Eignung und Wertung - Unterscheidung
Insofern ist von einer grundsätzlichen Trennung der Eignungs- von Zuschlagskriterien auszugehen. Eine „Vermischung“ ist unzulässig.
Die Stufen der Wertung sind einzuhalten (1. zwingender Ausschluss nach §16 III VOL/A, 2. Eignung nach § 16 IV und V VOL/A, 3. „Preisprüfung“ und 4. Zuschlagskriterien (Preis allein oder Preis mit weiteren Kriterien).
Dem Auftraggeber steht ein „Wertungsspielraum“ zu, dessen Grenzen zu beachten sind.
Nur bekannt gemachte Wertungskriterien kommen in Betracht (vgl. § 16 VII VOL/A, 19 VIII EG VOL/A). Nachträgliche Änderungen oder “Heilung” scheiden ohne „Zurückversetzung“ des Vergabeverfahrens grundsätzlich aus.
Die Wertungskriterien müssen transparent und “geeignet“ („Auftragsbezug“)sein.
Entscheidungen:
Vergabekammer Sachsen, Beschl. v. 07.03.2014 - 1/SVK/048 – 13 – Rettungsdienste Nebenangebote und Wertungskriterien –
BGH, Beschl. v. 07.01.2014 - X ZB 15/13 - Straßenbahntrasse Gera – Preis als alleiniges Kriterium und Zulassung von Nebenangeboten (verneint) -
Vergabekammer Brandenburg, Beschl. v. 3.9.2014 – VK 14/14 – NZBau 2014, 793 - Landesverwaltungsnetzprojekt –
Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 29.10.2013 - Z 3 - 3 - 3194 - 1 - 25 - 08/13 – Schülerbeförderung –- Vermischung
Hertwig, Stefan, „Erfahrung auf nationalen Märkten“ kein zulässiges Wertungskriterium, NZBau 2014, 205
Petersen, Zsòfia, Vergaberechtliche Zulässigkeit personenbezogener Zuschlagskriterien, VergabeR 2015, 8
Kulartz, Hans-Peter/Scholz, Daniel, Zuschlagskriterien – Grenzen bei der Gewichtung?, VergabeR 2014, 109
Probst, Peter Michael/Winters, Fabian, Der (grenzelose) Beurteilungsspielraum des Auftraggebers im Vergabeverfahren, VergabeR 2014, 115
Einzelfragen:
Spielraum bei Festlegung der Wertungskriterien - Vergabekammer Sachsen, Beschl. v. 07.03.2014 - 1/SVK/048 – 13 – Rettungsdienste - „Ein Auftraggeber hat zunächst einen erheblichen Spielraum bei der Bestimmung der zu beschaffenden Leistung. Die Leistungsbestimmung ist dem Vergabeverfahren zeitlich vorgelagert. Zudem steht einem Auftraggeber bei der Auswahl und Festsetzung der Bewertungskriterien ein von der Vergabekammer nicht überprüfbarer Wertungsspielraum zu (vgl. EuG Urt. v. 19. 3.2010 - T-50/05, OLG Düsseldorf, B. v. 30.07.2009, VII Verg 10/09). ... darf im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nur geprüft werden, ob die Vergabestelle bei ihrer Wertung die Grenzen des eingeräumten Beurteilungsspielraumes überschritten hat. ....“ – Prüfung: Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens Ausgehen von einem nicht zutreffenden oder nicht vollständig ermittelten Sachverhalt, Einfließen willkürlicher oder sonst unzulässiger Erwägungen, Einhalten des Beurteilungsmaßstabs im Rahmen der Beurteilungsermächtigung gehalten hat (vgl. EuG a. a. O.; OLG München, Beschluss vom 2. November 2012 - Verg 26/12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 11 Verg 9/11; OLG Brandenburg, Beschl. v. 19. Dezember 2011 - Verg W 17/11). .... „ - keine Bedenken gegen die Verwendung eines Wertungsbogens (keine Anwendung einer vorab nicht bekannt gegebenen Wertungsmatrix) - „Richtig ist, dass Auftraggeber grundsätzlich keine Unterkriterien oder Gewichtungsregeln anwenden dürfen, die den Bietern nicht vorher zur Kenntnis gebracht wurden (EuGH, Urt. v. 24. Januar 2008 - C-532/06;). Vorliegend handelt es sich bei dem in Bezug genommenen Wertungsbogen XXX „Bewertungsbogen Optimierung Ausrückzeit“ aber nicht um eine eigenständige Wertungsmatrix, in der zusätzliche Gewichtungsregeln enthalten wären. Vielmehr stellt der Wertungsbogen XXX nach Auffassung der Vergabekammer, die sich insoweit den Ausführungen des Auftraggebers anschließt, lediglich die tabellarische Dokumentation der Wertung dar.“ .... „ – Wertung des Kriteriums „Optimierung der Ausrückzeit“ nicht wie bekannt gemacht - statt „Effektivität“ sondern die „Geeignetheit“ kein Verstoß, obwohl nicht deckungsgleich(aber unschädliche Falschbezeichnung) – Zulässigkeit eines Schulnotensystems bei der Wertung der Konzepte – Möglichkeit für unterschiedliche Lösungsansätzen der Bieter (vgl. hierzu OLG Celle, Beschl. v. 12. 1.- 13 Verg 8/11). ... für die Angebotswertung kein bis in letzte Unterkriterien und deren Gewichtung gestaffeltes Wertungssystem aufstellen, das im Übrigen dann auch Gefahr liefe, endlos und unpraktikabel zu werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30. Juli 2009 - Verg 10/09)“. - keine unzutreffende Gewichtung eines Kriteriums im Vergleich zu den anderen Kriterien – keine Verstöße durch Wertung des Angebots –
