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Bestimmungsrecht des Auftraggebers – Markterkundung überflüssig?

In früheren Jahren wurden „Markterkundung“ und Marktübersicht als unumgänglich angesehen (vgl. auch §§ 2 IV VOB/A, 2 III VOL/A). In den beiden letzten Jahren, insbesondere in 2014, vollzog sich insofern in der Rechtsprechung ein Wandel. 2014 war insofern auch das Jahr des „Bestimmungsrechts“. Allerdings ist dieses Recht nicht grenzenlos. Für eine bestimmte Leistung müssen nachvollziehbare Gründe dokumentiert werden. Das Bestimmungsrecht kann sich auf wirtschaftliche (Wirtschaftlichkeitsrechnung etc.) oder technische Gründe (belegbare Inkompatibilät etc.) beziehen.

Wird das Bestimmungsrecht missbraucht und z. B. vergaberechtswidrig ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt (vgl. § 3 IV c EG VOL/A: nur ein bestimmtes Unternehmen etc.), so wird gegen die §§ 101a, 101b GWB verstoßen (Unwirksamkeit des Vertrags).

Zur Absicherung sollte das Recht zur Leistungsbestimmung in den Grenzen zwar genutzt, aber gleichzeitig eine „flankierende Markterkundung“ durchgeführt werden.Sofern sich infolge des Bestimmungsrechts abzeichnet, dass aller Voraussicht nur eine konkrete Leistung X in Betracht kommt, stellt sich spätestens hier die Frage, welche Konkurrenzleistungen auf dem Markt sind, sofern der Auftraggeber diese Frage nicht bereits „im Rahmen des Bestimmungsrechts“ mit berücksichtigt hat. Das zeigt, dass die „Lehre“ vom Bestimmungsrecht vergaberechtlich kritisch zu sehen ist – ganz abgesehen von wirtschaftlicher Aspekt eines erfolgreichen Einkaufs.

Meist finden sich insofern folgende Ausführungen in den Entscheidungen: “In Vergabenachprüfungsverfahren ist die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstands und der Bedingungen für die Auftragsvergabe zu respektieren (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. März 2013, VII-Verg 6/13). Eine Grenze findet die Bestimmungsfreiheit in § 8 EG Abs. 7 Satz 1 VOL/A. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Auftraggeber in seinen technischen Anforderungen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft, ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist.“

Rechten, Stephan/Portner, David, Wie viel Wettbewerb muss sein? – Das Spannungsverhältnis zwischen Beschaffungsautonomie und Wettbewerbsprinzip, NZBau 2014, 276

Entscheidungen:

Unzulässige Ausübung des Bestimmungsrecht - Vergabekammer Bund, Beschl. v. 09.05.2014 - VK 2 - 33/14 – Rahmenvertrag „Druckerverbrauchsmaterial“ – unzulässige Bindung an Lieferung durch Vermieter der Fotokopiergeräte

Berechtigte Ausübung - Vergabekammer Bund, Beschl. v. 23.01.2014, VK 2 - 126/13 – Röhrchenlieferung mit bestimmten Eigenschaften für Forschung – gerechtfertigte Ausübung des Bestimmungsrechts

