Checklist Wertungskriterien
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UVgO - Text
§ 43 Zuschlag und Zuschlagskriterien
(1) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.
(2) Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Neben dem Preis oder den Kosten können auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, insbesondere:
1. die Qualität, einschließlich des technischen Werts, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung insbesondere für Menschen mit Behinderungen, ihrer Übereinstimmung mit Anforderungen des "Designs für Alle", soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften sowie Vertriebs- und Handelsbedingungen,
2. die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder
3. die Verfügbarkeit von Kundendienst und technischer Hilfe sowie Lieferbedingungen wie Liefertermin, Lieferverfahren sowie Liefer- oder Ausführungsfristen.
Der Auftraggeber kann auch Festpreise oder Festkosten vorgeben, sodass das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich nach qualitativen, umweltbezogenen oder sozialen Zuschlagskriterien nach Satz 2 bestimmt wird.
(3) Die Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Diese Verbindung ist auch dann anzunehmen, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.
(4) Der Auftraggeber kann vorgeben, dass das Zuschlagskriterium "Kosten" auf der Grundlage der Lebenszykluskosten der Leistung in entsprechender Anwendung des § 59 der Vergabeverordnung berechnet wird.
(5) Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen.
(6) Der Auftraggeber gibt in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen an, wie er die einzelnen Zuschlagskriterien gewichtet, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Diese Gewichtung kann auch mittels einer Spanne angegeben werden, deren Bandbreite angemessen sein muss. Ist die Gewichtung aus objektiven Gründen nicht möglich, so gibt der Auftraggeber die Zuschlagskriterien in absteigender Rangfolge an.
(7) Für den Beleg, ob und inwieweit die angebotene Leistung den geforderten Zuschlagskriterien entspricht, gilt § 24 entsprechend.
(8) An der Entscheidung über den Zuschlag sollen in der Regel mindestens zwei Vertreter des Auftraggebers mitwirken.
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Kommentierung (Bartl/Bartl/Schmitt, UVgO, 2017, § 43 UVgO)
1. Zuschlagserteilung nach § 43 UVgO
1.1. GWB, VgV und UVgO
Während § 58 I VgV auf § 127 GWB und den darin enthaltenen Grundsatz verweist, dass der Zuschlag „auf das wirtschaftlichste Angebot“ erteilt wird und dort folglich auf die Ausführungen zu § 127 GWB Bezug genommen werden kann, fehlt dies in § 43 UVgO.
Allerdings stimmen § 127 I GWB und § 43 I, II UVgO sachlich wohl vollständig überein. § 58 II konkretisiert wie auch § 43 II UVgO den in § 127 I S. 2 und 3 GWB enthaltenen Grundsatz, wonach neben dem Preis auch „qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien“ berücksichtigt werden können.
Neuerdings hierzu u. a. Ferber, Thomas, Das Rätsel „Preis-Leistungs-Verhältnis“, Vergabe Navigator Sonderheft 2016, 23; Ferber, Thomas, Die Crux mit den Noten, VergabeNavigator 2016, 10; Ferber, Thomas: Vor- und Nachteile verschiedener Wertungssysteme, Vergabe Fokus 6/2016, 14; Gaus, Michael, Abschaffung der Schulnoten in der Angebotswertung?, NZBau 2017, 134; Hake, Martin, Praxistest Wirtschaftlichkeit, Vergabe Navigator Sonderheft 2016, 19; Janitzek, Robert, Durchführung eines Qualitätswettbewerbs, Vergabe News 2016, 182; Kirch, Thomas; Jentzsch, Laura: Wertung von Konzepten – Neues vom Schulnotensystem (Vergabe News 1/2017, 2; Mohr, Jochen; Sozial motivierte Beschaffungen nach dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz 2016, EuZA 1/2017, 23; Noch, Rainer, Gute Noten für die Schulnoten (Vergabe Navigator 1/2017, 23; Rhein, Kay-Uwe: Energieeffiziente Feuerwehr, Vergabe Navigator 2017, 8.
Da § 43 II UVgO im Übrigen mit § 58 II VgV wörtlich übereinstimmt, ist es damit zulässig, Erkenntnisse aus dem oberschwelligen Bereich auch im Anwendungsbereich der UVgO heranzuziehen. Allerdings muss auch in diesem Zusammenhang betont werden, dass der Rechtsschutz der Bewerber und Bieter unterhalb der Schwellenwerte faktisch nicht oder lediglich in wenig effektiver Form vorhanden ist.
Zuschlagskriterien (§ 43 UVgO) sind auch nach der UVgO von Eignungskriterien (§§ 31, 33 UVgO und Ausführungsbedingungen (§ 45 UVgO) getrennt zu prüfen und zu unterscheiden. Insofern beziehen sich Eignungskriterien auf das Unternehmen generell, die Zuschlagskriterien auf das konkrete Angebot und die Ausführungsbedingungen auf das Stadium nach dem Zuschlag, die Ausführung.
Vgl. Bartl, GWB, § 127, Anm. 2; VgV, § 58 Anm. 1; auch Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 27.
Die seit jeher zu beachtende Trennung der drei Bereiche bleibt aufrecht erhalten.
So zutreffend Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 27.
1.2. Zuschlag und Vertragsschluss
Wie der Vertrag zustande kommt, ist weder im GWB, noch in der VgV oder der UVgO geregelt. Die zivilrechtliche Seite des Zuschlags ist vollständig „ausgeblendet“. Maßgeblich sind insofern die §§ 151 1. Halbs., 130, 145 f BGB. Die Bekanntmachung bzw. die Vergabeunterlagen enthalten die Aufforderung zur Abgabe eines Vertragsantrags, hier eines Angebots, das durch den Zuschlag angenommen wird.
