Preisbildende Umstände, "unmögliches Wagnis" oder Unzumutbarkeit
Die §§ 31 I VgV und 23 I UVgO enthalten ebenso wie bereits § 7 I VOL/A 2009 nicht mehr die in § 8 Nr. 1 II und III VOL/A 2003 enthaltenen Schranken "alle preisbildenden Umstände" bzw. ungewöhnliches Wagnis".
Gleichwohl gelten die entsprechenden Grundsätze ungeschrieben weiter bzw. die Überprüfung erfolgt unter dem Aspekt der (kalkulatorischen) Zumutbarkeit für einen Bewerber bzw. Bieter vor allem auch im Zzusammenhang mit den §§ 60 VGV, 44 UVgO (Prüfungspflichten bei ungewöhnlich niedrigen Angeboten" - siehe Stichwort Unangemessen niedriger Preis
„Ungewöhnliches Wagnis“ – Unzumutbarkeit- sichere Preisberechnungsgrundlagen - grundlegend ist die nachfolgende Entscheidung des OLG Celle.
Unzumutbarkeit - OLG Celle, Beschl. v. 19.03.2019 - 13 Verg 7 – 18 - Rahmenvertrag über Postdienstleistungen – Vertragsstrafe Zumutbarkeit - – „.... Ob die entsprechenden Vertragsbedingungen sonst rechtlichen Bedenken begegnen mögen – etwa im Hinblick auf §§ 307, 343 BGB – ist im Hinblick auf die nach § 160 Abs. 2, § 168 Abs. 1 GWB allein entscheidungserhebliche Übereinstimmung mit dem Vergaberecht unerheblich. Vertragsklauseln wie die vorgenannten werden von den Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit geprüft, da letztere keine Bestimmungen über das Vergabeverfahren im Sinne des § 97 Abs. 6 GWB sind. Außerhalb des Vergabeverfahrens und des Anwendungsbereichs vergaberechtlicher Vorschriften liegende Rechtsverstöße sind im Vergabenachprüfungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen. Sie können ausnahmsweise nur dann zum Gegenstand eines solchen Verfahrens gemacht werden, wenn es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt, die im Nachprüfungsverfahren entscheidungsrelevant ist. Nach dem Wegfall des Verbots der Überbürdung eines unzumutbaren Wagnisses können Vertragsklauseln nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit einer für den Bieter oder Auftragnehmer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation beanstandet werden, wobei dahinstehen kann, ob dies aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben oder dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz herzuleiten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. September 2017 – VII-Verg 9/17, juris Rn. 74 f.). Eine solche Unzumutbarkeit macht die Antragstellerin schon nicht mit Substanz geltend. Sie ist auch sonst nicht ersichtlich. Den Bietern ist eine vernünftige kaufmännische Kalkulation in Anbetracht der Vertragsstrafenregelung nicht unzumutbar. Ihnen ist zuzumuten, gewisse Preis- und Kalkulationsrisiken zu tragen. Zu solchen Risiken gehört auch das der Verwirkung einer Vertragsstrafe. Den Bietern ist hier möglich und zumutbar, abzuschätzen, ob und in welchem Umfang es zur Verwirkung einer Vertragsstrafe kommen kann, und dieses Risiko in ihrer Kalkulation entsprechend zu berücksichtigen. ... Selbst wenn die Regelungen insoweit zu unbestimmt wären, hinderte dies die Antragstellerin doch nicht, das Risiko einer Verwirkung der Vertragsstrafe wegen Überschreitung zugesicherter Laufzeiten in noch ausreichendem Umfang einzuschätzen. Ein umfassenderer Prüfungsmaßstab folgt entgegen der möglicherweise von der Antragstellerin vertretenen Auffassung auch nicht aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts ... Das Oberlandesgericht hat dort einen Ausschluss späterer Einwendungen im Zivilverfahren nur für den Fall angenommen, dass die Vereinbarung einer nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Vertragsbedingung einen Vergabefehler darstellt (OLG Celle, Urteil vom 18. Januar 2018 – 11 U 121/17, juris Rn. 41 ff.; anders wohl verstanden von Summa in: jurisPKVergaberecht, § 156 GWB Rn. 66.1).“
Bekanntlich war in der VOL/A 2006 das Verbot des „ungewöhnlichen Wagnisses“ bereits nicht mehr enthalten (früher § 8 I Nr. 2 VOL/A 2003, auch noch in § 7 I Nr. 3 VOB/A 2012 -- jetzt § 7 I Nr. 3 VOB/A2016).