Rechtfertigung durch Wirtschaftlichkeitsrechnung - Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 27.01.2014 - 2 VK 15/13 – Software - kamerales Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen: Bei der Beschaffungsentscheidung ist der Auftraggeber vergaberechtlich grundsätzlich ungebunden. Vergaberechtliche Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers bestehen nur insoweit, als dieser grundsätzlich gehalten ist, den Marktzugang für alle potentiellen Bieter offen zu halten, indem er nach Möglichkeit Beschränkungen des Wettbewerbs durch zu enge, auf bestimmte Produkte oder Bieter zugeschnittene Leistungsbeschreibungen unterlässt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2013, 15 Verg 5/13, vpr-online; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.05.2013, Verg 16/12, Rdnr. 33, juris). Diese Grenzen sind indes eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind, und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (OLG Düsseldorf, OLG Karlsruhe, jeweils a.a.O.)“ - Die Entscheidung des Auftraggebers ist nach der Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern, aaO, nur beschränkt überprüfbar – Grenze bildet daneben die „Zumutbarkeit“: “Dabei bleibt die Überprüfung im Nachprüfungsverfahren aber auf die Frage beschränkt, ob nach dem Erkenntnishorizont des öffentlichen Auftraggebers zur Zeit der Entscheidung über die Festlegung des Beschaffungsbedarfs sachliche und auftragsbezogene Gründe für die Festlegung des Beschaffungsgegenstands vorhanden waren und der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Die vergaberechtlichen Prüfungs- und Untersuchungspflichten des Auftraggebers unterliegen nämlich Zumutbarkeitsgrenzen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2013, 15 Verg 5/13, .... unter Berufung auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012 - Verg 10/12 ....). Dies begründet sich damit, dass die Zielsetzung des Vergaberechts darin liegt, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Vergabeentscheidungen aus sachfremden, diskriminierenden Gründen zu verhindern, nicht jedoch, dem öffentlichen Auftraggeber das vergaberechtliche Risiko einer unverschuldeten Fehlbeurteilung seines Beschaffungsbedarfs oder einer Fehleinschätzung von wirtschaftlichen oder technischen Entscheidungsgrundlagen zuzuweisen. Der öffentliche Auftraggeber verhält sich daher jedenfalls dann vergaberechtskonform, wenn er ihm zumutbare Ermittlungen zur Feststellung und Festlegung seines Beschaffungsbedarfs anstellt, insbesondere - wenn ihm selbst die erforderliche Sachkunde fehlt - die Beratung durch ein Beratungsunternehmen in Anspruch nimmt und die für die Festlegung des Beschaffungsgegenstands maßgeblichen Umstände gewissenhaft prüft und auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, dass sachliche Gründe vorliegen, die die konkrete Festlegung seines Beschaffungsbedarfs rechtfertigen. Der Vergabestelle kommt hierbei ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu (OLG Karlsruhe, a.a.O.).“ Ferner die Vergabekammer Sachsen, Beschl. v. 07.03.2014 - 1/SVK/048 – 13 – Rettungsdienste - „Ein Auftraggeber hat zunächst einen erheblichen Spielraum bei der Bestimmung der zu beschaffenden Leistung. Die Leistungsbestimmung ist dem Vergabeverfahren zeitlich vorgelagert. Zudem steht einem Auftraggeber bei der Auswahl und Festsetzung der Bewertungskriterien ein von der Vergabekammer nicht überprüfbarer Wertungsspielraum zu (vgl. EuG Urt. v. 19. 3.2010 - T-50/05, OLG Düsseldorf, B. v. 30.07.2009, VII Verg 10/09).

Markerkundung damit überflüssig? Vgl. insofern auch § 2 III EG VOL/A. Einschränkend insofern die Vergabekammer Bund, Beschl. v. 23.01.2014, VK 2 - 126 / 13 – Röhrchenlieferung: „Der Auftraggeber darf nach sachlichen Kriterien differenzieren, die sich aus der Art der zu vergebenden Leistung ergeben. Voraussetzung ist, dass er sich vor Festlegung der Ausschreibungsbedingungen einen möglichst breiten Überblick über die in Betracht kommenden technischen Alternativen verschafft hat (Prieß, a.a.O, § 8 EG Rn. 110). Ausgehend hiervon kann nicht festgestellt werden, dass die Auftraggeberin gegen § 8 EG Abs. 7 VOL/A verstoßen hat.“

 

Besondere Anforderungen an

  • Bewerber - vgl. § 7 Nr. 4 VOL/A
  • sowie Leistungen - vgl. § 8 Nr. 2 und 3 VOL/A

dürfen vom öffentlichen Auftraggeber in Verdingungsunterlagen nur gestellt werden, wenn dies nachgewiesenermaßen unumgänglich (erforderlich) ist; denn dadurch wird der Wettbewerb entweder über die Eingrenzung der Bewerber oder über die Leistungsmerkmale beschränkt oder ausgeschlossen (grundsätzlich unzulässig: bestimmte Erzeugnisse, bestimmte Verfahren, bestimmte Bezeichnungen, Marken (nicht Tempotaschentücher, sondern Papiertaschentücher) etc.

Auch der Zusatz "oder gleichwertiger Art" bei Benennung bestimmter Produkte oder Marken sollte nicht ohne zwingende Erforderlichkeit mißbraucht werden - allenfalls z.B. im Kleinvergabeverfahren. In keinem Fall wird dadurch ein Freibrief erreicht. Natürlich erspart die Benennung eines bestimmten Produkts auf den ersten Blick z.B. eine umfangreiche technische Leistungsbeschreibung und "neutralisiert" diese (besser "relativiert" die Leistungsbeschreibung nur).

