Anforderungen - Bestimmungsrecht des Auftraggebers – Markterkundung
Anforderungen
Anforderungen sind u.a. Gegenstand der Vergabeunterlagen (Eignung, Leistungsbeschreibung etc.). Sie müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. §§ 23 II S. 2, 33 I S. 2 UVgO – auch §§ 31 III S. 2 VgV. Auch§ 122 IV GWB).
Nach §§ 23 I, II UVgO, 31 II VgV sind die Leistungs-oder Funktionsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe
- so genau wie möglich zu fassen
- zur Vermittlung eines klaren Bildes vom Auftragsgegenstand
- zur Erwartung hinreichend vergleichbarer Angebote
- und zur Möglichkeit der Erteilung des Zuschlags.
- 32 betrifft die “technischen Anforderungen“ - umgesetzte europäische Normen“ etc. – Ablehnungsverbot bei Übereinstimmung mit „technischen Anforderungen“ i. d. Sinn – Pflicht des Auftragnehmers zum Beleg der Normerfüllung
- 48 VII VgV – Aufforderung zur Erläuterung der Unterlagen – Beleg für das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen
- 56 II VgV – Nachforderung unvollständiger leistungsbezogener Unterlagen
- 57 I Nr. 2 VgV – Ausschluss der Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten
Unklare, überzogene Anforderungen beschränken den Wettbewerb, verstoßen gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot. Im EU-Verfahren kann das zur Rüge und Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer führen.
Anforderungen
- Übersicht
- 1. Eignung - Qualifikation - berufliche Anforderungen etc.
- 2.Leistungsbeschreibung - bestimmte Leistungen - "produktscharfe Leistungsbeschreibung" - Marken ec.
- 3. Bestimmungsrecht- Ermessen und Grenzen
- 1. Eignung
- BGH, Beschl. v. 06.10.2020 - XIII ZR 21 – 19 - heizungstechnische Sanierungsarbeiten – Eignungskriterien - Leistungsfähigkeit – nicht in den Vergabeunterlagen enthaltene Eignungskriterien – unberechtigter Ausschluss wegen nicht bekannt gemachter Eignungskriterien - Schadensersatz - Amtlicher Leitsatz: a) Die Eignung eines Bieters, insbesondere seine für die ordnungsgemäße Leistungserbringung erforderliche Leistungsfähigkeit, darf nur an Kriterien gemessen werden, die der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen genannt hat oder die sich unter Berücksichtigung von Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen sowie des vorgesehenen Ausführungszeitraums zwingend aus der Sache ergeben. b) Wegen Nichterfüllung von Anforderungen an die Personalausstattung, die in den Vergabeunterlagen nicht ausdrücklich verlangt werden, darf ein Bieter nur dann als nicht hinreichend leistungsfähig ausgeschlossen werden, wenn aufgrund konkreter Umstände objektiv zumindest ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Personal den Auftrag ordnungsgemäß und fristgerecht ausführen kann. c) Schließt der Auftraggeber einen Bieter zu Unrecht wegen Nichterfüllung nicht-bekanntgemachter Eignungskriterien als ungeeignet aus und erteilt den Auftrag einem anderen Bieter, steht es dem Schadensersatzanspruch des ausgeschlossenen Bieters nicht entgegen, dass der Auftraggeber die Erfüllung und den Nachweis dieser Eignungskriterien in den Vergabeunterlagen hätte voraussetzen dürfen.“ „Die Darlegungs- und Beweislast für in den Vergabeunterlagen nicht mitgeteilte Anforderungen an die Personalausstattung, die sich objektiv zwingend aus Art und Umfang der angebotenen Leistungen sowie dem vorgesehenen Ausführungszeitraum ergeben, liegt bei dem Beklagten. Dagegen trifft die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie mit ihrem Angebot zulässige Eignungsanforderungen erfüllt hat. Dazu gehört im Streitfall gegebenenfalls die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, die die Klägerin von anderen Unternehmen hinzuziehen wollte.“ – Aufhebung und Zurückverweisung
- OLG Celle, Beschl. v. 19.03.2019 - 13 Verg 7 – 18 - Eignung –Rahmenvertrag – Postdienste - Aufhebung – Fortsetzungsfeststellungsantrag – Rüge (Zuschlagskriterien: „Preis“ (zu 30 %), „Einheitliches Codiersystem“ (zu 20 %), „Möglichkeit der E+1-Zustellung“ (zu 20 %) und „Quote der garantierten E+1-Zustellung“ (zu 30 %) etc. – Eignungsanforderungen (Zustellgeschwindigkeit etc.) – Diskriminierung durch Kriterien etc. – umfangreiche Einzelfallprüfung hinsichtlich zahlreicher Kriterien.
