Sicherheit - § 18 VOL/B - § 17 VOB/B - §§ 21 V UVgO, § 9c VOB/A

Übersicht

  1. Bankbürgschaften und Sicherheit
  2. Bürgschaftsarten und Modifizierungen
  3. Neuere Entscheidungen:
  4. Muster Bankbürgschaft

 

  • Bankbürgschaften und Sicherheit
    Bankbürgschaften gehören zu den gängigen Sicherheiten - vgl. allerdings § 21 II Nr. 5 UVgO, I  Nr. 3 VgV (Vertragsbedingungen). Sie sind auch als Bestandteil der Vergabeunterlagen (Vertragsbedinungen) allerdings nicht uneingeschränkt in der Praxis zu nutzen.
  • Bankgarantie
  • Von einer "Bankgarantie" ist z. B. in § 21 V UVgO nicht die Rede. Bankgarantien ("auf erstes Anfordern") sind keine Bürgschaften.
    Hierbei handelt es sich  nicht um Bürgschaften, sondern um ein Sicherungsinstrument im internationalen Handelsverkehr, das im Vergaberecht für Vertragsbedingungen nicht erforderlich ist.
  • Vgl. hierzu Palandt-Sprau, BGB, 80.Aufl.,  Einf v § 765, Rn.22.
  • Bürgschaft auf erstes Anfordern
  • Diese Form der Bürgschaft ist für den Auftragnehmer riskant. Sie ist eine den Gläubiger (z.B.öffentlichen Autraggeber besonders privilegierende und für den Bürgen besonders scharfe Form der (Bank-)Bürgsschaft, aber nicht ausgeschlossen. Es genügt hier, dass der Gäubiger (Auftraggeber) erklärt, die in der Bürgschaft a.e.A. (z.B. Verzug etc.) sei eingetreten.
  • Vgl.Palandt-Sprau,,aaO, Einfv§ 705 Rn.12; auch z.B. Leinemann,VOB/B, 6. Aufl, § 17 Rn. 103 f, 105

Bürgschaften - Schranken

  • Wie bereits § 14 Nr. 1 VOL/A verlangt auch § 21 II Nr. 5 UVgO (nicht so § 29 II VgV) , daß Sicherheitsleistungen nur zu fordern sind,
    • wenn sie ausnahmsweise
    • für die sach- und fristgemäße Durchführung der verlangten Leistung
    • notwendig sind.
    Im übrigen wird eine Obergrenze von 5 % der Auftragssumme als verbindliche "Leitlinie" vorgesehen ("soll nicht überschreiten"), so dass das Überschreiten den Auftraggeber zur Begründung zwingt.
  • Insoweit ist ferner auf §§ 9c bzw. 9c EU-VOB/A (weitergehend als UVgO,VgV) zu verweisen.
  • Nach § 17 IV S. 3 VOB/B ist eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht zugelassen.
  • Zivilrechtlich liegen insofern meist für eine Vielzahl von Verträgen verwendete AGB-Klauseln vor, die der Inhaltskontrollenach den §§ 305,310 BGB unterliegen. Ob in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren diese Inhaltskontrolle durchgeführt wird, ist str. Die zivilrechtliche Rechtprechung hat vielfach insbesondere überzogene Sicherungsklauseln auch der öffenlichen Hand als unwirksam angesehen.
  • Hierzu Ziekow/Völlink - Gaede/Hänsel, § 9c VOB/A-EU, Rn. 3 m.w.Nachw. ; zur VOB/BLeinemann,VOB/B, 6. Aufl, § 17 Rn. 103 f, 104 -

 

