1. Angebot - Auslegung - Bindung - Ergänzung - Änderung - Rücknahme - siehe  Änderung Angebote - §§ 13, 42 UVgO, 20 VgV

1. Aktueller Stand
  • Form der Angebote - § 38 UVgO, 53 VgV
  • Angebotsfrist - § 13 UVgO, § 20 VgV
  • Aufforderung zurAngebotsabgabe - § 37 UVgO, § 52 VgV
  • Aufbewahrung -§§ 39 UVgO, 54  VgV
  • Öffnung der Angebote- §§ 40 UVgO, 55 VgV
  • Prüfung der Angebote - §§ 41 UVgO, 56 VgV
  • Ausschluss von Angeboten - §§ 42 UVgO, 57 VgV
  • Wertung der Angebote (Zuschlag) §§ 43 UVgO, 58 VgV
  • Vergaberechtlich (und zivilrechtlich) sind Angebote wie Willenserklärungen auszulegen (§§ 133, 242 BGB).
  • Das Angebot gilt bis zum Ablauf der Bindefrist (vgl. § 13 I UVgO).
  • Bis zum Ablauf der Angebotsfrist kann der Bieter sein Angebot zurückziehen, änsdern, ergänzen oder ersetzen.
  • Verpätete oder formwidrige Angebote sind auszuschließen (§§ 42 I Nr.1 UVgO, 57 I Nr. 1VgV):
  • Durch den Zuschlag erfolgt die Annahme des Angebots (wie im Zivilrecht- § 151 S.1BGB)).
  • Auch nach Ablauf der (nur noch internen) Zuschlagsfrist kommt der Zuschlag in Betracht.
  •  Das Angebot wird durch den Zuschlag innerhalb der Bindefrist angenommen.
  • Erfolgt der Zuschlag nach Ablauf der Bindefrist, so liegt ein neuer Antrag des Auftraggebers i. S. d. § 150 II BGB vor, der vom Bieter angenommen werden kann (vgl. § 150 I BGB).
  • Wird die Bindefrist einvernehmlich verlängert, so ist dies für den rechtzeitigen Zuschlag maßgeblich (= Annahme).
  • Weicht der Zuschlag "inhaltlich" vom Angebot ab, so liegt ein neues Angebot des Auftraggebers vor ("modifizierterZuschlag" - vgl. § 150 II BGB), das vom Bieter angenommen werden kann, nicht angenommen werden muss.
  • Ausführlich  BGH, Urt. v. 3.7.2020 - VII ZR 144 – 19 – Fahrbahnerneuerung (s. u.) - hierzuRandhahn, Heiko, Vergabeverzögerung, Abschied vom vergaberechtlichen Ansatz, NZBau 2021, 14 (zu BGH, Urt. v. 3.7.2020 - VII ZR 144 – 19)
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2. Neuere Entscheidungen
  • Angebote - "modifizierter Zuschlag" - "modifizierte Annahme - kein Vertragsschluss - BGH, Urt. v. 3.7.2020 - VII ZR 144 – 19 – Fahrbahnerneuerung – verlängerte Bindefrist – Voraussetzungen des Vertragsschlusses bei „modifiziertem Zuschlag“ und obendrein „modifizierter Annahme“ durch Bieter: Auslegung der Erklärungen (vom Angebot abweichende Annahme der Vergabestelle durch Zuschlag mit neuen Vertragsfristen – abweichende Annahme des „neuen Antrags“ durch Bieter ohne Bestätigung des von der Vergabestelle vorgesehenen neuen Ausführungszeitraums – kein Vertragsschluss (§§ 133, 150 II, 147 II BGB) – Ablehnung des Schadensersatzanspruchs nach §§ 280, 241 II, 311 II BGB wegen Vergabe an anderes Unternehmen (fehlende Identität des ausgeschriebenen und des sodann an Dritten zugeschlagenen „anderen“ Auftrags) – offen gelassen Frage der Rechtswidrigkeit der Aufhebung nach § 17 I Nr. 3 VOB/A