Man muß aber bedenken, daß der Bewerber/Bieter in diesen Fällen erheblichen Aufwand haben wird, um vor allem die "Gleichwertigkeit" nachzuweisen. Dazu muß ein sachlicher Grund gegeben sein (z.B. umständliche und umfangreiche Leistungsbeschreibung mit technischen Trivialitäten und Allgemeinplätzen etc. oder auf der Basis einer nur mit erheblichem Aufwand mit Hilfe von Bewerberkatalogen zu erstellende Leistungsbeschreibung).

In allen Fällen ist Vorsicht geboten; denn die anzutreffenden Verstöße können schwerwiegende Folgen auch im nationalen Vergabeverfahren haben
(Dienstaufsichtsbeschwerde, Rechtsaufsicht, Rechnungshöfe, Schadensersatz) - neben den ebenfalls eintretenden Zeitverlusten und dem Mehraufwand durch den Zusatzvorgang.

Im EU-weiten Vergabeverfahren droht die Verfahrensrüge bzw. die Anrufung der Vergabekammer

Hinweis:

Im EU-weiten Vergabeverfahren kann die Abweichung von diesem Prinzip der Neutralität der Leistungsbeschreibung zur Aufhebung des Vergabeverfahrens nach Anrufung der Vergabekammer führen (Vergabekammer des Bundes - VK A - 20/99 - Beschluß vom 14.9.1999 - Büromöbel: "Ein bestimmtes Erzeugnis ist vielmehr schon dann vorgeschrieben, wenn es nach Form, Stofflichkeit, Aussehen oder technischen Merkmalen so präzise definiert ist, daß es dem Bieter insoweit keine Ausweichmöglichkeit beläßt (Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes - 1 VÜ 2/97 - Beschluß vom 23.4.1997 -.Schleusentechnik ...). Die Vergabestelle hat in der Leistungsbeschreibung die Werkstoffe, Maße und Formengeometrie der Büroarbeitsplätze bis ins Detail vorgegeben. Nebenangebote waren nicht zugelassen. Ein bestimmtes Erzeugnis i.S.d. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A liegt somit vor..... Auch Erwägungen der Standardisierung und Kompatibilität dürfen nicht dazu führen, daß eine frühere Entscheidung der Vergabestelle für einen Anbieter diesem faktisch auch die nachfolgenden Ergänzungsauftrage sichert. Anderen Bietern muß die Chance erhalten bleiben, die Vergabestelle von der Leistungsfähigkeit ihrer Produkte zu überzeugen. Im Falle sehr detaillierter Leistungsbeschreibungen bildet die Möglichkeit von Nebenangeboten das notwendige, vergaberechtlich vorgesehene Ventil für einen Restwettbewerb durch Bieter, die das ausgeschriebene Produkt in dieser Form nicht anbieten können oder wollen. Auch wenn die Vergabestelle ihren Beschaffungswunsch aus nachvollziehbaren Gründen schon weitestgehend konkretisiert hat, muß sie dennoch einen Rest an Innovationswettbewerb über Nebenangebote ermöglichen."



Bestimmte Erzeugnisse
Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

Bestimmte Verfahren
Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

Bestimmte Bezeichnungen
Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

Marken
Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

oder gleichwertiger Art
Der Zusatz wird gewählt, sofern Marken in der Leistungsbeschreibung enthalten sind, um dem "Neutralitätsgrundsatz" zu entsprechen. Marken dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

Bestimmte Produkte
Bestimmte Erzeugnisse dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

Gleichwertigkeit
Bieter können bei Nachweis der Gleichwertigkeit ihrer Leistung bzw. bei zugelassenen Nebenangeboten oder Änderungsvorschlägen in den Bewerber-/Bieterkreis einbezogen werden. Vergabestellen müssen darauf hingewiesen werden, daß die Erarbeitung von Nebenangeboten und/oder Änderungsvorschlägen häufig einen erheblichen Aufwand der Bieter zur Folge hat. Das gilt vor allem für die nicht selten sehr schwierigen nachweis der Gleichwertigkeit (Sachverständigenkosten etc.). Höchste Aufmerksamkeit ist daher einer idealen Leistungsbeschreibung zu widmen, die derartige abschreckende Kosten der Bieter oder Bewerber vermeidet.

Daneben wird der Zusatz "oder gleichwertiger Art" gewählt, sofern Marken in der Leistungsbeschreibung enthalten sind, um dem "Neutralitätsgrundsatz" zu entsprechen. Marken dürfen nur im Ausnahmefall in der Leistungsbeschreibung enthalten sein - vgl. § 8 Nr. 3 VOL/A. Hier eine nachprüfbare Begründung erforderlich. Insoweit ist der Neutralitätsgrundsatz der Leistungsbescheibung zu beachten. Verstöße hiergegen stellen schwere Fehler dar.

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