Aktuelles
Vergabestelle
Beschaffungsstelle
Bedarfsstelle
Beteiligte am Vergabeverfahren
Qualifikation der Mitarbeiter

Kritisch ist darauf hinzuweisen, daß die Vergabe in "Personalunion" im Beschaffungs-, Bedarfs- und Abwicklungsbereich sich aus praktischen und wirtschaftlichen Gründen vielfach nicht vermeiden läßt.

Das "Trennungsprinzip" in personeller Hinsicht bezüglich der jeweiligen Aufgaben (Fachabteilung/Bedarfsstelle, Vergabestelle, Abnahme, Abwicklung, Zahlung etc.) hat mehr Nachteile, als Vorteile - immerhin sind dadurch stärkere "Kontrollen" zumindest in formaler Hinsicht vorgesehen. Wichtig ist, daß wohl Übereinstimmung in der Theorie besteht, wonach das "Rotationsprinzip" sich wirtschaftlich sehr negativ auswirken kann. Man verliert wertvolles know how durch entsprechende Wechsel. Mitarbeiter in Vergabestellen ohne entsprechende Fachkenntnisse sind teuer. Mit Recht verlangt man auch "Charakterstärke" und fundierte Mindestwissen z.B. der volkswirtschaftlichen Markt- und Wettbewerbstheorie, betriebswirtschaftliche Kenntnisse insbesondere der Kalkulation etc. Dem ist sicherlich uneingeschränkt zuzustimmen. In diesen Feststellungen liegt freilich ebenso wie in den o. unter A.6.2. anzutreffenden Ausführungen eine berechtigte Kritik an den derzeitigen Verhältnissen, vor allem an den "Führungsetagen" der Vergabestellen, in denen entsprechendes Denken fehlt oder nicht ausreichend vorhanden ist. Das kostet den Staat jährlich Milliarden. Vielen Mitarbeitern ist dies freilich meist nicht vorwerfbar, weil sie nicht mit dem "Erforderlichen" ausgestattet werden. Sie sind schlicht "überfordert" .
Vgl. hierzu auch Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., 2000, Einführung Rdnr. 90 ff.

Vgl. auch Befangenheit - Doppelmandate.

Anforderungen an Mitarbeiter der Vergabestelle


Die von CitoExpert in Veranstaltungen durchgeführten Befragungen ergeben ein wenig erfreuliches Bild:
Zahlreiche Mitarbeiter der öffentlichen Hand werden vielfach von jetzt-auf-gleich in den Einkauf „versetzt“, ohne für diese Tätigkeit in irgendeiner Weise vorbereitet zu sein, da die Ausbildung der öffentlichen Hand (Fachhochschulen etc.) die Materie allenfalls in Überblicken streift. Für die Aus- und Fortbildung mancher Mitarbeiter der öffentlichen Hand mit Millionenbudgets wird ebenfalls zu wenig getan. Die teils irreführenden Texte des Vergaberechts führen zu schwerwiegenden Fehlern. Das steht nicht nur im Gegensatz zu den Vorgaben der EU. In der Mitteilung der EU-Kommission v. 7.5.2003 (KOM/2003, 203, endgültig)- Binnenmarktstrategie – Vorrangige Aufgaben 2003-2006 – sind unter „5. Ausweitung der Möglichkeiten im Vergabeverfahren“ unter a) (S. 19) folgende Ausführungen anzutreffen:
„Um eine bessere Befolgung der Vergabevorschriften zu erreichen, müssen auch die Fachkenntnisse der für Beschaffung zuständigen Mitarbeiter verbessert werden. Wer öffentliche Gelder in großen Summen ausgibt, sollte mit den Ausschreibungsvorschriften hundertprozentig vertraut sein. Die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter im Beschaffungswesen an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen können, um dort Fachkenntnisse zu erwerben und Fertigkeiten zu entwickeln, die sie aufgrund der Bedeutung ihrer Tätigkeit benötigen.“
In der weiteren Mitteilung der EU-Kommission vom 10.2.2004 (KOM/2004 101 endg.) wird mit Recht die Verbesserung der Qualität von allgemeiner und beruflicher Bildung in der Union mit Blick auf das Humankapital als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren verlangt.
Die Mitarbeiter der Beschaffungsstellen in einer Vergabestelle werden vielfach in ihrer Bedeutung und hinsichtlich ihrer Aufgaben vielfach unterschätzt und nicht selten auch unzutreffend eingruppiert. Dabei ist die Beschaffung gerade heute eine besonderes wichtige Aufgabe – sowohl beim Staat wie in der Privatwirtschaft. Beschaffung ist eine Sache für Spezialisten - nicht nur dann, wenn es um Großprojekte wie etwa das LKW-Mautsystem geht. Es grenzt an die Verletzung der Fürsorgepflicht, einen Mitarbeiter ohne entsprechende Ausbildung mit der Beschaffung zu betrauen. Auch mit der Überlassung von Texten und Rastern ist es nicht getan. Technisches, betriebswirtschaftliches und rechtliches Know how sind unumgänglich. Bei dem Gesamteinkaufsvolumen der öffentlichen Hand ergeben sich hier – wie übrigens auch entsprechend bei der Privatwirtschaft – enorme Ressourcen. Was man als Mitarbeiter einer Vergabestelle in der Beschaffungsstelle bzw. der Bedarfsstelle beherrschen sollte – m.E. muss – zeigt folgende Übersicht.

