Wenig Hilfe, aber zusätzliche Komplikationen

Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung am 26. März 2010 der neuen Vergabeverordnung mit wenigen Änderungen zugestimmt. Nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt treten auch die neue VOL/A in Kraft. Der neue Text der VOL/A ist zwar „kürzer“ – aber von den erklärten Zielen der Vereinfachung und Entbürokratisierung sind auch die neuen Vorschriften meilenweit entfernt. Unklarheiten, Komplikationen sowie Fehlerursachen bestehen nach wie vor. Leichter wird die Beschaffung damit in keiner Weise. Erneuter Lernaufwand kommt auf die Vergabestellen zu.


Zeitpunkt der Anwendung der neuen Bestimmungen

Die VgV 2010 wird kurzfristig im BGBl verkündet werden und am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft treten. In § 4 wird für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträge auf die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) Bezug genommen. Damit ist die Neufassung der VOL/A 2009 von dem Inkrafttreten der VgV abhängig.

Damit ist dann die neue Rechtslage für alle Vergabeverfahren maßgeblich, die am Tage nach der Veröffentlichung im BGBl beginnen (§ 23 VgV 2010). Der in § 4 VgV 2010 betroffene Teil der VOL/A ist der Abschnitt 2 (§§ EG VOL/A – früher a-§§ VOL/A). Damit stellt sich die Frage, ob der Abschnitt 1, also die neuen §§ 1- 20 VOL/A, unabhängig vom Inkrafttreten der VgV 2010 bereits anzuwenden ist. In der Bekanntmachung der VOL/A 2009 heißt es hierzu allerdings wörtlich: „Zur Wahrung der einheitlichen Geltung der Neufassung der VOL/A soll erst zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung der Vergabeverordnung auch die Anwendung des Abschnitts 1 der VOL/A vorgeschrieben werden.“ Es ist also durchaus denkbar, dass die als Verwaltungsvorschriften einzustufenden §§ 1 – 20 VOL/A n. F. z. B. nach entsprechenden Erlassen in Bund, Ländern etc. bereits früher anzuwenden sind. Auf jeden Fall sollte man sich intensiv mit der Neufassung vor allem hinsichtlich der Vergaben unterhalb der Schwellenwerte vertraut machen und sich nicht überraschen lassen.

Ist die Reform der VOL/A 2009 erfolgreich?

Auf den ersten Blick ist festzustellen, dass der 1. Abschnitt nicht mehr wie früher aus 30 Paragraphen, sondern lediglich aus 20 besteht. Dies liegt einfach daran, dass man die §§ 12 – 15 VOL/A a. F. in § 9 II – IV bzw. in § 2 IV VOL/A (VO PR 30/53) aufgenommen hat. Damit ist in sachlicher Hinsicht nichts geändert. Die Problematik der Vertragsstrafen etc. sowie die Pflicht zur Einbeziehung der VOL/B bzw. weitere AGB der öffentlichen Hand (vgl. § 9 I VOL/A n. F.) ist damit in der Sache nicht verändert, allerdings weniger deutlich als in der bisherigen Fassung.

Ferner hat man die §§ 4 (Markterkundung), 6 (Sachverständige) und 11 (Ausführungsfristen) gestrichen. Damit entfielen sieben Paragraphen. § 5 (Lose) wurde zudem in § 2 II VOL/A n. F. in gekürzter Form untergebracht. Ob man den Mitarbeitern damit die Arbeit erleichtert hat, darf bezweifelt werden. Es findet sich keine Pflicht zur Markterkundung mehr in der Neufassung (früher § 4 VOL/A a. F.). Lediglich § 2 III VOL/A n. F. schreibt vor, dass Vergabeverfahren „lediglich zur Markterkundung und zum Zwecke von Ertragsberechnungen unzulässig“ sind. Ob der Mitarbeiter daraus die Pflicht zur vorherigen Markterkundung und Marktübersicht herausliest, dürfte fraglich sein. Fest steht aber, dass ohne eine durch die Markterkundung erarbeitete Marktübersicht jedes Vergabeverfahren erheblich gefährdet ist (unangemessene Ausführungsfristen, fehlende Bewerber-/Bieter- und Produkt- wie Preisübersicht etc.). Bekanntlich hängt von der Marktübersicht jede weitere Entscheidung im Vergabeverfahren ab (Vergabeart, Leistungsbeschreibung, nationale oder EU-weite Vergabe etc.). Auch die frühere Pflicht, erst nach Fertigstellung der Vergabeunterlagen auszuschreiben etc. (sog. „Vergabereife“ nach § 16 Nr. 1 I VOL/A) fehlt.