BGH, Urt. v. 6.9.2012 - VII ZR 193/10 – NZBau 2012, 694 - abändernder Zuschlag (neue Bauzeit, Herausnahme einzelner Leistungen) als neuer Antrag; OLG Thüringen, Beschl. v. 30.10.2006 – 9 Verg 4/06 – Winterdienst etc. – Bindefristablauf; hierzu auch Bartl, GWB, § 127 Anm. 1.
Für das Vergabeverfahren haben folglich die zivilrechtlichen Grundsätze Bedeutung. Für die Vorbereitung des Vergabeverfahrens und seine Durchführung greifen die Pflichten nach §§ 241 II [311 II, III, 280, 249 f] BGB – frühere c.i.c.) ein. Angebots- und Bindefristen werden nach § 13 UVgO festgelegt. Verspätete Angebote werden ausgeschlossen (§ 42 I Nr. 1 UVgO). Ist die Bindefrist abgelaufen (vgl. § 150 I BGB), so liegt mit dem Zuschlag ein neuer Antrag vor, der der Annahme bedarf. Kommt es im Zuschlag zu einer Abänderung des Angebots, so liegt ebenfalls ein neuer Antrag vor, der der Annahme durch den Auftragnehmer bedarf.
Vgl. vorhergehende Fn.
„Zivilrechtliche Spuren“ finden sich im Übrigen in § 21 II – V UVgO (z. B. Vertragsstrafen etc.) oder in § 32 II, III UVgO (bestimmte Rechtsform der Bietergemeinschaften) sowie in den Ausführungsbedingungen (vgl. § 45 UVgO).
Für den Zuschlag sieht § 43 UVgO keine bestimmte Form vor. Insoweit ist § 7 II UVgO einschlägig. Da der Zuschlag das Angebot betrifft, scheidet (nicht nur aus Beweisgründen) die mündliche Form aus. Ferner ist eine „ausreichende und geeignete Dokumentation“ (vgl. § 6 I UVgO) erforderlich. Folglich wird man den Zuschlag via E-Mail oder Fax mit Aufforderung zur Bestätigung des Zuschlags erteilen.
Auf die Zugangsprobleme bei Fax und e-Mail wird hingewiesen. Bei Fax ist der Ausdruck beim Empfänger (Mängel des Empfangsgerätes treffen den Empfänger) und Kenntnisnahmemöglichkeit während der Geschäftszeit erforderlich.
Ähnlich steht es mit der Speicherung der E-Mail bei dem Empfänger und Abruf während der üblichen Geschäftszeit.
Vgl. hierzu Palandt-Ellenberger, BGB, § 10 Rn. 7, 7a, zu Zugangsstörungen Rn. 16, 17, m. w. Nachw.
Es soll in der Praxis vorgekommen sein, dass der Zuschlag nicht oder jedenfalls nicht innerhalb der Bindefrist bei dem Bieter zugegangen ist. Insofern entfällt die Bindung des Bieters an sein Angebot. Das kann zu Nachteilen führen, auch wenn der Auftraggeber durchaus noch die Möglichkeit hat, dem Rangzweiten mit einem höheren Preis den Zuschlag zu erteilen, der den neuen Antrag aber nicht annehmen muss, sondern annehmen kann (§ 150 I BGB).
Zu den Grundsätzen BGH, Urt. v. 6.9.2012 - VII ZR 193/10 – NZBau 2012, 694 - abändernder Zuschlag (neue Bauzeit, Herausnahme einzelner Leistungen) als neuer Antrag; OLG Thüringen, Beschl. v. 30.10.2006 – 9 Verg 4/06 – Winterdienst etc. – Bindefristablauf; hierzu auch Bartl, GWB, § 127 Anm. 1.
Das zeigt:
Auch wenn die UVgO zivilrechtlich „entschlackt“ ist, kann hier ohne zivilrechtliche Kenntnisse nicht gearbeitet werden.
2. Bekanntmachung und weitere „Formalien“
2.1. Bekanntmachung
Nach §§ 28 II Nr. 14, auch 43 VI UVgO (vgl. auch § 127 V GWB bzw. § 58 III VgV) sind die Zuschlagskriterien einschließlich ihrer „Gewichtung“ bekannt zu machen oder in die Vergabeunterlagen (vgl. § 21 I Nr. 2 UVgO) aufzunehmen.
Es empfiehlt sich Zuschlagskriterien und Gewichtung schon schlagwortartig in die Bekanntmachung und dann zusätzlich und vollständig in die Vergabeunterlagen aufzunehmen.
Die Bieter sind vollständig über Eignungskriterien, Zuschlagskriterien und über die Pflichten zur Auftragsausführung zu informieren. Sie müssen wissen, wie die Eignung, ihr Angebot und die Ausführung der Leistung beschaffen sein müssen, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Das verlangt auch das Transparenzgebot (vgl. § 2 I UVgO).
In § 43 VI UVgO (vgl. auch § 127 V GWB und in § 58 III VgV) ist vorgesehen, dass die „einzelnen Zuschlagskriterien“ und ihre Gewichtung in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen anzugeben sind. Das spricht zwar dafür, dass man die Angaben entweder in die Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen und damit nur in eine der beiden Unterlagen aufnimmt. Wenn die Zuschlagskriterien in die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen aufgenommen werden, dürfen keine Widersprüche, Unklarheiten oder Unvollständigkeiten vorliegen. Diese treffen den Auftraggeber wie nach bisherigem Recht.
