Lieferaufträge - Bauaufträge -Dienstleistungen - § 99 II, III und IV sowie X GWB.

Zivilrechtliche und vergaberechtliche Einordnung stimmen nicht überein. für die vergaberechtliche Einordnung sind nicht nachfolgenden Grundsätze maßgeblich:
Lieferaufträge

Nach § 99 II GWB sind Lieferaufträge zur Beschaffung von Waren Kauf, Ratenkauf, Miete, Leasing etc. gegebenenfalls nit Nebenleistiungen. Waren sind "körperliche Gegenstände" (Flüssigkeiten, Standardsoftware, Möbel, Strom, Gase etc.).

Bauaufträge
Nach § 99 III GWB sind Bauaufträge Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommenden Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen.

Dienstleistungsaufträge
Als Dienstleistungsaufträge gelten mach § 99 IV GWB die Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter § 99 II und IIII GWB fallen.

Auswirkung der Zuordnung auf den Schwellenwert
Die Unrterscheidung ist zunächst bedeutsam für die Frage, welcher Schwellenwert zu beachten ist.
Lieferaufträge und Dienstleistungen: Schwellenwert ca. 200.000 € - 2014/2015 - 207.000 € ("Bund" - 134.000 €)
Bauaufträge: Schwellenwert ca. 5 Mio. € - 2014/2015 - 5.186.000 €

"Gemischte Verträge" - Mischverträge"
Verträge können Dienstleistungen, Bauleistungen und Lieferaufräge aufweisen.
Die wichtige Frage ist in § 99 X GWB entschieden. 
Die Vorschrift lautet:
"(10) Ein öffentlicher Auftrag, der sowohl den Einkauf von Waren als auch die Beschaffung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, gilt als Dienstleistungsauftrag, wenn der Wert der Dienstleistungen den Wert der Waren übersteigt. Ein öffentlicher Auftrag, der neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten sind, gilt als Dienstleistungsauftrag."
Entscheidend ist damit bei Verträgen mit Waren und Dienstleistungen: übersteigender Wert der jeweiligen Leistung (vgl. § 3 VgV - Auftragswertschätzung)
Entscheidend bei Bauleistungen und Dienstleistungen: Bauleistungen im Verhältnis zu Dienstleistungen nur Nebenarbeiten (Wertverhältnis grundsätzlich zwar nur indiziell, aber wohl mitentscheidend).
Entscheidend bei Bauleistungen und Lieferungen: Maßgeblich auch hier der "Hauptgegenstand" des Vertrags (auch hier Wert nur indiziell, aber wohl auch hier grundsätzliche Bedeutung).
Entscheidend bei Bau-, Liefer- und Dienstleistung: Prüfung in Stufen: 1. Bauleistung als Hauptgegenstand, wenn nicht dann 2. Prüfung Lieferung oder Dienstleistung.
Praxistipp
Im Einzelfall kann die Zuordnung vergaberechtlich sehr problematisch sein. Vor allem muss vermieden werden, dass der höhere  Schwellenwert von ca. 5 Mio. € rechtswidrig angenommen wird, um das EU-Verfahren zu umgehen. In kritischen Fällen sollte die Entscheidung für das EU-Verfahren  getroffen werden; denn die vergaberechtswidrige Unterlassung des EU-Verfahrens führt zu den Folgen der §§ 101a, 101b GWB (Unwirksamkeit des Vertrags). Interessierte und "übergangene" Bewerber haben die Möglichkeit, die Vergabekammer oder die EU-Kommission einzuschalten.
Entscheidungen:

Rechtsprechung (weitere Nachweise in den Kommentierungen zu  99 GWB):
EuGH, Urt. v. 11.05.2006 - Rs. C-340/04 – Carbotermo - vergabefreies In-House-Geschäft – Vergabe eines öffentlichen Auftrag direkt an ein Unternehmen, dessen Anteile sie innehat, wenn das Unternehmen hauptsächlich für die Kommune tätig wird. Zu berücksichtigen sind hierbei alle Tätigkeiten, die das jeweilige Unternehmen aufgrund einer Vergabe durch den öffentlichen Auftraggeber verrichtet, unabhängig davon, wer diese Tätigkeit vergütet und wo sie räumlich ausgeübt wird