Dafür kamen aber zwei neue Bestimmungen für Rahmenvereinbarungen (§ 4 VOL/A n. F.) und dynamische elektronische Verfahren (§ 5 VOL/A n. F.) hinzu. Beide Verfahren sind damit auch im nationalen Vergabeverfahren zugelassen (nicht jedoch die elektronische Auktion, sie wird lediglich in § 101 VI GWB angeführt). Damit sind aber die entsprechenden Probleme nicht gelöst.

Wesentlich geändert haben sich die Bestimmungen über die Vergabearten – teils auch zum Nachteil der Beschaffungsstellen. Nach wie vor haben wir es gemäß § 3 I VOL/A mit der öffentlichen und beschränkten Ausschreibung sowie der Freihändigen Vergabe („Verhandlungsverfahren“) zu tun (vgl. § 3 I VOL/A n. F.). Speziell aber bei der beschränkten Ausschreibung treffen wir eine unverständliche zusätzliche Bürokratisierung an; denn nunmehr ist für die Fälle des „beschränkten Kreises von Unternehmern“ (wenige „Spezialisten“ etc.) und Dringlichkeit bzw. Geheimhaltung zwingend ein Teilnahmewettbewerb vorzuschalten (vgl. § 3 III a) und b) VOL/A n. F.). Das ist eine unsinnige Erschwernis. Wenn die Markterkundung bzw. Marktübersicht, die unabdingbar zu erarbeiten sind, steht die Zahl der „Spezialisten“ fest. Dann ist ein Teilnahmewettbewerb überflüssig, der einen nicht unerheblichen Aufwand (Bekanntmachung, Zulassungsbedingungen, Kriterien für das Auswahlermessen etc.) und Zeitverlust mit sich bringt. Ebenso unverständlich ist es, wenn in den Fällen der „Dringlichkeit“ oder „Geheimhaltung“ jetzt obligatorisch ein Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben ist. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass ausgerechnet diese beiden Gestaltungen Gegenstand erheblichen Missbrauches waren. Das war nur dann der Fall, wenn Markterkundung und damit Marktübersicht fehlerhaft waren. Für die bisherigen Fälle (kein wirtschaftliches Ergebnis, Missverhältnis zwischen Aufwand und Effekt) hingegen wird die beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb zugelassen (§ 3 IV VOL/A n. F.).

Die Gründe für die Freihändige Vergabe wurden teils zusammengestrichen bzw. entfielen sowie um einen „Bonus“ für „Forschungs- und Entwicklungsaufgaben“ in § 3 V VOL/A ergänzt. Dass man den „Direktkauf“ bis zum Wert von 500 € o. MwSt. ohne Vergabeverfahren zugelassen ist, ist zwar ein kleiner Fortschritt. Es hätten aber durchaus auch 1000 € sein können (mit entsprechendem Vermerk und Berichtspflichten sowie „kleiner telefonischer Markterkundung“ und natürlich unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Notwendigkeit sollte auch einmal betont werden!). Ebenso konnte man sich nicht für einen konkreten Betrag für die Freihändige Vergabe entscheiden, so dass der „Flickenteppich“ in Bund und Ländern je nach Erlass weiter bestehen wird. Das erstaunt mit Blick auf die „Großzügigkeit“, mit der man im Konjunkturpaket II z. B. bis 100.000 € die Freihändige Vergabe ohne weitere Begründung zugelassen hat. Merkwürdig erscheint, dass für die Freihändige Vergabe der Zuschlag gemäß §§ 6 V i), 18 II, III VOL/a n. F. kompliziert geregelt ist. Ob allen Mitarbeitern die Form der „fortgeschrittenenelektronischen Signatur“ bzw. der „elektronischen Signatur“ nach dem Signaturgesetz geläufig sind, ist zu bezweifeln. Das kann man aber ausbügeln, indem man die Form nach § 18 II VOL/A n. F. entsprechend festlegt.