Bartl, VgV, § 58 Rn. 2.1.; auch Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 86; zur vollständigen Bekanntmachung - Konkretisierung in VU insofern für die Eignung nach bisherigem Recht OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 16.2.2015 - 11 Verg 11/14 -– unvollständige Bekanntmachung der Nachweise für die Eignung – nicht ausreichend Verweis auf § 7 III EG VOL/A ohne weitere Konkretisierung als Verstoß; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.6.2010 – Verg 18/10 - Hinweise zur Eignung erstmals konkret in den Verdingungsunterlagen (unzulässig); OLG Jena, Beschl. v. 21.9.2009 — 9 Verg 7/09 - Bekanntmachungsinhalt: alle geforderten Nachweise – allenfalls Konkretisierung in den Vergabeunterlagen; OLG Hamburg, Beschl. v. 24. 9. 2010 - 1 Verg 2/10 – Eignungsnachweise in Bekanntmachung: Grundsatz der Vollständigkeit der Bekanntmachung – keine nachträglich erhöhten Anforderungen, lediglich Konkretisierung in Vergabeunterlagen zulässig
2.2. Änderung der Zuschlagskriterien
An die bekannt gemachten (zulässigen) Zuschlagskriterien ist der Auftraggeber gebunden. Spätere Änderungen kommen grundsätzlich nicht in Betracht. Auch zusätzliche Kriterien dürfen nicht eingeführt werden.
Insofern Bartl, VgV, Anm. 2.1.; Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 85, m. w. Nachw.; vgl. für die oberschwellige Vergabe zur unzulässigen nachträglichen Änderung nach bisherigem Recht EuGH, Urt. v. 18.11.2010 - C-226/09 – Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen; ferner etwa Vavra in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Hrsg., VOL/A, 3. Aufl., 2014, § 19 EG Rn. 269 f, m. w. Nachw. zur früheren Rechtsprechung.
Fehler können allerdings noch beseitigt werden. Ändert der Auftraggeber insofern die Zuschlagskriterien oder verzichtet er auch auf nur einen Teil, so muss er allerdings allen (Bewerbern und) Bietern innerhalb angemessener Frist (vgl. § 13 I UVgO) die Möglichkeit zur Überarbeitung der Angebote geben.
Hierzu Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 85.
2.3. Entscheidung durch zwei Vertreter
Bei der Entscheidung über den Zuschlag „sollen“ in der Regel mindestens zwei Vertreter des Auftraggebers mitwirken (43 VIII UVgO; vgl. auch § 58 V VgV).
Wenn von dieser Regel abgewichen wird, ist dies sachlich zu begründen. Da eine entsprechende Organisation der Beschaffung vorhanden sein muss, dürfte ein abweichender Fall kaum jemals praktisch werden. Im Übrigen sollten die „Vertreter“ des Auftraggebers insofern jedweden Anschein der „unzulässigen Steuerung“ vermeiden.
Unter „Mitwirkung“ ist eine entsprechende „gemeinsame Entscheidung“ zu verstehen. Um „Patt-Situationen“ zu vermeiden, sollte insofern ein „Dreier-Gremium“ vorgesehen sein, um in Streitfällen eine Abstimmung herbeiführen zu können.
Der Schritt ist nach § 6 I UVgO zu dokumentieren. Die weiteren Maßnahmen („Compliance“-Aspekte) sind in das Ermessen des Auftraggebers gestellt. Bei der Öffnung (vgl. § 40 UVgO; vgl. § 55 II VgV) und der Zuschlagsentscheidung darf es sich insofern um dieselben Personen handeln. Weitergehende Maßnahmen sind, falls entsprechendes Personal verfügbar ist, durchaus zu empfehlen.
Selbstverständlich sind die in den §§ 3 – 5 UVgO (vgl. auch §§ 5 - 7 VgV) enthaltenen Grundsätze (Vertraulichkeit, Interessenkonflikt, Vorbefassung etc.) auch hier zu beachten.
3. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots
§ 43 I, II UVgO (vgl. auch 58 I, II S. 1 VgV sieht für die Ermittlung als Grundlage das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“ vor. Sofern Preis und Leistung insofern „gleichgewichtig“ sind, ist der (zulässige) niedrigste Preis nach wie vor als einziges Kriterium möglich und damit entscheidend (vgl. Begründung zu § 58 I S. 1 VgV).
Dies bedeutet, dass es auch zulässig ist, nur den Preis allein als Zuschlagskriterium vorzusehen. Das gilt auch für die „Kosten“, wenn sie als einziges Zuschlagskriterium genannt werden.
Bartl, VgV, Anm. 3; auch Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 9.
Das Verhältnis von Preis/Kosten und Leistung ist nur dann relevant, wenn der Preis (Kosten) und neben dem Preis weitere Kriterien vom Auftraggeber („kann“) festgelegt werden. Erfolgt z. B. eine Gewichtung von Preis (60 %) und weiteren Kriterien (40 % - einschließlich Unterkriterien), so wird der Rang der Angebote nach diesem Verhältnis in der Regel durch eine entsprechende nachvollziehbare mathematische Formel entschieden (vgl. hierzu ausführlich UFAB VI – www.cio.bund.de).
Bei dem Zuschlagskriterium „Kosten“ auf der Grundlage der Lebenszykluskosten statt des Preises ist § 59 VgV nach § 43 IV UVgO entsprechend anzuwenden. § 59 VgV setzt Art. 68 der Richtlinie 2014/24/EU weitgehend wörtlich um und ermöglichst es, dass der Auftraggeber hinsichtlich des Zuschlagskriteriums „Kosten“ die Berechnung auf der Grundlage der Lebenszykluskosten vorsehen darf – insofern steht ihm ein entsprechendes Ermessen zu, das allerdings dann entfällt, wenn die Methode durch einen Rechtsakt der EU verbindlich vorgeschrieben ist (vgl. § 59 IV VgV).
