Schwellenwert und Schätzung nach § 3 VgV - 2024
Schwellenwerte ab dem 01.01.2024:
Liefer- und Dienstleistungsaufträge Oberer und Oberster Bundesbehörden: 143.000 € (bisher 140.000 €) |
Liefer- und Dienstleistungsaufträge sonstiger öffentlicher Auftraggeber: 221.000 € (bisher 215.000 €) |
Liefer- und Dienstleistungsaufträge von Sektorenauftraggebern: 443.000 € (bisher 431.000 €) |
Bauaufträge: 5.538.000 € (bisher 5.382.000 €) |
Konzessionsvergaben: 5.538.000 € (bisher 5.382.000 €). |
Vorschriften
§ 3 VgV
Übersicht
- A. Schätzung
- B. Neue Entscheidungen - Ergänzung 2022-2023.
A. Schätzung des Auftrags- bzw. Schwellenwerts
Der Schwellenwert ist nach § 3 VgV nachvollziehbar zu schätzen und nach §6 I UVgO zu dokumentieren.
Die wesentlichen Grundsätze für die Schätzung ergeben sich aus § 3 VgV:
- Gesamtvergütung
- Aufteilungs- und Umgehungsverbot
- Zusammenrechnungsgebot bei Losen
- Multiplikation des Monatswerts mit 48 bei Dauerschuldverhältnissen
- Aktualitätsgebot
- etc.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung:
Nach § 3 III VgV ist der Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung bzw. der Aufforderung zur Teilnahme bzw. Angebotsabgabe maßgeblich - Aktualitätsgebot.
Wie gehen Sie bei der Schätzung vor?
- Dokumentation
- Feststellen der „Basis“ – Markterkundung – Möglichkeiten
- Abfragen, Auskünfte, Internetrecherche, frühere Aufträge und aktualisierte Auftragswerte – auch Rückfrage bei Ausschreibenden etc.
- Einordnung in das System des § 3 VGV:
|
|
B. Neue Entscheidungen - Ergänzung 2021-2022
- Schwellenwert – Altauftrag – OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 07.06.2022 - 11 Verg 12 – 21 - Zuschlag für 11 Aufzüge – Ausführung von 2 Aufzügen - Kündigung des Vertrages (Mängel etc.) – erneute Vergabe von 9 Aufzügen in Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb (unzulässig: fehlende äußerste Dringlichkeit) – Berufung auf § 135 GWB - § 71, 106, 135 II Nr. 2, 160 II Nr. 2 GWB - amtlicher Leitsatz: 1. Die Beschwerde ist nur dann wegen eines Begründungsmangels unzulässig, wenn das Beschwerdegericht ihr nicht entnehmen kann, aus welchen Gründen tatsächlicher oder rechtlicher Art die angefochtene Entscheidung nach Auffassung des Beschwerdeführers falsch sein soll. Fehlende Beweisantritte führen daher nur insoweit zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, als ausschließlich die Nichtberücksichtigung von Beweismitteln gerügt, diese aber gleichwohl nicht hinreichend bezeichnet werden. Schlüssigkeit, hinreichende Substantiierung, Vertretbarkeit oder rechtliche Haltbarkeit der Beschwerdebegründung werden hinsichtlich der formalen Mindestanforderungen nicht verlangt. 2. Der von der vollständig besetzten Vergabekammer zu treffende Beiladungsbeschluss kann in einer konkludenten Billigung der vom Vorsitzenden allein veranlassten Hinzuziehung als Beigeladenem in einem späteren Kammerbeschluss (hier: der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag) liegen. 3. Bei Kündigung des Altaufrags und neuer Vergabe der noch nicht fertiggestellten oder nur mangelhaft erbrachten Leistungen ist für den nach § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert auf den gekündigten Altauftrag abzustellen. 4. Der Zugang zum Nachprüfungsverfahren kann nicht mit der Begründung verwehrt werden, das Angebot des Antragsstellers sei aus anderen als mit dem Nachprüfungsantrag zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden gewesen, weshalb dem Antragssteller wegen der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit kein Schaden erwachsen sei oder drohe ( Anschluss an BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - X ZB 7/04, „Mischkalkulationen“, juris, Rn. 21 = BGHZ 159, 186). Die Frage, ob das Angebot aus irgendwelchen Gründen (zwingend) auszuschließen ist, ist daher eine Frage der Begründetheit, allerdings nur, sofern es für diese hierauf ankommt. 5. Die Berufung auf § 135 GWB kann jedenfalls dann nicht nach Treu und Glauben eingeschränkt werden, wenn das Vorgehen der Vergabestelle offensichtlich rechtswidrig war und die Grenze zur Willkür überschritten hat. 6. § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB setzt weder einen bereits entstandenen, noch einen drohenden Schaden voraus. 7. Eine äußerste Dringlichkeit im Sinne des § 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A setzt voraus, dass der Beschaffungsbedarf bei Einhaltung auch der verkürzten Mindestfristen der § 10a, 10b und 10c EU VOB/A nicht gedeckt werden kann. Allein wirtschaftliche Interessen können die äußerste Dringlichkeit dabei nicht begründen. 8. Im Zuge der das Beschwerdeverfahren nach §§ 171 ff. GWB betreffenden Kostenzugrundeentscheidung bedarf es keiner Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten.
