Vertrag -Vertragsschluss -Antrag - Annahme

Vertragsschluss – Vertragsänderung – Zuschlag

Nach dem BGH liegt kein Vertragsschluss vor bei abweichendem „Zuschlag“ (Änderung der Vertragsfristen durch Auftraggeber: neuer Antrag) und abweichender Erklärung des Bieters (Mehrvergütung wegen Änderung der Vertragsfristen = fehlende Annahme) – so BGH, Urt. v. 03.07.2020 - VII ZR 144 – 19 – Fahrbahnerneuerung – Fortführung von BGH, Urt. v. 6. 9. 2012 - VII ZR 193/10).

Der Zuschlag (Vertragsschluss) auf ein verfristetes Angebot trotz fehlender Zustimmung zur Verlängerung der Bindefrist ist wirksam (OLG Celle, Beschl. v. 30.01.2020 - 13 Verg 14 – 19 – Breitbandausbau – Rahmenvertrag).

Bieter – AGB werden nicht Vertragsbestandteil und führen insbesondere wegen einer Abwehrklausel in Auftraggeber-AGB nicht zum Ausschluss eines Bieters wegen Änderung (BGH Urt. v. 18.6.2019 - X ZR 86-17 – Straßenbauarbeiten – AGB (hier ZVBBau) mit qualifizierter Abwehrklausel und abweichende Zahlungsbedingungen im Angebot).

Wird während der Vertragslaufzeit eine Auftragsänderung unter Missachtung des Vergaberechts durchgeführt, trifft die nach nationaler Regelung insofern vorgesehene zulässige Geldbuße nach dem EuGH (Urt. v. 14.05.2020 - C - 263 – 19 – Auftragsänderung während Vertragslaufzeit).

Vertragsmuster des Bundes für Architektenverträge mit wirksamer Baukostenobergrenze sind Gegenstand der Entscheidung des BGH (Urt. v. 11.07.2019 - VII ZR 266 – 17 – Baukostenobergrenze)

Schadensersatzansprüche nach Aufhebung wegen grundlegender Änderung des Auftrags bzw. fehlender Identität des zweiten neuen Auftrags verneint der BGH und geht in diesem  Streitfall von der Wirksamkeit des Zuschlags aus (BGH, Urt. v. 03.07.2020 - VII ZR 144 – 19 – Fahrbahnerneuerung – Vertragsschluss – Aufhebung)

Literatur: Roßner, Sebastian/ Sokolov, Ewgenij/Gierling, Bastian, Die Form des Zuschlags – Zu Friktionen zwischen europäischem Vergaberecht und deutschem Kommunalrecht , NVwZ 2020, 1382; Gröning, Jochem, Die Anpassung der Bauzeit im laufenden Vergabeverfahren , VergabeR 2020, 25

BGH, Urt. v. 6.9.2012 - VII ZR 193/10 – NZBau 2012, 694 - abändernder Zuschlag (neue Bauzeit, Herausnahme einzelner Leistungen) als neuer Antrag; OLG Thüringen, Beschl. v. 30.10.2006 – 9 Verg 4/06 – Winterdienst etc. - Bindefristablauf

BGH zur Zuschlagsverzögerung bei Bauaufträgen BGH, Urt. v. 6.9.2012 - VII ZR 193/10 – NZBau 2012, 694 - abändernder Zuschlag (neue Bauzeit, Herausnahme einzelner Leistungen) als neuer Antrag - amtliche Leitsätze: 1. Erteilt der Auftraggeber in einem öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen den Zuschlag auf das Angebot des Bieters unter Herausnahme einzelner Leistungen, ohne dass dies in der Ausschreibung so vorgesehen ist, liegt darin gemäß § 150 Abs. 2 BGB die Ablehnung des Angebots verbunden mit einem neuen Angebot des Auftraggebers. 2. Enthält das neue Angebot wegen der Verzögerung des Vergabeverfahrens eine neue Bauzeit und bringt der Auftraggeber eindeutig und klar zum Ausdruck, dass er den Vertrag mit diesen Fristen zu dem angebotenen Preis bindend schließen will, kann es nicht dahin ausgelegt werden, der Zuschlag sei auf eine Leistung zur ausgeschriebenen Bauzeit erteilt worden (Fortführung von BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 - VII ZR 213/08, BGHZ 186, 295 und VII ZR 129/09, BauR 2010, 1929 = NZBau 2010, 628 = ZfBR 2010, 810; Urteil vom 25. November 2010 - VII ZR 201/08, BauR 2011, 503 = NZBau 2011, 97 = ZfBR 2011, 235). 3. Ein solches modifiziertes Angebot des Auftraggebers kann regelmäßig nicht dahin ausgelegt werden, dass stillschweigend das Angebot unterbreitet wird, die Vergütung wegen dem Auftragnehmer infolge der Bauzeitänderung etwa entstehender Mehrkosten in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen. 4. Nimmt der Bieter das modifizierte Angebot an, muss er die Leistung in der neuen Bauzeit zu den vereinbarten Preisen erbringen.