Ähnliche Regelungen waren in § 4 IV – VI b) VgV a. F. sowie z. B. § 19 IX EG VOL/A anzutreffen.
Vgl. hierzu Bartl, VgV, § 59 Anm.; Kulartz u. a., VgV, § 59 Rn. 1, ausführlich zu „ko-stenbezogenen Zuschlagskriterien Rn. 107 f; auch z. B. Ziekow/Völlink, Hrsg., Vergaberecht 2013, 2. Aufl., (Greb) § 4 VgV, Rn. 3 f.
Sofern die entsprechenden Vorgaben festgelegt werden, muss der Auftraggeber die entsprechende Berechnungsmethode nach § 59 II S. 1 VgV angeben (Auftragsbekanntmachung nach § 38 VgV oder Vergabeunterlagen nach § 29 VgV – mithin § 28 II Nr. 14 UVgO und § 21 I Nr. 2 UVgO).
Es steht im Ermessen des Auftraggebers, wie er die Berechnungsmethode festlegt – jedenfalls ist es zulässig, die § 59 II S. 2 VgV genannten Kosten zu berücksichtigen. Insoweit ist der „Katalog“ des § 59 II S. 2 VgV nicht abschließend, sondern zählt lediglich einige Möglichkeiten wie folgt auf:
„Die Berechnungsmethode „kann“ umfassen |
1. die Anschaffungskosten, |
2. die Nutzungskosten, insbesondere den Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen, |
3. die Wartungskosten, |
4. Kosten am Ende der Nutzungsdauer, insbesondere die Abholungs-, Entsorgungs- oder Recyclingkosten, oder |
5. Kosten, die durch die externen Effekte der Umweltbelastung entstehen, die mit der Leistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen, sofern ihr Geldwert nach Absatz 3 bestimmt und geprüft werden kann; solche Kosten können Kosten der Emission von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen sowie sonstige Kosten für die Eindämmung des Klimawandels umfassen.“ |
Allerdings muss die Berechnungsmethode nach § 59 III VgV die entsprechenden „Bedingungen“ erfüllen, ohne die die Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung nicht gewahrt wären.
So die Begründung zu § 59 II VgV; vgl. Bartl, VgV, § 59, S. 418.
Entsprechend verlangt § 59 III, IV VgV:
„(3) Die Methode zur Berechnung der Kosten, die durch die externen Effekte der Umweltbelastung entstehen, muss folgende Bedingungen erfüllen:
1. Sie beruht auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien; ist die Methode nicht für die wiederholte oder dauerhafte Anwendung entwickelt worden, darf sie bestimmte Unternehmen weder bevorzugen noch benachteiligen,
2. sie ist für alle interessierten Beteiligten zugänglich, und
3. die zur Berechnung erforderlichen Informationen lassen sich von Unternehmen, die ihrer Sorgfaltspflicht im üblichen Maße nachkommen, einschließlich Unternehmen aus Drittstaaten, die dem Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen von 1994 (ABl. C 256 vom 3.9.1996, S. 1), geändert durch das Protokoll zur Änderung des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (ABl. L 68 vom 7.3.2014, S. 2) oder anderen, für die Europäische Union bindenden internationalen Übereinkommen beigetreten sind, mit angemessenem Aufwand bereitstellen.
(4) Sofern eine Methode zur Berechnung der Lebenszykluskosten durch einen Rechtsakt der Europäischen Union verbindlich vorgeschrieben worden ist, hat der öffentliche Auftraggeber diese Methode vorzugeben.“
Ob dieser Weg im unterschwelligen Bereich häufig beschritten wird, ist fraglich, aber auf jeden Fall zu überprüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Kulartz u. a., VgV, § 59 Rn. 8 f verwiesen; dort auch Rn. 26 zu Arbeitshilfen wie z. B. DIN EN 60300-3-3:2004 – Anwendungsleitfaden Lebenszykluskosten des Deutschen Instituts für Normung sowie weitere Richtlinien des VDI, VDMA, Excel-Tool de Umweltbundesamtes (LCC-Tool) etc.
4. Mögliche weitere Kriterien neben dem Preis bzw. den Kosten
Soweit es um die Entscheidung über die zusätzlichen Kriterien geht, hilft die nachfolgende nicht abschließende „Liste:
Preis (oder Kosten - vgl. auch § 59 I VgV) und weitere Kriterien insbesondere
I. „Gruppe“
- „qualitative“
- „ästhetische“
- „zweckmäßige“
- „behinderungsgerechte“
- „soziale“
- „umweltbezogene“
- „innovative“
- „vertriebliche“ etc.
II. „Gruppe“
„Organisation“ und „Personal“ – auch Präsentation des Teams
III. „Gruppe
„Kundendienst und technische Hilfe, Lieferbedingungen, Liefertermin, Lieferverfahren, Liefer- oder Ausführungsfristen“.
Diese Kriterien entsprechen grundsätzlich den in den §§ 97 III, 127 I GWB angeführten Kriterien – allerdings sind sie in § 58 II VgV und in § 43 II UVgO in detaillierterer Weise formuliert.
Aus dieser „Liste“ sind die erforderlichen Kriterien in einem ersten Schritt auszuwählen und sodann nach den in der nachfolgenden Anm. enthaltenen Grundsätzen zu überprüfen. Dadurch wird das Ermessen des Auftraggebers erheblich eingeschränkt.
