Der EuGH hat entschieden:
Wer eine Standardsoftware mit unbefristetem Nutzungsrecht wie ein „Käufer“ erworben hat, darf diese Software wirksam weiterveräußern. Der Erstkäufer der Standardsoftware ist ähnlich dem Eigentümer von Gegenständen dazu berechtigt. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof entschieden.
Der ursprüngliche Erwerber einer Standardsoftware darf das jeweilige „Vervielfältigungsstück“ = Kopie zu Geld machen, wenn er diese Software nicht mehr benötigt. Der Zweiterwerber ist berechtigter Nutzer – allerdings nur in dem Umfang, wie das für den Erstkäufer maßgeblich war. Bei mehreren Arbeitsplatzlizenzen darf der Ersterwerber allerdings nicht drei von acht „Lizenzen“ behalten und fünf Restlizenzen übertragen – der EuGH spricht in seiner Entscheidung vom 3.7.2012 (Aktenzeichen C-128/11) vom „Aufspaltungsgebot“. Nur eine vollständige Übertragung auf den Zweiterwerber bei Löschung der Software durch den Ersterwerber ist rechtlich wirksam.
Dieses Urteil trifft die Softwarehäuser erheblich; ohne diese Entscheidung wäre die Übertragung der Software rechtlich unwirksam und würde eine zweite „Lizenz“ bei dem Zweiterwerber erforderlich machen. Das bedeutet: Verkauf und Erwerb sind erlaubt, Doppelverkauf oder auch Aufspaltung sind unzulässig. Damit sollte sich auch die öffentliche Hand befassen. Unter wirtschaftlichen Aspekten könnte sich hier ein attraktiver Beschaffungsweg ergeben.
Wie bekannt, entwickelt und vertreibt Oracle urheberrechtlich geschützte Standardsoftware, u. a. eine Datenbanksoftware („Client-Server-Software“), die zu 85 % der Fälle per Download über das Internet zur Verfügung gestellt wird. Zu dem „Lizenzvertrag“ kommt ein Softwarepflegevertrag, nach dem aktualisierte Versionen der Software („updates“) und Programme, die der Fehlerbehebung dienen („patches“), ebenfalls über die Internetseite von Oracle heruntergeladen werden dürfen.
Das eingeräumte Nutzungsrecht an dem Programm ist im Lizenzvertrag von Oracle in der Bestimmung „Rechtseinräumung“ wie folgt geregelt: „Mit der Zahlung für Services haben Sie ausschließlich für Ihre internen Geschäftszwecke ein unbefristetes, nicht ausschließliches, nicht abtretbares und gebührenfreies Nutzungsrecht für alles, was Oracle entwickelt und Ihnen auf der Grundlage dieses Vertrags überlässt.“
UsedSoft handelt mit gebrauchten Softwarelizenzen, vor allem auch mit Standardsoftware von Oracle, die das Unternehmen bei Kunden von Oracle erwirbt. Oracle verlangte Unterlassung des Verkaufs der Software durch den „Gebrauchtsoftwarehändler“.
Auf Vorlage des BGH urteilte der EuGH in seiner vielbeachteten Entscheidung vom 3.7.2012 (Aktenzeichen C-128/11). Damit wurde der Streit darüber beendet, ob ein Softwareerwerber z. B. die von ihm nicht mehr benötigte Standardsoftware X an einen „berechtigten Erwerber“ wirksam übertragen kann. Das kann auch für die öffentliche Hand bedeutsam sein, nämlich bei Erwerb oder auch bei „Weiterverkauf“ der Software an einen anderen Nutzer.
Der EuGH lässt Weiterverkauf und Nutzung zu Lasten der Softwarehäuser zu. In der Entscheidung werden die von interessierter Seite (Softwareindustrie) aufgebauten Übertragungshürden eingerissen, die sich in den letzten Jahren herausgebildet hatten und letztlich dem verständlichen, aber unberechtigten Ziel dienten, „mit einer Software zweimal zu verdienen“, einmal bei dem „Erstkäufer“ und ein zweites Mal bei dem Erwerber der „gebrauchten“ Software.
