Vergabestelle - Beschaffungsselle - Fachabteilung/Bedarfsstelle

Vergabestelle - siehe auch "öffentlicher Auftraggeber" - Stichwort.
Die Vergabestelle ist der jeweilige öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB - §§ 98, 99 GWB

Beschaffungsstelle - Fachabteilung/Bedarfsstelle

  • Innerhalb der jeweiligen Vergabestelle treffen wir die Beschaffungsstelle = "Einkauf" und die Fachabteilungen (auch Bedarfsstellen genannt) an. Die Beschaffungsstelle = Einkauf "führt", die Fachabteilungen stellen Bedarf, Produkte, Leistungen etc. - "Bestimmungsrecht" fest, dürfen aber grundsätzlich keine Auftrage vergeben.
  • Die Einhaltung der "Grenzen" des "Bestimmungsrechts" ist auch Sache der Beschaffungsstelle.
  • Die Beschaffungsstelle hat die Beschafffungsanträge der Fachabteilungen zu überprüfen und nach Klärung aller Fragen etc. auszuführen. 

Zusammenwirken

  • In der Vergabestelle wird nach Haushaltsrecht (vgl. z. B. § 9 BHO) entschieden, "OB" eine Beschaffung durchgeführt werden kann - die Beschaffungsstellen entscheiden über das "WIE" des Vergabeverfahrens, sofern die Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.
  • Entweder sind die Haushaltsmittel in den Haushalt eingestellt (Haushaltsbeauftragter!) oder eine Verpflichtungsermächtigung ist gesondert veranschlagt (§ 16 BHO). Die Landeshausordnungen entsprechen insofern weitgehend der BHO (vgl. Gröpl, Christoph, BHO/LHO, jeweils letzte Aufl., Einl. Rn. 34 f - Rn. 37 zum kommunalen Haushaltsrecht <keine Geltung der BHO/LHO - eigene Vorschriften etc. erlassen>).Unbedingt beachten:
  • Die Vergabestelle ist die jeweilige Verwaltungseinheit bzw. der betroffene öffentliche Auftraggeber , die nach den Grundsätzen der §§ 1 ff UVgO - bisher §§ 2 ff. VOL/A - bzw. den §§ 97 ff GWB, VgVen  die öffentlichen Aufträge vergibt. Ihre organisatorischen Einheiten sind die Beschaffungsstelle, die Bedarfsstelle, die Haushaltsabteilung, die Rechtsabteilung und weitere Gremien.
  • Vgl. Abwicklungsraster für nationale Vergabeverfahren 2018 zum Ablauf der Vergabeverfahren.