- · Schwellenwert – Interimsvergabe - OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.11.2022 - 1 Verg 5 – 22 - Wach- und Sicherheitsdienstleistungen – Beiladungsbeschluss – Erledigung und Fortsetzungsfeststellungsantrag - Schriftform nicht durch einfache E-Mail – Schwellenwert bei Vertragsverlängerungen – Schwellenwert der Interimsaufträge selbstständig neben Hauptverträgen und früheren Interimsaufträgen – selbständige Zuordnung zum Unterschwellen- bzw. Oberschwellenbereich – Umgehungs- und Aufspaltungsverbot - Unvorhersehbarkeit der Vertragsverlängerung - Vergabeverfahren auch mit Blick auf Folgevergabe – mögliches Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb auch bei Dringlichkeit durch Versäumnisse der Vergabestelle - besondere Dringlichkeit der (Interims-) Vergabe nicht ausreichend: Einbeziehung nur eines einzigen Bieters in Verhandlungen – erforderliche Beteiligung der anderen Bieter – anders in Ausnahmefällen und Dringlichkeit im Einzelfall - Vergabe ohne Bekanntmachung und Pflicht zur Einhaltung der für das Verfahren geltenden Regelung - §§ 97 I, 97 VI, 106, 132 I, 132 II Nr. 1, 161 I S. 1GWB – amtlicher Leitsatz: 1. Der von der vollständig besetzten Vergabekammer zu treffende Beiladungsbeschluss kann in einer konkludenten Billigung der vom Vorsitzenden allein veranlassten Hinzuziehung als Beigeladenem in einem späteren Kammerbeschluss (hier: der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag) liegen .... 2. Der vergaberechtiche Erledigungsbegriff setzt im Gegensatz zum Erledigungsbegriff des Zivilverfahrensrechts nicht voraus, dass durch das erledigende Ereignis ein bisher zulässiger und begründeter Antrag unzulässig oder unbegründet geworden ist; es reicht insoweit vielmehr aus, dass der auf Vornahme oder Unterlassung gerichtete Antrag gegenstandslos geworden ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht der Zulässigkeit des ursprünglichen, auf Primärrechtsschutz gerichteten Nachprüfungsverfahrens im Zeitpunkt der Erledigung bedürfte. Die Feststellung einer Rechtsverletzung dient der Fortsetzung des Primärrechtsschutzes. Einem Antragsteller soll kein Vorteil daraus erwachsen, dass ein von vornherein unzulässiger Antrag gegenstandslos geworden ist .... 3. Es erscheint zweifelhaft, ob die Schriftform des § 161 Abs. 1 S. 1 GWB durch elektronische Übersendung gewahrt werden kann. Eine einfache E-Mail wahrt die Schriftform des § 161 Abs. 1 S. 1 GWB jedenfalls nicht. 4. Der Mangel der Schriftform kann in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer auch ohne Nachholen der Unterschrift geheilt werden, wenn sich der Antragsteller dort den zuvor nur in Textform gestellten Antrag zu eigen macht. 5. Bei Vertragsverlängerungen ist für die Frage der Schwellenwerterreichung auf den ursprünglichen Auftrag abzustellen. Solche Vertragsverlängerungen sind nur während der Laufzeit des bisherigen Vertrages möglich. Danach erfolgende „Verlängerungen“ stellen sich als neue (Interims-)Aufträge dar. 6. Interimsaufträge stehen grundsätzlich selbstständig neben den Hauptverträgen und früheren Interimsaufträgen und sind in ihrer Zuordnung zum Unterschwellen- bzw. Oberschwellenbereich selbstständig zu beurteilen. Sie sind im Hinblick auf das Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 S. 1, 2 VgV jedoch zu addieren, soweit der einheitliche (Interims-) Beschaffungsbedarf in der Absicht, die Anwendung des Kartellvergaberechts zu umgehen, künstlich aufgespalten wird. 7. Unvorhersehbarkeit ist im Hinblick auf die eine Vertragsverlängerung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB oder auf einen Interimsauftrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfordernden Umstände nur anzunehmen, wenn der Auftraggeber bei der Gestaltung des ursprünglichen Vertrags alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Ungewissheit ausgeschöpft hat und die eventuellen aus der Ungewissheit folgenden Notwendigkeiten zur Vertragsanpassung auch nicht als Option oder Überprüfungsklausel nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB abgebildet werden konnte.8. Die Vergabestelle hat bei der Konzeption eines Vergabeverfahrens auch die Folgevergabe in den Blick zu nehmen und dabei immer mögliche Behinderungen dieses Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Vergabestelle den konkreten Grund der Verzögerung noch nicht kennt. Es genügt, dass der Ablauf eines Vergabeverfahrens vielfältigen Verzögerungen ausgesetzt sein kann. 9. Es ist daran festzuhalten, dass eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich ist, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter der Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück ... 10. Die besondere Dringlichkeit der (Interims-)Vergabe rechtfertigt es regelmäßig nicht, dass nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber auch in diesen Fällen gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben .... 11. Für die Annahme der Gestattung einer Vergabe ohne vorherige Veröffentlichung im EU-Amtsblatt gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB muss die Vergabestelle auch die für das gestattete Verfahren geltenden Regeln und Beschränkungen einhalten, wobei allein eine fehlerhafte Auswahlentscheidung noch nicht zur Unwirksamkeit des Zuschlags führt.
- Schwellenwert – OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04.05.2022 - 15 Verg 1 – 22 - Ingenieurleistung für Küchenneubau einer JVA – Aufhebung des EU-Verfahrens und neues nationales Vergabeverfahren infolge „neuen Schwellenwerts“ – Rüge der nationalen Ausschreibung und der Zuschlagskriterien – fehlerhafte Schätzung der Vergabestelle ersetzt durch Vergabekammer infolge eigener Schätzung (Grundlage Preise der im aufgehobenen EU-Verfahren eingegangenen Angebote – sämtlich unterhalb des Schwellenwerts) – Schwellenwert nicht erreicht – zutreffende Zuordnung zur Honorarzone II, im Übrigen auch als Vereinbarung möglich – keine Bindung an HOAI (zulässige Vereinbarung unterhalb der Basishonorarsätze) – keine Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner (lediglich Fragen, die die Fachleute des Amtes eigenständig zu beantworten und zu beachten hatten) – Kostenentscheidung .