Kurz gesagt versagt der EuGH den Softwareunternehmen einen „Mehrfachverkauf“ ein und derselben Software und erlaubt damit die Übertragung auf einen neuen Nutzer durch den Erstkäufer – allerdings müssen hier Schranken beachtet werden. So muss gesichert sein, dass der Erstkäufer die gebrauchte Software nicht mehr benutzt. Das ist in etwa vergleichbar mit einem Buch, das vom Käufer ebenfalls weiterverkauft werden darf, aber eben nicht vervielfältigt werden darf. Gleichfalls zutreffend betont der EuGH folgerichtig, dass bei „Mehrplatzlizenzen“ keine Aufspaltung in dem Sinne in Betracht kommt, dass der Ersterwerber drei von acht „Lizenzen“ behält und fünf Lizenzen weiterveräußert – das wäre eine unzulässige Aufspaltung. Also entweder Eigennutzung oder volle Veräußerung an den Folgenutzer und Löschung durch den Erstkäufer.
Die für den Nichtjuristen schwer nachzuvollziehende Entscheidung wird vielleicht dadurch verständlich, dass das konkrete Vervielfältigungsstück dem „Käufer“ „gehört“ und er mit diesem „Exemplar“ wie ein „Eigentümer“ verfahren kann, also es auch wirksam weiterveräußern kann. Grundsätzlich steht dem Softwarehaus das so genannte „Verbreitungsrecht“ zu. „Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers … im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich das Verbreitungsrecht in bezug auf dieses Vervielfältigungsstück mit Ausnahme des Vermietrechts…“ (§ 69 c Abs. 1 Nr. 3 Urheberrechtsgesetz). Laienhaft gesagt bedeutet dies, dass das Softwarehaus nicht mehr „Eigentümer“ ist. Ob dies letztlich dazu führt, dass Software nur noch auf Zeit via Miete überlassen wird, kann vermutet werden. Nach Ablauf der Miet- oder auch Leasingzeit erlischt das Nutzungsrecht. Ein Weiterverkauf scheidet aus. Vielleicht wird dadurch, weil für die Softwarehäuser interessanter, die Vermietung möglicherweise die Regel.
Welche Folgen die Entscheidung haben wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Dass ein erhebliches Marktpotenzial betroffen sein könnte, zeigt sich aus den Umsätzen z. B. von Oracle im zweiten Geschäftsquartal 2012 (3,3 Milliarden €, FAZ vom 10.7.12, S. 12).
Aus der Entscheidung:
EuGH, Urteil vom 3. Juli 2012 – C-128/11 – Used Software GmbH ./. Oracle – gebrauchte Software – Rechtlicher Schutz von Computerprogrammen – grundsätzliche Zulässigkeit der Vermarktung gebrauchter Lizenzen für aus dem Internet heruntergeladene Programme – Erschöpfung des Verbreitungsrechts – Erwerber der „gebrauchten“ Software berechtigter Nutzer – Verbot der „Aufspaltung“ bei „Mehrplatzlizenzen“ (teils Behalten, teils Weiterveräußern) – Pflicht zur Löschung durch Ersterwerber bei Weiterverkauf – Richtlinie 2009/24/EG – Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 – Erschöpfung des Verbreitungsrechts – Begriff ‚rechtmäßiger Erwerber´ – keine „Doppelvergütung“ des Urhebers – Vorabentscheidungsersuchen BGH vom 3.2.2011.
„Zu den Vorlagefragen, zur zweiten Frage
35 Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob und unter welchen Umständen das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogramms aus dem Internet mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers zu einer Erschöpfung des Rechts zur Verbreitung dieser Kopie in der Europäischen Union im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 führen kann.
36 Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 bestimmt, dass sich mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in der Union durch den Urheberrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie in der Union erschöpft.
37 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Inhaber des Urheberrechts, hier Oracle, seinen Kunden in der Union, wenn diese sein Computerprogramm nutzen wollen, eine Kopie davon, die von seiner Internetseite heruntergeladen werden kann, selbst zur Verfügung stellt.
38 Um festzustellen, ob das Verbreitungsrecht des Urheberrechtsinhabers in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens erschöpft ist, ist zunächst zu prüfen, ob die Vertragsbeziehung zwischen dem Rechtsinhaber und seinem Kunden, in deren Rahmen das Herunterladen einer Kopie des betreffenden Computerprogramms stattgefunden hat, als „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 angesehen werden kann.
39 Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des Rechts der Union wie auch aus dem Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 2009, Infopaq International, C‑5/08, Slg. 2009, I-6569, Randnr. 27, vom 18. Oktober 2011, Brüstle, C-34/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25, sowie vom 26. April 2012, DR und TV2 Danmark, C-510/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33).