- OLG Dresden, Beschl. v. 05.02.2021 - Verg 5 – 20 Eignung- – Reinstgasversorgung – (vgl. auch OLG Dresden, Beschl. v. 5.02.2021 – Verg 4-20) - Präqualifikation oder Nachweise durch ausgefülltes Formblatt 124 rechtswidriger Ausschluss des Angebotes wegen fehlender Eignung (vgl. § 16b EU Abs. 1 VOB/A) – „New-Comer-Angebot“ -Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Durchführung der Eignungsprüfung – fehlende Erforderlichkeit klarer, unmissverständlicher sowie unwidersprüchlicher Vergabeunterlagen – geforderte Eignungsnachweise: Präqualifikation oder Eigenerklärungen im Formblatt 124 – keine weitere ausdrückliche Festlegung der Eignungskriterien – hier Abgabe des Formblatts für Umsatz in den letzten drei Geschäftsjahren „0“ – Vergabeunterlagen oder Bekanntmachung ohne Festlegung der Mindestanforderung für die Geschäftstätigkeit – weder aus der Auftragsbekanntmachung sowie auch dem Formblatt 124 Ersichtlichkeit des Erfordernisses einer mindestens dreijährigen Geschäftstätigkeit – Vorliegen der Ausführung vergleichbarer Leistungen nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit – richtige Angabe des Umsatzes „Null“ infolge Abschlusses des Rumpfgeschäftsjahrs 2019: im Zeitpunkt der Angebotsabgabe am 23.06.2020 noch nicht bestätigten Bilanz .
- OLG Dresden, Beschl. v. 15.02.2019, Verg 5 – 18 – Eignungsbekanntmachung – SPNV Leistungen – Anforderungen an Eignungsbekanntmachung – Bekanntmachung mit konkretem Link und bloßem Anklicken mit Zugriff auf Formblatt Eignungsnachweisen ausreichend – Unerheblichkeit eines oder mehrerer Links –zulässig -
- OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10. 2020 - Verg 36 – 19 - Eignung -Planungs- und Baugesellschaft mit privatem Partner (Public-Private-Partnership-Projekt nach § 103 Abs. 1 und 3 GWB) – Verhandlungsverfahren mit TNWB – rechtswidrige Eignungsprüfung – Eignungsvoraussetzungen nach § 122 II S. u. 2. GWB: abschließend und ausreichend Nachweis der „Befähigung für Berufsausübung“ und Handelsregisterauszug – Eignungsanforderung „erstreckt sich nicht auch darauf, ob die unternehmerische Tätigkeit der Beigeladenen mit den Vorschriften der UKVO und der Satzung des Universitätsklinikums N. zu vereinbaren ist.“ – öffentlich-rechtliche Schranken nicht (mehr) für die Eignungsprüfung relevant.
- OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 01.10.2020 - 11 Verg 9 – 20 - Eignung –Sammlung und den Transport verschiedener Abfallfraktionen – Nachweis der Fachkunde und Leistungsfähigkeit durch bestimmte (drei) Referenzen nach den Bewerbungsbedingungen und Möglichkeit anderer Referenzen insbesondere für „Newcomer“ (persönliche Referenzen etc. und deren stichprobenartige Referenzabfrage mit Beurteilungsspielraum und weitgehendem Entzug einer Überprüfung namentlich der Überprüfung von Referenzen und der Beurteilung ihrer Vergleichbarkeit: „Die Überprüfung der Vergleichbarkeit ist darauf beschränkt, ob 1. der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden ist sowie 2. allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und 3. sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben ... Die Bewertung .... , die Beigeladene als für den Auftrag geeignet anzusehen, hält sich innerhalb dieses Beurteilungsspielraums.“ – amtliche Leitsätze: 1. .... 2. Sofern die Vergabestelle die Bewerbung sog. „Newcomer" in den Ausschreibungsbedingungen dadurch ermöglichen will, dass anstelle einschlägiger Referenzen weitergehende Angaben zur Eignung und Fachkunde gemacht und entsprechende geeignete Unterlagen vorgelegt werden können, hilfsweise sich die Fachkunde und Leistungsfähigkeit aus anderen unternehmensbezogenen Angaben ergeben kann, so ist die Vergabestelle berechtigt, sich aufgrund einer großen Vielzahl einzelner Aufträge und ggf. stichprobenhafter Referenzabfragen von der Eignung des Bieters zu überzeugen.“
- OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 22.09.2020 - 11 Verg 7 – 20 – Eignung – Coaching für Sozialhilfeempfänger - Insolvenz – Feststellung fehlender Eignung erst im Nachprüfungsverfahren – Erledigung in sonstiger Weise bei Gegenstandslosigkeit durch den Beteiligten nicht zuzurechnende Ereignisse (hier späterer Wegfall der Eignung der ursprünglich geeigneten Insolvenzschuldnerin - keine Anhaltspunkte für vorwerfbares Fehlverhalten der Insolvenzschuldnerin – im Übrigen Statthaftigkeit und Zulässigkeit - Feststellungsinteresse (Vorbereitung von Schadensersatzforderung und Prozess nicht völlig aussichtslos) – Plausibilitätsprüfung des Preises durch Vergleich mit anderen Angeboten und eigenen Schätzungen des Auftraggebers: 1.4 Mio. €) – Angebot der Konkurrentin (1,0 Mio. €) mehr als 30 % unter der Schätzung des Auftraggebers (1,4 Mio. € – letztlich offen gelassen) – „Daher kann nicht zuverlässig abgeschätzt werden, dass die Insolvenzschuldnerin den Zuschlag hätte erhalten müssen, so dass sich ein Schadensersatzanspruch der Insolvenzschuldnerin auf das negative Interesse beschränken dürfte.“
- OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.05.2020 - 15 Verg 2 – 20 - Eignung - Transport, Sortierung und Verwertung von Wertstoffen – Nachforderung von Unterlagen (Vervollständigung) – fehlende Eindeutigkeit der Anforderungen – Eignung