- · Schwellenwert – Vertragsverlängerung – OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 24.11.2022 - 1 Verg 5 – 22 - Wach- und Sicherheitsdienstleistungen – Beiladungsbeschluss – Erledigung und Fortsetzungsfeststellungsantrag - Schriftform nicht durch einfache E-Mail – Schwellenwert bei Vertragsverlängerungen – Schwellenwert der Interimsaufträge selbstständig neben Hauptverträgen und früheren Interimsaufträgen – selbständige Zuordnung zum Unterschwellen- bzw. Oberschwellenbereich – Umgehungs- und Aufspaltungsverbot - Unvorhersehbarkeit der Vertragsverlängerung - Vergabeverfahren auch mit Blick auf Folgevergabe – mögliches Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb auch bei Dringlichkeit durch Versäumnisse der Vergabestelle - besondere Dringlichkeit der (Interims-) Vergabe nicht ausreichend: Einbeziehung nur eines einzigen Bieters in Verhandlungen – erforderliche Beteiligung der anderen Bieter – anders in Ausnahmefällen und Dringlichkeit im Einzelfall - Vergabe ohne Bekanntmachung und Pflicht zur Einhaltung der für das Verfahren geltenden Regelung - §§ 97 I, 97 VI, 106, 132 I, 132 II Nr. 1, 161 I S. 1GWB – amtlicher Leitsatz: 1. Der von der vollständig besetzten Vergabekammer zu treffende Beiladungsbeschluss kann in einer konkludenten Billigung der vom Vorsitzenden allein veranlassten Hinzuziehung als Beigeladenem in einem späteren Kammerbeschluss (hier: der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag) liegen .... 2. Der vergaberechtiche Erledigungsbegriff setzt im Gegensatz zum Erledigungsbegriff des Zivilverfahrensrechts nicht voraus, dass durch das erledigende Ereignis ein bisher zulässiger und begründeter Antrag unzulässig oder unbegründet geworden ist; es reicht insoweit vielmehr aus, dass der auf Vornahme oder Unterlassung gerichtete Antrag gegenstandslos geworden ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht der Zulässigkeit des ursprünglichen, auf Primärrechtsschutz gerichteten Nachprüfungsverfahrens im Zeitpunkt der Erledigung bedürfte. Die Feststellung einer Rechtsverletzung dient der Fortsetzung des Primärrechtsschutzes. Einem Antragsteller soll kein Vorteil daraus erwachsen, dass ein von vornherein unzulässiger Antrag gegenstandslos geworden ist .... 3. Es erscheint zweifelhaft, ob die Schriftform des § 161 Abs. 1 S. 1 GWB durch elektronische Übersendung gewahrt werden kann. Eine einfache E-Mail wahrt die Schriftform des § 161 Abs. 1 S. 1 GWB jedenfalls nicht. 4. Der Mangel der Schriftform kann in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer auch ohne Nachholen der Unterschrift geheilt werden, wenn sich der Antragsteller dort den zuvor nur in Textform gestellten Antrag zu eigen macht. 5. Bei Vertragsverlängerungen ist für die Frage der Schwellenwerterreichung auf den ursprünglichen Auftrag abzustellen. Solche Vertragsverlängerungen sind nur während der Laufzeit des bisherigen Vertrages möglich. Danach erfolgende „Verlängerungen“ stellen sich als neue (Interims-)Aufträge dar. 6. Interimsaufträge stehen grundsätzlich selbstständig neben den Hauptverträgen und früheren Interimsaufträgen und sind in ihrer Zuordnung zum Unterschwellen- bzw. Oberschwellenbereich selbstständig zu beurteilen. Sie sind im Hinblick auf das Umgehungsverbot des § 3 Abs. 2 S. 1, 2 VgV jedoch zu addieren, soweit der einheitliche (Interims-) Beschaffungsbedarf in der Absicht, die Anwendung des Kartellvergaberechts zu umgehen, künstlich aufgespalten wird. 7. Unvorhersehbarkeit ist im Hinblick auf die eine Vertragsverlängerung nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB oder auf einen Interimsauftrag nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfordernden Umstände nur anzunehmen, wenn der Auftraggeber bei der Gestaltung des ursprünglichen Vertrags alle Möglichkeiten zur Reduzierung der Ungewissheit ausgeschöpft hat und die eventuellen aus der Ungewissheit folgenden Notwendigkeiten zur Vertragsanpassung auch nicht als Option oder Überprüfungsklausel nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB abgebildet werden konnte.8. Die Vergabestelle hat bei der Konzeption eines Vergabeverfahrens auch die Folgevergabe in den Blick zu nehmen und dabei immer mögliche Behinderungen dieses Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Vergabestelle den konkreten Grund der Verzögerung noch nicht kennt. Es genügt, dass der Ablauf eines Vergabeverfahrens vielfältigen Verzögerungen ausgesetzt sein kann. 9. Es ist daran festzuhalten, dass eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich ist, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter der Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück ... 10. Die besondere Dringlichkeit der (Interims-)Vergabe rechtfertigt es regelmäßig nicht, dass nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber auch in diesen Fällen gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben .... 11. Für die Annahme der Gestattung einer Vergabe ohne vorherige Veröffentlichung im EU-Amtsblatt gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB muss die Vergabestelle auch die für das gestattete Verfahren geltenden Regeln und Beschränkungen einhalten, wobei allein eine fehlerhafte Auswahlentscheidung noch nicht zur Unwirksamkeit des Zuschlags führt.