40 Der Wortlaut der Richtlinie 2009/24 verweist in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs „Verkauf“ in Art. 4 Abs. 2 nicht auf die nationalen Rechtsvorschriften. Dieser Begriff ist daher für die Anwendung dieser Richtlinie als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil DR und TV2 Danmark, Randnr. 34).
41 Diese Schlussfolgerung wird durch Gegenstand und Ziel der Richtlinie 2009/24 untermauert. Aus den Erwägungsgründen 4 und 5 dieser Richtlinie, die auf Art. 95 EG – dem Art. 114 AEUV entspricht – gestützt ist, geht hervor, dass die Richtlinie die Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die das Funktionieren des Binnenmarkts in Bezug auf Computerprogramme beeinträchtigen, beseitigen soll. Eine einheitliche Auslegung dieses Begriffs „Verkauf“ ist aber erforderlich, um zu vermeiden, dass der den Inhabern des Urheberrechts von der Richtlinie gewährte Schutz je nach den geltenden einzelstaatlichen Vorschriften unterschiedlich ausfällt.
42 Nach einer allgemein anerkannten Definition ist „Verkauf“ eine Vereinbarung, nach der eine Person ihre Eigentumsrechte an einem ihr gehörenden körperlichen oder nichtkörperlichen Gegenstand gegen Zahlung eines Entgelts an eine andere Person abtritt. Folglich muss durch das Geschäft, das nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 zu einer Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung einer Kopie des Computerprogramms führt, das Eigentum an dieser Kopie übertragen worden sein.
43 Oracle macht geltend, sie verkaufe keine Kopien ihrer im Ausgangsverfahren fraglichen Computerprogramme. Sie stelle ihren Kunden auf ihrer Internetseite gebührenfrei eine Kopie des betreffenden Programms zur Verfügung, die die Kunden herunterladen könnten. Die so heruntergeladene Kopie dürften die Kunden jedoch nur nutzen, wenn sie mit Oracle einen Lizenzvertrag geschlossen hätten. Durch eine solche Lizenz erwürben ihre Kunden ein unbefristetes, nicht ausschließliches und nicht abtretbares Nutzungsrecht am betreffenden Computerprogramm. Weder durch die gebührenfreie Überlassung der Kopie noch durch den Abschluss eines Lizenzvertrags werde das Eigentum an dieser Kopie übertragen.
44 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogramms und der Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung dieser Kopie ein unteilbares Ganzes bilden. Das Herunterladen einer Kopie eines Computerprogramms wäre nämlich sinnlos, wenn diese Kopie von ihrem Besitzer nicht genutzt werden dürfte. Diese beiden Vorgänge sind also im Hinblick auf ihre rechtliche Einordnung in ihrer Gesamtheit zu prüfen (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Mai 2010, Club Hotel Loutraki u. a., C-145/08 und C-149/08, Slg. 2010, I-4165, Randnrn. 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Zur Frage, ob in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens durch die fraglichen Geschäfte das Eigentum an der Kopie des Computerprogramms übertragen wird, ist festzustellen, dass aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass der Kunde von Oracle, der die Kopie des betreffenden Computerprogramms herunterlädt und mit Oracle einen Lizenzvertrag über die Nutzung dieser Kopie abschließt, gegen Zahlung eines Entgelts ein unbefristetes Recht zur Nutzung dieser Kopie erhält. Dadurch, dass Oracle eine Kopie des Computerprogramms zugänglich macht und ein entsprechender Lizenzvertrag abgeschlossen wird, soll diese Kopie für die Kunden von Oracle gegen Zahlung eines Entgelts, das es dem Urheberrechtsinhaber ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, dauerhaft nutzbar gemacht werden.
46 Unter diesen Umständen wird durch die in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils erwähnten, in ihrer Gesamtheit geprüften Geschäfte das Eigentum an der Kopie des betreffenden Computerprogramms übertragen.