Ferner müssen die gewählten weiteren Kriterien „objektiv“ sein. Das folgt auch aus § 43 V UVgO: Bestimmtheit verlangt ausreichende Konkretisierung. Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs verbietet unbegründete wettbewerbsbeschränkende Vorgaben (Alleinstellungs- oder Sondermerkmale, auf bestimmte Unternehmen bezogene Anforderungen für Technik, Geräte, Personal etc.). Willkürverbot und Überprüfungsmöglichkeit sind vorgegeben und zu beachten (Dokumentation, konkrete nachvollziehbare Gründe, eindeutige Vorgehensweise etc.). Allgemeine Floskeln und generalklauselartige Argumente oder Begriffe reichen nicht aus.
Vgl. auch Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 7; auch Müller-Wrede, GWB, § 127 Rn. 148 f, 155 (Wettbewerbswirksamkeit), 167 (Bestimmtheit), 175 (Willkürverbot) und 179 (Überprüfbarkeit).
Ferner ist die Verhältnismäßigkeit (vgl. § 2 I UVgO) zu beachten. Speziell die Vorgabe von sozialen Kriterien kann unverhältnismäßig sein und ohne hinreichende Begründung wettbewerbsbeschränkend sein.
Hierzu Müller-Wrede, GWB, § 127 Rn. 182, m. w. Nachw., insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung des ausführenden Personals.
Diese Punkte sind ohne Rücksicht auf die nachfolgende Prüfung der „Auftragsbezogenheit“ zu prüfen.
4. „In Verbindung“ mit dem Auftragsgegenstand
Abgesehen von den zuvor bereits genannten generellen Schranken ist nach § 43 III UVgO der „konkrete Auftragsbezug“ erforderlich. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Eingriffe in die „allgemeine Unternehmenspolitik“ nicht zulässig sind (unternehmerische Sozial- bzw. Umweltpolitik).
Müller-Wrede, GWB, § 127 Rn. 218, 226, m. w. Nachw.
Es geht bei den weiteren Kriterien auch nicht um A-Kriterien (= K.O-Kriterien), die erfüllt werden müssen, wenn der Bewerber oder Bieter am Wettbewerb teilnehmen will. Insofern sind keine Wertungen, sondern Feststellungen darüber zu treffen, ob diese Teilnahmevoraussetzungen vorliegen oder nicht. Mithin geht es bei diesen Kriterien um die „generelle Eignung“ oder um die Erfüllung oder Nichterfüllung der Anforderungen an die Leistungsbeschreibung und entsprechende Belege (vgl. 43 VII UVgO) sowie einen einschlägigen Ausschluss nach § 42 I Nr. 4 UVgO (s. dort)).
Vgl. z. B. zum Mindestlohn, Tariftreue, ILO-Kernarbeitsnormen, Langzeitarbeitslose, Auszubildendenbetrieb, Frauen- und Familienförderung – hier wird in der Regel die erforderliche Auftragsbezug schwierig oder nicht begründbar sein – hierzu Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 33.
Voraussetzung für die Vorgabe entsprechender „Wertungskriterien“ ist damit insbesondere, dass es sich um „weiche Kriterien“ handeln muss, die z. B. eine Bepunktung überhaupt zulassen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es sich um eine funktionale Leistungsbeschreibung handelt (vgl. § 23 UVgO – s. dort) oder um sonstige Leistungen, bei denen unterschiedliche zulässige Lösungsansätze möglich sind.
Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 115 („Qualitätsstufen“), 121 (technische Werte), 138 (Ästhetik – Prüfung durch fachlich ausgewiesenes mehrköpfige Gremium), 142 (Personalpräsentation z. B. zur Weiterentwicklungsfähigkeit von Lösungsansätzen) etc.
Bei der „Auswahl“ der Kriterien hat der Auftraggeber nach § 43 III UVgO (vgl. auch § 127 III GWB) nachzuweisen, dass die Zuschlagskriterien „mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen“. Dies ist zwingend („müssen“). Verstöße gegen diesen Grundsatz können im oberschwelligen Verfahren Gegenstand von Nachprüfungsverfahren sein, sind aber natürlich auch im unterschwelligen Verfahren unzulässig. Den Auftraggeber trifft die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung.
Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 25.03.2015 - C - 601/13 – Ambisig - Dienstleistungen im Bereich der Fortbildung und Beratung - Art. 53 Abs. 1 RL 2004/18/EG – Wertungskriterium: Zusammensetzung des Auftragnehmerteams, Erfahrung, beruflicher Werdegang der Ausführenden; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015 - VII - Verg 28/14 - intransparente Bewertungsmaßstäbe beim Zuschlagskriterium der Qualität; Herrmann. Alexander, Inhalt, Ausgestaltung und Anwendung von Wertungskriterien, Vergaberecht 2015, 296; Hertwig, Stefan, „Erfahrung auf nationalen Märkten“ kein zulässiges Wertungskriterium, NZBau 2014, 205; Rosenkötter, Annette, Die Qualifikation als Zuschlagskriterium, NZBau 10/2015, 609- 612.
Reduziert wird dieses Risiko durch eine Art „widerlegliche Vermutung“ in § 43 III S. 2 UVgO (vgl. auch § 122 III S. 2 GWB). Diese greift dann ein, wenn sich ein Zuschlagskriterium z. B. „auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung und Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht.“
Im Zusammenhang z. B. mit der „Herstellung“ können Umweltaspekte ebenso relevant sein wie soziale Aspekte (Versorgung der Mitarbeiter des Auftragnehmers).