    Angebot – Zuschlag – Ablauf der Bindefrist -OLG Celle, Beschl. v. 30.01.2020 - 13 Verg 14 – 19 – Breitbandausbau – Rahmenvertrag - Zuschlag auf verfristetes Angebot trotz fehlender Zustimmung zur Verlängerung der Bindefrist
  • Angebot – Verhinderung – EuGH, Urt. v. 28.11.2018 - C‑328/17 - Vergabe des Nahverkehrsdiensts ohne förmliche Ausschreibung – Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnis ohne Teilnahme am Wettbewerb bei Verhinderung des Angebots durch Vergabeunterlagen (Rn. 43 ff) - Nachprüfungsverfahren „zumindest“ für jeden, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen umgesetzte nationale Regelungen ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht; grundsätzlich aber Teilnahme am Wettbewerb Voraussetzung, jedoch dann keine Angebotsabgabe z. B. bei „angeblich diskriminierenden Spezifikationen“ in Vergabeunterlagen und dadurch keine Aussicht Zuschlags – kein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch Nachweisverlangen, dass die Klauseln der Ausschreibung bereits die Abgabe eines Angebots unmöglich machen – ferner Einschränkung durch Beschleunigungs- und Effizienzziele: Antrag auf Nachprüfung nicht nach Entscheidung des Auftraggebers über die Vergabe des Auftrags.
  • Angebot – gleichwertig Angebote – Losentscheid – OLG Hamburg, Beschl. v. 20.03.2020 - 1 Verg 1 – 19 - Lieferung von Steinsalz für Winterdienst – Losentscheid bei gleichwertigen Angeboten (?) (von BGH und EUGH nicht behandelt) – Rüge - § 160 GWB –- Losentscheidung als „ultima ratio“ (?) – Pflicht zur Vermeidung des Losentscheides (?) durch ausführlichere Wertungskriterien (?) - unzureichende Dokumentation – Vergabeunterlagen (Präklusion):
  • Angebot – indikative Angebote - Rügefrist- – OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 13.06.2019, 54 Verg 2 – 19 – Triebzüge und Wartung - SPNV – Rügen in mehrstufiger Innovationspartnerschaft – Präklusion der nach einer „Verfahrensstufe“ (hier neun) unterlassenen Rügen – Maßgeblichkeit der Frist des § 160 III GWB auch für “indikative Angebote“ –„... Präklusion ... einer falschen Vergabeverfahrenswahl („Innovationspartnerschaft“), einer unterlassenen Losaufteilung und wegen eines ungleichen Leistungsumfangs für Anbieter ... nicht mehr zulässiger Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein konnte. ... Demgegenüber sind die Vergaberügen ... zum .... Preis für ... Strom – einschließlich ... Preisgleitklausel – nicht präkludiert, ebenso nicht die Beanstandung ... an eine CO2-freie Stromerzeugung ... Transparenz ... Wertungsaufschläge.“ – keine Überwindung der Präklusion durch das Aufgreifen von Amts wegen
  • Angebot – Auslegung - – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.04.2020 - Verg 30 – 19 – Kanalbau – Angebotsauslegung – Nachunternehmererklärung – Rüge-Präklusion - §§ 133, 157 BGB, 160 GWB - Rügen – nicht ausreichend Beanstandungen „ins Blaue“ ohne tatsächliche Anhaltspunkte und Indizien für Verstoß gegen Vergaberecht (ausführliche Behandlung der Verspätung von Rügen, Ausnahmen und Sonderfällen mit umfangreicher Rechtsprechung) – kein Ausschluss infolge fehlender Angabe der Nachunternehmerleistungen Anforderung der Angabe von Nachunternehmerleistungen im Angebot – Einreichen der „Formblätter“ mit Möglichkeit zum Ankreuzen (Nachunternehmereinsatz) ohne Ankreuzen – Unklarheit des Angebots – Aufklärung und Auslegung des Angebots (§§ 133, 157 BGB) –berechtigte und erforderliche Aufklärung und Nachforderung (keine unzulässige Verhandlung)  – Berücksichtigung von Missverständnissen oder Nachlässigkeit hinsichtlich des unterlassenen Ankreuzens im überlassenen „Formblatt“ – Relevanz der Kenntnis der Vergabestelle vom Nachunternehmereinsatz des Bieters in vorherigen Aufträgen etc. – Abgrenzung Nachunternehmer- und „Hilfsleistungen“ (z. B. Spediteur etc.) – Dokumentation und „Nachschieben“ von Gründen - eine Entscheidung, die in allen Fällen, in denen es um Präklusion etc. sowie Auslegung von Angeboten geht, beachtet werden sollte, wen auch nicht in allem überzeugend.
