Leistungen, die nur von einem Bieter - "Monopolist" - angeboten werden können, führen im Einzefall zur Freihändigen Vergabe - Verhandlungsvergabe - extremer Ausnahmefall - Begründungszwang - mindestrens "Restwettbewerb" durch Vorschaltung einesTeilnahmewettbewerbs

Verhandlungsvergabe als Ausnahme

  • Die Ausnahmefälle ergeben sich aus §§ 8 IV UVgO, 14 IV VgV, 3a VOB/A - EU-VOB/A. früher z.B. § 3 Nr. 4 a) VOL/A.
  • Sie können begründetseindurch
  • - in fehlenden oder ungeeigneten Angeboten in einem vorgängigen Verfahren,
  • - Leistung nur von einem Unternehmen ("Kunstwerk", "Technik", gewerbliche Schutzrechte)
  • - weitere besonderer Gründe: besondere Erfahrungen, besondere Zuverlässigkeit, besondere Einrichtungen, bestimmte Ausführungsarten etc.
  • Immmer ist diesen Fällen zu prüfen, ob zumindest noch ein "Restwettbewerb" z. B. durch vogeschalteten Teilnahmewettbwewerb geboten  ist. Auf Bewerberangaben sollte sich die Vergabestelle nicht verlassen.Erforderliche sind dokumentierte eigene Feststellungen -erhebliche Gefahren für die Vergabestelle
  • Es liegt auf der Hand, daß hier eine langfristige nachteilige Abhängigkeit durch den Auschluß des Wettbewerbs die Folge sein kann. Die nachvollziehbare  und dokumentierte  Marktrecherche und auch z. B. die Einschaltung von Sachverständigen sind  unumgänglich. Im Blick ist der jeweilige Markt. Je nach Sachlage ist die Recherche national, EU-weit oder weltweit durchzuführen. Markterkundungsfehler wirken sich hier schwerwiegend aus.
  • Besteht langfristige Abhängigkeit, empfiehlt sich nicht nur eine ständige Marktbeobachtung, sondern möglicherweise der Anstoß im betroffenen Markt, um zusätzliche Bewerber/Bieter zanzuregen.
  • Auch im EU-Verfahren führen z. B. Ausschließlichkeitsrechte zur  Verhandlungsvergabe nach § 14 IV Nr. 2 VgV, 8 IV Nr. 2., 3. UVgO - früher 3 a Nr. 2 c) VOL/A. Nichtoffene oder Offene Verfahren sind sinnlos.