Die geforderte Verbindung mit dem Auftragsgegenstand ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der insofern „denkbare Zusammenhang“ nicht als willkürlich oder sachfremd „konstruiert“ anzusehen ist. Wäre das der Fall, dann würde dem auch die weitere Schranke aus § 43 V UVgO (vgl. auch § 127 IV GWB) entgegenstehen, die das Recht zur Festlegung der Zuschlagskriterien durch das Bestimmtheitsgebot, Willkürverbot und die erforderliche Möglichkeit der Überprüfbarkeit weiter „einschnürt“.
Allerdings muss sich das zusätzliche Zuschlagskriterium neben dem Preis bzw. den Kosten „nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken“.
Das bedeutet u.a. wohl, dass sich dadurch keine „Leistungsverbesserung“ ergeben muss.
Zu allem Müller-Wrede, GWB, § 127 Rn. 115 f, 120 f.
Der Auftraggeber hat diese teils sich ergänzenden, teils widersprüchlichen Vorgaben zu bewältigen. Schon die Differenzierung in Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie die „zusätzlichen Anforderungen für die Auftragsausführung“ nach §§ 97 IV S. 1, IV S. 2 und V GWB a. F. hatte zu zahlreichen Nachprüfungsverfahren im oberschwelligen Bereich geführt.
Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 19. 6. 2003 – C 315/01 – Eignungs- oder Zuschlagskriterien – Prüfung der Eignung und des Zuschlags - zwei Vorgänge – Prüfung 1. der Eignung, 2. Zuschlagserteilung – Möglichkeit der gleichzeitigen Prüfung – Nachweise und Beweismittel für die finanzielle, wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit – Wahlrecht des Auftraggebers hinsichtlich der Kriterien jedoch nur Kriterien, „die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen...“) – keine Berücksichtigung dieser Referenzen als Zuschlagskriterium – Kriterium: Besichtigungsmöglichkeit „innerhalb eines Umkreises von 300 km“ der Betriebsstätte des Auftraggebers: unzulässiges Zuschlagskriterium; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.04.2012 - 2 Verg 1/12 – Abgrenzung von leistungs- und bieterbezogenen Zuschlagskriterien; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 9.2009 unzulässige Vermischung von Zuschlags- und Eignungskriterien - „Eignungskriterien“ sowie „im Zusammenhang mit dem Auftragsgegentand stehende“ Zuschlagskriterien; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.3.2010 - VII-Verg 58/09 –– Zuschlagskriterium: „konkret für die Auftragserfüllung vorgesehene technische Ausstattung“ = unzulässige und vergaberechtswidrige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien; OLG Celle, Beschl. v. 12.01.2012 - 13 Verg 9/11 – zur stufenmäßigen Prüfung von Eignungs- und Zuschlagskriterien auf der vierten Wertungsstufe berücksichtigt werden; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015 - VII - Verg 28/14 – Virenschutzsoftware – no-spy-Erklärung nicht als Eignungskriterium, sondern als „zusätzliche besondere Anforderung“.
5. Gewichtung
Ein weiteres Problem betrifft die „Gewichtung“ von Preis und weiteren Kriterien.
Hierzu bereits grundlegend EuGH, Urt. v. 4.12.2003 – C-448/01 – Wienstrom – Umweltaspekte als Zuschlagskriterium – Gewichtung (45 %) – Bestimmtheit der Zuschlagskriterien.
Nach § 43 VI UVgO (§ 58 III VgV – auch § 127 V GWB) muss auch die „Gewichtung“ der Zuschlagskriterien festgelegt werden. Hierbei ist zunächst § 43 V (vgl. auch § 127 IV GWB) zu beachten. Damit müssen Bestimmtheit, keine Willkür und Überprüfungsmöglichkeit gegeben sein. Als unzulässig scheiden z. B. Gewichtungen von Preis (90 %) neben weiteren („Alibi“-) Kriterien (10 %) aus. Das ist keine „Gewichtung“, die eine nachvollziehbare Wertung ermöglicht, sondern ein Mittel, um den Preis zu korrigieren. Das 10-%-Kriterium ist nach seinem „Gewicht“ unerheblich und dient lediglich der erwähnten „Preiskorrektur“. In diesem Fall fehlt auch die in § 43 VI UVgO (vgl. auch § 58 III VgV) anzutreffende „Spanne“ bzw. „Bandbreite“.
Die Gewichtung kann z. B. „mittels einer Spanne“ mit angemessener Breite vorgesehen werden. Hierbei muss wie bisher die „Bandbreite“ so gewählt werden, dass sie nachprüfbar und nicht willkürlich erscheint. „Angemessenheit“ verlangt, dass die Auswahl des Gewinners nicht im Belieben des Auftraggebers steht.
Vgl. hierzu etwa Bartl, VgV, § 58 Anm. 4; auch Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 43 f; zum bisherigen Recht z. b. Vavra in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Hrsg., VOL/A, 3. Aufl., 2014, § 19 EG Rn. 267.
Nur dann, wenn die Gewichtung „aus objektiven Gründen“ nicht möglich ist, darf der Auftraggeber die Zuschlagskriterien in absteigender Rangfolge angeben. Mit Recht wird bereits zum früheren Recht bemerkt, dass „für die üblichen Ausschreibungen“ Gewichtungen in „absteigender Rangfolge“ nicht in Betracht kommen, da der Auftraggeber regelmäßig schon vor der Bekanntmachung die relevanten Punkte der Leistung kennt und folglich eine konkrete Festlegung vornehmen kann. Rechtsprechung ist insofern, soweit ersichtlich, nicht anzutreffen.
So Vavra in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Hrsg., VOL/A, 3. Aufl., 2014, § 19 EG Rn. 268.
Welches Gewicht Preis und weitere Kriterien im Übrigen jeweils „mindestens“ haben müssen, ist im Einzelfall zu entscheiden.