 Entscheidungsauswahl

  • BGH, Urt. v. 16.7.2020 - VII ZR 159/19 - Unwirksamkeit von § 4 BVB in der Fassung des Vergabehandbuchs des Bundes - Ausgabe 2008 - Stand Mai 2010 - Sicherheit u. a. durch Bankbürgschafrt - für Vertragserfüllung 5 %, für Mängelansprüche 3 % - Unwirksamkeit nach §§ 305c II, 307 I Nr. 1 BGB: unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers
  • OLG Celle, Urt. v. 2.10.2019 - 14 U 94/19 - Wand- und Fassadenarbeiten - Inanspruchnahme des Bürgen aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Bareinbehalt von 10 %) - Vertragsbestimmung nicht nur für einen Vertrag, sondern AGB (Vielzahl) - Aus- und Verhandeln, unangemessene Übersicherung bei mehr als 6 % (OLG Celle NZBau 2018, 106) - unzulässige Kumulation Sicherheit bis 10 % der Auftragssumme - Teilunwirksamkeit führt zur Gesamtunwirksamkeit der Gesamtrgelung in AGB
  •  OLG Frankfurt, Hinweisbeschl. v. 28.10.2019 - 21 U 47/19 - Unwirksame  Vertragserfüllungsbürgschaft von 10 % unangemessen, "wenn bei verwenderfeindlichster Auslegung nicht nur die die bis zur Abnahme entstandenen Ansprüche, sondern auch solche ansprüche erfasst werden, die im Zeitraum nach Abnahme entstehen (BGHZ 200, 326....) - weiterführende umfangreiche Begründung für Unangemessenheit etc.
  • Notwendig ist eine m.E. eine nachvollziehbare Risikoprognose.Eine anlaßlose und schematische Festlegung von Sicherheitsleistungen kann ein vergaberechtlichrn Verstoß sein. Hierin kann eine rechtswidrige Belastung der Bieter liegen, die gegebenenfalls iim EU-weiten Vergabeverfahren zur Anrufung der Vergabekammer führen kann.
  •  Ohnehin  dürfen Aufträge nur an leistungsfähige, fachkundige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden . Von daher ist in der Regel schon eine ausreichende Sicherheit gegeben. In der Praxis stellt sich damit die Frage, ob die Voraussetzungen für das Verlangen einer Sicherheit vorteilhaft oder weiterführend ist. Es dürfte sich um  Ausnahmefällen, nicht die Regel handeln. Allerdings scheint die Praxis nicht selten gewissermaßen "automatisch"ohne Prüfung des Einzelfalls jedenfalls bei allen größeren Projekten etc. Sicherheiten vorzusehen. Die  Absicherung der sach- und fristgemäßen Durchführung, also vor allem der mangelfreien und fristgemäßen Erledigung des Auftrags erfordern das vielfach nicht.
  • § 18 Nr. 1 II VOL/B spricht deutlich von der Sicherstellung der vertragsgemäßen Ausführung der Leistung und der Gewährleistung. Nicht betroffen sind in beiden Bestimmungen Sicherheiten für Vorleistungen oder Abschlagszahlungen. Insofern sind die entsprechenden Haushaltsvorschriften zu beachten, insbesondere die §§ 34, 56 BHO einschließlich der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zu BHO (Vorl. VV-BHO), in denen für Vorleistungen etc. eine vertragliche Bestimmung über die jeweilige Sicherheitsleistung zu treffen ist (Hinterlegung, Pfandrechte, Stellung tauglicher Bürgen, Forderungsabtretung, Sicherungsübereignung etc.).
  • Sofern unter den vorher genannten Voraussetzungen Sicherheitsleistungen zulässigerweise in die Vergabeunterlagen aufgenommen werden, gelten nach § 18 Nr. 1 VOL/B die §§ 232 bis 240 BGB, die allerdings durch die Bestimmungen des § 18 Nr. 2 -7 VOL/B modifiziert sind.

    § 18 Nr. 2 I VOL/B zählt für den Fall fehlender Vereinbarungen die möglichen Arten der Sicherheitsleistungen wie folgt auf:
  • Sicherheitsleistung durch Hinterlegung von Geld
  • Sicherheitsleistung durch Bürgschaft eines tauglichen Bürgen (gegebenenfalls Verlangen des Nachweises) , insbesondere durch ein in der EU oder in einem EWR- oder GATS-Mitgliedstaat zugelassenes Kreditinstitut oder einen Kreditversicherer.
  • Bürgschaftsarten und Modifizierungen

    Da § 18 Nr. 2 I VOL/B eine "Kann-Vorschrift" ist, können die Vertragsparteien auch andere Sicherheiten wählen, sofern sie für die Abweichung sachliche Gründe darlegen und nachweisen können. Allerdings sind die beiden Möglichkeiten der Sicherheiten nicht grundlos vorgegeben; denn andere Arten der Sicherheiten führen zu größerem Aufwand oder bieten niedrigere Sicherheitsstufe (Verpfändung beweglicher Sachen, Bestellung von Schiffshypotheken, Hypotheken, Gund- und Rentenschulden etc.).