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Einzelheiten

  • Die Vergabestelle = öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB -§§ 98, 99 GWB -  ist die zuständige Stelle für die jeweilige Vergabe.  Vergabestelle ist dabei die jeweilige Verwaltungseinheit bzw. die rechtlich selbständige Einheit (Stiftung, Körperschaft, Anstalt, juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts etc.), mithin der jeweilige öffentliche Auftraggeber. Verwaltungsabteilungen der Vergabestelle, die in diesem Zusammenhang eine Bedeutung erhalten, sind die Fachabteilung (auch Bedarfsstelle) sowie die Beschaffungsstelle (=Einkauf), die wiederum in der Regel für den Einkauf innerhalb der Vergabestelle sachlich zuständig ist, sofern nicht die Beschaffung für bestimmte Gegenstände einer Bedarfsstelle z.B. infolge besonderer Fachkenntnisse (und dann natürlich auch mit der erforderlichen Qualifikation ) zugewiesen ist.
  • Die Kompetenzen müssen insofern innerhalb der Vergabestelle klar durch Dienstanweisungen bzw. Beschaffungsrichtlinien abgegrenzt werden, da es andernfalls zu erheblichen Problemen, Zeitverlusten etc. kommen kann. Sinnvoll ist es z.B. einer kompetenten Bedarfsstelle trotz der Einrichtung einer "zentralen Beschaffungsstelle" (mit entsprechenden Unterabteilungen für den "Allgemeinen Einkauf" sowie spezielle Einkaufsbereiche) bestimmte Beschaffungskompetenzen zuzuweisen, um bürokratischen Ballast und überflüssige Vorgänge zu vermeiden.
  • Die Fragen der Organisation und des Aufbaus sind kompliziert und müssen nach den Verhältnissen der jeweiligen Vergabestelle nach sachlichen Kritierien entschieden werden. Dem dient das spezielle Seminar "Aufbau und Organisation der Beschaffungsstelle" von Cit6oExpert, das halbjählich einmal stattfindet
  • Die Vergabestelle trägt die gesamte Verantwortung für Organisation, Koordination, Abläufe, Beschaffungsvorgänge etc. allein. Auch durch die Einschaltung von externen Sachverständigen entfällt die Verantwortung der Vergabestelle nicht. Sie hat die Grundsätze des Haushaltsrechts sowie insbesondere auch des Vergaberechts (größte Fehler in Vergabeverfahren) zu beachten bzw. dafür Sorge zu tragen, daß dies in ihrem Zuständigkeitsbereich gesichert ist.
  • Die Vergabestelle kann sich auch mit anderen Vergabestellen zu einem gemeinsamen Einkauf zusammenschließen(vgl. § 4 VgV)  bzw. von den Vereinbarungen anderer Vergabestellen profitieren, sofern ihre Eigenverantwortlichkeit nicht in Frage gestellt wird. Bedenklich sind freilich z.B. "Rahmenvereinbarungen" (vgl. § 15 UVgO, § 21 VgV -  - früher § 4 VOL/A), bei denen Vergabeverfahren unterlaufen werden und die Eigenverantwortlichkeit der jeweiligen Vergabestelle nicht in Frage gestellt wird. § 98 Nr. 3 GWB behandelt ausdrücklich die Verbände von Gebietskörperschaften. Auch Zweckverbände etc. fallen unter öffentliche Auftraggeber.
  • Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass Aufträge an entsprechende 100-%-ige Töchter nach dem EuGH als In-house-Vergaben anzusehen sind, die nicht dem Vergaberecht unterliegen. Vorsicht ist alledings geboten, wenn z. B. Nichtmitglieder des Zweckverbands etc. von diesem beschaffen lassen oder aus Rahmenverträgen "abrufen", ohne darin genannt zu sein - Umgehung des Vergabeverfahrens? Weitere Einzeilheiten unter dem Stichwort In-house-Vergabe


Einige Beispiele aus der Rechtsprechung:

Ärztekammer kein öffentlicher Auftraggeber - In dem Urteil des EuGH vom 12.9.2013 (Aktenzeichen: C-526/11) ist entschieden worden, dass die Ärztekammer Westfalen-Lippe kein öffentlicher Auftraggeber i. S. d. Vergaberechts ist. Es fehlen die Merkmale der überwiegenden Finanzierung und insbesondere die staatliche Kontrolle. Schon die Schlussanträge des Generalanwalts ließen aufhorchen; denn auch darin wurde die Ansicht vertreten, dass die Ärztekammer Westfalen-Lippe kein öffentlicher Auftraggeber ist, folglich die §§ 97 ff GWB etc. nicht anzuwenden haben. Das hat der EuGH, Urt. v. 12.09.2013 - C - 526/11 – Ärztekammer Westfalen-Lippe bestätigt. In seinem „amtlichen Leitsatz“ führt der EuGH aus: „Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass eine Einrichtung wie eine berufsständische Körperschaft des öffentlichen Rechts weder das Kriterium der überwiegenden Finanzierung durch die öffentlichen Stellen erfüllt, wenn sich diese Einrichtung überwiegend durch Beiträge ihrer Mitglieder finanziert, zu deren Festsetzung und Erhebung sie durch ein Gesetz ermächtigt wird, das nicht den Umfang und die Modalitäten der Tätigkeiten regelt, die sie im Rahmen der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben, die mit diesen Beiträgen finanziert werden sollen, ausübt, noch das Kriterium der Aufsicht öffentlicher Stellen über ihre Leitung allein deshalb erfüllt, weil die Entscheidung, mit der sie die Höhe der Beiträge festsetzt, der Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde bedarf.“