OLG Rostock, Beschl. v. 11.11.2021 - 17 Verg 5 – 21 – Verpflegungsleistungen – Gegenvorstellung etc.– Berichtigungsantrag – Anhörungsrüge - Auftragswertschätzung
OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 09.12.2021 - 54 Verg 8 – 21 – Busverkehr – Statthaftigkeit – Antragsbefugnis - unzulässige Verlängerung – Auftragswert - Begründetheit wegen nach § 135 II GWB unwirksamen Auftrags durch einvernehmliche Durchführung mit wesentlichen Vertragsänderungen ohne neues Vergabeverfahren nach § 132 GWB – unzulässige wesentliche Verlängerung der Verträge mit befristeter Laufzeit um zwei Jahre (20 % der bisherigen Vertragszeit von 10 Jahren als „erhebliche Ausweitung“ (vgl. § 132 III GWB) – Unwirksamkeit nach § 135 I GWB durch selbständigen vergaberechtsrelevanter Beschaffungsvorgang (ausreichend mündliche, konkludente oder nach einer überwiegenden Lebenswahrscheinlichkeit vorliegende Beauftragung auch dann, „wenn Auftraggeber und Auftragnehmer einen Beschaffungsvorgang übereinstimmend irrtümlich von einem früher abgeschlossenen und bei zutreffender Würdigung beendeten Vertrag für gedeckt halten und die Vertragsleistungen weiterhin erbringen.“ – umfangreiche Ausführungen zur Auslegung des Vertragsgegenstandes – Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 I, II GWB innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Vertragsschluss (hier gegeben) – Kostenentscheidung (Gesamtschuldner der unterliegenden Beteiligten nach §§ 175 II, 71 GWB.
OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.01.2021 - 54 Verg 6 – 20 – mobile Trennwände – Auftragswert nicht erreicht – Unzulässigkeit - keine Einrechnung der Projektsteuerungs- und Planungsleistungen – Bauleistung - Planung und Bau keine Lose (nicht gleichartig) – mehrere Gebäude und unabhängige Nutzung – Auftragswert ohne Sicherheitszuschläge – ohne Kosten für Baustrom und – wasser – Zeitpunkt der Schätzung Tag der Absendung der Bekanntmachung und Wert des einzelnen Auftrags – Hinzurechnung anderer Aufträge nur nach § 3 Abs. 6 u. 7 VgV (aber keine Zusammenfassung zu Gesamtauftrag und Vorverlegung des Schätzungszeitpunktes) – Zweifel am Erreichen des Schwellenwerts treffen Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens - Modernisierung etc. des Messegeländes einerseits und Vorhaben Neubau etc. des Kongresszentrums andererseits (funktionale Betrachtung): „Ein einheitlicher Auftrag ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der eine Teil ohne den anderen keine sinnvolle Funktion zu erfüllen vermag.“ (hier verschiedene Aufträge) – Komplexe (Messe – Kongresszentrum) getrennt funktional nutzbar – Heilung der nicht ordnungsgemäßen Dokumentation im Beschwerdeverfahren durch die Übergabe von Unterlagen (Vorlage und Erstellung der Kostenberechnung vor Vergabeverfahren – Ausschluss der Manipulation – Prüfung durch Zuwendungsbehörde) – Unschädlichkeit der europaweiten Ausschreibung – eingeschränkte Prüfung der realistischen, vollständigen und objektiven Prognose durch im Nachprüfungsverfahren auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität: „Beurteilungsspielraum“ – bei fehlerhafter Schätzung eigene „Nachschätzung“ durch Prüfungsinstanz (VK, OLG) - Kostenberechnung durch Architekten: realistische Schätzung der voraussichtlichen Baukosten – keine Beurteilungsfehler (sachfremde Erwägungen, Überschreiten der Beurteilungsgrenzen nicht erkennbar) – fehlender Sicherheitszuschlag hier unschädlich – Berücksichtigung zu erwartender Preissteigerungen und bei nicht vollständigem Feststehen der Bauleistung wegen noch zu vergebender Planungsleistungen für den Bau (hier abgeschlossen) - Optionen nicht vereinbart – Aufnahme von Baustrom und –wasser in Kostenschätzung als Lieferung des Auftraggebers: Ergänzung durch Schätzung der nachprüfenden Stelle (Senat) – keine Berücksichtigung bei der Schätzung der für den Bauauftrag anfallenden Bauherrenkosten, Kosten für Projektplanung, sonstige Nebenkosten, Rechtsberatung, Planungsleistungen (hier getrennte Vergabe, keine Zusammenrechnung)
OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 28.01.2021 - 54 Verg 6 – 20 – mobile Trennwände – Schätzung – Zeitpunkt – Auftragswert nicht erreicht – Zeitpunkt der Schätzung Tag der Absendung der Bekanntmachung und Wert des einzelnen Auftrags – Hinzurechnung anderer Aufträge nur nach § 3 Abs. 6 u. 7 VgV (aber keine Zusammenfassung zu Gesamtauftrag und Vorverlegung des Schätzungszeitpunktes) – Zweifel am Erreichen des Schwellenwerts treffen Antragsteller des Nachprüfungsverfahrens – Schätzung durch VK oder OLG - bei fehlerhafter Schätzung eigene „Nachschätzung“ durch Prüfungsinstanz (VK, OLG) - Kostenberechnung durch Architekten: realistische Schätzung der voraussichtlichen Baukosten – keine Beurteilungsfehler (sachfremde Erwägungen, Überschreiten der Beurteilungsgrenzen nicht erkennbar) – fehlender Sicherheitszuschlag hier unschädlich – Berücksichtigung zu erwartender Preissteigerungen und bei nicht vollständigem Feststehen der Bauleistung wegen noch zu vergebender Planungsleistungen für den Bau (hier abgeschlossen) - Optionen nicht vereinbart – Aufnahme von Baustrom und –wasser in Kostenschätzung als Lieferung des Auftraggebers: Ergänzung durch Schätzung der nachprüfenden Stelle (Senat) – keine Berücksichtigung bei der Schätzung der für den Bauauftrag anfallenden Bauherrenkosten, Kosten für Projektplanung, sonstige Nebenkosten, Rechtsberatung, Planungsleistungen (hier getrennte Vergabe, keine Zusammenrechnung)