- OLG Rostock, Beschl. v. 12.08.2020 - 17 Verg 2 – 20 - Eignungskriterien – Rettungsdienst mit Intensivtransporthubschrauber – Konzession – Verbindung der Kriterien mit dem Gegenstand – Verbot der uneingeschränkten Wahlfreiheit durch Kriterien – Aufhebung – Zurückverweisung – Zuschlagsverbot - § 152 III S. 2 GWB [Zuschlagskriterien in Verbindung mit Gegenstand und keine uneingeschränkte Wahlfreiheit] – Bewertungsmatrix und Wertungskriterien: „4. Hubschraubergestellung“ für das Kriterium „Eigener Hubschrauber“ – betreffend den Primärhubschrauber – eine erreichbare Punktzahl von 50 ausgewiesen, während für die „Gestellung des Hubschraubers über Partnerunternehmen“ lediglich 30 Punkte zu erreichen sind. Eine gleichlautende Differenzierung ergibt sich unter Ziffer 5.5.2 für den Ersatzhubschrauber. Unter Ziffer 5.6.2 ist eine Staffelung der erzielbaren Punkte in Abhängigkeit von der „Anzahl der Hubschrauber im Intensivtransport, die an anderen Standorten im Intensivtransport betrieben werden“, vorgesehen. Ab fünf vorhandenen Hubschraubern an anderen Standorten sind zwei Punkte zu erreichen, ab zehn Hubschraubern vier Punkte, ab 15 Hubschraubern sechs Punkte und ab 20 Hubschraubern acht Punkte.“ - Amtlicher Leitsatz: 1. Die Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien erfolgt danach, ob sie im Schwerpunkt die Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung des Bieters oder die Wirtschaftlichkeit des Angebots betreffen. 2. Der Eigenbetrieb von Hubschraubern kann danach ein zulässiges Zuschlagskriterium sein, wenn aufgezeigt wird, dass er das Ausfallrisiko reduziert. 3. Die Gesamtflottenstärke eines Bieters lässt ohne weitere Regelungen einen Bezug zur Ausfallsicherheit nicht erkennen und ist deshalb kein nach § 152 Abs. 3 Nr. 2 GWB zulässiges Zuschlagskriterium.“
- OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 10.12.2020 - 54 Verg 4 – 20 - Eignung –Bauauftrag zur Installation von Gasanlagen - „Leibniz-Respiratorium“ zu 50 % bezuschusst i. S. des § 99 Nr. 4 GWB: Stiftung bürgerlichen Rechts als öffentlicher Auftraggeber – nicht ausgefüllte „Eigenerklärung für nicht präqualifizierte Unternehmen...“ (Formular 124: Umsatz in den letzten drei Geschäftsjahren“ und/oder „Angaben zu vergleichbaren Leistungen – 1. Nachforderung wegen Vorlage des Formblatt 124 – 2. Nachforderung – vollständige Vorlage des Formblatts mit den Angaben für zwei Geschäftsjahre 2017 und 2018 jeweils mit € 0,00 - kein Ausschluss nach § 16a EU Abs. 5 VOB/A infolge der Vorlage, aber Nichterfüllung der Mindestbedingung nach § 16b EU I VOB/A (auftragsspezifische Geschäftstätigkeit „in den letzten drei Jahren) als zulässige „nachgeschobene Begründung“ (vgl. allg. BGH, Beschl. v. 7. 1. 2014 - X ZB 15/13, Rn. 30 ff ....) – geforderter Mindeststandard: 3 Jahre Geschäftstätigkeit (im Zeitpunkt der Angebotsabgabe zulässiges Eignungskriterium) - Auslegung der Auftragsbekanntmachung (Formblatt 124): Beachtung des Inhalts durch konkretisierende Auslegung der Eignungsanforderungen - Eignungskriterium auch mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in angemessenem Verhältnis nach § 6 EU II 2 S. 3 VOB/A (Entscheidungsspielraum des Auftraggebers – Grenzen: zutreffend und vollständig ermittelter Sachverhalt, Beachtung der allgemeinen Wertungsgrundsätze, kein Einfluss sachwidriger Erwägungen – st. Rechtspr.) - Verhältnismäßigkeit des Kriteriums – Wahrung des Wettbewerbs- sowie Gleichbehandlungsgrundsatzes – bedeutend: komplexes Großbauvorhaben Gewerk rechtfertigen es, „weniger als drei Jahre auf dem auftragsspezifischen Markt tätige Unternehmen von dem Wettbewerb auszuschließen.“ – vgl. auch OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 13.10.2020, 54 Verg 3 – 20 - Gasanlagen zur Druckluft- und Laborgasversorgung – aufschiebende Wirkung der Beschwerde.
