OLG Rostock legt Grenzen fest
Eine Entscheidung des OLG Rostock legt deutlich die Grenzen für Aufhebung bzw. Zurückversetzung des Verfahrens in ein früheres Stadium fest.
In seiner Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht Rostock (Beschl. v. 6.3.2009 – Aktenzeichen: 17 Verg 1/09 – veröffentlicht in NZBau 2009, 531) mit der Frage der Aufhebung bzw. der „Rettung des Verfahrens“ durch Zurückversetzung des Verfahrens in ein früheres Stadium befasst. Der Beschluss betrifft die Vergabe von so genannten PPK-Abfällen (Papier, Pappe, Karton). In den Verdingungsunterlagen war eine unzulässige vertragliche „Treupflicht“ vorgesehen, nach der der Bieter sich verpflichten sollte, kein konkurrierendes Sammelsystem im Landkreis zu betreiben. Das OLG nahm insofern keinen unheilbaren Mangel an, der die Aufhebung erfordert, sondern lediglich eine Zurückversetzung in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen nach Korrektur der Mängel des Verfahrens. Auch weitere Mängel des Verfahrens (Verstoß gegen § 8 Nr. 1 I VOL/A <fehlende Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung, unmögliche Leistung> ferner Verstoß gegen § 8 Nr. 1 III VOL/A <ungewöhnliches Wagnis: u. a. fehlende Angabe der Gesamtmenge>). Das Gericht gelangt zu der Ansicht, dass auch insofern die Fortführung nach Zurückversetzung in Stand des Verfahrens vor Versendung der „neuen“ Verdingungsunterlagen nach der Beseitigung der Mängel des Verfahrens zulässig ist und nur bei Nichtbeseitigung der Verfahrensmängel die Aufhebung die zwingende Folge ist. Solange noch ein „Rest“ als taugliche Grundlage für ein Vergabeverfahren nach Beseitigung von Mängeln vorhanden ist, ist die Aufhebung nicht das richtige Mittel. Voraussetzung ist natürlich die Beseitigung der Mängel des Verfahrens nach Zurückversetzung.
Die Entscheidung legt deutlich die Grenzen für Aufhebung, Zurückversetzung und „Heilung“ der Verfahrensfehler dar. Das OLG, aaO, führt hierbei die möglichen Varianten der Vorgehensweise eindringlich und zutreffend wie folgt dar: „Auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war gemäß § 114 1 GWB das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen, da die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Davon sind als ein Weniger die im Verfahren vor der VK angebrachten Anträge der Antragstellerin auf Wiederholung der Angebotswertung umfasst. Einer Aufhebung der Ausschreibung bedarf es vorliegend nicht, da der Vergaberechtsverstoß in der Bekanntmachung noch nicht enthalten war. Ein Anspruch auf Aufhebung und Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens kommt als „ultima ratio“ dann in Betracht, wenn das bisherige Verfahren mit derart gravierenden Mängeln behaftet ist, dass diese im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten Eignungs- und Angebotsprüfung nicht mehr heilbar sind. Dies kann etwa der Fall sein bei unklaren Leistungsbeschreibungen, Preisermittlungsgrundlagen (vgl. § 8 Nr. 1 II VOL/A) oder Zuschlagskriterien (§ 9 a VOL/A), auf die von vornherein kein sachgerechtes Angebot abgegeben werden kann, oder wenn eine unrichtige Vergabeart gewählt worden ist (vgl. Jaeger, NZBau 2001, 289 [300], zu 10).
In einem solchen Fall kann nicht nur die VK, sondern auch der Vergabesenat die „Verpflichtung zur Aufhebung des gesamten Vergabeverfahrens“ aussprechen (vgl. OLG Celle, NZBau 2002, 400 = IBR 2002, 154 und 155; OLG Naumburg, Beschl. v. 26. 2. 2004 - 1Verg 17/03 = NJOZ 2004, 1828 = IBR 2004, 218). Dabei ist allerdings der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten; eine Aufhebung der Ausschreibung darf nur angeordnet werden, wenn keine mildere, gleich geeignete Maßnahme zur Verfügung steht (OLG Düsseldorf, ZfBR 2003, 721 = WuW 2003, 861 = IBR 2003, 498; BayObLG, NZBau 2005, 595). Dies erfordert auch die Richtlinie des Rates vom 21.12. 1989 - 89/665/EWG (ABIEG v. 30. 12. 1989 Nr. L 395, S. 33), die in Art. 2 1 lit. b den Nachprüfungsinstanzen - ausdrücklich - die Möglichkeit gibt, vergaberechtlich fehlerhafte Teile einer Ausschreibung zu eliminieren, sofern der „Rest“ noch taugliche Grundlage einer Vergabeentscheidung bleibt (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 30. 6. 2005 - 6 Verg 5/05 = LSK 2005, 490119).“ – Besser und knapper können die Grundsätze nicht formuliert werden. Die Praxis sollte dies uneingeschränkt beachten, wobei dem „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“ besondere Bedeutung zukommt.
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