Auftragswert – Landesrecht - Müller, Anne/ Ünal, Tolga, Landesrechtliche Regelungen zu den vergaberechtlichen Wertgrenzen, VergabeNews 9/2021,150-155
B. Schwellenwerte- € ohne Umsatzsteuer nach §§ 106 GWB, 3 VgV ab 1.1.2022 bis 31.12.2023
Inhalt
- I. Übersicht - Werte und Vorschriften
- II. Dokumentation der Schätzung
- II. .Hinweise
- IV. Grundsätze nach § 3 VgV
- V. Unrichtige Schätzung des Auftragswerts – Fehlerquelle
I. Werte und Vorschriften - Übersicht 2022 - 2023
Auftraggeber |
Auftragsart |
Schwellenwerte |
Vorschriften |
Ö. Auftraggeber, Sektoren, Verteidigung und Sicherheit |
Bauauftrag |
5.382.000 |
§§ 97 f GWB, 1 EU-VOB/A, 3 SektVO, 3 VSVgV |
Obere und oberste Bundesbehörden |
Lieferung und Dienstleistung |
140.000 |
§§ 97 f GWB, 3 VgV |
Ö. Auftraggeber |
Lieferung und Dienstleistung |
214.000 |
§§ 97 f GWB, 3 VgV |
Ö. Auftraggeber |
Besondere Dienstleistungen |
750.000 |
§§ 130 GWB, 3 VgV |
Sektorenauftraggeber |
Lieferung und Dienstleistung |
428.000 |
§§ 100 GWB, 3 SektVO |
Verteidigung/Sicherheit |
Lieferung und Dienstleistung |
431.000 |
§§ 104 GWB, 3 VSVgV |
Konzessionen |
Bau- und Dienstleistungskonzession |
5.382.000 |
§§ 105 GWB, 2 KonzVgV |
Unterhalb der Schwellenwerte: 214.000 € („Bund“:139.000) bzw. 5.350.000 – § 3 VgV :
Lieferung - Dienstleistung |
Freiberufliche Leistungen |
Bauaufträge |
UVgO (VOL/A) |
Sondervorschrift in § 50 UVgO (früher VOL/A § 1 - in der Regel“ Freihändige Vergabe nach VOL/A – vgl. Erläuterungen zur VOL/A) |
VOB/A |
2. Dokumentation der Schätzung
00 entsprechende Felder sind zu bearbeiten bzw. auszufüllen.
Ergebnis der Markterkundung – Preise ohne MwSt.1) |
Mindestpreis: |
Höchstpreis: |
Basis der Schätzing: |
|
|||||||||
Auftragswertschätzung |
Vorschrift |
Konkreter Fall |
Basis der Schätzung, Einzelheiten und Hinweise |
Datum Bearbeiter/in |
|
||||||||
Schätzung im Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung bzw. Einleitung des Vergabeverfahrens 3) |
§ 3 III VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Gesamtwert |
§ 3 I VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Aufteilungsverbot |
§ 3 II VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Umgehungsverbot |
§ 3 II VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Berücksichtigung etwaiger Prämien an Bewerber oder Bieter |
§ 3 I VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Berücksichtigung etwaiger Zahlungen an Bewerber oder Bieter |
§ 3 I VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Berücksichtigung von Optionen |
§ 3 I VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Berücksichtigung von Vertragsverlängerungen |
§ 3 I VgV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Regelmäßig wiederkehrender Auftrag oder Daueraufträge – Haushaltsvorjahr und voraussichtliche Änderungen in den folgenden zwölf Monaten |
§ 3 X Nr. 1 |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Regelmäßig wiederkehrender Auftrag oder Daueraufträge – Gesamtwert aufeinanderfolgender Aufträge längerem als zwölf Monate dauerndem Haushaltsjahr |
§ 3 X Nr. 2 |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Zeitlich begrenzter Auftrag ohne Gesamtpreisangabe mit Laufzeit bis 48 Monate – 48-facher Monatswert 00 |
§ 3 XI Nr. 1 |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Auftrag ohne Gesamtpreisangabe mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten – 48-facher Monatswert |
§ 3 XI Nr. 2 |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Bauleistungen – Auftragswert Bauleistungen und aller Wert aller erforderlichen bzw. vom Auftraggeber zur Verfügung gestellter Lieferleistungen |
§ 3 VI |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Rahmenvereinbarung – dynamisch elektronisches Beschaffungssystem – Gesamtwert aller Einzelaufträge |
§ 3 IV |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Lose – Zusammenrechnungsgebot |
§ 3 VII, VIII |
00 |
00 |
|
|
||||||||
Planungswettbewerbe – Wert des Dienstleistungsauftrags mit Preisgelder etc. |
§ 3 XII |
|
|
|
|
||||||||
Haushaltsmittel bewilligt |
|
00 |
00 |
|
|
||||||||
Auftragswert - netto |
|
Unterhalb des Schwellenwerts 00 |
Oberhalb des Schwellenwerts 00 |
|
|
||||||||
Dokumentation |
|
|
|
|
|
||||||||
Datum00 |
Bearbeiter/in00 |
Unterschrift00 |
|
|
|||||||||
III. Hinweise
1) Vgl. § 1 I VgV – Auch die Basis der Schätzung anzugeben (z. B. Markterkundung, Abfrage etc.). Die Schätzung ist Gegenstand der Markterkundung und nach § 6 I UVgO zu dokumentieren. Schätzungen dürfen sich innerhalb eines Prognosespielraums von 15 – 20 % bewegen. Nicht der erkundete niedrigste Marktpreis ist maßgeblich, auch nicht der höchste Marktpreis, sondern der noch zuschlagsfähige wirtschaftliche Marktpreis (Schätzung, auch Ermittlung durch Wirtschaftlichkeitsrechnung?). Im nationalen Vergabeverfahren bis ca. 150.000 € Schätzpreis kann man die Markterkundung nach einigen Anfragen abschließen – nach pflichtgemäßem Ermessen. Ab ca. 160.000 € netto bedarf es allerdings einer umfassenderen Preis- und Markterkundung sowie entsprechender Dokumentation.