Literatur
- Delcuvé, Frederic, Interessenneutralität als Eignungsparameter, VergabeR 2019, 717
- Figgen, Markus/Lenz, Martin, Altes Thema, neue Fallstricke, Die Eignungsprüfung bleibt spannend, NZBau 2019, 699
- Wagner, Christian-David, Die Bekanntmachung von Eignungskriterien in Zeiten der E-Vergabe, VergabeFokus 2020, 11
- Zimmermann, Eric, Die Eignungsprüfung bei der Ausschreibung von Architektenleistungen, ZfBR 2020, 542
- Ziegler, Andreas, Anforderungen an die Bekanntmachung von Eignungskriterien und Divergenzvorlagen , NZBau 2019, 702
2. Leistungsbeschreibung
- § 21 UVgO, 31 VgV, 121 GWB
Wesentlichste Punkte
- Leistungsanforderungen oder
- Funktionsanforderungen oder
- Beschreibung der zu lösenden Aufgabe
- „so eindeutig und erschöpfend wie möglich“
- Aspekte der Qualität sowie soziale, innovative und umweltbezogene Aspekte
- nur ausnahmsweise Bezeichnungen für bestimmt Erzeugnisse etc.
Rechtsprechung
- BGH, Urt. v. 11.07.2019 - VII ZR 266 – 17 – Baukostenobergrenze - Vertragsmuster des Bundes für Verträge mit Architekten mit Baukostenobergrenze <Beschaffenheitsvereinbarung> betreffend "Objektplanung - Gebäude und Innenräume", "Fachplanung Technische Ausrüstung", "Tragwerksplanung" und "Freianlagen" - jeweils mit identischer Baukosten-Obergrenze-Klause wie folgt. "Die Baukosten für die Baumaßnahme dürfen den Betrag von € brutto/€ netto nicht überschreiten. Die genannten Kosten umfassen die Kostengruppen 200 bis 600 nach DIN 276-1: 2008-12, soweit diese Kostengruppen in der ES-Bau/KVM-Bau/HU-Bau/AA-Bau erfasst sind." - §§ 305 I S. 1, 307 III S. 1, 651p I BGB, 1, 3 UKlaG – Klagebefugnis eines Architektenverbands - bei Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen keine AGB-Inhaltskontrolle - Baukosten-Klausel und AGB-Recht im Übrigen –keine Transparenz oder Unklarheit – Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen (keine Inhaltskontrolle) - Amtlicher Leitsatz: „1. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten, d.h. den Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Zu den Leistungsbestimmungen, von denen die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Leistungspflichten des Architekten abhängig ist und die damit den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten bilden, gehören sämtliche Vereinbarungen der Vertragsparteien zur Beschaffenheit der von dem Architekten zu erreichenden Planungs- und Überwachungsziele. – 2. Zur Frage, ob die in Vertragsmustern des Bundes für Verträge mit Architekten vorgesehenen Regelungen "Die Baukosten für die Baumaßnahme dürfen den Betrag von € brutto/€ netto nicht überschreiten. Die genannten Kosten umfassen die Kostengruppen 200 bis 600 nach DIN 276-1: 2008-12, soweit diese Kostengruppen in der ES-Bau/KVM-Bau/HU-Bau/AA-Bau erfasst sind." als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind (verneint).
- EuGH, Urt. v. 28.11.2018 - C‑328/17 - Vergabe des Nahverkehrsdienstes ohne förmliche Ausschreibung – Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnis ohne Teilnahme am Wettbewerb bei Verhinderung des Angebots durch Vergabeunterlagen (Rn. 43 ff) ... Nachprüfungsverfahren „zumindest“ für jeden, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen umgesetzte nationale Regelungen ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht; grundsätzlich aber Teilnahme am Wettbewerb Voraussetzung, jedoch dann keine Angebotsabgabe z. B. bei „angeblich diskriminierenden Spezifikationen“ in Vergabeunterlagen und dadurch keine Aussicht Zuschlags – kein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch Nachweisverlangen, dass die Klauseln der Ausschreibung bereits die Abgabe eines Angebots unmöglich machen – ferner Einschränkung durch Beschleunigungs- und Effizienzziele: Antrag auf Nachprüfung nicht nach Entscheidung des Auftraggebers über die Vergabe des Auftrags.