Ein Teil der Rechtsprechung wendet die Grundsätze noch an. Andere OLGe suchen die Lösung über das Merkmal der „Zumutbarkeit“.
Im Ergebnis werden hier regelmäßig übereinstimmende Lösungen gefunden, insbesondere wird auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt.
Maßgeblich ist letztlich, ob dem Bieter auf der Basis der Vergabeunterlagen eine kaufmännisch ordnungsgemäße Kalkulation „zumutbar“ bzw. nur ein übliches Unternehmerrisiko betroffen ist.
Tendenziell scheint man dem Auftragnehmer ein höheres Risiko zuzumuten, soweit nicht im Einzelfall die Grenzen zum „ungewöhnlichen Wagnis“ überschritten sind.
Ältere Literatur
Dicks, Heinz-Peter, Ungewöhnliche und unzumutbare Wagnisse ,NZBau 2014, 731
Gruber, Thomas, Nichtigerklärung der Ausschreibung wegen Überwälzung nicht kalkulierbarer Risiken auf den AN, ZVB 2014, 426
Laumann, Daniel Thomas/Scharf, Jan Peter, Liefer- und Abnahmepflichten bei Lieferverträgen und Rahmenvereinbarungen, VergabeR 2012, 156 - zu OLG Dresden, Beschl. v. 2.8.2011 – Verg 4/11
v. Gehlen, Hans/Hirsch, Veit, Verbindliche Abnahmemengen auch bei Rahmenvereinbarungen?, NZBau 2012, 736 (zu OLG Dresden, Beschl. v. 2.8.2011 – Verg 4/11 – NZBau 2011, 775 – Streusalz)
Entscheidungen:
OLG Dresden, Beschl. v. 2.8.2011 – Verg 4/11 – VergabeR 2012, 119, m. Anm. v. Noch, Rainer – Streusalz – Rahmenvertrag - Bedarfspositionen als ungewöhnliches Wagnis - § 7 VOL/A - OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2011 – VII Verg 54/11 – NZBau 2012, 762 – Bildungsmaßnahmen – ungewöhnliches Wagnis nicht mehr Bestandteil der VOL/A – aber Prüfung der Unzumutbarkeit im Einzelfall (Kalkulationsrisiken – Vorhaltung für 100 % der Plätze, Abnahme aber nur 60 % der Plätze durch Auftraggeber) – keine Unzumutbarkeit - OLG Jena, Beschl. v. 22.8.2011 – 9 Verg 2/11 – NZBau 2011, 771 – Mindestabnahmegarantie bei Rahmenvereinbarungen – Auftausalz – ca. 30 100 t Auftausalz – Vertragsklausel: „Eine Mindestabnahmemenge der laut Ausschreibung veranschlagten Mengen kann vom Auftragnehmer nicht gefordert werden." - Aufbürdung der Risiken auf Auftragnehmer in nicht mehr hinzunehmendem Umfang - § 4 I EG VOL/A – Ermessensentscheidung – ungewöhnliches Wagnis nach § 8 Nr. 1 III VOL/A a. F.- nach wie vor zu beachten – Willkürverbot etc. - Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 2.12.2011 - 1 VK 6/11 - Betrieb einer Unterkunft (VOL/A) für wohnungslose Personen – Bindung des Bieters an Vorgabe für Kalkulationsgrundlagen (Betriebs- und Nebenkosten) - zukünftige Schwankungen der Belegungszahl zulässig – kein Anspruch auf Vorgabe fester Werte – Weitergeltung des Verbots der Aufbürdung ungewöhnlicher Wagnisse auch nach Neufassung der VOL/A - Brauer, Eva, Die Behandlung ungewöhnlicher Wagnisse nach der Neufassung der VOL/A, VergabeR 2012, 343