  • Angebot – Form - OLG Dresden, Beschl. v. 21.02.2020 - Verg 7-19 - Rahmenvertrag für Schutzwesten – §§ 53 II S. 2, 57 I Nr. 1, 57 I Nr. 2 VGV - Einreichen von Musterstücken auf dem Postweg – Unklarheit (Angebotsform und Angebote)
  • Angebot –Form - OLG Dresden, Beschl. v. 21.02.2020 - Verg 7-19 - Rahmenvertrag für Schutzwesten – §§ 53 II S. 2, 57 I Nr. 1, 57 I Nr. 2 VGV - Einreichen von Musterstücken auf dem Postweg – Unklarheit hinsichtlich der Angebotsform im Übrigen für die Angebote selbstunterschiedliche Umschreibung
  • Angebot –Form – OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 18.02.2020 - 11 Verg 7 – 19 – Rahmenvereinbarungen - Beauftragung von Sachverständigengutachten – Polizeipräsidium – zwingende Vorgabe der Nutzung Vergabeplattform und „AI Bietercockpit“ – Verschlüsselung – nicht ausreichend E-Mail-Angebot - Angebotsform -– Angebot durch formwidrige E-Mail und sodann verschlüsseltes und fristgerechtes Einreichen über Vergabeplattform – unberechtigter Ausschluss – keine „Infektion“ des „zweiten verschlüsselten Angebots“ durch formwidrige E-Mail – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – Geheimwettbewerb – keine Divergenzvorlage an BGH wegen OLG Karlsruhe im Beschluss vom 17.03.2017- 15 Verg 2/17 – amtlicher Leitsatz: Wird ein Angebot über die in den Ausschreibungsbedingungen angegebene Vergabeplattform verschlüsselt und fristgerecht eingereicht, ist es nicht allein deshalb vom Verfahren auszuschließen, weil es zuvor formwidrig per E-Mail an die Vergabestelle übermittelt worden war.
  • Angebot - Form – OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.02.2020 - 15 Verg 1 – 20 - Fassaden- und Sonnenschutzarbeiten – Angebotsform – Textform – Unterschrift – Ausschluss - Ablehnung des Antrags auf Verlängerung aufschiebenden Wirkung (§ 173 II S. 1 GWB) – Vergabeunterlagen mit Fettdruck- Formulierung: „Ist - ein schriftliches Angebot nicht an dieser Stelle unterschrieben, - bei einem elektronisch übermittelten Angebot in Textform der Name der natürlichen Person, die die Erklärung abgibt, nicht angegeben oder - ein elektronisches Angebot, das signiert werden muss, nicht wie vorgegeben signiert, wird das Angebot ausgeschlossen.“ – Einreichen des Formblatt KEV 115.2 (B) als Angebotsschreiben ohne Namensangabe: keine deutliche und zweifelsfreie Angabe Identität und Rechtsverbindlichkeit der Erklärung - Textform gemäß §§ 13 EU I Nr. 1 S. 1, 11 EU IV VOB/A, 126 b S. 1 BGB – berechtigter Ausschluss wegen fehlender Unterschrift/Signierung des Formblatts KEV 115.2 (B) - Angebote in Textform nach § 126 b BGB mit Nennung der Person des Erklärenden Und  Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht – Angebotsformular von Antragstellerin unausgefüllt auf die Vergabeplattform hochgeladen – Rüge erst nach Angebotsabgabe – keine Unklarheiten – kein Nachfordern (§ 16 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A) im Fall der Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.09.2018 - Verg 32/18).
  • Angebot – wesentliche Änderung der Vergabeunterlagen - OLG München, Beschl. v. 25.03.2019 - Verg 10 – 18 – Sicherheit der JVA – Grenzen der Gesamtvergabe – Bestimmungsrecht (Gesamtvergabe – Lose) -
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Früheres nach VOL/A etc.
  1. Angebote als Willenserklärungen
  2. Auszuschließende Angebote
  3. Kosten für die Angebotsbearbeitung
  4. Mindestinhalt der Angebote