- OLG Celle, Beschl. v. 19.03.2019 - 13 Verg 7 – 18 - Rahmenvertrag – Postdienste - Aufhebung – Fortsetzungsfeststellungsantrag – Rüge (Zuschlagskriterien: „Preis“ (zu 30 %), „Einheitliches Codiersystem“ (zu 20 %), „Möglichkeit der E+1-Zustellung“ (zu 20 %) und „Quote der garantierten E+1-Zustellung“ (zu 30 %) etc. – Eignungsanforderungen (Zustellgeschwindigkeit etc.) – Leistungsbeschreibung (Rahmenvereinbarung) : Einschränkung durch das Gebot des Mach- und Zumutbaren sowie Verhältnismäßigkeit – Pflicht zur sorgfältigen Ermittlung des ..voraussichtlichen Bedarfs“ nach Möglich- und Zumutbarkeit – Ausreichen der sorgfältigen Prognose der wesentlichen Bedingungen – Diskriminierung durch Kriterien etc. – umfangreiche Einzelfallprüfung hinsichtlich zahlreicher Kriterien.
- OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 6.11.2019 - 11 Verg 4-19 - Schutz- und Leiteinrichtungen an Bundesautobahn - Streitpunkt Auslegung des Leistungsverzeichnisses: „Schutzeinrichtung, mit korrosionsgeschützter Bewehrung´“
- OLG München, Beschl. v. 26.03.2020 - Verg 22 – 19 – Medienausstattung für Gymnasium - Produktneutralität - Vertraulichkeit des Angebots
- OLG München, Beschl. v.08.03.2019 - Verg 4 – 19 - 3-Achs-LKWs für den Winterdienst – vgl. auch OLG München, Beschl. v. 17.05.2019 - Verg 4 / 19 - einziges Zuschlagskriterium Preis mit Berücksichtigung der Entfernung für Werkstattbesuche maximal 100 km – Angaben in Formblättern– 1. Ausschlussmitteilung und Nachforderung diverser Unterlagen – fristgemäße Rüge (E-Mail) – Ausschluss wegen abweichender Angabe 8541 mm statt Höchstmaß von 8000 mm – kein „korrigierbarer offensichtlicher Eintragungsfehler“ – Entfernung von 100 km: Erkennbarkeit für durchschnittlich fachkundiges Unternehmen - Präklusion - kein Aufgreifen von Amts wegen – im Übrigen auch sachliche Rechtfertigung der Höchstentfernung von 100 km
- OLG Rostock, Beschl. v. 25.11.2020 - 17 Verg 1 – 20- Software (DMS mit OCR für Verwaltung von SGB II-Leistungen) – zulässige Direktvergabe ohne Teilnahmewettbewerb - § 14 IV Nr. 2 b), 14 VI VgV - §§ 97 VI, 160 II, 172 GWB - Zulässigkeit (Antragsbefugnis, Interesse, „Schadensdarlegung schlüssig und nachvollziehbar“ etc. – wie bisherige Rechtsprechung) –– amtliche Leitsätze: „1. Für die Zulässigkeit einer Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 b), Abs. 6 VgV kommt es grundsätzlich nicht auf die subjektive Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers, sondern auf die objektive Unmöglichkeit der Deckung des Beschaffungsbedarfs durch andere Unternehmen an. 2. Auf die eigene Leistungsfähigkeit kann sich ein Wettbewerber im Nachprüfungsverfahren allerdings nicht berufen, wenn im Rahmen der Markterkundung dessen mit dem Vertrieb beauftragte Mitarbeiter unmissverständlich erklärten, das Produkt verfüge nicht über bestimmte technische Spezifikationen, die später - vergaberechtlich zulässig - zu Mindestanforderungen erhoben wurden, und deren Umsetzung werde auch nicht erfolgen. 3. Den Auftraggeber trifft die Beweislast für behauptete Erklärungen [der Mitarbeiter der Antragstellerin] zur Leistungsunfähigkeit.“ – mit der Leistung nicht übereinstimmende Angaben der Antragstellerin in Gesprächen, Präsentationen etc. – Zeugenvernehmungen durch OLG - „Ausübung des Leistungsbestimmungsrecht innerhalb der vorgegebenen Grenzen – Bedeutung der „vorgelagerten Markterkundung“: „Es ist grundsätzlich keine .... Markterkundung notwendig, ob eine andere Lösung möglich ist. