Entscheidung des EuGH zu Eignungs- und Zuschlagskriterien

Häufig versuchen Vergabestellen, von dem einzigen „objektiven Kriterium Preis“ wegzukommen und sehen weitere Kriterien neben dem Preis sowie insbesondere Punktesysteme vor. Vielfach machen die Bewerber und Bieter hier auch mit, weil sie sich möglicherweise – trotz schlechteren Preisrangs – über die „Bepunktung“ Vorteile erhoffen. Allerdings riskieren Vergabestellen Rügen und die Anrufung der Vergabekammer durch Bewerber, die es über den Preis „genau wissen“ und angebliche Manipulationen ausschließen wollen.

Insofern hat der EuGH diesen Bewerbern durch seine Entscheidung vom 12. 11. 2009 (Aktenzeichen: C-199/07) wiederum Recht gegeben; denn in der mangelnden Trennung der „Eignungskriterien“ und den „auftragsbezogenen Zuschlagskriterien“ sieht der EuGH eine unzulässige Vorgehensweise der Vergabestelle. Diese grundlegende (wiederholt zum Ausdruck gebrachte) Ansicht des EuGH darf in der Praxis nicht übergangen werden. Es ist strikt zu trennen zwischen Bewerberauswahlkriterien bei Teilnahmewettbewerben, Kriterien für das Ermessen zur Feststellung der Eignung und den „Zuschlagskriterien“. Der offensichtlichste Fehler liegt dann vor, wenn eine so genannte „Doppelwertung“ erfolgt, d. h. dass Eignungskriterien nochmals in den Zuschlagskriterien auftauchen. Das hatte der BGH schon vor Jahren als schwerwiegenden Verstoß erkannt. Im EU-Verfahren sollte nicht nur § 97 V GWB n. F. („wirtschaftlichstes Angebot“), sondern z. B. Art. 53 Richtlinie EG 18/2004 („Preis“ oder „wirtschaftlich günstigstes Angebot“).

EuGH, Urt. v. 12. 11. 2009 – C-199/07 – ZfBR 2010, 98 - Studie über Bauvorhaben und elektromechanische Arbeiten im Rahmen der Errichtung einer Bahnstation - Vertragsverletzung (Griechenland) – Öffentliche Aufträge – Richtlinie 93/38/EWG – Zulässigkeit der Klage - Vergabebekanntmachung – Kriterien für automatischen Ausschluss – strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht beachtet .

1. Die Hellenische Republik hat zum einen wegen des in Abschnitt III Nr. 2.1.3 Buchst. b Abs. 2 der am 16. Oktober 2003 von der ERGA OSE AE veröffentlichten Vergabebekanntmachung mit den Nrn. 2003/S 205?185214 und 2003/S 206?186119 vorgesehenen Ausschlusses von ausländischen Beratungsfirmen und Beratern, die in den sechs Monaten vor der Bekundung ihres Interesses an der Teilnahme an dem in der streitigen Vergabebekanntmachung genannten Wettbewerb ihr Interesse an der Teilnahme an Ausschreibungsverfahren der ERGA OSE AE bekundet und Qualifikationen angegeben haben, die anderen als den im vorliegenden Wettbewerb verlangten Zeugniskategorien entsprechen, und zum anderen wegen der fehlenden Unterscheidung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien in Abschnitt IV Nr. 2 dieser Vergabebekanntmachung gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 Abs. 2 und 34 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor verstoßen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Hellenische Republik tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Hinweise: Die Entscheidung befasst sich zunächst mit der Frage der Zulässigkeit der Klage. Wiederum stellt der EuGH fest, dass vorgängige nationale Überprüfungsverfahren nicht dazu führen, dass die EU-Kommission Verstöße nicht aufgreifen kann. Insofern führen die in § 101b GWB enthaltenen Grundsätze (z. B. Ausschlussfrist) nicht dazu, dass die Kommission nicht vor dem EuGH Klage erheben kann. Daneben enthält das Urteil des EuGH wiederum wichtige Hinweise in der Frage, wie Eignungs- und Zuschlagskriterien von einander abzugrenzen sind. Insofern ist größte Vorsicht geboten, z. B. die fachliche Eignung (vorgängige Stufe vor der Zuschlagswertung) in die Zuschlagskriterien aufzunehmen. Es wird immer kritischer, Preis und daneben weitere Kriterien mit Punktewertung etc. zu konzipieren, die nicht beanstandet werden können. Ferner ist zu fragen, wie sich die unterlassene Rüge (§ 107 III GWB) auswirkt, was allerdings nicht Gegenstand der Entscheidung war.

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