BGH, Urt. v. 8.3.2012 - VII ZR 202/09 – VergabeR 2012, 612, m. Anm. v. Althaus, Stefan – Neubau Teillos BAB – Mehrvergütungsanspruch und Voraussetzungen (Änderung der Leistungspflichten) – Verlängerung der Bindefristen - amtliche Leitsätze: 1. Ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B kann dem der Verlängerung der Bindefrist zustimmenden Auftragnehmer wegen einer verzögerten Vergabe grundsätzlich nur erwachsen, wenn diese eine Änderung der Leistungspflichten zur Folge hat (Bestätigung von BGH, Urteil vom 11. Mai 20---VII ZR 11/08, BGHZ 181, 47). 2. Maßgeblich für die in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B zu ermittelnde Höhe des Mehrvergütungsanspruchs, der auf einer durch eine verzögerte Vergabe verursachten Bauzeitverschiebung beruht, sind grundsätzlich nur diejenigen Mehrkosten, die ursächlich auf die Verschiebung der Bauzeit zurückzuführen sind (Bestätigung von BGH, Urteil vom 10. September 20-- -VII ZR 152/08, BauR 20--, 1901 = NZBau20--, 771 = ZfBR2010, 89). 3. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann einem Auftragnehmer ein Mehrvergütungsanspruch in Höhe des Betrages zustehen, der sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich durch die Beauftragung eines Nachunternehmers entstandenen Kosten und denjenigen Kosten ergibt, die für ihn bei Einhaltung der ursprünglichen Bauzeit durch die Annahme des bindenden Angebots eines günstigeren Nachunternehmers entstanden wären.

Zuschlag – Vertragsschluss – Vertragsurkunde

Entscheidungen

BGH, Urt. v. 14.05.2014 - VII ZR 334/12 – Vertragsschluss am 10.8.2010 mit Vertragsurkunde – spätere Übersendung durch Vertragspartner des Vertrags mit abgeändertem nicht im Schriftbild erkennbar eingeschobenem Inhalt – Maßgeblichkeit des ersten und einzigen Vertragsschlusses trotz Unterschrift und Rücksendung der nachträglich übersandten Urkunde –

BGH, Beschl. v. 26.09.2006 - X ZB 14/06 - NZBau 2006, 800, m. Anm. v. Müller-Wrede, Malte - Antragsbefugnis bei allseits fehlerhaften Angeboten und Kostenhaftung - „Polizeianzüge“ - amtliche Leitsätze: Legt ein Bieter die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften dar und kommt danach als vergaberechtsgemäße Maßnahme die Aufhebung der Ausschreibung in Betracht, weil alle anderen Angebote unvollständig sind, ist der Bieter regelmäßig unabhängig davon im Nachprüfungsverfahren antragsbefugt, ob auch sein Angebot an einem Ausschlussgrund leidet; fehlen Muster, deren Vorlage der öffentliche Auftraggeber verlangt, oder sind verlangte Muster unvollständig, ist § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A entsprechend anzuwenden; wenn der öffentliche Auftraggeber in Anwendung von § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A das Angebot eines Bieters wegen Unvollständigkeit nicht wertet, muss er jedenfalls auch diejenigen Angebote anderer Bieter ausschließen, die gleichfalls an dem beanstandeten oder einem gleichwertigen Mangel leiden; wenn alle Angebote in bestimmter Hinsicht unvollständig und deshalb von der Wertung auszuschließen sind, kann auch ein Bieter, dessen Angebot an einem weiteren Ausschlussgrund leidet, verlangen, dass eine Auftragsvergabe in dem eingeleiteten Vergabeverfahren unterbleibt; der öffentliche Auftraggeber und der ihn unterstützende Beigeladene haften als Teilschuldner für die Erstattung der Aufwendungen .....