„Echte Gewichtungen“ sind sicherlich z. B. bei Aufteilungen von 70 (Preis) und weniger bzw. mehr und 30 (weitere Kriterien) und mehr anzunehmen. Die Gewichtung ist auch nachvollziehbar und vertretbar zu begründen. Auch dies hängt von der jeweiligen Leistung ab – je höher die Kriterien wie Qualität, Ästhetik etc. veranschlagt werden, desto niedriger ist das Preisgewicht. Hierbei muss mit den „zusätzlichen Kriterien“ und ihrer besonderen Bedeutung für den konkreten Auftrag argumentiert werden.
Vgl. Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 55 f – kein starren Quoten. Vgl. auch Müller-Wrede, GWB, § 127 Rn. 58 f.
Bei erforderlicher hoher Mindestverfügbarkeit (Mindestspannen und erwünschte höhere Leistung) etwa im IT-Bereich oder bei Wartungsverträgen, besonderen Beschaffenheiten oder abzuwehrenden Gefahren etc. ist das Preisargument grundsätzlich weniger bedeutend. Ähnliches gilt z. B. für das „Gewicht“ des ausführenden Personals bei speziellen Dienstleistungen, die nur mit besonderen Kenntnissen erbracht werden können. Ein niedriger Preis für eine Dienstleistung (vor allem bei Dienstverträgen nach § 611 BGB – Berater etc.) ist unwirtschaftlich, wenn die Qualifikation für die konkrete Auftragsausführung fehlt.
Anzugeben sind hier konkrete „Punkte“, Prozentsätze oder Zahlen, die die Gewichtung nachvollziehbar machen. Sind diese Ausführungen „vertretbar“, so werden sie auch wie im oberschwelligen Verfahren in einem Nachprüfungsverfahren nicht „gekippt“ werden können.
Wie in allen Fällen, in denen dem Auftraggeber ein „Spielraum“ eingeräumt wird, müssen dessen Grenzen beachtet und überflüssige Belastungen der Bieter - Auftragnehmer - und eigene Risiken vermieden werden.
Neben den „Hauptkriterien“ und deren „Gewichtung“ sind z. B. auch die „Unterkriterien“ des jeweiligen Hauptkriteriums anzugeben. Hierbei kann mit Punktsystemen oder Prozentangaben gearbeitet werden. Mit sog. A-Kriterien oder KO-Kriterien (=Ausschlusskriterien) haben diese weiteren Kriterien nichts zu tun.
Die konkrete auftragsbezogene Bewertung des Angebots ist betroffen, nicht die generelle Eignung oder Auftragsausführung. Die Bereiche sind in der „Blickrichtung“ strikt zu trennen.
- Eignungskriterien „blicken“ auf das Unternehmen,
- Zuschlagskriterien auf das konkrete Angebot und die erwartete Leistung
- und Ausführungsbedingungen auf die Zeit nach dem Zuschlag.
Damit zeigt sich: Ist der Preis alleiniges Kriterium, so spielt wie früher ein „Mehr“ an Eignung keine Rolle. Auch „bekannt und bewährt“ ergibt keine zusätzlichen Punkte, da es um den konkreten Auftrag und seine Ausführung, nicht aber um „Vergangenes“ geht.
Allerdings kann die spezielle Erfahrung des konkret für das Angebot einzusetzenden Personals Gegenstand der Kriteriengruppe „Personal“ (s. u.) sein.
Lediglich dann, wenn neben dem Preis weitere Kriterien (siehe nachfolgend) vorgesehen sind und „Gewicht“ haben, kann es überhaupt zu Wertungen neben dem Preis kommen.
Hauptkriterium I |
Hauptkriterium II |
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Preis |
Weitere Kriterien |
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60 % oder Punkte |
40 % oder Punkte |
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Begründung für überwiegende Gewichtung |
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Preis |
%-Zahlen oder Punkte: |
Fortgesetzt wird diese Bewertung z. B. durch eine Addition von Preis- und Leistungspunkten („wirtschaftlichstes Preis-Leistungs-Verhältnis“). Sicher ist man insoweit selbst bei einfachen Systemen nicht. Nicht nur kompliziertere Systeme können Fehlerquellen aufweisen.
Vgl. hierzu ausführlich Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 63 f, m. w. Nachw.
Eine Hilfe bietet u. a. die UFAB VI, die aber primär für den IT-Bereich und dort vor allem für größere Projekte etc. gedacht ist.
Vgl. www.cio.bund.de .
Bislang war und ist strittig, ob z. B. ein „Schulnotensystem“ (s. o.) Transparenz und Gleichbehandlung entspricht. Die Frage hat das OLG Dresden durch Vorlagebeschluss für das oberschwellige Verfahren dem BGH vorgelegt. Das OLG Dresden sieht in einem „Schulnotensystem“ anders als das OLG Düsseldorf keinen Verstoß. Dem sollte gefolgt werden, zumal sich der EuGH mit „niedrig“ – „mittel“ – „hoch“ begnügt.
OLG Dresden, Vorlagebeschluss v. 02.02.2017 - Verg 7/16 – Postdienstleistungen – „Schulnotensystem“ – Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot: Preis und Qualität der Leistungserbringung jeweils 50% der Gesamtbewertung - Qualität der Leistungserbringung = 50 % mit folgenden Unterkriterien: „Schwankungen im Sendungsaufkommen/Auftragsspitzen“ (15%), „Sicherstellung einer effektiven Leistungserbringung“ (25%) und „Zustellzeiten“ (10%) mit jeweiliger Bewertung nach Schulnoten (0 bis 5) und detailliertem und erläutertem Punktesystem mit maximal 50 Punkten - Abweichung von OLG Düsseldorf , Beschl. v. 16.12.2015 - VII Verg 25/15, Rn. 40; Beschl. v. 15.06.2016 - VII Verg 49/15, Rn. 34 – vgl. zu zulässigen Wertungsvorgaben von „hoch“ über „ausreichend“ bis „niedrig“ EuGH, Urt. v. 14.07.2016 - C-6/15, Rn. 33 ff.
