Strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien


Die in der nationalen Rechtsprechung vielfach entschiedene Frage der strikten Trennung von Teilnahmeauswahl-, Ermessenskriterien (Eignung) und Zuschlagskriterien war u. a. erneut Gegenstand des Urteils des EuGH vom 12. 11. 2009. Diese Grundsätze gelten für alle Bereiche, auch für die Beschaffung nach der Sektorenverordnung.

Grundsätzlich gilt das Prinzip der „Einmalprüfung“ eines Kriteriums, d. h.: die Kriterien, die Gegenstand des Teilnahmeantrages sind, haben in den Stufen „Eignung“ und „Zuschlag“ nichts mehr zu suchen. Ebenso sind in der „Eignungsstufe“ abgeprüfte Kriterien damit erledigt und dürfen nicht noch einmal in den „Zuschlagskriterien“ auftauchen. In Kenntnis dieser grundsätzlichen Ausgangslage wäre es zu erwarten gewesen, dass die Neufassungen der VOL/A und VOB/A dies verdeutlichen. Zwar ist z. B. in § 20 VOL/A n. F. die fortlaufende und zeitnahe Dokumentation vorgesehen, gleichwohl enthalten die §§ 16 VIII, 18 I VOL/A n. F. wiederum unklare bzw. irreführende „Anweisungen“ für die Mitarbeiter. Aufklärung ist folglich unumgänglich, wenn man keine „Überraschungen“ vor allem im EU-Verfahren erleben will.

Nach § 16 V VOL/A n. F. sind nur „geeignete“ Bieter zu berücksichtigen. § 16 VIII VOL/A n. F. sieht vor, dass bei dem Zuschlag “verschiedene durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien zu berücksichtigen sind, beispielsweise Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- oder Ausführungsfrist.“ Weiter findet sich § 18 I VOL/A n. F. wiederum die Formulierung: „Der Zuschlag ist auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Der niedrigste Preis allein ist nicht entscheidend.“ Zwar wird in § 16 VII VOL/A n. F. zum Ausdruck gebracht, dass nur die bekannt gemachten Kriterien für die Wertung vorzusehen sind. Die vielfach übliche Praxis – vor allem im nationalen Verfahren – besteht nun darin, dass als Kriterium „das wirtschaftlichste Angebot“ bekannt gemacht wird. Das besagt aber grundsätzlich, dass mangels weiterer konkreter Kriterien nur der zuschlagsfähige niedrigste Preis in Betracht kommt. Wenn das nach der Rechtsprechung dann aber so ist, dann sollte das auch in der „Dienstanweisung“ für nationale Vergaben so in den Vorschriften eindeutig zum Ausdruck kommen. Nur der Umstand, dass unterhalb der Schwellenwerte keine Rechtsschutz vor dem Zuschlag eingreift und regelmäßig im Beeich der VOL/A keine Schadensersatzklagen erhoben werden, sollte die Praktiker nicht dazu veranlassen, über eine Vermischung verschiedener Wertungskriterien oder eine Ergänzung dieser Kriterien neben dem Preis den Zuschlag auf den Bieter „hin zu werten“, den man sich wünscht. Diese „Doppel- oder auch Mehrfachwertungen öffnen natürlich der Manipulation Tür und Tor.

Da hilft es nichts, dass z. B. im EU-Verfahren die Vorschriften der §§ 97 V GWB, 19 VIII, IX, 21 EG VOL/A n. F. nach Art. 53 der Richtlinie 2004/18/EG europarechtskonform auszulegen sind, in dem es ausdrücklich heißt, dass der Zuschlag entweder auf das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ oder das Angebot „mit dem niedrigsten Preis“ zu erteilen ist. Die insoweit weiter bestehenden Unklarheiten werden mit dem Hinweis auf die haushaltsrechtliche Konzeption des Vergaberechts „erklärt“ (vgl. Müller-Wrede, Hrsg., GWB-Vergaberecht, 2009, § 97 Rdnrn. 53 ff.). Vielleicht sollten die entsprechenden Gremien bei der nächsten Reform endlich einmal daran denken, dass es sich bei der VOL/A und VOB/A – jeweils Abschnitte 1 – um Verwaltungsvorschriften bzw. Dienstanweisungen für die Exekutive handelt, die klar und deutlich zu formulieren und ohne größere Nachforschungen in Kommentierungen anzuwenden sind. Bei der Vergabe von Bauleistungen besteht die konkrete Gefahr der Inanspruchnahme auf Schadensersatz; denn in §§ 16 VI Nr. 3, 16a VOB/A n. F. ist der gleiche vergaberechtliche „Unsinn“ wie in der VOL/A anzutreffen. Doch hier haben zahlreiche Vergabestellen bei „Zuschlägen an den Falschen“ schon hinreichende schlechte Erfahrungen gemacht. Immerhin ist da der Schwellenwert 4.845.000 €. Auch wenn unterhalb der Schwellenwerte auch kein Rechtsschutz nach wie vor vor dem Zuschlag besteht, sind Schadensersatzklagen in Vergangenheit und ferner auch in Zukunft anzutreffen.

In seiner neueren Entscheidung hat diese Grundsätze der EuGH erneut betont (Urt. v. 12.11.2009 - C-199/07 – ZfBR 2010, 98 = NZBau 2010, 120 = VergabeR 2010, 203 - Studie über Bauvorhaben und elektromechanische Arbeiten im Rahmen der Errichtung einer Bahnstation– strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht beachtet) – Tenor - 1. Die Hellenische Republik hat …..wegen der fehlenden Unterscheidung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien in Abschnitt IV Nr. 2 dieser Vergabebekanntmachung gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 Abs. 2 und 34 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor verstoßen. …“ Damit enthält das Urteil des EuGH wiederum wichtige Hinweise zu der Frage, wie Eignungs- und Zuschlagskriterien von einander abzugrenzen sind. Insofern ist größte Vorsicht geboten, z. B. die fachliche Eignung (vorgängige Stufe vor der Zuschlagswertung) in die Zuschlagskriterien aufzunehmen. Es wird immer kritischer, Preis und daneben weitere Kriterien mit Punktewertung etc. zu konzipieren, die nicht beanstandet werden können. Entscheidung s. Anhang – VOLaktuell 1/2010.

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