OLG Dresden, Beschl. v. 23. 4.2009 - WVerg 11/08 – VergabeR 2010, 106, m. Anm. v. Kohler (auch mit zutreffenden Ausführungen zu § 107 III GWB n. F. - VoIP-Telekommunikationsanlage – ungewöhnliches Wagnis: „1. Der Senat hat zur Begründung eines ungewöhnlichen Wagnisses nicht allein auf die Abweichung der vertraglichen Regelungen von den Normen des BGB abgestellt, sondern ausgeführt, dass die Regelungen dem Bieter Wagnisse auferlegen, die normale vertragliche unternehmerische Risiken übersteigen. Denn man wird die Übernahme der Haftung für Zufall und höhere Gewalt, die unzumutbar lange Ausdehnung von Verjährungsfristen bzw. die Übernahme einer das Normalmaß übersteigenden Gewährleistung als ungewöhnliches Wagnis ansehen müssen. Die Regelungen unter § 8 Nr.4—6 des Vertragsentwurfes bewirken jedoch gerade, dass der Gefahrübergang auf den Zeitpunkt nach dem Transport und der Installation der Komponenten durch den Auftraggeber und damit auf einen für den Auftragnehmer unbestimmten und von ihm auch nicht zu beeinflussenden Zeitpunkt verschoben wird und der Auftragnehmer darüber hinaus die Gefahr trägt, auch für die (zufällige) Verschlechterung der Komponenten nach Ablieferung im Lager, nämlich während der Lagerung, des Transports oder der Installation durch den Auftraggeber zu haften.“
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2011 – VII Verg 54/11 – NZBau 2012, 762 – Bildungsmaßnahmen – ungewöhnliches Wagnis nicht mehr Bestandteil der VOL/A – aber Prüfung der Unzumutbarkeit im Einzelfall (Kalkulationsrisiken – Vorhaltung für 100 % der Plätze, Abnahme aber nur 60 % der Plätze durch Auftraggeber) – keine Unzumutbarkeit
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.02.2013, VII - Verg 44 / 12 – Rahmenvertrag für Kopiergeräte - § 4 Abs. 1 VOL/A-EG – nur eingeschränkte Geltung der Bestimmtheit, Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung – Pflicht zur möglichst genauen Ermittlung des Bedarfs ohne abschließende Festlegung – Zumutbarkeit gewisser Preis- und Kalkulationsrisiken bei Mitteilung des bisherigen Leistungsumfangs - Gestaltungs- und Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers für Rückgabe, Tausch, Zumietung von Geräten sowie Preisstruktur und Abrechnungsmodalitäten ohne Staffel- und Folgepreise - Das frühere grundsätzliche Verbot einer Aufbürdung ungewöhnlicher Wagnisse für Umstände und Ereignisse, auf die der Bieter keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann (vgl. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A 2009), gilt nach § 8 EG VOL/A nicht mehr (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2011 - VII-Verg 54/11, NZBau 2011, 762; Beschl. v. 11.11.2011 und 28.3.2012 - VII-Verg 90/11; Beschl. v. 7.12.2011 - VII-Verg 96/11). Die Ausschreibungsbedingungen können nur noch unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit zu beanstanden sein, was generell noch nicht der Fall ist, wenn Bieter gewisse Preis- und Kalkulationsrisiken, namentlich solche, die ihm typischerweise ohnehin obliegen, tragen. Bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrags – wie hier – erhöht sich zudem die Zumutbarkeitsschwelle zu Lasten der Bieter.