47 Insoweit spielt es in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens keine Rolle, ob dem Kunden die Kopie des Computerprogramms vom Rechtsinhaber über das Herunterladen von dessen Internetseite oder über einen materiellen Datenträger wie eine CD-ROM oder DVD zur Verfügung gestellt wird. Selbst wenn der Rechtsinhaber auch in diesem letztgenannten Fall das Recht des Kunden, die Kopie des gelieferten Computerprogramms zu nutzen, formell von dem Geschäft trennt, das darin besteht, die Kopie dieses Programms auf einem materiellen Datenträger an den Kunden zu übertragen, bleiben für den Erwerber aus den in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils genannten Gründen das Geschäft, das im Heraufladen einer Kopie des Computerprogramms vom Datenträger besteht, und das Geschäft, das im Abschluss eines Lizenzvertrags besteht, untrennbar miteinander verbunden. Da der Erwerber, der eine Kopie des Computerprogramms von einem materiellen Datenträger wie einer CD-ROM oder DVD herauflädt und für diese Kopie einen entsprechenden Lizenzvertrag schließt, das Recht erhält, sie gegen Zahlung eines Entgelts unbefristet zu nutzen, ist davon auszugehen, dass durch diese beiden Geschäfte, wenn eine Kopie des betreffenden Computerprogramms auf einem materiellen Datenträger wie einer CD‑ROM oder DVD zur Verfügung gestellt wird, ebenfalls das Eigentum an dieser Kopie übertragen wird.
48 Demnach ist anzunehmen, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die mit dem Abschluss eines Lizenzvertrags einhergehende Übertragung einer Kopie eines Computerprogramms an einen Kunden durch den Urheberrechtsinhaber einen „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 darstellt.
49 Wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausführt, würde in Ermangelung einer weiten Auslegung des Begriffs „Verkauf“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 dahin, dass er sämtliche Formen der Vermarktung eines Erzeugnisses umfasst, die dadurch gekennzeichnet sind, dass gegen Zahlung eines Entgelts, das es dem Inhaber des Urheberrechts ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, ein unbefristetes Nutzungsrecht an einer Programmkopie eingeräumt wird, die praktische Wirksamkeit dieser Vorschrift beeinträchtigt, weil die Lieferer den Vertrag lediglich als „Lizenzvertrag“ statt als „Kaufvertrag“ einstufen müssten, um die Erschöpfungsregel zu umgehen und gegenstandslos zu machen.
50 Zweitens kann dem Vorbringen von Oracle und der Europäischen Kommission nicht gefolgt werden, wonach das Zugänglichmachen einer Programmkopie auf der Internetseite des Inhabers des Urheberrechts eine „öffentliche Zugänglichmachung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt, die gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung nicht die Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung der Kopie bewirkt.
51 Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 „lässt diese … die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ... über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen“, wie ihn die Richtlinie 91/250 gewährt, die später durch die Richtlinie 2009/24 kodifiziert worden ist, „unberührt und beeinträchtigt sie in keiner Weise“. Die Bestimmungen der Richtlinie 2009/24, insbesondere Art. 4 Abs. 2, sind somit im Verhältnis zu den Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 leges speciales, so dass der „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 nach dieser Bestimmung auch dann die Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung dieser Kopie bewirkt, wenn die im Ausgangsverfahren fragliche Vertragsbeziehung oder einer ihrer Aspekte auch unter den Begriff „öffentliche Zugänglichmachung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 fallen sollte.
52 Außerdem ergibt sich aus Randnr. 46 des vorliegenden Urteils, dass der Inhaber des Urheberrechts in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens das Eigentum an der Programmkopie auf seinen Kunden überträgt. Wie der Generalanwalt in Nr. 73 seiner Schlussanträge ausführt, geht aus Art. 6 Abs. des Urheberrechtsvertrags, in dessen Licht die Art. und 4 der Richtlinie 2001/29 nach Möglichkeit auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 2008, Peek & Cloppenburg, C-456/06, Slg. 008, I-2731, Randnr. 30), hervor, dass eine „[Handlung] der öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 durch eine Eigentumsübertragung zu einer Handlung der Verbreitung im Sinne von Art. 4 dieser Richtlinie wird, die, wenn die Voraussetzungen von Abs. 2 dieses Artikels erfüllt sind, ebenso wie der „Erstverkauf einer Programmkopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts führen kann.