Die Kenntnis der aktuellen Informationen – Neuerungen – aktuelle nationale und EU-Entscheidungen – ist unumgänglich. Die Entwicklung birgt laufende Überraschungen, Klippen und Hürden. In den letzten Jahren wurden die Vorschriften teils auch kurzfristig mehrfach geändert. Vgl. www.vergabetip.de !
1. Zusammenarbeit von Bedarfsstelle - Beschaffungsstelle - Haushaltsbeauftragte - Auftragsberatungsstellen - Vergabegremien - Befangenheit (vgl. § 16 Vergabeverordnung <VgV>) - ausgeschlossene Personen - Organisation der Beschaffung - Abläufe etc. – zuständige Personen - Organisation der Beschaffung - Abläufe etc. – Dienstanweisung - Verwaltungsvorschriften
2. Kenntnis der Grundsätze des Vergabeverfahrens (Gleichbehandlungsgebot, Transparenzgebot, Vertraulichkeitsgebot, Mittelstands- und Kleinbetriebsberücksichtigung, Verbot vergabefremder Kriterien etc.) vgl. §§ 2 VOL/A, auch 2 Nr. 1 VOB/A, 97 ff GWB) – Zusammenspiel von VOL/A bzw. VOB/A mit der VOL/B bzw. VOB/A – Grundsätze des BGB
3. Kenntnis der Folgen von Verstößen gegen die VOL/A - VOB/A - Überprüfungssystem - Revision - Kontrolle durch Rechnungshöfe etc. - Dienstaufsichtsbeschwerde - Schadensersatzansprüche - Rechtsaufsicht - EU-weite Vergabeverfahren: Vergabekammer – Überprüfungsverfahren und Folgen
4. Haushaltsrecht - Notwendigkeit - Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit - vgl. HHO - gegebenenfalls Wirtschaftlichkeitsrechnungen - Kosten-/Nutzenanalysen etc. bei größeren Aufträgen – Markterkundung (§ 4 VOL/A) - Kostenschätzung/Auftragswertschätzung auf nachprüfbarer Basis bzw. auf realistischen und zutreffenden Daten - Abgrenzung "nationale Vergabeverfahren" - EU-weite Vergabeverfahren - Auftragswertschätzung - vgl. §§ 2, 3 VgV; 3 a, 3 b VOL/A, 1 SKR, 3a VOB/A - Preissystem (VO PR 30/53 – Bauverträge: § 5 VOB/A)
5. Unterscheidung Bauleistungen (VOB/A/B)- Lieferungen und Leistungen (VOL/A/VOLB/BVB/EVB-IT) – Freiberuflerleistungen – Sektorenleistungen (HHO - VOL/A/VOB/A: "a-§§" + Basis-§§ - - b- §§ - SKR-Bestimmungen - VOF
6. Überprüfung der Anforderungen der Bedarfsstellen - vor allem "Neutralität", Vollständigkeit und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibungen - Ergänzungen der Leistungsbeschreibungen - Erkennen von Einsatzzweck und -risiken (Inhalt der Leistungsbeschreibung) – bereits erkennbare Änderungen (vgl. § 2, 3 VOL/B, 3, 4 VOB/B – ferner §§ 8, 10 VOL/A bzw. VOB/A - Benutzung von vorgegebenen Leistungsscheinen (z.B. BVB-EVB-IT-Leistungsscheine) – Kenntnis des Mängelhaftungssystems des BGB – Sachverständigeneinschaltung nach §§ 6, VOL/A bzw. 7 VOB/A – Risikoanalyse Ausfall – Nichterfüllung – Falsch- und Minderlieferungen – Notfallpläne - organisatorische Zusatzmaßnahmen