Entscheidungen - Auswahl

  • Verhandlungsvergabe – Software - OLG Rostock, Beschl. v. 25.11.2020 - 17 Verg 1 – 20- Software (DMS mit OCR für Verwaltung von SGB II-Leistungen) – zulässige Direktvergabe ohne Teilnahmewettbewerb - § 14 IV Nr. 2 b), 14 VI VgV - §§ 97 VI, 160 II, 172 GWB - Zulässigkeit (Antragsbefugnis, Interesse, „Schadensdarlegung schlüssig und nachvollziehbar“ etc. – wie bisherige Rechtsprechung) –– amtliche Leitsätze: „1. Für die Zulässigkeit einer Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 b), Abs. 6 VgV kommt es grundsätzlich nicht auf die subjektive Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers, sondern auf die objektive Unmöglichkeit der Deckung des Beschaffungsbedarfs durch andere Unternehmen an. 2. Auf die eigene Leistungsfähigkeit kann sich ein Wettbewerber im Nachprüfungsverfahren allerdings nicht berufen, wenn im Rahmen der Markterkundung dessen mit dem Vertrieb beauftragte Mitarbeiter unmissverständlich erklärten, das Produkt verfüge nicht über bestimmte technische Spezifikationen, die später - vergaberechtlich zulässig - zu Mindestanforderungen erhoben wurden, und deren Umsetzung werde auch nicht erfolgen. 3. Den Auftraggeber trifft die Beweislast für behauptete Erklärungen [der Mitarbeiter der Antragstellerin] zur Leistungsunfähigkeit.“ – mit der Leistung nicht übereinstimmende Angaben der Antragstellerin in Gesprächen, Präsentationen etc. – Zeugenvernehmungen durch OLG - „Ausübung des Leistungsbestimmungsrecht innerhalb der vorgegebenen GrenzenBedeutung der „vorgelagerten Markterkundung“: „Es ist grundsätzlich keine .... Markterkundung notwendig, ob eine andere Lösung möglich ist. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, die Beschaffungsentscheidung unter sachverständiger Hilfe zu „verobjektivieren“, um eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung zu erreichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Bestimmungsrecht grenzenlos ist. Die Anforderung muss vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung nachvollziehbar sein. Ob Anforderungen erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (Senat, Beschl. v. 12. 8. 2020 – 17 Verg 3/20 –, Rn. 49 ... ). Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands ... allerdings dazu, dass i. S. d. § 14 IV Nr. 2 b) VgV die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ... nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit ... unterliegt damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens. Eine Leistungsbestimmung, die ... zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine ... , die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs ...  (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt ..... Ob eine mögliche Alternative oder Ersatzlösung vernünftig ist, unterliegt dabei der Einschätzung durch den Auftraggeber ...“ – Im Streitfall: Mindestanforderungen eines leistungsfähigen, integrierten DMS mit OCR (Schrifterkennung) mit weiteren Punkten .... „stehen mit dem Vergaberecht in Einklang.“
  • Coronafall - Verhandlungsvergabe – OLG Rostock, Beschl. v.09.12.2020 - 17 Verg 4 – 20 – anlasslose Corona-Tests in Alten- und Pflegeheimen – unzulässiges Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter – Nichtigkeit – äußerste Dringlichkeit – Wettbewerb „light“ – Zulässigkeit – vollständige Abwicklung des Vertrags – Losaufteilung – Antragsbefugnis –- §§ 97 IV S. 2, 135 II S. 1 168 II S. 2, GWB, 14 IV Nr. 3 VgV – Unterschied von Fortsetzungs- und Nichtigkeitsfeststellungsantrag (kein besonderes Interesse und keine konkrete Wiederholungsgefahr) – „allgemeine Antragsbefugnis“ ausreichend (Interesse am Auftrag, Schadensmöglichkeit und Verletzung bieterschützender VorschriftenBegründetheit: unzulässige Vergabe ohne wenigstens Wettbewerb „light“ (Einholen mindestens eines Angebots der Antragstellerin (trotz grundsätzlicher Zulässigkeit nach § 14 IV Nr. 3 VgV: Bejahung der „äußersten Dringlichkeit“) - Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 I GWB - offen gelassen: Ungeeignetheit, Erlaubnis nach § 1 I HeilprG und hamburgische berufsrechtliche Bestimmungen – nur Verstöße gegen § 135 I GWB führen (von hier nicht betroffenen Ausnahmen