Vergabekammer Bund, Beschl. v. 27.05.2014 - VK 2 - 31 / 14 -
§§ 101 b GWB – Erneuerung, Lieferung, Montage, Inbetriebnahme eines Systems mit IP-Netz und Softwareentwicklung (Los 1) und Lieferung, Montage, Inbetriebnahme der Beschallungsanlagen (Los 2) - Schwellenwert – Bauauftrag oder Dienstleistung – SektVO -   Rechtsverletzung durch unzulässiges nationales Verfahren -  Einordnung als Bau- oder Dienstleistungsauftrag hier nicht erheblich (da auf jeden Fall über 5 Mio. €) – Schätzung – Bedeutung der Preise der eingereichten Angebote bei Schätzung des Auftragswertes nahe an 5 Mio. € ohne Dokumentation – grundsätzliche Unerheblichkeit der Angebote (nur indizielle Bedeutung) für die Schätzung  - „Der Auftraggeber ist .... gehalten, ... eine seriöse Schätzung durchzuführen ... muss er diese Schätzung .... dokumentieren, damit sie der Überprüfung .... zugänglich sein kann. Naturgemäß gilt dies nicht in der gesamten Schärfe für Vergabeverfahren, deren Auftragswert eindeutig und unzweifelhaft unterhalb der für europaweite Vergabeverfahren einschlägigen Schwellenwerte liegt, die Durchführung eines nationalen Vergabeverfahrens mithin unproblematisch ist. Hier verhält es sich aber so, dass auch die Ag selbst einen Auftragswert angenommen hat, der in Richtung 5 Mio. Euro tendiert.     Liegt die Vorabschätzung ... nur relativ knapp unter .... dem Schwellenwert, so ist ... umfassend zu dokumentieren. Die Methode der Schätzung muss so gewählt sein, dass sie wirklichkeitsnahe Ergebnisse erwarten lässt; die Gegenstände der Schätzung müssen mit der ausgeschriebenen Maßnahme übereinstimmen (vgl. ... zu den Grundsätzen BGH, Urteil v. 20. 11. 2012 - X ZR 108/10). ... Wird bei einem .... knapp unterhalb der Schwelle liegenden Auftragswert von der Durchführung eines europaweiten Verfahrens abgesehen, so stellt dies einen besonders begründungsbedürftigen Sachverhalt dar.“ – „Eine Darlegung, wie man zu den Zahlen (erg. Der Schätzung) gekommen ist, ist nicht vorhanden. Aus Sicht der Vergabekammer als Nachprüfungsinstanz kann daher nur zur Kenntnis genommen werden, dass der Auftraggeber im Ergebnis so geschätzt hat, nicht aber nachvollzogen werden, was Grundlage der Schätzung war und wie diese im Einzelnen durchgeführt wurde. .....Es oblag der Ag, alle für diese Frage relevanten Dokumentationen als Bestandteil der Vergabeakte einzureichen. Die Ag muss sich an der von ihr eingereichten, indes defizitären Dokumentation festhalten lassen.... Es ist von einem über dem Schwellenwert von 5 Mio. Euro liegenden Auftragswert auszugehen. Ob es sich wirklich um einen Bauauftrag handelt, kann daher offen bleiben .... da die SektVO ... nicht nach Bau- und sonstigen Aufträgen.... differenziert ... Auf die ... strittige Frage, ob der Auftrag als .... gemischter Auftrag ... dem ...  Bauauftrag ... zuzuordnen ist oder ob es sich Liefer-/ Dienstleistungsauftrag handelt, kommt es nicht an. ....bb) Der .... erteilte Zuschlag steht dem Nachprüfungsverfahren nicht .... entgegen.... Diese Zuschlagserteilung ist .... kein Verfahrenshindernis, da die ... Grundsätze nur dann gelten können, wenn der Zuschlag auch .... wirksam ist. Greift .... ein Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgrund, .... so steht die unwirksame Zuschlagserteilung dem Nachprüfungsantrag nicht entgegen .... “ - Rechtsschutzbedürfnis - Erforderlichkeit eines noch durchzuführenden europaweiten Verfahrens nach SektVO und Informationspflicht nach § 101a GWB .... Zuschlag .... nach ... § 101 b GWB lediglich schwebend wirksam ist ... Als lediglich schwebend wirksamer Vertrag steht dieser der Statthaftigkeit nicht entgegen ....“ – Rechtzeitigkeit der Rüge – AntragsbefugnisUnbegründetheit des Antrags auf Neuwertung - Widerspruch zwischen dem Antrag auf Unwirksamkeitserklärung des Zuschlags und dem Antrag auf Neuwertung auch des Angebots im bestehenden Vergabeverfahren - „Die Ag befindet sich in der Situation, dass derzeit kein Vergabeverfahren mehr vorhanden ist. Die Angebote haben daher sämtlich keinen Bestand mehr; ein Zuschlag - egal auf welches Angebot - würde sich infolge des Unterbleibens eines europaweiten Verfahrens stets als eine Art De-facto-Vergabe darstellen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 1 Verg 3/13, wonach aufgrund richtlinienkonformer Auslegung § 101b Abs. 1 Nr. 2 GWB auch dann Anwendung findet, wenn statt der gebotenen europaweiten Ausschreibung ein rein nationales Verfahren durchgeführt wurde). In Bezug auf die beantragte Neuwertung ist der Nachprüfungsantrag folglich unbegründet. Die Ag hat vielmehr ein korrektes, europaweites Vergabeverfahren durchzuführen, an welchem sich die ASt mit einer erneuten Zuschlagschance beteiligen kann. Sollte die Ag jedoch nach wie vor der Auffassung sein, in Ermangelung des Erreichens der einschlägigen Schwellenwerte ein nationales Verfahren durchführen zu dürfen, so wird sie die Schätzung des Auftragswerts in einem neuen Vergabevermerk dezidiert zu begründen haben.“ – eingetretene Rechtsverletzung „durch Unterlassung des EU-Verfahrens trotz Kenntnis vom nationalen Vergabeverfahren und Beteiligung am Verfahren infolge unterschiedlicher Normen im nationalen und im EU-Verfahren ( vgl. BGH, 10. 11. 2009 - X ZB 8/09) - Verschlechterung durch die Vorschriften über die Abwicklung des Vergabeverfahrens nach den falschen Vorschriften infolge der Beurteilung des Angebots nicht nach den richtigen Bestimmungen - Unterlassung der Begründung des Ausschlusses  - Dokumentationsmangel