2010 laufen die Regelungen zum KOPA II aus


2010 werden die Regelungen zum KOPA II auslaufen. Dann treffen wir wieder unterhalb der Schwellenwerte die unwirtschaftlichen „Ministerauftragswerte“ für die Freihändige Vergabe an – von Bund und Ländern unterschiedliche Spannen von 8000 € bis 30.000 € im Bereich der VOL/A. Zwar lässt sich derzeit noch nicht vollständig absehen, ob und wie die Erleichterungen für die Freihändige Vergabe bzw. Beschränkte Ausschreibung (bis 100.000 €) genutzt worden sind. Insbesondere stellt sich die Frage nach einem eventuellen vergaberechtswidrigen Missbrauch dieser Erleichterungen.

Es scheint aber bei den Verantwortlichen eine Tendenz zu bestehen, den Einkauf der öffentlichen Hand auch nach dem Auslaufen des KOPA II zu entschlacken. So trat in Brandenburg bereits am 29.06.2010 die Vierte Verordnung zur Änderung der Gemeindehaushaltsverordnung (Brandenburg GVBl. V. 1.7.2010 Nr. 37) in Kraft. Nach § 25a der genannten Verordnung ist für Verfahren unterhalb der Schwellenwerte eine Fortgeltung der Auftragswerte des KOPA II vorgesehen, also im Bereich der VOL/A 100.000 € o. MwSt. für die Freihändige Vergabe bzw. Beschränkte Ausschreibung. Ferner ist dort auch für den „Direktkauf“ bis zu 500 € ohne MwSt. nach § 3 VI VOL/A vorgesehen, dass auf einen Vergabevermerk verzichtet werden kann (für Bauleistungen und Beschränkte Ausschreibung 1.000.000 € bzw. die Freihändige Vergabe von Bauleistungen 100.000 €).

Prof. Dr. Bartl von CitoExpert dazu: „Das ist meines Erachtens ein mutiger Schritt, zumal eine Auswertung der KOP-II-Vergabeverfahren noch nicht vorliegen dürfte. Allerdings ist dies nach meiner Auffassung zu begrüßen, sofern die Einkäufer der öffentlichen Hand – wie dies die EU-Kommission bereits 1993 verlangte, ebenso mehrfach die Rechnungshöfe – eine ausreichende Ausbildung und Erfahrung haben.“

Auch Hessen will offensichtlich in dieser Hinsicht aktiv werden – ebenso das Land Nordrhein-Westfalen. Auch auf Bundesebene soll bis Ende des Jahres 2010 eine Vergaberechtsnovelle vorgelegt werden – so jedenfalls Staatssekretär Saebisch (siehe auch die Berichte in Behördenspiegel 10/2010, 25).

„Dies ist“, so Prof. Dr. Bartl, „im Grunde nicht zu fassen. Am 13.06.2010 traten bekanntlich die Neufassungen von VOL/A, VOB/A und VOF in Kraft. Diese ´Reform´ war keine ´Reform´, sondern ein misslungener Aufguss der bisherigen Fassungen der ´Verdingungsordnungen´. Es darf im Grunde unterhalb der Schwellenwerte – aber auch oberhalb – nicht schon wieder zu Neuformulierungen kommen, zumal die neuen Bestimmungen zahlreiche Unklarheiten und Fehlleistungen enthalten.“ Auf die Nachfrage nach Details sagte Prof. Dr. Bartl: „Die VOL/A z. B. enthält alte Fehler z. B. durch irreführende Fassungen in §§ 16 II, VII, VIII, 18 I VOL/A. Die Formulierungen sind unzutreffend, denn der Zuschlag ist grundsätzlich auf den zulässigen niedrigsten Preis zu erteilen.