abgesehen) zur Unwirksamkeit – Vorliegen äußerster Dringlichkeit i. S. d. § 14 IV Nr. 3 VgV – Handreichungen der Europäischen Kommission und des BMWI „nicht mehr als eine unverbindliche Rechtsauffassung“ ebenso wie Schrifttum zu Beschaffungsbedarfen wegen Corona-Pandemie –äußerste Dringlichkeit: generell enger Ausnahmecharakter – unerheblich mögliche Alleinstellungsmerkmale der Beigeladenen in § 14 IV Nr. 3 VgV im Unterschied zu § 14 IV Nr. 2 VgV – ausführliche Darlegungen zur anlasslosen Testung – Möglichkeit eines offenen bzw. nichtoffenen Vergabeverfahrens mit TNWB nach § 119 II S.1 GWB i. V. m. § 14 II S. 1 VgV (ausreichende Zeit für Ausschreibung und Wertung sowie der Wartefrist § 134 II S. 2  GWB selbst bei maximaler Abkürzung der Fristen nach § 15 III VgV, § 16 III u. VII VgV bzw. § 17 III u. VIII VgV – Ermessensfehler nicht durch Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb aber durch unverhältnismäßige, nicht erforderliche Einschränkung des Wettbewerbs – „so viel wie möglicher“ erforderlicher Wettbewerb nach §§ 14 IV Nr. 3, 17 V VgV: „In der Regel sind daher mehrere Angebote einzuholen und darf sich die Direktansprache nicht auf nur einen Anbieter beschränken. Ein völliger Verzicht auf Wettbewerb kommt nur als ultima ratio in Betracht .... Ein solcher Extremfall hat hier nicht vorgelegen.“ – ausführliche Darlegung - Kostenentscheidung
  • Verhandlungsvergabe – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10. 2020 - Verg 36 – 19 - Planungs- und Baugesellschaft mit privatem Partner (Public-Private-Partnership-Projekt nach § 103 Abs. 1 und 3 GWB) – Verhandlungsverfahren mit TNWB – rechtswidrige Eignungsprüfung – Untersagung des Zuschlags – unsubstantiierte Rüge (ausführliche Darstellung!) - Rügeinhalt bei hehaupteter „Mitwirkung am Vergabeverfahren“ nach § 7 VgV: substantiierter Vortrag tatsächlicher Anhaltspunkte oder Indizien für einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß: „Sie [Antragsteller] hat die Rüge allein darauf gestützt, dass die Beigeladene „nach ihren Kenntnissen“ bei verschiedenen Schulbauprojekten der Antragsgegnerin beratend tätig war. Näheres hat sie hierzu nicht ausgeführt, sondern die Antragsgegnerin nur um Auskunft ersucht, bei welchen Projekten dies der Fall war. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht angegeben, woher sie die von ihr erwähnten Kenntnisse hat.“ – § 122 II S. u. 2. GWB: abschließend und ausreichend Nachweis der „Befähigung für Berufsausübung“ und Handelsregisterauszug – Eignungsanforderung „ erstreckt sich nicht auch darauf, ob die unternehmerische Tätigkeit der Beigeladenen mit den Vorschriften der UKVO und der Satzung des Universitätsklinikums N. zu vereinbaren ist.“ – öffentlich-rechtliche Schranken nicht (mehr) für die Eignungsprüfung relevant -– Begründetheit des Nachprüfungsantrags: fehlerhafte Wertungsentscheidung zu Unterkriterien 4 und 9 - Unterkriterium 4 „Umfang der Übernahme von Kosten- und anderen Umsetzungsrisiken durch den privaten Partner“ (Auslegung nach für Willenserklärungen geltende Grundsätze – fehlerhafte Bewertung des Unterkriterium 9: „Ausstattung der Gesellschaft mit eigenem anstatt mit gestelltem Personal“ – „für die Bieter weder aus der Wertungsmatrix sicher ableitbar, noch hat die Antragsgegnerin dies in anderer Weise ausreichend kommuniziert“ – unberechtigte Punktabzüge – bei fehlerfreien Bewertung Veränderung der Rangfolge zugunsten der Antragstellerin.
  • Verhandlungsvergabe - Software - OLG München, Beschl. v. 25.02.2019 - Verg 11 – 18 - „Modernisierung Steuerfachverfahren“ - Beschaffung eines neuen SAP-integrierten Veranlagungsfachverfahrens - Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb – Art. 58 RL 2014/24/EU; § 122 IV S. 2 GWB – amtlicher Leitsatz: Es fehlt an einer wirksamen Bekanntmachung der geforderten Eignungskriterien, wenn in der Auftragsbekanntmachung lediglich pauschal auf die Auftragsunterlagen verwiesen wird. Auch ein Link in der Bekanntmachung, der nur auf eine Plattform der Vergabestelle mit mehreren laufenden Vergabeverfahren führt, ist unzureichend (im Anschluss an OLG Düsseldorf vom 11.07.2018, Verg 24/18).

 


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