OLG Dresden,  Beschl. v. 11.9.2006 – WVerg 13/06 – Funkanalyse (VOL) -  amtliche Leitsätze: Für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den Vergabeunterlagen Angaben abverlangt, die objektiv nicht möglich und deshalb vergaberechtswidrig seien, beginnt die Rügefrist des § 107 Abs. 3 GWB spätestens mit dem Beginn der Ausarbeitung des eigenen Angebots, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den aus seiner Sicht rügebedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann gegenüber dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf; in der Abgabe eines vom Ausschreibungsinhalt abweichenden Angebots liegt nicht ohne weiteres eine durch schlüssiges Verhalten erhobene Rüge, dass die anders lautenden Vorgaben des Auftraggebers vergaberechtswidrig seien.

OLG Thüringen, Beschl. v. 30.10.2006 – 9 Verg 4/06 – Winterdienst und Störungsbeseitigung (VOL) – amtliche Leitsätze: Nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln erlischt nach Ablauf der Bindefrist [§ 19 Abs. 3 VOL/A] das Angebot eines Bieters gem. §§ 146, 148 BGB und ist damit für das Ausschreibungsverfahren nicht mehr existent; die Wertung eines wegen Überschreitung der Bindefrist bereits erloschenen und danach erneut zum Wettbewerb eingereichten – inhaltsgleichen – Angebots ist wegen Überschreitung der Angebotsfrist [§ 18 Abs. 1 S. 1 VOL/A] grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, dass der verspätete Eingang auf nicht vom Bieter zu vertretenden Umständen beruht, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e VOL/A; nicht der Bietersphäre im vorgenannten Sinne zuzurechnen ist es, wenn die VSt mit gleicher Wirkung für alle Bieter und im Einvernehmen mit diesen [vgl. § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A] eine bereits abgelaufene Angebotsfrist nachträglich “verlängert“, d. h. die erneute Vorlage der bereits erloschenen Angebote mit deren ursprünglichem Inhalt gestattet; übergeht die Vergabestelle im Rahmen der nachträglichen “Verlängerung“ einer bereits abgelaufenen Angebotsfrist einen einzelnen Bieter, so ist diesem aus Gleichbehandlungsaspekten wie den übrigen Bewerbern die erneute Vorlage seines [erloschenen] ursprünglichen Angebots gestattet.

Vergabekammer Nordbayern, Beschl. v. 12.10.2006 - 21.VK-3194-25/06 - Neuordnung von Entsorgungsdienstleistungen in der Abfallwirtschaft (VOL) – amtliche Leitsätze: Die Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle ist eine Entscheidung im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 89/665/EWG vom 21.12.1989 in Gestalt von Art. 41 der Richtlinie 92/50/EWG vom 18.06.1992 ["Rechtsmittelrichtlinie"], gegen die die Mitgliedstaaten primären Vergaberechtsschutz zu gewährleisten haben; in diesem Sinn sind die Vorschriften der §§ 102 ff. GWB über das Nachprüfungsverfahren auszulegen; eine nicht ausdrücklich im Namen der Bietergemeinschaft erhobene Rüge eines einzelnen Mitglieds einer Bietergemeinschaft ist der Bietergemeinschaft zuzurechnen, wenn das Mitglied mit Erklärung der Arbeitsgemeinschaft ermächtigt wurde, als geschäftsführendes Mitglied die Arbeitsgemeinschaftsmitglieder gegenüber dem Auftraggeber rechtsverbindlich zu vertreten; die Forderung, dass die Bieter nur Angebote auf alle Lose abgeben dürfen, eine losweise Vergabe jedoch vorbehalten bleibt, stellt keinen Widerspruch dar; die Befürchtung, mit einem Nachprüfungsverfahren überzogen zu werden, ist kein "anderer schwerwiegender Grund" für eine Aufhebung.