Ist die Schätzung auf nachvollziehbarer und ausreichender Basis erfolgt, ist es nicht schädlich, wenn die konkreten Angebotspreise sodann über dem Schwellenwert liegen. Gehen nach Bekanntmachung etcf. zahlreiche oder gar alle Angebote über dem Schätzpreis, so dürfte es sich allerdings um eine fehlerhafte Schätzung handeln. In der Regel führt aber auch dies nicht automatisch zu einem unzulässigen nationalen Vergabeverfahren. Es können sich aber haushaltsrechtliche Probleme ergeben, weil z. B. keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen. Das kann dann zu einer rechtswidrigen Aufhebung nach § 48 UVgO – bisher § 17 VOL/A - und weiteren nachteiligen Folgen führen.
Fehlen Daten und Basis für die Schätzung gänzlich oder deren Dokumentation, so liegt ein Verstoß vor. Vergabekammer oder OLG können im EU-Verfahren in diesen Fällen von Amts wegen selbst schätzen. Wird der jeweilige Schwellenwert überschritten, so wird das nationale Verfahren aufgehoben und das EU-Verfahren nach § 48 UVgO aufgehoben und bei Weiterverfolgung der Beschaffung das EU-Verfahren angeordnet. Erhält in dem zweiten Verfahren z. B. nicht der Gewinner des 1. Verfahrens, sondern ein anderer Bieter den Zuschlag, so können Schadensersatzansprüche die Folge sein.
Wurde die Schätzung nur unterlassen, wird sie aber vom Auftraggeber ohne Aufhebung nachgeholt, wird der Dokumentationsmangel geheilt und das Verfahren kann durch Zuschlag beendet werden.
Die Schätzung erfolgt ohne Umsatzsteuer nach § 1 I VgV.
2) Hier ist Raum für entsprechende Hinweise bzw. Anmerkung zu Besonderheiten.
3) Schätzungen in der Nähe Schwellenwerts (z. B. 180.000 €) sollten zusätzliche Maßnahmen im Bereich der Markterkundung zur Folge haben (zusätzliche Abfragen oder genaue Recherchen).
4) Auf jeden Fall ist vor Bekanntmachung etc. zu prüfen, ob die Schätzung im Zeitpunkt der Bekanntmachung noch zutreffend und aktuell ist (Preissteigerungen?) – vgl. § 3 III VgV.
IV. Grundsätze nach § 3 VgV
Schätzung des Auftragswerts
(1) Bei der Schätzung des Auftragswerts ist vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen. Zudem sind etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen zu berücksichtigen. Sieht der öffentliche Auftraggeber Prämien oder Zahlungen an den Bewerber oder Bieter vor, sind auch diese zu berücksichtigen.
(2) Die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts darf nicht in der Absicht erfolgen, die Anwendung der Bestimmungen des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung zu umgehen. Eine Auftragsvergabe darf nicht so unterteilt werden, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder dieser Verordnung fällt, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor, etwa wenn eine eigenständige Organisationseinheit selbstständig für ihre Auftragsvergabe oder bestimmte Kategorien der Auftragsvergabe zuständig ist.
(3) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts ist der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.
(4) Der Wert einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems wird auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwertes aller Einzelaufträge berechnet, die während der gesamten Laufzeit einer Rahmenvereinbarung oder eines dynamischen Beschaffungssystems geplant sind.
(5) Der zu berücksichtigende Wert im Falle einer Innovationspartnerschaft entspricht dem geschätzten Gesamtwert der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die während sämtlicher Phasen der geplanten Partnerschaft stattfinden sollen, sowie der Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen, die zu entwickeln und am Ende der geplanten Partnerschaft zu beschaffen sind.
(6) Bei der Schätzung des Auftragswerts von Bauleistungen ist neben dem Auftragswert der Bauaufträge der geschätzte Gesamtwert aller Liefer- und Dienstleistungen zu berücksichtigen, die für die Ausführung der Bauleistungen erforderlich sind und vom öffentlichen Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Die Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers, Aufträge für die Planung und die Ausführung von Bauleistungen entweder getrennt oder gemeinsam zu vergeben, bleibt unberührt.
(7) Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses.
(8) Kann ein Vorhaben zum Zweck des Erwerbs gleichartiger Lieferungen zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen.
(9) Der öffentliche Auftraggeber kann bei der Vergabe einzelner Lose von Absatz 7 Satz 3 sowie Absatz 8 abweichen, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Liefer- und Dienstleistungen unter 80 000 Euro und bei Bauleistungen unter 1 000 000 Euro liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt.
(10)Bei regelmäßig wiederkehrenden Aufträgen oder Daueraufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen sowie bei Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums verlängert werden sollen, ist der Auftragswert zu schätzen
- auf der Grundlage des tatsächlichen Gesamtwertes entsprechender aufeinander folgender Aufträge aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr oder Geschäftsjahr; dabei sind voraussichtliche Änderungen bei Mengen oder Kosten möglichst zu berücksichtigen, die während der zwölf Monate zu erwarten sind, die auf den ursprünglichen Auftrag folgen, oder
- auf der Grundlage des geschätzten Gesamtwertes aufeinander folgender Aufträge, die während der auf die erste Lieferung folgenden zwölf Monate oder während des auf die erste Lieferung folgenden Haushaltsjahres oder Geschäftsjahres, wenn dieses länger als zwölf Monate ist, vergeben werden.