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, die Beschaffungsentscheidung unter sachverständiger Hilfe zu „verobjektivieren“, um eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung zu erreichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Bestimmungsrecht grenzenlos ist. Die Anforderung muss vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung nachvollziehbar sein. Ob Anforderungen erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (Senat, Beschl. v. 12. 8. 2020 – 17 Verg 3/20 –, Rn. 49 ... ). Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands ... allerdings dazu, dass i. S. d. § 14 IV Nr. 2 b) VgV die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ... nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit ... unterliegt damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens. Eine Leistungsbestimmung, die ... zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine ... , die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs ... (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt ..... Ob eine mögliche Alternative oder Ersatzlösung vernünftig ist, unterliegt dabei der Einschätzung durch den Auftraggeber ...“ – Im Streitfall: Mindestanforderungen eines leistungsfähigen, integrierten DMS mit OCR (Schrifterkennung) mit weiteren Punkten .... „stehen mit dem Vergaberecht in Einklang.“
Literatur
- Noch, Rainer, Offene Deckung, Vergabe Navigator 2020,21
- Fischer, Jennifer/ Blank, Felix/ Bogaschewsky, Ronald, Die Beschaffung biobasierter Produkte, Vergabe Navigator 2019, 16
- Noch, Rainer, Spezifische Technik, Vergabe Navigator 2019, 31
- Tarampouskas, Demis, Open-Source-Anbindung kann technisches Alleinstellungsmerkmal begründen!, VergabeFokus 3/2020, 7
- Pfannkuch, Benjamin, Zu den Anforderungen an den Vergabemerk bei einer produktscharfen Ausschreibung und der Möglichkeit der Heilung von Dokumentationsmängeln, ZfBR 1-2021, 39 (zu OLG Celle vom 31.03.2020 - 13 Verg 13/19 - digitale Meldeempfänger, DME, Feuerwehr)
- Schippel, Robert, Leistungsbeschreibung 2.0 am Beispiel der agilen Entwicklung von, Micro-Services ITRB 1/2021,19
3. 1. Bestimmungsrecht
- Ermessen - Greb, Klaus, Der Ermessens- und Beurteilungsspielraum öffentlicher Auftraggeber unter Druck, NZBau 2020, 147
- Leistungsbestimmungsrecht und Grenzen - OLG Frankfurt a.M., Beschl. v . 21.07.2020 - 11 Verg 9 – 19 – Entsorgung – Straßenaufbruch – Bestimmungsrecht – Grenzen nach KrWG – inzidente Prüfung des Verstoßes gegen KrWG im Nachprüfungsverfahren – Rügen Und Zweck – teils Präklusion – Fortsetzungsfeststellungsanträge – keine Verstöße gegen Bestimmungsrecht (Grenzen auch durch KrWG) – Ermessens- und Beurteilungsspielraum hinsichtlich Leistungsbeschreibung nicht überschritten – Bedeutung eines Fraunhofer Gutachtens und angebliche Interessenkollision (§ 7 VgV) – amtliche Leitsätze: Die Grenze des Leistungsbestimmungsrechts für eine quotale Vorgabe der Entsorgungswege von PAK-haltigem Straßenaufbruch – hier 80 % thermische Verwertung, 20 % Deponiebau – bilden u.a. die zwingenden Vorgaben der KrWG. Die nach §§ 6-8 KrWG erforderliche komplexe Prüfung und Abwägung der unterschiedlichen Folgen und Ziele muss alle zentralen Aspekte, die für bzw. gegen die beabsichtigte Festlegung sprechen, gegenüberstellen und bewerten und die Konzeption des KrWG beachten. Eine Ökobilanz im Sinne der DIN EN ISO 14044 ist nicht erforderlich (im Anschluss an OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 - Verg 10/17).