Im unterschwelligen Verfahren sollten vor allem bei Aufträgen insbesondere von Dienstleistungen (technische Erstellung, planerische Gestaltung, Kleinprojekte etc.) entsprechende Wertungsmatrixen eingesetzt werden. Lieferaufträge insbesondere betreffend Standardprodukte werden hier nicht oder nur selten betroffen sein.
Zu erwähnen ist auch die § 43 II S. 2 UVgO angeführte Variante, wonach ein Festpreis oder Festkosten vorgegeben werden können, so dass hier natürlich nur Prozente oder Punkte auf „qualitative, soziale oder umweltbezogene Zuschlagskriterien“, also leistungsbezogene Kriterien, vorgesehen werden. In diesem Fall wird das wirtschaftlichste Angebot nur durch die genannten Kriterien bestimmt.
So Kulartz u. a., VgV, § 58 Rn. 10.
Auch eine Kostenobergrenze kann vorgesehen werden. Sofern das geschieht, wird jedoch nur eine Obergrenze vorgesehen, nicht jedoch ein Preiswettbewerb ausgeschlossen. Denkbar ist nämlich, dass die Bieter unterhalb der Obergrenze anbieten.
Generelle Eignungskriterien des Unternehmens (§§ 31, 33 UVgO) und Ausführungsbedingungen (§ 45 UVgO) gehören nicht hierher und haben mit Zuschlagskriterien für das konkrete Angebot nichts zu tun.
6. Nebenangebote
Anders als im oberschwelligen ist in § 43 UVgO für Nebenangebote keine ausdrückliche Regelung getroffen. Im oberschwelligen Verfahren wird in § 127 IV S. 2 GWB für den Fall der Zulassung von Nebenangeboten vorgesehen, dass die Zuschlagskriterien sowohl auf Hauptangebote wie auf Nebenangebote anwendbar sind. § 58 VgV sieht hier nichts vor. In der UVgO ist keine ausdrückliche Regelung anzutreffen.
Aus dem Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz (§§ 2 I, II UVgO und § 25 S. 3 UVgO) folgt jedoch, dass auch bei Zulassung von Nebenangeboten auch die Frage geklärt sein muss, wie die Nebenangebote gewertet werden. Insbesondere verlangt § 25 S. 3 UVgO, dass bei der Entscheidung über den Zuschlag Transparenz und Gleichbehandlung zu beachten sind. Sind daher neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien vorgesehen, so sind diese auch für Nebenangebote maßgeblich.
Zugelassene Nebenangebote und Hauptangebote sind gleichrangig zu behandeln. Die Wertung kann auch hier allein nach dem Preis erfolgen. Da bei der Zulassung von Nebenangeboten von einem „Spielraum“ für den Bieter, der das Nebenangebot erstellt, auszugehen ist, muss dieser sich zwar innerhalb dieses Rahmens halten, kann aber wie der Hauptanbieter „Punkte“ sammeln. Es ist daher darauf zu achten, dass die Wertungskriterien insofern für beide Angebotsarten geeignet sind. Die „Gleichwertigkeitsanforderungen“ stellen den Auftraggeber vor erhebliche Probleme (Prognose der Auswirkungen auf ein unbekanntes Nebenangebot?).
Hierzu Kulartz u. a., GWB, § 127 Rn. 82 – 84.
Mindestbedingungen für die Nebenangebote sind nicht erforderlich (vgl. § 25 UVgO – s. dort). Somit dürfte nach wie vor von der bisherigen Rechtsprechung des BGH auszugehen sein.
BGH, Urt. v. 30.8.2011 – X ZR 55/10 - NZBau 2012, 47 – Regenentlastung –unterhalb der Schwellenwerte gilt § 8 IV VOL/A: keine Angabe von Mindestanforderungen erforderlich; Unterschied zwischen EU-Verfahren und nationaler Vergabe – auch Verhältnismäßigkeitserwägungen für den Unterschwellenwebereich maßgeblich.
Sind allerdings Mindestbedingungen vorgesehen, so sind sie zu erfüllen (vgl. § 42 II UVgO).
Nicht zugelassene Nebenangebote sind nach § 42 I Nr. 6 UVgO (vgl. auch § 57 I Nr. 6 VgV - s. dort) auszuschließen.
7. Nachweisführung
Für den Beleg der Übereinstimmung des Angebots mit der Leistungsbeschreibung etc. kommt in § 24 UVgO (vgl. §§ 33, 34 VgV) in entsprechender Anwendung in Betracht. Es obliegt dem Bieter, die entsprechenden Belege vorzulegen, wenn der Auftraggeber von seinem Ermessen nach § 24 UVgO (entsprechend) Gebrauch macht. Werden die „Belege“ nicht, unvollständig oder falsch vorgelegt, so ist das Angebot nach 42 I Nr. 2 UVgO auszuschließen. Es ist Pflicht des Auftraggebers, die Übereinstimmung von Leistungsbeschreibung und Angebot festzustellen. Werden z. B. „Belege“ für die Erfüllung der leistungsbezogenen Kriterien (Qualität, technischer Wert etc.) verlangt, so muss der Nachweis vom Bieter in geeigneter Form erbracht werden.
Erläuterungen |
§ 43 Zuschlag und Zuschlagskriterien |
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