Nebenangebote und Wertungskriterien - BGH, Beschl. v. 07.01.2014 - X ZB 15/13 - Straßenbahntrasse Gera – Preis als alleiniges Kriterium und Zulassung von Nebenangeboten (verneint) - §§ 8 I, 20 I, II, 29 SektVO, §§ 8 II Nr. 3 b), 16 II, VI § 16 Abs. 2 VOB/A-EG, §§ 97 II, V GWB - Leitsätze: 1. a) Ist in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren der Preis alleiniges Zuschlagskriterium, dürfen Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden. b) Die für Nebenangebote vorzugebenden Mindestanforderungen brauchen im Allgemeinen nicht alle Details der Ausführung zu erfassen, sondern dürfen Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen und sich darauf beschränken, den Bietern, abgesehen von technischen Spezifikationen, in allgemeinerer Form den Standard und die wesentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine Alternativausführung aufweisen muss. c) Die vergaberechtskonforme Wertung von Nebenangeboten, die den vorgegebenen Mindestanforderungen genügen, ist durch Festlegung aussagekräftiger, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnittener Zuschlagskriterien zu gewährleisten, die es ermöglichen, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und ihren technisch-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen hinaus nachvollziehbar und überprüfbar mit dem für die Hauptangebote nach dem Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen.
Vermischung der Stufen – Eignung – Zuschlag - Vergabekammer Brandenburg, Beschl. v. 3.9.2014 – VK 14/14 – NZBau 2014, 793 - Landesverwaltungsnetzprojekt –umfangreicher Kriterienkatalog –intransparente und ungeeignete Wertungskriterien (abgesehen von fehlender Bekanntmachung) – Präsentationsbewertung grundsätzlich zulässig, aber Offenlegung der grundsätzlichen Erwartungen an den Inhalt der Präsentation – unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien – fehlender Bezug der Bewertungsmaßstäbe zur konkreten Leistung
Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien – Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 29.10.2013 - Z 3 - 3 - 3194 - 1 - 25 - 08/13 – Schülerbeförderung – Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien – amtliche Leitsätze: „2. Die strenge Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien gehört mittlerweile zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der an europaweiten Vergabeverfahren beteiligten Bieterkreise, etwaige Verstöße sind damit erkennbar i. S. d. § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 25.07.2013 – Verg 7/13). 3. Der öffentliche Auftraggeber muss den Bietern mit der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen, in jedem Fall aber rechtzeitig vor Ablauf der Angebotsfrist die Zuschlagskriterien, die er anzuwenden beabsichtigt und deren Gewichtung bekannt geben; bei der Wertung der Angebote sind diese vollständig und ausschließlich zu berücksichtigen (Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013 – Verg 8/13). 4. Erweisen sich die bekanntgegebenen Wertungskriterien im Zuge der Angebotswertung als ungeeignet, eine Differenzierung zwischen den Bietern zu erreichen, darf der öffentliche Auftraggeber nicht statt der bekanntgegebenen Kriterien neue, aus seiner Sicht tauglichere verwenden, ohne diese vorher nach Rückversetzung des Vergabeverfahrens durch Versand neuer Vergabeunterlagen bekanntzugeben“.
Intransparente und ungeeignete Wertungskriterien – Vergabekammer Brandenburg, Beschl. v. 3.9.2014 – VK 14/14 – NZBau 2014, 793 - Landesverwaltungsnetzprojekt – intransparente und ungeeignete Wertungskriterien (abgesehen von fehlender Bekanntmachung) – Präsentationsbewertung grundsätzlich zulässig, aber Offenlegung der grundsätzlichen Erwartungen an den Inhalt der Präsentation - Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien – fehlender Bezug der Bewertungsmaßstäbe zur konkreten Leistung