    Mit Recht wird indessen darauf hingewiesen, daß im Regelfall die Bankbürgschaft gewählt wird, nicht eine "Bankgarantie"oder  Bankgarantien ("auf erstes Anfordern") -s. o.

    Richtig ist, daß regelmäßig die Bürgschaft einer Bank in den Vergabeunterlagen nach entsprechender Risikoprognose wie folgt verlangt werden sollte:
    • Erfüllung der sachlich begründeten nachweislich erforderlichen zusätzlichen individuellen Vorgaben des Auftraggebers
    • gegebenenfalls Nachweis der "Bürgentauglichkeit" zur Ausräumung von begründeten Bedenken
    • schriftlich
    • Bürgschaft nach deutschen Recht
    • unter Verzicht auf die Einreden der Aufrechenbarkeit, der Anfechtbarkeit und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB)
    • Befristung
    • ausdrückliche wirksame Vereinbarung eines inländischen Gerichtsstands für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit und den Inhalt der Bürgschaftsvereinbarung - Beachtung des § 38 ZPO.


  • Muster Bankbürgschaft

    Sofern man nicht auf die üblichen Bankbürgschaftsformulare oder Vorschläge aus Formularbüchern zurückgreift, die jeweils zu überprüfen sind, könnte die Bürgschaftsabrede wie folgt formuliert werden - Vorschlag:


    "Der Auftragnehmer hat seinem Angebot eine uneingeschränkte verpflichtende Zusage über die nachfolgende Bürgschaft des zugelassenen Kreditinstituts bzw. des zugelassenen Kreditversicherers mit Zulassungsnachweis seinem Angebot beizufügen und die Bürgschaftsurkunde spätestens innerhalb von 18 Werktagen nach Zuschlag/Vertragsschluß vorzulegen.

    Das Kreditinstitut/Kreditversicherer_________________ übernimmt hiermit die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Auftragnehmer________________ zur Sicherheit aus dem Auftrag ______________________für den Fall
    • des Verzugs
    • der Nichterfüllung
    • der Mangelhaftigkeit nach Abnahme innerhalb der Gewährleistungsfrist von ____________ Jahren
    • der _____________________.
    Die Bürgschaft ist befristet bis zum ______________________.

    Die Bürgschaft ist beschränkt auf einen Höchstbetrag von 5 % der jeweils betroffenen Vergütung.

    Der Bürge verzichtet hiermit ausdrücklich auf die ihm nach dem Gesetz zustehenden Einreden, insbesondere die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung und der Vorausklage (§§ 770, 771 BGB).

    Mitteilungen, die sich auf die Bürgschaft beziehen, gelten dem Bürgen als ordnungsgemäß zugestellt, wenn sie mittels Einschreibebrief an seine letzte bekannte Adresse abgesandt worden sind.

    Der nachgewiesene völlige oder teilweise Wegfall des Sicherungszwecks verpflichtet den Auftraggeber zur unverzüglichen Rückgabe der Sicherheit bzw. zur eingeschränkten Geltendmachung der Bürgschaft bei teilweisem Wegfall des Sicherungszwecks.

    Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dieser Bürgschaft hinsichtlich Gültigkeit und der sämtlichen Vereinbarungen im übrigen ergeben sollten, ist das __________________ -gericht in ______________ .

    Für die Bürgschaft gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland."



     Dies Bürgschaftsvereinbarung ist im Einzelfall  individuell für den konkreten Vertrag vor allem auf ihre Notwendigkeit, ihre Höhe und insbesondere auch unter dem Aspekt der Übersicherung durch einen fachkundigen Rechtsberater zu überprüfen ist. Die schematische und mißbräuchliche - ständige - gleichlautende Benutzung der Formulierung kann zum Eingreifen der §§ 3005 ff BGB und damit zur Inhaltskontrolle führen, wenn auch eine in den "Individualteil" der Vergabeunterlagen aufgenommene Abrede grundsätzlich nicht dem AGB-Grundsätzen unterliegt. Im übrigen sind bei "überflüssiger Bürgschaft" infolge des Verstoßes Schadensersatzansprüche bzw. die Anrufung der Vergabekammer im EU-weiten Vergabeverfahren denkbar. Das ist streitig (Inhaltskontrolle im Nachprüfungsverfahren?).

    ~0591