Kritisch ist auch § 16 II VOL/A. Danach können Nachweise und Erklärungen etc. nachgefordert werden. Das muss aber im Zusammenhang mit § 16 VII VOL/A gesehen werden, wonach nur die „Kriterien“ bei der Wertung in Betracht gezogen werden, die bekannt gemacht oder in den Vergabeunterlagen enthalten sind. Es stellt sich die Frage, ob Nachforderungen etc. nicht gegen das Verhandlungsverbot des § 15 VOL/A verstoßen. Absolut daneben ist es, wenn in § 3 III a) und b) VOL/A in allen Fällen ein Teilnahmewettbewerb vorzuschalten ist. Das führt zu überflüssigen Kosten und Zeitverlusten. Der Teilnahmewettbewerb blieb nach der alten Fassung der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung überlassen – nach Erarbeitung der Marktübersicht.“

Auf die Frage „Glauben Sie, dass die Erhöhung des Auftragswerts z. B. 100.000 € wirklich entlastet?“ antwortete Prof. Dr. Bartl: „Meines Erachtens ist dies nur eine von mehreren Möglichkeiten. Entscheidend ist aber, dass z. B. für die Freihändige Vergabe die gesamte VOL/A maßgeblich ist, wenn man einmal davon absieht, dass es sich um ein Verhandlungsverfahren handelt, bei dem auch per E-Mail und Fax gearbeitet werden kann. Der Wegfall der Begründungspflicht z. B. für die Freihändige Vergabe, ist nicht die große Erleichterung, wie man vielleicht glaubt.“

Sind weitere Erleichterungen denkbar? Dazu Prof. Dr. Bartl: „Wenn mit der Markterkundung nach § 2 III VOL/A ernst gemacht wird, so ist das eine sehr aufwändige Arbeit, die viel Zeit kostet – vor allem im Bereich der VOL/A, nach der eine Vielzahl der unterschiedlichsten Produkte zu beschaffen ist. Allein die zu erarbeitende Marktübersicht für die Beschaffung von 20 Beamern erfordert, wenn es richtig gemacht wird, zwei bis drei Stunden – für die Beschaffung dieser Trivialprodukte. Hier sollte es erlaubt sein, nach Produkt- und Preiserkundung eines oder mehrerer Leitprodukte mit dem Zusatz ´oder ähnlicher Art´ zu benennen – z. B. durch eine Ergänzung des § 7 VOL/A. Es könnte ein Absatz IV hinzugefügt werden.“ Auch der Betrag für den „Direktkauf“ ist nach Meinung von Prof. Bartl mit 500 € viel zu niedrig: „Es sollten schon 1000 € sein. Bei ausgebildeten und qualifizierten Einkäufern wird es hier nicht zum Missbrauch kommen. Solange aber der Einkäufer nicht qualifiziert ist, sind diese Dinge natürlich riskant.“

Nach Auffassung von Prof. Bartl sollte aber hinsichtlich Änderung der Dienstanweisungen zunächst einmal die VOL/A etc. in kleineren Schritten verändert werden. Das geht durchaus angesichts des Charakters der VOL/A als Verwaltungsvorschrift auch z. B. auf Landesebene. Wünschenswert wäre aber hier, dass man sich zu einer einheitlichen Linie in den Ländern durchringt. Die Unterschiede der Landesgesetze, Verordnungen, Durchführungsverordnungen etc. sind nicht hinzunehmen. Die Mitarbeiter des Landes Bayern sind genau so gut oder schlecht wie die Mitarbeiter in Brandenburg – z. B. bei der Gaststättenverordnung hat man sich ja auch auf eine Musterverordnung geeinigt. Nur im Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte agiert man absolut getrennt.“

„Und oberhalb de Schwellenwerte?“ Prof. Dr. Bartl: “Da ist alles natürlich anders. Hier sind die Richtlinien der EU bzw. EG maßgeblich. Da ist nicht so viel Spielraum. Es sollten aber die Richtlinien schlicht übernommen werden, was nicht geschieht. Das sieht man z. B. an Art. 53 Richtlinie 2004/18/EG und § 97 V GWB, der im Anschluss an nationales Haushaltsrecht den Zuschlag auf das „wirtschaftlichste“ Angebot und nicht auf den „niedrigsten Preis“ oder „das wirtschaftlich günstigste Angebot“ wie in Art. 53 der genannten Richtlinie vorsieht. Auch § 21 I EG VOL/A ist insofern absolut missraten und wird viele Einkäufer auf den Holzweg führen; denn die bisherige Rechtsprechung und Kommentierungen sind den meisten Mitarbeitern nicht bekannt. Und so werden eben Fehler bereits durch den missratenen Text selbst vorprogrammiert!“

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