7. Technische, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse - Markterkundung/Preiserkundung - Marktübersicht (mit Preisübersicht) - erhebliche Fehlerquelle (kaum später korrigierbar) –technische, bettriebswirtschaftliche und rechtliche Risikoanalyse bzw. Prognose - vgl. im übrigen § 4 VOL/A
8. Risikoanalyse Termin - Zeitrahmen - "angemessen" - vgl. §§ 11 VOL/A bzw. VOB/A –Terminrisiken – Kenntnis des Verzugssystems des BGB - Folgen von Pflichtverletzungen – zusätzliche interne Absicherungen – Erfassung der Mitwirkungspflichten §§ 13 VOL/A bzw. 13 VOOB/A – ferner §§ 14 VOL/B bzw. § 13 VOB/B – vgl. §§ 3, 4 VOL/B bzw. 3, 4 V/OB/B
9. Vertragsstrafen - Notwendigkeit und Rahmen (5 % Obergrenze?) – individuelle Festlegung – Risikoanalyse – Vorbehaltssicherung §§ 12 VOL/A bzw. VOB/A (Beschleunigungsvergütungen) - §§ 11 VOL/B 11 VOB/A
10. Schadenspauschalierungen - Verzugssystem, Nichterfüllung und Ausfall infolge Mangels etc. – Pflichtverletzungs- und Mängelhaftungssystem des BGB - §§ 14 VOL/B – bzw. 13 VOB/B – Technische Spezifikationen – EG-Normen etc.
11. Sicherheiten - Höhe (5 %/3 % - vgl. § 14 VOL/A bzw. § 14 VOL/A) – Grenzen und Vorgaben – vgl. §§ 18 VOL/B bzw. 18 VOB/B - Erforderlichkeit (?) trotz Prüfung der Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit - vgl. §§ 2 Nr. 3, 25 Nr. 2 (1) VOL/A
12. Kenntnis des Preissystems nach der VO PR 30/53 - Marktpreise - Selbstfestpreise, -richtpreise, -erstattungspreise - vgl. § 15 VOL/A bzw. §§ 5, 15 VOB/A – Abrechnungs- und Zahlungsmodalitäten vgl. §§ 15 ff VOL/B – 15 ff VOB/B
13. Wertungskriterien - vgl. §§ 25 Nr. 1, 2 und 3 VOL/A – 25 Nr. 1 – 4, 25 a VOB/A –Nachweise nach §§ 9a VOL/A bzw. § 10 a VOB/A - § 8 Nr. 3 III VOB/A - gefährliche Fehlerquelle – „Projektantenproblem“
14. Vergabearten - richtige Wahl der Vergabeart - Öffentliche (Offenes Verfahren) Ausschreibung - Beschränkte Ausschreibung (Nichtoffenes Verfahren) - Freihändige Vergabe (Verhandlungsverfahren) - §§ 3, 3 a, 3, 3 a VO/A, VOB/A, 5 VOF
15. Kenntnis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand - VOL/B - VOB/B – BVB-EVB-IT - Zusätzliche oder Ergänzende Vertragsbedingungen - Bedeutung der "Individualvertragsbedingungen" – Erforderlichkeit von „Besonderen Vertragsbedingungen“ - §§ 9 Nr. 2 III S. 2 VOL/A bzw. § 10 Nr. 2 II VOB/A
16. Kenntnis des Fristensystems in öffentlichen Vergabeverfahren - Angebotsfrist, Abforderungsfrist, Bindefrist, Zuschlagsfrist etc.) - vgl. im EU-weiten Vergabeverfahren: § 18 a VOL/A - § 18 a VOB/A