Wenig gewonnen hat man in den §§ 6, (Teilnehmer am Wettbewerb), 7 (Leistungsbeschreibung) und 8 (Vergabeunterlagen) VOL/A n. F. In § 6 sind mehrere früher verteilte Bestimmungen zusammengefasst (vgl. §§ 7 Nr. 1 I, 20 Nr. 2, 7 Nr. 4, 7 Nr. 5 und 6 VOL/A a. f.). Wesentlich erscheint die Bestimmung des § 6 III VOL/A n. F. (grundsätzlich nur Eigenerklärungen, Begründungspflicht bei weitergehenderen Nachweisen). Das ist gerechtfertigt; denn früher war hier ebenso wie bei Vertragsstrafen, Sicherheiten mancher überzogene Missbrauch anzutreffen, insbesondere die Nichtbeachtung des Grundsatzes der „Verhältnismäßigkeit“ der Anforderungen von Erklärungen etc. Die Regelung der „Vorbefassung“ in § 6 VI VOL/A n. F. ist zu begrüßen – ebenso wie die Streichung des Merkmals „gewerbsmäßig“ in § 7 Nr. 2 I VOL/A a. F., die der Einschaltung von Nachunternehmern entgegenstand. Im Übrigen ist der häufig anzutreffende Streitpunkt des § 7 Nr. 6 VOL/A a. F. endlich beseitigt; denn in § 6 VI VOL/A n. F. ist nur noch von „Justizvollzugsanstalten“ und nicht mehr von Einrichtungen der Jugendhilfe etc. die Rede.

Wesentlich gekürzt ist § 8 VOL/A a. F. § 11 VOL/a a. F. ist – wie bereits erwähnt – entfallen. Wie bisher muss die Leistungsbeschreibung nach § 7 I VOL/A n. F. eindeutig, erschöpfend und für alle gleich verstehbar sein – § 8 Nr. 1 II (Preisermittlungsgrundlagen) und III („ungewöhnliches Wagnis“) sowie Nr. 4 (Muster, Proben etc.) VOL/A a. F. sind entfallen. Damit sind freilich die in den bisherigen Vorschriften genannten Grundsätze nicht obsolet geworden. Sie werden sich in der Rechtsprechung wiederfinden. Dessen sind wir uns sicher. Die genannten Punkte sind damit zwar nicht genannt, aber „Wissenssache“. Leistungsbeschreibung, die Kalkulation ungeeignet sind oder ungewöhnliche Wagnisse enthalten, verstoßen u. E. gegen § 8 I VOL/A n. F. Fehlende Ausführungsfristen machen die Leistungsbeschreibung unvollständig.

Abschließend soll noch kurz auf die 13 ff VOL/A n. F. eingegangen sein. Hierbei scheint der Hinweis wichtig, dass hier bisherige Unklarheiten nicht behoben wurden, sondern u. E. aufrecht erhalten und verstärkt wurden. So „kollidieren“ nach wie § 13 III („müssen“) VOL/a n. F. und § 16 II, III a) VOL/A n. F., soweit es um die Frage der Vollständigkeit der Angebote geht. Ferner werden die Zuschlagskriterien wiederum sehr unklar geregelt (vgl. §§ 16 VII, VIII sowie 18 I VOL/A). Der Zuschlag wird weiter “auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot“ erteilt. „Der niedrigste Angebotspreis ist nicht entscheidend.“ Das wird sicherlich wie bisher zu unzulässigen „Doppelwertungen“ etc. führen, wenn die Mitarbeiter der Beschaffungsstellen nicht entsprechend geschult sind.

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