53 Drittens ist noch zu prüfen, ob sich (wie Oracle) die Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, und die Kommission geltend machen, die Erschöpfung des Verbreitungsrechts im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 nur auf materielle Güter, nicht aber auf unkörperliche Kopien von aus dem Internet heruntergeladenen Computerprogrammen bezieht. Sie verweisen hierfür auf den Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24, die Erwägungsgründe 28 und 29 der Richtlinie 2001/29, Art. 4 der Richtlinie 2001/29 in Verbindung mit Art. 8 des Urheberrechtsvertrags sowie die Gemeinsame Erklärung zu den Art. 6 und 7 des Urheberrechtsvertrags, deren Umsetzung eines der Ziele der Richtlinie 2001/29 sei.
54 Ferner belegt der 29. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 nach Ansicht der Kommission, dass sich die „Frage der Erschöpfung … weder bei Dienstleistungen allgemein noch bei Online-Diensten im Besonderen“ stellt.
55 Insoweit ist zunächst festzustellen, dass aus Art. 4 Abs.2 der Richtlinie 2009/24 nicht hervorgeht, dass sich die Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung der Programmkopien im Sinne dieser Bestimmung auf Kopien von Computerprogrammen beschränkt, die sich auf einem materiellen Datenträger wie einer CD-ROM oder DVD befinden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Bestimmung, da sie ohne weitere Erläuterung auf den „[Verkauf] einer Programmkopie“ Bezug nimmt, nicht danach unterscheidet, ob die fragliche Kopie in körperlicher oder nichtkörperlicher Form vorliegt.
56 Weiter ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2009/24, die speziell den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen betrifft, im Verhältnis zur Richtlinie 2001/29 lex specialis ist.
57 Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 gilt der „gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz … für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen“. Im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass ein nach dieser Richtlinie zu schützendes „Computerprogramm“ „Programme in jeder Form umfassen [soll], auch solche, die in die Hardware integriert sind“.
58 Die angeführten Bestimmungen lassen somit deutlich den Willen des Unionsgesetzgebers erkennen, im Hinblick auf den in der Richtlinie 2009/24 vorgesehenen Schutz körperliche und nichtkörperliche Programmkopien einander gleichzustellen.
59 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art.4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 sowohl körperliche als auch nichtkörperliche Programmkopien und somit auch Kopien von Computerprogrammen betrifft, die bei ihrem Erstverkauf aus dem Internet auf den Computer des Ersterwerbers heruntergeladen wurden.
60 Zwar müssen die in den Richtlinien 2001/29 und 2009/24 verwendeten Begriffe grundsätzlich dieselbe Bedeutung haben (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C-403/08 und C-429/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 187 und 188). Doch selbst wenn sich aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 in seiner Auslegung im Licht der Erwägungsgründe 28 und 29 der Richtlinie sowie des Urheberrechtsvertrags, der durch die Richtlinie 2001/29 umgesetzt werden soll (Urteil vom 9. Februar 2012, Luksan, C-277/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 59), ergäbe, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei den unter diese Richtlinie fallenden Werken nur materielle Güter beträfe, ließe dies die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 unberührt, da der Unionsgesetzgeber im konkreten Kontext dieser Richtlinie einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht hat.
61 Darüber hinaus sind die Veräußerung eines Computerprogramms auf CD-ROM oder DVD und die Veräußerung eines Computerprogramms durch Herunterladen aus dem Internet wirtschaftlich gesehen vergleichbar. Die Online-Übertragung entspricht funktionell der Aushändigung eines materiellen Datenträgers. Die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 im Licht des Gleichbehandlungsgrundsatzes bestätigt, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Erschöpfung des Verbreitungsrechts mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in der Union durch den Urheberrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung eintritt, unabhängig davon, ob der Verkauf eine körperliche oder eine nichtkörperliche Kopie des Programms betrifft.
62 Zum Vorbringen der Kommission, das Unionsrecht sehe für Dienstleistungen keine Erschöpfung des Verbreitungsrechts vor, ist festzustellen, dass der Zweck des Grundsatzes der Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke darin besteht, die Einschränkungen der Verbreitung dieser Werke auf das zum Schutz des spezifischen Gegenstands des betreffenden geistigen Eigentums Erforderliche zu begrenzen, um so eine Abschottung der Märkte zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 1998, Metronome Musik, C-200/96, Slg. 1998, I-1953, Randnr. 14, vom 22. September 1998, FDV, C-61/97, Slg. 1998, I-5171, Randnr. 13, sowie Urteil Football Association Premier League u. a., Randnr. 106).
