Höhere Gewalt - Krieg - Ukraine – Preise – Anpassung - § 313 BGB

Höhere Gewalt liegt vor, wenn ein von außen kommendes Ereignis von erheblichem Gewicht, auf das keine der Parteien einen Einfluß hat, gegeben ist - das Merkmal der Unvorhersehbarkeit ist der Höheren Gewalt eigen (vgl. § 313 BGB - auch z. B. insofern § 651 j BGB).

Insbesondere im Zusammenhang mit der Pandemie, dem Lieferkettenproblem sowie dem Krieg in der Ukraine stellten sich die mit dem diesem Thema verbundenen schwierigen Fragen. In neuen Vergabeverfahren müssen diese Fragen durch Individualabreden sowie Preisanpassungsklauseln geregelt werden (. nachfolgende Ausführungen). Soweit abgeschlossene Verträge betroffen sind, gilt der Grundsatz, dass Verträge nur einvernehmlich geändert oder ergänzt werden dürfen (§ 311 I BGB), sofern nicht die Anpassungspflicht nach § 313 BGB oder eine besondere Abrede etc. getroffen ist. Sofern Daurwchuldverhältnisse vergeben werden, gelten diese Grundsätze in besonderer Weise. Insbesondere ist zu fragen, ob nicht eine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers besteht, in die Vergabeunterlagen eine Preisanpassungsklausel vorzusehen. Ohne Preisanpassungsklausel könnte sich das Kalkulationsrisiko der Bewerber unangemessen erhöhen (Anrufung der Vergabekammer? - Wettbewerbsbeschränkung? - zumutbares Kalkulationsrisiko?).

Höhere Gewalt - Krieg - Ukraine – Preise – Anpassung - Erlass des BBauM v. 25.3.2022 -  2022-03-25_BWI7_70437_9#4-Stoffpreissteigerungen sowie Hinweisblatt – was muss vor Beginn, während des Vergabeverfahrens und nach Zuschlag beachtet werden.

In dem Erlass sind alle wichtigen Fragen systematisch angesprochen. Der Erlass sollte in jeder Vergabestelle beachtet werden. Wie zu erwarten, befassen sich im Übrigen auch einige Beiträge mit den Kriegsfolgen. Zu unterscheiden sind mehrere anzutreffende Phasen: Vorbereitung der Vergabe (Vergabeart? Dringlichkeit? Preisänderungs- bzw. Preisanpassungsklausel in den Vergabeunterlagen), „Beginn“ der Vergabe (Bekanntmachung) bis Zuschlag (Änderung der Vergabeunterlagen, Aufhebung, Neuvergabe), Zuschlag (einvernehmliche Preisanpassung <Achtung Haushaltsrecht - § 58 BHOaushaltsrecht - § 58 BHO)Haushaltsrecht - § 58 BHO? Preisanpassung bei Preisänderungsklausel? Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB?, Aufhebung wegen schwerwiegender Gründe? Rücktritt?). Grundsätzlich gilt, dass Verträge  einseitig nicht geändert werden können. Denkbar sind Änderungen aufgrund einbezogener Preisanpassungsklauseln in den Vergabeunterlagen. Fehlen bei langfristigen Verträgen oder Dauerschuldverhältnissen Anpassungsmöglichkeiten in den Vertrags- bzw. Vergabeunterlagen, könnte ein Verstoß des Aufraggebers gegen Treu und Glauben vorliegen. Allerdings liegen Entscheidungen vor, die das Kalkulations- und Preisrisiko den Bietern auferlegen. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage und eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB  werden diskutiert. § 313 BGB ist allerdings als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.

  • Mit dem Fehlen einer Preisänderungsklausel und zumutbarem Kalkulationsrisiko befasst sich das OLG Celle, Beschl. v. 19.03.2019 - 13 Verg 7 – 18 - Rahmenvertrag über Postdienste – die Entscheidung ist kritisch zu sehen.
  • Zur Geschäftsgrundlage auch OLG Celle, Urt. v. 26.11.2019 - 13 U 127 – 18 - Konzessionsvertrag BAB 1 - AGB (-) – ÖPP - privat finanzierter Ausbau und Betrieb BAB A 1 - A-Modell-Projekt - Mehrvergütung – Schadensersatz – Inhaltskontrolle von AGB (hier Preisregelung!) – ungewöhnliches Risiko (verneint) - Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verneint - „Verkehrsmengenrisiko“ - endgültige Risikoverteilung: Ergebnis des Verhandlungsverfahrens - §§ 133, 157, 307,313 I BGB; 9 Nr. 2 VOB/A – amtlicher Leitsatz: „1. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB ist grundsätzlich insoweit kein Raum, als es sich dabei um Erwartungen und Umstände handelt, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollten. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme – sei es ausdrücklich, konkludent oder aufgrund ergänzender Vertragsauslegung – schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, 21.09.2005, XII ZR 66/03). 2. Der Konzessionsnehmer kann daher nicht die Vertragsanpassung bei Rückgang des mautpflichtigen Verkehrs auf dem von ihm ausgebauten und betriebenen Autobahnteilstück verlangen, wenn er im Konzessionsvertrag das „Verkehrsmengenrisiko“ in dem Umfang übernommen hat, wie es sich nach Vertragsschluss verwirklicht hat.“

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Ferner ist u. a. auf die neueren Beiträge zu verweisen:

 Hattig, Oliver/  Oest, Tobias,  Corona = gestörte Geschäftsgrundlage?, Vergabe  Navigator 2022,  10

Himmel, Wulf, Die Preisgleitklausel in der Praxis – Teil 2, Vergabe Navigator 2022,  5 

Kues, Jarl-Hendrik/Gabriela Simlesa, Gabriele,  Schwierige Zeiten für Bauverträge aufgrund von Sanktionen und Krieg, NZBau 22, 319

Leinemann, Ralf, Der Ukraine-Krieg als ein auf (Bau-)Verträge einwirkendes Ereignis höherer Gewalt im Vertrags- und Vergaberecht, UKuR 2/2022,  53

Lührmann, Christian/ Egle, Philip/ Heider, Thomas, Störung der Geschäftsgrundlage, Preisanpassung durch Ukraine-Krieg?, NZBau 2022, 251

Müller, Anne, Vergaben in Kriegszeiten, Vergabe News 2022, 106 – vgl. §§ 313 BGB, 132 GWB

Rhein, Kay-Uwe, Update Nachträge, Vergabe Navigator 2022, 5  -  u. a. zum Erlass des Bundesbauministeriums v. 25.03.2022 - BWI7-70437/9 – Preisänderungen - vgl. auch §§ 313, 315 BGB

Seidenberg, Alexander,  Preisexplosionen und Preisanpassungen nach BGB, NZBau 22, 257

Weiterer Hinweis:

In den Fällen der Höheren Gewalt werden beide Teile in der Regel von der Leistungspflicht frei (vgl. § 323 BGB).
Vgl. im übrigen § 5 Nr. 2 VOL/B.
Der Auftragnehmer wird in diesen Fällen Behinderung und Unterbrechung anzeigen. Dies führt regelmäßig zur Anpassung der Ausführungsfristen - vgl. § 5 Nr. 2 VOL/B.



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