Anschauungsunterricht auf höchster Ebene


Die Europäische Zentralbank, Frankfurt am Main, scheint in Beratung, Vergabeverfahren und Durchführung ihres Großbauvorhabens Pech und größte Probleme zu haben. Nachdem sich zunächst keine Bieter bereit fanden, den Auftrag als Generalübernehmer anzunehmen, kam es nun offensichtlich zur Trennung eines Auftragnehmers.
Dieser wird den vom Wiener Büro Coop Himmelb(l)au entworfenen, verschlungenen Turm nur bis zum Erdgeschoss fertig stellen. Tiefgarage und Untergeschoss haben die Stuttgarter bereits vollendet. Den Rest des Turms soll nun ein anderes Unternehmen bauen.

Die Europäische Zentralbank macht (auch) Fehler – Grund für die EU-Kommission zur Erleichterung des Vergabeverfahrens? Werden die Termine wirklich eingehalten, nachdem man sich von der Baufirma Baresel getrennt hat? Können die Bieter auf Rang 2 oder 3 mit der Fertigstellung ohne Vergabeverfahren beauftragt werden? Der Fall zeigt, in welche Probleme ein öffentlicher Auftraggeber gelangen kann, wenn die Ausführung der Arbeiten unterbrochen, abgebrochen oder beendet wird.

Die EZB will an ihrem Ziel festhalten, ihren Neubau im Frankfurter Ostend bis zum Jahr 2013 fertig zu stellen, der Umzug der EZB in ihr neues Gebäude soll 2014 erfolgen. Doch wie kann es weiter gehen?

Abgebrochene Ausführungsleistungen führen zu erheblichen Problemen; denn der Auftraggeber darf jedenfalls nicht einfach einen anderen Bieter beauftragen, also z. B. den Bieter auf Rang 2 oder 3; denn dieses Vergabeverfahren ist durch den Zuschlag „verbraucht und lebt nicht wieder auf“, wenn der durch Zuschlag geschlossene Vertrag beendet wird (vgl. etwa OLG Jena, Beschl. v. 19.10.2010 – 9 Verg 5/10). Wählt die EZB nunmehr ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3a VI Nr. 4 VOB/A (zwingende Dringlichkeit etc. = höhere Gewalt), so bedarf es einer entsprechenden Begründung dieses Ausnahmefalls. Wird der Fall nicht dokumentiert und nachvollziehbar begründet, so besteht die Gefahr, dass ein Bewerber die Vergabekammer anruft. Ferner könnte auch die EU-Kommission eingreifen und den EuGH anrufen.

Ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens – so genannte Direktvergabe – bzw. ohne Information vor dem Zuschlag auch im Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung (Ausnahme: „besondere Dringlichkeit“, s. o.) ist der Vertrag nach § 101b I GWB unwirksam – vgl. Messehallen der Stadt Köln (EuGH). Nebenbei: Auch im Verhandlungsverfahren „still“ ist im Wettbewerb zu vergeben (vgl. § 91 I GWB).

Ein weiteres Problem wird sich für den Folgeunternehmer stellen. Wenn er die nach § 4 III VOB/B erforderliche „Bedenkenmitteilung“ nicht erstattet, so haftet er auch für die „Vorleistungen“ anderer Unternehmer. Das kann zur Fertigstellung der Leistungen ohne Gewährleistung führen (vgl. § 13 III VOB/B – ständige Rechtsprechung des BGH). Die Angelegenheit ist also mehr als „verzwickt“. Schadenfreude ist nicht angesagt. Der Bau kostet erhebliche Steuergelder: eine Milliarde?

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