63 Würde die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens auf Programmkopien beschränkt, die auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind, könnte der Urheberrechtsinhaber den Wiederverkauf von aus dem Internet heruntergeladenen Kopien kontrollieren und bei jedem Wiederverkauf erneut ein Entgelt verlangen, obwohl ihm bereits der Erstverkauf der betreffenden Kopie ermöglicht hat, eine angemessene Vergütung zu erzielen. Eine solche Beschränkung des Wiederverkaufs von aus dem Internet heruntergeladenen Programmkopien ginge über das zur Wahrung des spezifischen Gegenstands des fraglichen geistigen Eigentums Erforderliche hinaus (vgl. in diesem Sinne Urteil Football Association Premier League u. a., Randnrn. 105 und 106).
64 Viertens ist noch zu prüfen, ob der vom Ersterwerber abgeschlossene Wartungsvertrag, wie Oracle meint, jedenfalls die Erschöpfung des Rechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 verhindert, da es sich bei der Programmkopie, die der Ersterwerber möglicherweise einem zweiten Erwerber verkaufe, nicht mehr um die heruntergeladene Kopie, sondern um eine neue Programmkopie handele.
65 In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die von UsedSoft angebotenen gebrauchten Lizenzen insoweit „aktuell“ sind, als beim Verkauf der Programmkopie durch Oracle an ihren Kunden ein Wartungsvertrag für diese Kopie abgeschlossen wurde.
66 Die Erschöpfung des Rechts auf Verbreitung einer Programmkopie nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 betrifft nur Kopien, die Gegenstand eines Erstverkaufs in der Union durch Urheberrechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung waren. Sie bezieht sich nicht auf Dienstleistungsverträge wie etwa Wartungsverträge, die sich von einem solchen Verkauf abtrennen lassen und anlässlich dieses Verkaufs gegebenenfalls für einen bestimmten Zeitraum geschlossen wurden.
67 Gleichwohl bewirkt der Abschluss eines Wartungsvertrags wie der des Ausgangsverfahrens anlässlich des Verkaufs einer nichtkörperlichen Programmkopie, dass die ursprünglich gekaufte Kopie repariert und aktualisiert wird. Selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, sind die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen Bestandteil der ursprünglich heruntergeladenen Kopie und können von deren Erwerber ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden, und zwar auch dann, wenn der Erwerber später beschließt, seinen Wartungsvertrag nicht zu verlängern.
68 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 auf die verkaufte Programmkopie in der vom Urheberrechtsinhaber verbesserten und aktualisierten Fassung erstreckt.
69 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die von ihm erworbene Lizenz, falls sie, wie in den Randnrn. 22 und 24 des vorliegenden Urteils ausgeführt, für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt, aufzuspalten und das Recht zur Nutzung des betreffenden Computerprogramms nur für eine von ihm bestimmte Nutzerzahl weiterzuverkaufen.
70 Der Ersterwerber, der eine körperliche oder nichtkörperliche Programmkopie weiterverkauft, an der das Recht des Urheberrechtsinhabers auf Verbreitung nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erschöpft ist, muss nämlich zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs seine eigene Kopie unbrauchbar machen, um nicht das ausschließliche Recht des Urhebers auf Vervielfältigung des Computerprogramms nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/24 zu verletzen. In einer Situation wie der in der vorstehenden Randnummer dargestellten nutzt der Kunde des Urheberrechtsinhabers die auf seinem Server installierte Kopie jedoch weiter und macht sie somit nicht unbrauchbar.
71 Außerdem ist festzustellen, dass sich die Wirkung der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24, selbst wenn der Erwerber zusätzlicher Nutzungsrechte am Computerprogramm dieses nicht auf einem seiner Server neu installieren und es somit auch nicht vervielfältigen würde, jedenfalls nicht auf solche Nutzungsrechte erstrecken würde. In einem solchen Fall bezieht sich der Erwerb zusätzlicher Nutzungsrechte nämlich nicht auf die Kopie, für die das Verbreitungsrecht nach dieser Vorschrift erschöpft ist. Vielmehr dient er allein dazu, den Kreis der Nutzer der Kopie, die der Erwerber zusätzlicher Rechte selbst bereits auf seinem Server installiert hatte, ausweiten zu können.