  • "Muster" Angebote
  • Angebotsmanagement
    1. Angebote als Angebote als Willenserklärungen
      Angebote sind verbindliche Willenserklärungen - vgl. die §§ 147 ff BGB. Sie können entsprechend § 10 II VOL/A nur bis zum Ablauf der Angebotsfrist zurückgezogen werden. Nach Ablauf der Angebotsfrist sind sie verbindlich für den Bieter. Erfolgt der Zuschlag rechtzeitig innerhalb der Zuschlagsfrist - Bindefrist des § 10 I VOL/A, so ist der Vertrag mit dem Zuschlag = Annahme zustande gekommen. Bieter, deren Angebot rechtzeitig durch den Zuschlag angenommen wird, sind vertraglich verpflichtet. Erfüllen Sie den Vertrag nicht, so kommen Schadensersatzansprüche des Auftraggebers nach § 281 BGB infolge von zu vertretender Nichterfüllung in Betracht.

      Ist die nur noch interne Zuschlagsfrist, jetzt Bindefrist nach § 10 I VOL/A noch nicht abgelaufen, so kann sie im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Bietern (früher nach § 28 Nr.- 2 II VOL/A a.F.) verlängert werden. Auch ist der Zuschlag nach Ablauf der Zuschlagsfrist - jetzt Bindefrist - noch möglich. Allerdings stellt der Zuschlag in diesen Fällen eine verpätete Annahme - ein neuer Antrag nach § 150 I BGB - dar, den der Bieter annehmen kann, indessen nicht annehmen muß.
      Die Vertragsurkunde ist lediglich deklaratorisch. Abänderungen des Vertrages sind in diesem Stadium lediglich einvernehmlich (§ 311 I BGB) und im übrigen unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Vorgaben möglich (Vertragsänderung).

      Der Mindestinhalt der Angebote ergibt sich aus § 13 VOL/A. Angebote, die von den Vergabeunterlagen abweichen oder diese abändern, bzw. ergänzen, laufen in Gefahr, zwingend ausgeschlossen zu werden. Zahlreiche Angebote enthalten schwerwiegende Fehler.
    2. Auszuschließende Angebote

      Angebote sind z. B. nach § 16 III VOL/A zwingend auszuschließen:
      - ohne geforderte oder ohne nachgeforderte (vgl. § 16 II VOL/A - problematisch wegen § 16 VII VOL/A) Erklärungen und Nacheise
      - ohne Unterschrift bzw. ohne elektronische Signatur
      - mit zweifelhaften eigenen Eintragungsänderungen,
      - mit Änderungen oder Ergänzungen der Vertragsunterlagen,
      - ohne vorgeschriebene Form bzw. bei schuldhafte Verspätung,
      - von Bietern mit unzulässiger Absprache.

      Vgl. ferner die grundsätzlich einzuhaltenden Wertungsstufen
      I. zwingender Ausschluss nach § 16 III VOL/A,
      II. Ermessensausschluß nach § 16 IV VOL/A,
      III. Nichtberücksichtigung wegen fehlender Eignung nach § 16 IV VOL/A,
      IV. Unzulässige ungewöhnlich niedrige Angebote gemäß § 16 VI VOL/A,
      V. Missverhältnis von Preis und Leistung gemäß § 16 VI VOL/A,
      VI. Preislich unterlegene Angebote bzw. nicht wirtschaftlich günstige Angebote (Preis und weitere Kriterien - Vorsicht ist geboten - keine unzulässige Doppelwertung!) nach §§ 16 VII, VIII, 18 I VOL/A - Formulierungen sind m. E. irreführend.

      Zur stufenmäßiger Prüfung bzw. dem Verbot der Stufenvermischung -Eignung - EuGH, Urt. v. 12.11.2009 - C-199/07 – ZfBR 2010, 98 = NZBau 2010, 120 = VergabeR 2010, 203 - Studie über Bauvorhaben und elektromechanische Arbeiten im Rahmen der Errichtung einer Bahnstation - Vertragsverletzung (Griechenland) – Öffentliche Aufträge – Richtlinie 93/38/EWG – Zulässigkeit der Klage - Vergabebekanntmachung – Kriterien für automatischen Ausschluss – strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht beachtet –
      Eignungsprüfung - OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.6.2010 – Verg 7/10 - ZfBR 2010, 828 – Rinderohrmarken – Eignungsprüfung in zwei Stufen (1. formell – 2. materiell: Prognose über einwandfreie Ausführung)

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