Wartefrist nach § 101a I S. 3 GWB
Die Wartefrist ist nach § 101a I S. 3 GWB zu beachten.
Mit der Information gemäß § 101a I GWB erfährt der Bewerber bzw. Bieter
- den Namen des Gewinners
- die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots des unterlegenen Bieters
- und den „frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses“.
Sinn der Information ist es, dem unterlegenen Bieter die Chance zu geben, die Entscheidung durch die Vergabekammer überprüfen zu lassen.
Um das sicher zu stellen, ist in § 101a I S. 3 die sog. „Wartepflicht“ bzw. „Wartefrist“ festgeschrieben.
Die Frist beträgt grundsätzlich 15 Kalendertage und kann bei elektronischer Versendung der Information auf zehn Kalendertage verkürzt werden.
Der Fristlauf beginnt mit der Absendung der Information durch den Auftraggeber.
Auf den Tag des Zugangs kommt es für den Fristenlauf nicht an (vgl. § 101a I S. 5 GWB).
Geht das Informationsschreiben allerdings nicht zu, sondern geht es verloren (vgl. §130 BGB), so fehlt es bereits in der Information. Die Pflichten des § 101a I GWBV sind nicht erfüllt, die Wartefrist läuft nicht. Es treten die Wirkungen des § 101b I Nr. 1 GWB ein: Der Vertrag ist von Anfang an unwirksam.
In der Praxis müssen daher Zugang der Information und Ablauf der Wartefrist nachweisbar sein.
Insofern kommen insbesondere Fax oder E-Mail (§ 126 BGB: Textform) mit Rückbestätigung des Empfängers in Betracht. Geht die Rückbestätigung des Bewerbers oder Bieters nicht unverzüglich nach Absendung bei dem Auftraggeber ein, ist dieser zur Nachforschung gezwungen, wenn er sicher gehen will.
Natürlich kann auch der Postweg mit der längeren Frist von 15 Kalendertagen gewählt werden. Das sollte aber auch praktischen Gründen nicht erfolgen – zudem müsste ein Einschreiben mit Rückschein gewählt werden.
Vielmehr empfiehlt es sich, unverzüglich nach der Feststellung der Entscheidungsabsicht für die erforderlichen Informationen und deren Absendung beweisgesichert zu sorgen sowie den Ablauf der Wartefrist vor Zuschlagserteilung abzuwarten. Informationsinhalt, Absendung und Fristablauf müssen nachvollziehbar dokumentiert sein.
Ausnahme: Verhandlungsverfahren wegen „besonderer Dringlichkeit“
Lediglich bei Verhandlungsverfahren wegen besonderer Dringlichkeit entfällt die Informationspflicht nach § 101a II GWB. Hier wird aber insbesondere das Tatbestandsmerkmal der „besonderen Dringlichkeit“ zu beachten sein, das wie in § 3 IV d) EG VOL/A als Ausnahmefall eng auszulegen ist (Daseinsvorsorge, akute Gefahrensituationen oder unvorhergesehene Katastrophen etc.). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so greift die § 101b I Nr. 1 GWB vorgesehene Unwirksamkeit des Vertrags von Anfang an ein.
Unangemessene Wartefrist nach Information vor dem Zuschlag (Wartefrist und Osternfeiertage)
Die Ausnutzung der Mindestfristen des § 101a I GWB kann im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen missbräuchlich sein. Wird die Information nach § 101a I GWB am 17.4.2014 (Gründonnerstag), um 17.00 Uhr, per Fax an die Bieter versandt, würde zum Ablauf der Frist für die Antragstellung vor der Vergabekammer am Sonntag, dem 27.4.2014, führen. Im Ergebnis würden damit dem Geschäftsführer eines Bieters praktisch nur drei Werktage für eine Überprüfung, Einschaltung eines Anwalts und Entscheidung zur Verfügung stehen.
OLGDüsseldorf, Beschl. v. 5.11.2014, VII - Verg 20/14 – Rahmenvertrag über Spot-Schaltungen –- Vorinformation vor Ostern durch Fax vom 17.4.2014, 17.00 Uhr, Gründonnerstag – Rüge durch Fax und Nachprüfungsantrag am 25.4.2014, - im Ergebnis unzulässige Abkürzung der Wartefrist auf drei Tage: „Die zeitlichen Auswirkungen einer solchen Vorgehensweise liegen offen zutage und sind dem Auftraggeber bekannt, weil er damit erfahrungsgemäß Überlegungen verbindet, zu welchem Zeitpunkt die Wartefrist endet und der Auftrag erteilt werden darf.Die dargestellte Vorgehensweise - hier die Wahl des Zeitpunkts der Bieterinformation in Ansehung der der Feiertage und der Wochenenden um Ostern 2014 - hat objektiv und unmittelbar zu einer drastischen Erschwerung für den Antragsteller geführt, effektiven Rechtsschutz gegen die Vergabeentscheidung zu erlangen. Innerhalb von drei Tagen nach Kenntnisnahme von der Bieterinformation in einem nicht einfach gelagertem Fall wie dem vorliegenden einen Nachprüfungsantrag einreichen zu müssen, ist dem Antragsteller nicht zuzumuten.Um die praktische Wirksamkeit der Rechtsschutzvorschriften des GWB zu gewährleisten, sind bei diesem Befund die Gerichte befugt, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet erscheinen, die objektiv eingetretene Erschwerung eines effektiven Rechtsschutzes auszugleichen und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes wiederherzustellen.Zu den in diesem Zusammenhang zu treffenden Maßnahmen zählt zum Beispiel die Auslegung, dass eine Bieterinformation der vorliegenden Art die Wartefrist des § 101a GWB nicht in Lauf setzen kann.Zu ihnen gehört aber auch der Verzicht darauf, dass der Nachprüfungsantrag von einer vorherigen Rüge durch den Antragsteller abhängig zu machen ist. Der Antragsteller darf sich in der Kürze der Zeit allein auf den Nachprüfungsantrag konzentrieren und der Auftraggeber kann sich in solchen Fällen nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit berufen.“