrakte Inhaltskontrolle des § 9 AGBG mit der Nichtigkeitsfolge der Klausel nicht eingreift, sondern lediglich die wesentlich weniger scharfen Schranken des BGB (§§ 134, 138, 306, 276 etc. BGB). Zu denken ist in all diesen Fällen freilich an die o. behandelten Ansprüche aus culpa in contrahendo, sofern z.B. der "Rahmen" der VOL/A bzw. der VOL/B verlassen wird, zumindest dann, wenn er erheblich überschritten wird.
31 Unterliegt die "Vertragsbedingung" den §§ 1 ff AGBG, so ergibt sich nachfolgende Prüfung für die jeweiligen Vertragsbedingungen = AGB-Klauseln - Checklist:
1. § 1 I AGBG:
- Vertragsbedingungen (VOL/B)
- einseitig gestellt
- vorformuliert
- für eine Vielzahl von Verträgen "gedacht".
2. § 4 AGBG:
- Vorrang der Individualabreden vor der VOL/A (individuelle und von der VOL/B abweichende "Vertragsbedingungen" der Verdingungsunterlagen)
3. § 5 AGBG
- Nichtigkeit der Klausel bei Verstoß gegen die "Unklarheitenregel" (wohl bei der VOL/B nicht anzunehmen)
4. § 3 AGBG
- Nichtigkeit von "überraschenden Klauseln" (in der VOL/B nicht anzutreffen)
5. § 2 AGBG
- siehe u. Ziff. 2.(Die Einbeziehung der VOL/B in den Vertrag)
6. § 8 AGBG
Schranken der Inhaltskontrolle - Inhaltskontrolle nur bei Klauseln, die vom Gesetz abweichen oder ergänzen/ändern
7. §§ 9 - 11 AGBG
Abstrakte Inhaltskontrolle der Klauseln - auch der Klauseln der VOL/B (s.u.)
8.§ 6 AGBG
Bei Unwirksamkeit der Klausel: Geltung der gesetzlichen Vorschriften - Vertrag bleibt im übrigen grundsätzlich wirksam.
Die einzelnen Klauseln der VOL/B unterliegen der Inhaltskontrolle. Eine Privilegierung wie bei der VOB/B scheidet aus.
Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 915; vgl. Querfeld BB 1985, 490; vgl. auch Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 75 ff.; auch Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rndr. 15 f.
2. Die "Einbeziehung" der VOL/B in den Vertrag
2.1. Die Voraussetzungen
32 Die Einbeziehung von AGB richtet sich grundsätzlich nach § 2 AGBG (bei Vertragsschluß - ausdrücklicher Hinweis, zumutbare Kenntnisnahme-möglichkeit, Einverständnis). Die Bestimmung ist zum Schutz des Endverbrauchers gedacht.
§ 2 AGBG gilt jedoch nicht im Verkehr gegenüber "Kaufleuten" bzw. mit der öffentlichen Hand (vgl. § 24 Abs. 1 Ziff. 1 bzw. 2 AGBG).
Immerhin wird auch für AGB wie die VOL/B, die gegenüber einem Kaufmann bei einem (Vertrags-)Handelsgeschäft mit diesem von der öffentlichen Hand benutzt wird, verlangt, daß eine Einbeziehungsabrede zwischen den Parteien des Vertrags erfolgt (Einigungsgrundsatz - vgl. §§ 151 1. Halbs., 150 II, 154 BGB).
Die VOL/B (wie auch die VOB/B) fällt nicht unter die Normen. Sie gilt für die Verträge mit den Auftragnehmern auch nicht als Verkehrssitte oder kraft Handelsbrauchs (Kaufleute - vgl. § 346 HGB).
Vielmehr handelt es sich schlicht um die Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand, die in keiner Weise privilegiert sind (vgl. allerdings § 23 Nr. 1 Abs. 5 AGBG für die VOB/B).
So zutreffend Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1989, Anh. §§ 9-11 Rdnr. 915, unter Hinweis auf Wahl BB 1984, 644. Nicht eindeutig Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 80, im Ergebnis aber ablehnend; ferner Daub/Eberstein, VOL/B, 4. Aufl., 1998, Einführung Rdnr. 15.
33 Voraussetzung ist vielmehr eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung hinsichtlich der Geltung der VOL/B auch im Verkehr mit Kaufleuten bzw. öffentlichen Hand, da in diesem Zusammenhang keine Besonderheiten gelten können.
Allgemein zur Einbeziehung Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 80; ferner zu den Einzelfragen Heinrichs, aaO, NJW 1998, 1447.1450. Auch Bartl, Harald, Handbuch, Rdnr. 134.
Entsprechend § 9 Ziff. 2 VOL/A wird die Vergabestelle in der Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen bereits den Hinweis aufführen, daß ergänzend die VOL/B gelten. Da der Bieter sein Angebot grundsätzlich nur auf das "Basis" der Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen zu erstellen hat, macht er die VOL/B auch zum Inhalt seines eigenen Angebotes, dessen Annahme sodann durch den Zuschlag erfolgt. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten. Die VOL/B wird auf diese Weise in den Vertrag einbezogen, wobei sich der Ablauf von Vertragsschlüssen in der Wirtschaft unterscheidet, weil der Bieter Leistungsbeschreibung/Verdingungsunterlagen grundsätzlich unverändert übernehmen muß, wenn er nicht riskieren will, daß sein Angebot nach § 23 Nr. 1 d) VOL/A nicht geprüft wird bzw. nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A ausgeschlossen wird.
34 Fügt der Anbieter seinem Angebot seine eigenen AGB bei, so stellt sich die Frage nach der Rechtsfolge. Auch liegt eine Ergänzung der Verdingungsunterlagen vor, die grundsätzlich zu dem zuvor erwähnten Ausschluß führt. Problematisch ist freilich die Frage, wie die Rechtslage ist,. wenn der Zuschlag trotz der beigefügten Fremd-AGB des Anbieters durch die Vergabestelle erteilt wird, weil man die Beifügung übersehen hat oder ihr keine Bedeutung zumißt.
Verwenden in der Wirtschaft beide Teile AGB, so gelten heute die Grundsätze der Theorie des partiellen Dissenses bzw. der partiellen Kongruenz, d.h. im Grunde gelten beide AGB, soweit sie sich nicht widersprechen und übereinstimmen. Bei sich widersprechenden Klauseln gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Problematisch sind einseitige Regelungen (z.B. Eigentumsvorbehalt des Lieferanten - teils einfacher Eigentumsvorbehalt als Handelsbrauch aufgrund stillschweigender Einbeziehung - str.).
Hierzu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., 1998, § 2 Rdnr. 101 -104, zum Eigentumsvorbehalt Rdnr. 105 - jeweils mwNachw; auch Heinrichs, aaO, NJW 1998, 1447, 1450; vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1151; BGH NJW 1985, 1838 - RIAD-Pumpen-Fall.
35 Überträgt man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall, so kommt es zunächst darauf an, ob der Bieter sein Angebot unter ausdrücklichem Ausschluß der VOL/B und alleiniger Geltung seiner eigenen AGB erstellt.
In diesem Fall liegt ein Angebot mit Bieter-AGB vor.
Erfolgt hierauf der Zuschlag (Annahme), so ist der Vertrag auf dieser Basis geschlossen. In Betracht kommt folglich auch ein Ausschluß von der Prüfung bzw. Wertung nach den §§ 23 Nr. 1 d) bzw. 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A.
Hierzu Bartl, Harald, Handbuch, 2. Aufl., 2000, Rdnr. 134.
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