72 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 so auszulegen ist: Das Recht auf die Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms ist erschöpft, wenn der Inhaber des Urheberrechts, der dem möglicherweise auch gebührenfreien Herunterladen dieser Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, gegen Zahlung eines Entgelts, auch ein Recht eingeräumt hat, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen. Das Entgelt solle es ihm ermöglichen, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.
Zur ersten und zur dritten Frage:
73 Mit seiner ersten und seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob und unter welchen Umständen der Erwerber gebrauchter Lizenzen für Computerprogramme wie die von UsedSoft verkauften auf Grund der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 als „rechtmäßiger Erwerber“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 angesehen werden kann, der gemäß dieser Bestimmung berechtigt ist, das betreffende Computerprogramm zu vervielfältigen, um es bestimmungsgemäß nutzen zu können.
74 Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 bedarf die Vervielfältigung eines Computerprogramms in Ermangelung spezifischer vertraglicher Bestimmungen nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, wenn sie für eine bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich der Fehlerberichtigung durch den rechtmäßigen Erwerber notwendig ist.
75 Erwirbt der Kunde des Urheberrechtsinhabers eine Programmkopie, die sich auf dessen Internetseite befindet, nimmt er beim Herunterladen auf seinen Computer eine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 zulässige Vervielfältigung der Kopie an. Es handelt sich dabei nämlich um eine Vervielfältigung, die erforderlich ist, damit der rechtmäßige Erwerber das Computerprogramm bestimmungsgemäß nutzen kann.
76 Außerdem heißt es im 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/24, „dass das Laden und Ablaufen, sofern es für die Benutzung einer Kopie eines rechtmäßig erworbenen Computerprogramms erforderlich ist, … nicht vertraglich untersagt werden dürfen“.
77 Weiter ist daran zu erinnern, dass das Verbreitungsrecht des Urheberrechtsinhabers nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 mit dem Erstverkauf einer körperlichen oder nichtkörperlichen Kopie seines Computerprogramms in der Union durch ihn oder mit seiner Zustimmung erschöpft ist. Folglich kann er dem Weiterverkauf dieser Kopie gemäß dieser Vorschrift und ungeachtet anders lautender vertraglicher Bestimmungen nicht mehr widersprechen.
78 Zwar muss, wie aus Randnr. 70 des vorliegenden Urteils hervorgeht, der Ersterwerber einer körperlichen oder nichtkörperlichen Programmkopie, für die das Verbreitungsrecht des Urheberrechtsinhabers nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erschöpft ist, die auf seinen Computer heruntergeladene Kopie, wenn er sie weiterverkauft, unbrauchbar machen, um nicht das ausschließliche Recht des Urheberrechtsinhabers auf Vervielfältigung seines Computerprogramms nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/24 zu verletzen.
79 Wie Oracle zutreffend ausführt, kann sich die Überprüfung, ob eine solche Kopie unbrauchbar gemacht worden ist, als schwierig erweisen. Jedoch steht der Urheberrechtsinhaber, der auf einem Datenträger wie einer CD-ROM oder einer DVD gespeicherte Programmkopien verbreitet, vor demselben Problem, da er kaum nachprüfen kann, ob der Ersterwerber nicht doch Programmkopien erstellt hat, die er nach dem Verkauf des materiellen Datenträgers weiterhin nutzen kann. Zur Lösung dieses Problems steht es dem – „herkömmlichen“ oder „digitalen“ – Vertreiber frei, technische Schutzmaßnahmen, etwa Produktschlüssel, anzuwenden.
80 Da der Urheberrechtsinhaber dem Weiterverkauf einer Programmkopie, für die sein Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erschöpft ist, nicht widersprechen kann, ist der zweite und jeder weitere Erwerber dieser Kopie „rechtmäßiger Erwerber“ derselben im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24.
81 Somit kann beim Weiterverkauf der Programmkopie durch den Ersterwerber der neue Erwerber die ihm vom Ersterwerber verkaufte Kopie nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 auf seinen Computer herunterladen. Dieses Herunterladen ist als Vervielfältigung eines Computerprogramms anzusehen, die erforderlich ist, damit der neue Erwerber das Programm bestimmungsgemäß nutzen kann.
82 Dem Vorbringen von Oracle sowie der irischen, französischen und italienischen Regierung, dass mit dem Begriff „rechtmäßiger Erwerber“ des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 nur der Erwerber gemeint sei, der aufgrund eines unmittelbar mit dem Urheberrechtsinhaber geschlossenen Vertrags zur Nutzung des Computerprogramms befugt sei, kann nicht gefolgt werden.