(11) Bei Aufträgen über Liefer- oder Dienstleistungen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist Berechnungsgrundlage für den geschätzten Auftragswert
- bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten der Gesamtwert für die Laufzeit dieser Aufträge, und
- bei Aufträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der 48-fache Monatswert.
(12) Bei einem Planungswettbewerb nach § 69, der zu einem Dienstleistungsauftrag führen soll, ist der Wert des Dienstleistungsauftrags zu schätzen zuzüglich etwaiger Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer. Bei allen übrigen Planungswettbewerben entspricht der Auftragswert der Summe der Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer einschließlich des Werts des Dienstleistungsauftrags, der vergeben werden könnte, soweit der öffentliche Auftraggeber diese Vergabe in der Wettbewerbsbekanntmachung des Planungswettbewerbs nicht ausschließt.
Durchgängig gelten folgende Grundsätze für die Schätzung der Auftragswerte:
- Schätzung ohne Umsatzsteuer
- Schätzung auf der Basis nachvollziehbarer Daten - Prognose
- Gesamtauftragswert
- Aufteilungsverbot
- Umgehungsverbot
- Dauerschuldverhältnisse etc.
-- befristet - Gesamtauftragswert
-- Unbefristet – Multiplikation des Monatswerts x 48
- Lose – Additionsgebot
- Zeitpunkt: Bekanntmachung der Vergabe
Schätzungsfehler und Manipulation
- Umgehung der EU-weiten Vergabe
- Unwirksamkeit des Vertrages nach § 135 GWB
- Anrufung der Vergabekammer durch Bewerber und Bieter
- Einschreiten der EU-Kommission
- Entscheidung des EuGH – Verstoß und Fortwirkung – Beendigung der Verträge, Rückabwicklung und EU-Vergabe
- Schadensersatzansprüche
V. Unrichtige Schätzung des Auftragswerts – Fehlerquelle
Unzulässig sind sachfremde und willkürliche Annahmen. Eine Schätzung ist eine Prognose im Zeitpunkt der Erstellung der Vergabeunterlagen sowie der Bekanntmachung (aktuelle Daten sind erforderlich). Fehlende Kenntnisse entschuldigen nicht. In diesen Fällen sind Fachleute heranzuziehen, für die man einzustehen hat (§ 278 BGB). Die Grundlagen der Schätzung sind darzulegen. Eine „mathematische Richtigkeit“ wird natürlich nicht verlangt. Liegen die späteren Angebote über dem geschätzten Wert, so führt dies nicht in jedem Fall dazu, dass das Verfahren aufzuheben ist. Ist die Schätzung zum Zeitpunkt des „Beginns“ des Verfahrens (vgl. § 3 III VgV) „vertretbar“, so kann sie nicht erfolgreich angegriffen werden. Dies ergibt sich aus der „Methode“ zur Ermittlung und Berechnung des Auftragswerts (Preisvergleich, Kosten etc.). Die jeweilige „Methode“ ist anzuführen, damit der Schritt nachvollzogen werden kann (Transparenz - Dokumentation).
Der Auftragswert ist folglich nachvollziehbar zu schätzen und im Einzelnen zu dokumentieren. Basislose Schätzungen sind rechtswidrig. Maßgeblich sind z. B. die jeweiligen Marktpreise. Diese sind im Rahmen der Markterkundung festzustellen.
Wer den Auftragswert „manipuliert“, um dem EU-Verfahren zu entgehen
Entscheidend ist der Gesamtauftragswert netto einschließlich der Optionen, Verlängerungen etc. – insofern ist § 3 VgV strikt zu beachten. Fehlt eine dokumentierte nachvollziehbare Schätzung, so kann die Entscheidung für die unterschwellige nationale bzw. oberschwellige EU-Vergabe nicht oder nur fehlerhaft getroffen werden. In der Rechtsprechung sind recht häufig Fälle anzutreffen, in denen EU-Vergaben (unwirksamer Vertrag nach §§ 135 GWB) nicht durchgeführt wurden, obwohl die Voraussetzungen vorlagen. Maßgeblicher Zeitpunkt nach § 3 III VgV: Absendung der Bekanntmachung oder sonstige Einleitung des Vergabeverfahrens (z. b. bei Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb).
Zu den Grundsätzen der Schätzung BGH, Urteil v. 20. 11. 2012 - X ZR 108/10; VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31/14 - System mit IP-Netz und Softwareentwicklung - Verstoß nationale Verfahren - Schätzung – Bedeutung der Preise der eingereichten Angebote bei Schätzung des Auftragswertes nahe an 5 Mio. € ohne Dokumentation – grundsätzliche Unerheblichkeit der Angebote (nur indizielle Bedeutung) für die Schätzung).
„Der Auftraggeber ist .... gehalten, ... eine seriöse Schätzung durchzuführen ... muss er diese Schätzung....dokumentieren, damit sie der Überprüfung....zugänglich sein kann. Naturgemäß gilt dies nicht in der gesamten Schärfe für Vergabeverfahren, deren Auftragswert eindeutig und unzweifelhaft unterhalb der für europaweite Vergabeverfahren einschlägigen Schwellenwerte liegt, die Durchführung eines nationalen Vergabeverfahrens mithin unproblematisch ist. Hier verhält es sich aber so, dass auch die Ag selbst einen Auftragswert angenommen hat, der in Richtung 5 Mio. Euro tendiert. Liegt die Vorabschätzung ... nur relativ knapp unter....dem Schwellenwert, so ist ... umfassend zu dokumentieren.“
So VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31/14.