17. Vollständige Fertigstellung der Vergabeunterlagen – „Vergabereife“ - Folgen von Verstößen (Unvollständige Vorbereitung und Abschluß - falsche Kostenschätzung - keine Klärung der Haushaltsmittel - Übergehen vorgegebener Organisationsabläufe - Missbrauch des Vergabeverfahrens für Ertragsberechnungen, Planungsleistungen ("als Angebot" - "offene Leistungsbeschreibungen" ohne Begründung – Fragenkataloge statt Leistungsbeschreibung ) - vgl. §§ 16 VOL/A bzw. VOB/A – Einschaltung von Sachverständigen – Voraussetzungen §§ 6 VOL/A bzw. 7 VOB/A
18. Formale Verstöße und inhaltliche Unvollständigkeiten der Bekanntmachung/Aufforderung zur Angebotsabgabe- vgl. z.B. §§ 17 Nr. 1 II; Nr. 2 I, II VOL/A bzw. § 17 Nr. 1 II, Nr. 2 II VOB/A – Bekanntmachungsmuster im EU-Verfahren – CPV-Code – Transparenzgebot – Bekanntmachungsmindestinhalt – Wertungskriterien – Nebenangebote – Änderungsvorschlage – Generalübernehmer etc.
19. Verstöße gegen die §§ 22 ff VOL/A bzw. 22 ff VOB/A(Eingang, Öffnung, Eröffnungstermin, Prüfung, „Zweifelsverhandlungen“ und Grenzen, Wertung)
20. Informationspflichten vor Zuschlag - § 13 VgV – Kenntnis von den Folgen der Unterlassung der Informationspflicht
21. Bedeutung von Zuschlag und Vertragsurkunde §§ 28, 39 VOL/A bzw. VOB/A – Systematik der §§ 151, 150 I, II, 147, 130 BGB
23. Voraussetzungen der Aufhebung – Folgen unberechtigter Aufhebung – Überprüfbarkeit der Aufhebung insbesondere im EU-Verfahren - §§ 26 VOL/A bzw. 26, 26 a VOB/A.
24. Bekanntmachungspflichten nach den §§ 28 a VOL/A bzw. VOB/A – Melde und Berichtspflichten Nach 30 a VOL/A bzw. 33 VOB/A
25. Abwicklungsvorgaben für die Bedarfsstellen bzw. realisierenden Stellen – Erfassung von Unzuverlässigkeit, fehlender Fachkunde und fehlender Leistungsfähigkeit – Dokumentation des Vorgangs
Diese 25 Punkte kennzeichnen das Leistungsprofil im übrigen nicht abschließend. Vielleicht bilden diese Punkte in der einen oder anderen Vergabestelle Anlass, Organisation, Mitarbeiterwissen und Planung der Ausbildung zu überdenken. Das gilt selbst für Vergabestellen, in denen bereits erhebliche Anstrengungen unternommen worden sind, die Beschaffung zu professionalisieren. Dazu gehört auch eine nach aktuellen Grundsätzen gestaltete Organisationsanweisung, die bürokratischen Aufwand vermeidet und Zuständigkeiten und Kompetenzen fachgerecht mit Blick auf die Erfordernisse der jeweiligen Vergabestelle regelt.


*) Prof. Dr. Harald Bartl, Frankfurt am Main, Veröffentlichungen zum Vergaberecht, Handbuch öffentliche Aufträge, wissenschaftliche Leitung des Systems Vergabeprofi® – www.vergabetip.de.


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