Lotto - Öffentlicher Auftraggeber – Vergabekammer Münster, Beschl. v. 24.6.2002 – VK 03/02 – WestLB als öffentlicher Auftraggeber – Lotto-Gesellschaft als 10-%-iges Tochterunternehmen der WestLB – Hintergrund: Die WestLB ist öffentlicher Auftraggeber, weil sie nicht allein nach Rentabilitätsgesichtspunkten geführt wird und eine Sicherstellung der Funktionsfähigkeit durch die Gewährträgerhaftung anzutreffen ist – eine Entscheidung, die wichtig ist für alle Sparkassen etc. ---

Messegesellschaften - OLG Hamburg, Beschl. v. 25.01.2007 - 1 Verg 5/06 – NZBau 2007, 801 - Vertragsunwirksamkeit nach De-facto-Vergabe - „Hamburger Messegesellschaft“ als öffentlicher Auftraggeber i. S. des § 98 Nr 2 GWB – Nichtigkeit der de-facto-Vergabe analog § 13 VgV –  Kammergericht Berlin , Beschl. v. 27.7.2006 - 2 VERG 5/06 – Messegesellschaft Berlin und Tochtergesellschaft sind öffentliche Auftraggeber –

Religionsgemeinschaften - keine öffentlichen Auftraggeber - Schröder, Holger, Vergaberechtliche Bindungen öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften, NZBau 2002, 259 - keine öffentlichen Auftraggeber - fehlende Staatsgebundenheit

Rundfunkgesellschaften - EuGH, Urt. v. 13.12.2007 C-337/06 – öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als öffentliche Auftraggeber – Stichworte: Richtlinien 92/50/EWG und 2004/18/EG – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten – Öffentliche Auftraggeber – Einrichtungen des öffentlichen Rechts – Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Einrichtung ‚überwiegend vom Staat finanziert‘ wird

Universität - EuGH, Urt. v. 3.10.2000 – Rs. C 380/98 – University of Cambridge – NZBau 2001, 218 – “überwiegend öffentlich finanzierte Einrichtung” = mehr als die Hälfte öffentlich finanziert – Einstufung auf jährlicher Basis entsprechend Haushaltsjahr

Verein, privater - Öffentlicher Auftraggeber - BayObLG, Beschl. v. 29.10.2004 – Verg 22/04 - VergabeR 2005, 74, m. Anm. v. Schweda, Marc – staatlich anerkannte private Berufsschule eines privatrechtlichen kirchennahen Vereins – Auftraggebereigenschaft nach § 98 Nr. 5 GWB – Bedeutungslosigkeit des gewählten Vertragstyps (Mietverkäufer)

Wohnungsbauunternehmen (AG) - KG Berlin, Beschl. v. 6.2.2003 – 2 Verg 1/03 – VergabeR 2003, 355 , m. Anm. v. Hausmann, Friedrich L./Mutscher, Annette – öffentliche Wohnungsbauunternehmen (AG) als öffentliche Auftraggeber – Land Berlin: gesamtes Aktienkapital – Gründung zur Wahrnehmung im allgemeinen Interesse liegender Aufgaben nichtgewerblicher Art – „..kommt es .... entscheidend darauf an, ob es sich um eine Aufgabe handelt, auf die der Staat einen zumindest gewissen Einfluss behalten möchte oder muss und die er deshalb nicht vollständig dem Marktmechanismus überlassen kann oder will“ – EuGH, Urt. v. 10.11.1998 – Rs C 360/96 – Arnheim Rdnr. 43 – EuZW 1999, 16 – Indizien für die Beurteilung : Satzung der Wohnungsbau-AG – öffentliche Auftraggebereigenschaft bejaht – Rechtzeitigkeit der Rüge – keine Gestattung des Zuschlags – erneute Wertung und Zuschlagsentscheidung