„Die Methode der Schätzung muss so gewählt sein, dass sie wirklichkeitsnahe Ergebnisse erwarten lässt; die Gegenstände der Schätzung müssen mit der ausgeschriebenen Maßnahme übereinstimmen (vgl. ... zu den Grundsätzen BGH, Urteil v. 20. 11. 2012 - X ZR 108/10). ... Wird bei einem .... knapp unterhalb der Schwelle liegenden Auftragswert von der Durchführung eines europaweiten Verfahrens abgesehen, so stellt dies einen besonders begründungsbedürftigen Sachverhalt dar.“
So VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31/14.
Erforderlich ist eine ausreichende Dokumentation der Schätzung: „Eine Darlegung, wie man zu den Zahlen (erg. Der Schätzung) gekommen ist, ist nicht vorhanden. Aus Sicht der Vergabekammer als Nachprüfungsinstanz kann daher nur zur Kenntnis genommen werden, dass der Auftraggeber im Ergebnis so geschätzt hat, nicht aber nachvollzogen werden, was Grundlage der Schätzung war und wie diese im Einzelnen durchgeführt wurde. .....Es oblag der Antragsgegnerin (Ag.) alle für diese Frage relevanten Dokumentationen als Bestandteil der Vergabeakte einzureichen. Die Ag muss sich an der von ihr eingereichten, indes defizitären Dokumentation festhalten lassen.... Es ist von einem über dem Schwellenwert von 5 Mio. Euro liegenden Auftragswert auszugehen.“
So VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31/14.
Wird das EU-Verfahren in einem solchen Fall unterlassen, so greifen die §§ 134, 135 II Nr. 2 GWB (bisher §§ 101a, 101b GWB13) ein.
Der Vertrag ist unwirksam. Auch eine Zurückversetzung des Verfahrens mit dem Ziel der Nachholung der richtigen Schätzung kommt nicht in Betracht, da durch den (schwebend unwirksamen) Zuschlag das unzulässige nationale Verfahren beendet ist.
So VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31/14, mit Hinweis auf OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29. Januar 2014 - 1 Verg 3/13: Anwendung des § 101b I Nr. 2 GWB13.
Bleibt der Auftraggeber in diesen Fällen bei seiner Vergabeabsicht, so muss ein EU-Verfahren durchgeführt werden.
So VK Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31/14; so auch VK Thüringen, Beschl. v. 21.05.2015, 250 - 4003 - 2353/2015 - E - 003 – Fäkalienabfuhr – nationales statt EU-Verfahren; verfehlt VK Südbayern, Beschl. v. 29.10.2013 - Z 3 - 3 - 3194 - 1 - 25 - 08/13 – Schülerbeförderung –zur Interimsvergabe und Auftragswertberechnung; zutreffend OLG Koblenz, Beschl. v. 24.03.2015 - Verg 1/15 – Rahmenvertrag – Postzustellung – Interimsauftrag – Schwellenwert – Schätzung des Auftragswerts bezogen auf den konkreten Interimsauftrag, nicht auf bereits vergebene oder noch zu vergebende Aufträge (anders bei Umgehungsabsicht)
Speziell „Dienstleistungen“ (vgl § 103 IV GWB) mit mehreren „Losen“ (z. B. Architektenleistungen) sind nach § 3 VII VgV zu addieren.
Vgl. insofern EuGH, Urt. v. 15. 03.2012 – C-574/10 – Niedernhausen - betreffend den Gesamtauftragswert bei Architektenleistungen (Autalhalle – Sanierung – keine „schrittweise Vergabe unterhalb der Schwellenwerte“) – Additionsgebot – vgl. auch § 3 VII S. 3 VgV.
Ist Schätzung nicht zumindest „vertretbar“, so kann die Aufhebung z. B. durch die Vergabekammer angeordnet werden. Eine Zurückversetzung kommt hier wohl nicht in Betracht.
BGH, Beschl. v. 20.11.2012 - X ZR 108 / 10 – Friedhofserweiterung – Leitsatz... c) Wann die Aufhebung einer Ausschreibung wegen "deutlicher" Überschreitung des vertretbar geschätzten Auftragswerts rechtmäßig ist, ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden, bei der insbesondere zu berücksichtigen ist, dass einerseits den öffentlichen Auftraggebern nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung zugewiesen werden, die Aufhebung andererseits aber auch kein Instrument zur Korrektur der in Ausschreibungen erzielten Submissionsergebnisse sein darf (Weiterführung von BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 48/97, BGHZ 139, 259 und Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, VergabeR 2001, 293.
- 3 VgV Addition der Auftragswerte bei Planungsleistungen – Gleichartigkeit der Planungsleistungen nach funktionaler Betrachtungsweise - OLG München, Beschl. v. 13.03.2017 - Verg 15/16 – Planungsleistungen für Verwaltungsgebäude - § 2 VII SektVO - „1.2.3.2. Ob aus obigen Erwägungen in jedem Fall die Leistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung für ein einheitliches Bauvorhaben als gleichartige Leistungen anzusehen und für die Schwellenwertberechnung zu addieren sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls im streitgegenständlichen Fall ist eine Addition vorzunehmen.
- 3 VgV Gesamtvergütung – Schätzung - OLG München, Beschl. v. 2.6.2016 - Verg 15/15 – ÖPNV – Schülerbeförderung – Schätzung – Rüge (Erkennbarkeit) – Frist für Feststellung der Unwirksamkeit - drohender Schaden – unzulässiges nicht offenes Verfahren statt offenem Verfahren und drohender Schaden – falsche Verfahrensart - §§ 107 II GWB, 3 VgV - Schätzung: „Der Weg zu den Nachprüfungsinstanzen ist eröffnet, weil der Schwellenwert