Auch wenn es keine Leitungen gibt:
Der Inhaber eines DSL-Anschlusses hat kein Recht, seinen mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit außerordentlich zu kündigen, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen. Dies hat der BGH entschieden.

BGH, Urt. v. 11. 11. 2010 - III ZR 57/10 – CR 2011, 163 – DSL-Vertrag als Dienstvertrag (hier offen gelassen) Vorzeitige Kündigung eines DSL-Vertrags - §§ 314 I S. 1, 626 I BGB - Umzug kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung (Sphäre des Nutzers) – auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage Kündigung mit der Folge des § 326 II BGB - Leitsatz: Der Inhaber eines DSL-Anschlusses hat kein Recht zur Kündigung des mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrags vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen.

Aus der Entscheidung:

8….1. a) Der Senat neigt dazu, den Vertrag, durch den sich der Anbieter von Telekommunikationsleistungen verpflichtet, einem Kunden den Zugang zum Internet herzustellen, als Dienstvertrag zu qualifizieren (Beschluss vom 23. März 2005 - III ZR 338/04 - NJW 2005, 2076). Er hat die Frage bisher offen lassen können. Auch jetzt muss sie nicht entschieden werden. Ob sich das Recht des Klägers zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags mit der Beklagten nach § 626 BGB oder nach § 314 BGB richtet, kann auf sich beruhen. Denn die Anforderungen an einen wichtigen Grund zur Kündigung des Rechtsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 und des § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB sind, wie sich aus dem Wortlaut der beiden Vorschriften ergibt, inhaltlich im Wesentlichen gleich.

9 b) Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann … Dementsprechend stellt ein Umzug, etwa aus familiärer oder beruflicher Veranlassung, prinzipiell keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB dar (so für einen Telefonfestnetzvertrag LG München I ZGS 2008, 357, 360; a.A. AG Ulm BeckRS 2008, 22785). Die Gründe für einen solchen Wohnsitzwechsel des Dienstberechtigten liegen allein in dessen Sphäre und sind von dem Anbieter der Leistung nicht beeinflussbar.

17 2. Ein Kündigungsrecht des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage). Auch bei Anwendung des § 313 BGB ist zu beachten, dass grundsätzlich jede Partei ihre aus dem Vertrag ersichtlichen Risiken selbst trägt.

18 3. Der Kläger ist auch dann zur Entrichtung der verlangten monatlichen Grundgebühren verpflichtet, wenn man dafür hielte, der Beklagten sei die ihr obliegende Leistung infolge des Umzugs des Klägers (teilweise) unmöglich geworden, so dass dessen Anspruch aus dem Vertrag gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wäre. Die Beklagte behielte ihren Anspruch auf die Gegenleistung jedenfalls gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB. Aus diesem Grunde ist die Klage auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Feststellung verlangt, er sei zur Entrichtung der drei von der Beklagten über das Inkassounternehmen geltend gemachten Monatsbeträge einschließlich Nebenkosten nicht verpflichtet. Gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Schuldner, der von seiner Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB frei wird, die Gegenleistung weiterhin verlangen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der zum Fortfall der Leistungspflicht führt, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist. Die Verantwortlichkeit des Gläubigers kann sich nicht nur aus Verstößen gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten (§ 276 BGB) ergeben, sondern auch daraus, dass er nach der vertraglichen Risikoverteilung die Gefahr für ein bestimmtes Leistungshindernis übernommen hat (so bereits zu § 324 BGB a.F. Senatsurteil vom 18. Oktober 2001 - III ZR 265/00 - NJW 2002, 595 m.w.N.; weiterhin Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 326 Rn. 9; Bamberger/Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 326 Rn. 14). Der Umzug des Klägers, der zum Fortfall der Leistungspflicht der Beklagten geführt hat, fällt aus den oben angeführten Gründen in seine vertragliche Risikosphäre.

Hinweise: Die Entscheidung kann auch im Rahmen von EVB-IT-Verträgen bedeutend werden; denn eine entsprechende Risikoanalyse hinsichtlich möglicher Änderungen und Folgen wird nicht in jedem Vergabeverfahren durchgeführt sowie dokumentiert. So wurden z. B. trotz der Kenntnis des möglichen Umzugs von Bonn nach Berlin nicht immer individuelle Vereinbarungen für diesen Fall getroffen. Nach Vertragsschluss traten dann entsprechende tatsächliche Änderungen auf. Verträge können aber nach § 311 I BGB nur einvernehmlich erfolgen. Insofern bieten sich für die Auftragnehmer taktische Vorteile bei entsprechenden Änderungen. Hierbei war aber auch zu beachten, dass wesentliche Vertragsänderungen im Einzelfall ein neues Vergabeverfahren erfordern können – ganz abgesehen von den haushaltsrechtlichen Schranken (vgl. § 58 BHO: Änderung von Verträgen, Vergleiche (1)

Das zuständige Bundesministerium darf 1. Verträge zum Nachteil des Bundes nur in besonders begründeten Ausnahmefällen aufheben oder ändern, 2. einen Vergleich nur abschließen, wenn dies für den Bund zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Das zuständige Bundesministerium kann seine Befugnisse übertragen. (2) Maßnahmen nach Absatz 1 bedürfen der Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen, soweit es nicht darauf verzichtet.). Immerhin sind in den BVB- und EVB-IT-Klauseln wenigstens akzeptable Kündigungsfristen für Dauerschuldverhältnisse (BVB-Pflege, EVB-Instandhaltung sowie –Pflege S) enthalten, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB auch stand halten dürften.

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