83 Dies würde dem Urheberrechtsinhaber nämlich ermöglichen, die tatsächliche Nutzung einer gebrauchten Kopie, an der sein Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 erloschen ist, zu verhindern, indem er sich auf sein ausschließliches Vervielfältigungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie beruft, und nähme damit der Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 die praktische Wirksamkeit.
84 Zu einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, dass in den Randnrn. 44 und 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, dass das Herunterladen der sich auf der Internetseite des Rechtsinhabers befindenden Programmkopie auf den Server des Kunden und der Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung dieser Kopie ein untrennbares Ganzes darstellen, das in seiner Gesamtheit als Verkauf einzuordnen ist. Im Hinblick auf diesen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Kopie auf der Internetseite des Urheberrechtsinhabers in der jeweils verbesserten und aktualisierten Version zum einen und der entsprechenden Nutzungslizenz zum anderen umfasst der Weiterverkauf der Nutzungslizenz den Weiterverkauf „dieser Kopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24. Er ist somit ungeachtet der in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Klausel des Lizenzvertrags von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Erschöpfung des Verbreitungsrechts erfasst.
85 Wie aus Randnr. 81 des vorliegenden Urteils hervorgeht, kann der neue Erwerber der Nutzungslizenz, etwa der Kunde von UsedSoft, folglich als rechtmäßiger Erwerber im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 der Kopie des betreffenden verbesserten und aktualisierten Computerprogramms diese Kopie von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers herunterladen. Dieses Herunterladen stellt die Vervielfältigung eines Programms dar, die erforderlich ist, um dem neuen Erwerber eine bestimmungsgemäße Nutzung dieses Programms zu ermöglichen.
86 Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24 (wie in den Randnrn. 69 bis 71 des vorliegenden Urteils ausgeführt) den Ersterwerber nicht dazu berechtigt, die von ihm erworbene Lizenz, falls sie für eine seinen Bedarf übersteigende Zahl von Nutzern gilt, aufzuspalten und das Recht zur Nutzung des betreffenden Computerprogramms nur für eine von ihm bestimmte Nutzerzahl weiterzuverkaufen.
87 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Urheberrechtsinhaber, also Oracle, beim Weiterverkauf einer Nutzungslizenz durch den Weiterverkauf einer von seiner Internetseite heruntergeladenen Programmkopie berechtigt ist, mit allen ihm zur Verfügung stehenden technischen Mitteln sicherzustellen, dass die beim Verkäufer noch vorhandene Kopie unbrauchbar gemacht wird.
88 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass die Art.4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 so auszulegen sind: Der zweite und jeder weitere Erwerber einer Nutzungslizenz können sich auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie berufen. Sie sind somit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie als rechtmäßige Erwerber einer Programmkopie anzusehen, die vom Vervielfältigungsrecht nach dieser Vorschrift Gebrauch machen dürfen, wenn der Weiterverkauf dieser Lizenz mit dem Weiterverkauf einer von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist und die Lizenz dem Ersterwerber ursprünglich vom Rechtsinhaber ohne zeitliche Begrenzung und gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wurde. Das Entgelt soll es diesem ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen ist dahin auszulegen, dass das Recht auf die Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms erschöpft ist, wenn der Inhaber des Urheberrechts, der dem möglicherweise auch gebührenfreien Herunterladen dieser Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, gegen Zahlung eines Entgelts, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, auch ein Recht eingeräumt hat, diese Kopie ohne zeitliche Begrenzung zu nutzen.
2. Die Art. 4 Abs. 2 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 sind dahin auszulegen, dass sich der zweite und jeder weitere Erwerber einer Nutzungslizenz auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie berufen können und somit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie als rechtmäßige Erwerber einer Programmkopie anzusehen sind, die vom Vervielfältigungsrecht nach dieser Vorschrift Gebrauch machen dürfen, wenn der Weiterverkauf dieser Lizenz mit dem Weiterverkauf einer von der Internetseite des Urheberrechtsinhabers heruntergeladenen Programmkopie verbunden ist und die Lizenz dem Ersterwerber ursprünglich vom Rechtsinhaber ohne zeitliche Begrenzung und gegen Zahlung eines Entgelts überlassen wurde, das es diesem ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie seines Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen.
~1581