OLG Jena, Beschl. v. 22.8.2011 – 9 Verg 2/11 – NZBau 2011, 771 – Mindestabnahmegarantie bei Rahmenvereinbarungen – Auftausalz – ca. 30 100 t Auftausalz – Vertragsklausel: „Eine Mindestabnahmemenge der laut Ausschreibung veranschlagten Mengen kann vom Auftragnehmer nicht gefordert werden." - Antragsbefugnis – Begründetheit: Aufbürdung der Risiken auf Auftragnehmer in nicht mehr hinzunehmendem Umfang - § 4 I EG VOL/A – Ermessensentscheidung – ungewöhnliches Wagnis nach § 8 Nr. 1 III VOL/A a. F.- nach wie vor zu beachten – Willkürverbot etc. -
OLG Naumburg, Beschl. v. 5.12.2008 - 1 Verg 9/08 – VergabeR 2009, 487, m. Anm. v. Noch, Rainer – Abfallentsorgung – VOL/A – § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB; § 97 Abs. 5 GWB –– ungewöhnliches Wagnis –amtlicher Leitsatz: ... 6. Ein ungewöhnliches Wagnis i.S. des Vergaberechts liegt nur vor, wenn die für den jeweiligen Vertragstyp rechtlich, wirtschaftlich bzw. technisch branchenübliche Risikoverteilung einseitig und nicht nur unerheblich zu Ungunsten des Auftragnehmers verändert vorgegeben wird (hier abgelehnt für eine Ausschreibung der Sammlung, Beförderung und Entsorgung von Restmüll im Hinblick auf eine satzungsmäßige Reduzierung der Zahl der Mindestentleerungen, auf fehlende Preisgleitklauseln für Kraftstoff und Personalkosten in einem 5-Jahres-Vertrag sowie auf ein beiderseitiges besonderes Kündigungsrecht). 7
OLG Rostock, Beschl. v. 6.3.2009 – 17 Verg 1/09 - NZBau 2009, 531 – PPK-Abfälle –Verstoß gegen § 8 Nr. 1 I VOL/A (fehlende Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung, unmögliche Leistung) sowie § 8 Nr. 1 III VOL/A (ungewöhnliches Wagnis: u. a. fehlende Angabe der Gesamtmenge) –
OLG Schleswig, Beschl. v. 25.01.2013 - 1 Verg 6/12 VergabeR 2013, 460 – Postdienstleistungen – „6.1 Was die (Länge der) Zeitspanne zwischen dem Ablauf der Angebotsfrist und dem Beginn der Leistungsausführung anbetrifft, folgt der Senat den überzeugenden Gründen im Beschluss der Vergabekammer (S. 23 f. des Beschlussabdrucks). Der für die Ausschreibung gewählte zeitliche Vorlauf bis zur Auftragsphase führt für die Beschwerdeführerin weder zu einem „ungewöhnlichen Wagnis“ noch zu einer wettbewerbswidrig-unzulässigen Risikoabwälzung. Eine zumutbare und vernünftige kaufmännische Kalkulation bleibt möglich (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. August 2012, Verg 14/12, Juris; zur rechtlichen Beurteilung „ungewöhnlicher Wagnisse“ im VOL-Bereich nach der Neufassung der VOL/A 2009 vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Dezember 2011, VII-Verg 96/11, ZfBR 2012, 308 sowie OLG Dresden, Beschluss vom 2. August 2011, WVerg 4/11, NZBau 2011, 775).
Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 2.12.2011 - 1 VK 6/11 - Betrieb einer Unterkunft (VOL/A) für wohnungslose Personen – Leistungen gemäß Anhang I Teil B EG VOL/A, nicht Anhang I Teil A EG VOL/A – für Anhang I B-Leistungen gilt die Belehrungspflicht nach § 107 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GWB nicht (janusköpfige Auslegung der Vorschrift) - Aufhebung des Vergabeverfahrens – Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs – Bindung des Bieters an Vorgabe für Kalkulationsgrundlagen (Betriebs- und Nebenkosten) - zukünftige Schwankungen der Belegungszahl zulässig – kein Anspruch auf Vorgabe fester Werte – Weitergeltung des Verbots der Aufbürdung ungewöhnlicher Wagnisse auch nach Neufassung der VOL/A
Vergabekammer Niedersachsen, Beschl. v. 28.05.2014 - VgK - 13/2014 – Schülerbeförderung – kein „ungewöhnliches Wagnis“ bzw. keine „Unzumutbarkeit“ - „Die Frage, ob ein vertraglich aufgebürdetes Wagnis ungewöhnlich und damit nach § 8 EG Abs. 1 VOL/A unzulässig oder unzumutbar ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Art und Umfang der nachgefragten Leistung sowie unter Beachtung des Gesichtspunkt der Branchenüblichkeit zu klären (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29.09.2004, 1 Verg 6/04; VK Bund, Beschluss vom 06.05.2005, VK III 28/05). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 8 EG Abs. 1 VOL/A nicht ausschließt, dass die Beteiligten den Rahmen des Zulässigen ausschöpfen. Jedem Vertrag wohnen gewisse Risiken inne, die der Auftragnehmer bei der Ausführung der Leistung zu tragen hat (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 15.01.2010, VgK-74/2009). Ob damit die Grenzen der Zumutbarkeit für eine vernünftige kaufmännische Kalkulation überschritten sind, kann nicht abstrakt anhand allgemeiner Grundsätze dargestellt werden, sondern ist aufgrund der branchenspezifischen Risiken im Einzelfall sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Der öffentliche Auftraggeber muss bestehende Mengenrisiken nicht zu seinen Lasten übernehmen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.04.2013, VII - Verg 50 / 12). Er wird die Überwälzung von Risiken möglicherweise mit Wagnisaufschlägen bezahlen müssen, aber es ist nicht Aufgabe der Vergabenachprüfungsinstanzen, ihm eine möglichst billige Kalkulation aufzudrängen (VK Rheinland-Pfalz, 20.09.2012 - VK 2-25/12). Andererseits ist die Vorgabe des zu vergebenden Auftragsvolumens eine nicht entbehrliche Grundlage jeder Kalkulation. Fehlt sie vollständig, so sind vergleichbare Angebote nicht mehr zu erwarten (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2011, 1 VK 25 / 11, zit. nach VERIS). – ausreichende Preisanpassung („Preisgleitklauseln oder Anpassungsklauseln sind ein probates Mittel des Auftraggebers, den Angebotspreis weitestmöglich zu senken. Dazu ist er aber nicht verpflichtet, insbesondere nicht gegenüber den Anbietern. Das gilt sowohl für die hier zugrunde gelegten allgemeinen Preissteigerungen als auch für die von der Antragstellerin geforderten spezifischen Preissteigerungen für Treibstoff und übrige Fahrzeugkosten, die konkret in Abteilung 7 „Verkehr“ des Verbraucherpreisindexes abgebildet werden http://www.destatis.de .Aus der Darstellung dort werden die vorgetragenen exorbitanten Schwankungen in den letzten Jahren nicht bestätigt.“).
Vergabekammer Südbayern, Beschl. v. 30.10.2013 - Z 3 - 3 - 3194 - 1 - 28 - 08/13 – Entsorgungsleistungen – „Erlösanpassung“ (Preisanpassung) – ungewöhnliches Wagnis – Zumutbarkeit - § 107 Abs. 2 GWB, § 8 Abs. 1 VOL/A-EG, § 19 Abs. 6 S. 1,2 VOL/A-EG, § 6 Abs. 7 VOL/A-EG – amtliche Leitsätze: 1. Die Wahl der Formel für eine Erlösanpassungsregelung fällt unter das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers. Die Nachprüfungsinstanzen können die Wahl der Erlösanpassungsregelung lediglich dahingehend überprüfen, ob die Anforderung objektiv auftrags- und sachbezogen ist und die Begründung nachvollziehbar ist. 2. Nach der Novellierung der VOL/A zum 11. Juni 2010 ist das Verbot, den Bietern/Auftragnehmern kein ungewöhnliches Wagnis aufzubürden für Umstände und Ereignisse, auf die sie keinen Einfluss haben und, deren Einwirkung auf die Preise und Fristen sie nicht im Voraus schätzen können, explizit nicht mehr gesetzlich untersagt. Das ehemalige vergaberechtliche Verbot der Aufbürdung eines „ungewöhnlichen Wagnisses" kann seit Inkrafttreten der VOL/A 2009 auch nicht aus den allgemeinen Vergaberechtsgrundsätzen aus § 97 GWB oder dem Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung aus § 8 EG Abs. 1 VOL/A hergeleitet werden kann. 3. Eine vollständig transparent ausgestaltete Erlösanpassungsformel, die von der künftigen Entwicklung eines Preisindex abhängt, die gleichermaßen weder von der Vergabestelle noch vom Bieter prognostiziert werden kann, bei der ein fachkundiger Bieter jedoch die Auswirkungen der Bewegungen dieses Index auf seine Erlössituation berechnen kann, führt grundsätzlich nicht dazu, dass der Bieter Kalkulationsrisiken zu tragen hätte, die über die jeden Bieter treffenden Kalkulationsanforderungen unzumutbar hinausgehen würden. 4. Dies gilt auch dann, wenn ein konkreter Bieter aufgrund der Ausgestaltung der Erlösformel für sein Unternehmen den Schluss ziehen muss, von einer Angebotsabgabe Abstand zu nehmen, da der öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet ist, seinen Bedarf so auszurichten, dass möglichst alle auf dem Markt agierenden Teilnehmer leistungs- und angebotsfähig sind.
~0528