- Bestimmungsrecht – Gesamtvergabe – Lose - Gesamtvergabe - OLG München, Beschl. v. 25.03.2019 - Verg 10 – 18 – Sicherheit der JVA – Grenzen der Gesamtvergabe – Bestimmungsrecht (Gesamtvergabe – Lose) - amtliche Leitsätze: 1. a) Das Absehen vom Regelfall der Losvergabe erfordert eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange, wobei der Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen einen Beurteilungsspielraum hat, der im Nachprüfungsverfahren (nur) der rechtlichen Kontrolle unterliegt (im Anschluss an OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Mai 2018, 11 Verg 4/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012, VII-Verg 100/11). b) Die Beschaffungsautonomie ist kein Freibrief für eine Gesamtvergabe, allerdings können sich aus dem korrekt ausgewählten Auftragsgegenstand Belange ergeben, die der Auftraggeber bei der Abwägung für oder gegen eine Losvergabe berücksichtigen kann. c) Konkrete projektbezogene Besonderheiten wie z.B. ein hohes Risikopotential des Objekts können eine Gesamtvergabe rechtfertigen (hier: Sicherheitstechnik für eine JVA).
- Bestimmungsrecht – OLG Rostock, Beschl. v. 25.11.2020 - 17 Verg 1 – 20- Software (DMS mit OCR für Verwaltung von SGB II-Leistungen) – zulässige Direktvergabe ohne Teilnahmewettbewerb - § 14 IV Nr. 2 b), 14 VI VgV - §§ 97 VI, 160 II, 172 GWB - Zulässigkeit (Antragsbefugnis, Interesse, „Schadensdarlegung schlüssig und nachvollziehbar“ etc. – wie bisherige Rechtsprechung) –– amtliche Leitsätze: „1. Für die Zulässigkeit einer Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 b), Abs. 6 VgV kommt es grundsätzlich nicht auf die subjektive Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers, sondern auf die objektive Unmöglichkeit der Deckung des Beschaffungsbedarfs durch andere Unternehmen an. 2. Auf die eigene Leistungsfähigkeit kann sich ein Wettbewerber im Nachprüfungsverfahren allerdings nicht berufen, wenn im Rahmen der Markterkundung dessen mit dem Vertrieb beauftragte Mitarbeiter unmissverständlich erklärten, das Produkt verfüge nicht über bestimmte technische Spezifikationen, die später - vergaberechtlich zulässig - zu Mindestanforderungen erhoben wurden, und deren Umsetzung werde auch nicht erfolgen. 3. Den Auftraggeber trifft die Beweislast für behauptete Erklärungen [der Mitarbeiter der Antragstellerin] zur Leistungsunfähigkeit.“ – mit der Leistung nicht übereinstimmende Angaben der Antragstellerin in Gesprächen, Präsentationen etc. – Zeugenvernehmungen durch OLG - „Ausübung des Leistungsbestimmungsrecht innerhalb der vorgegebenen Grenzen – Bedeutung der „vorgelagerten Markterkundung“: „Es ist grundsätzlich keine .... Markterkundung notwendig, ob eine andere Lösung möglich ist. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, die Beschaffungsentscheidung unter sachverständiger Hilfe zu „verobjektivieren“, um eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung zu erreichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Bestimmungsrecht grenzenlos ist. Die Anforderung muss vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung nachvollziehbar sein. Ob Anforderungen erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (Senat, Beschl. v. 12. 8. 2020 – 17 Verg 3/20 –, Rn. 49 ... ). Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands ... allerdings dazu, dass i. S. d. § 14 IV Nr. 2 b) VgV die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ... nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit ... unterliegt damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens. Eine Leistungsbestimmung, die ... zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine ... , die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs ... (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt ..... Ob eine mögliche Alternative oder Ersatzlösung vernünftig ist, unterliegt dabei der Einschätzung durch den Auftraggeber ...“ – Im Streitfall: Mindestanforderungen eines leistungsfähigen, integrierten DMS mit OCR (Schrifterkennung) mit weiteren Punkten .... „stehen mit dem Vergaberecht in Einklang.“
3.2. Markerkundung
- BayObLG, Beschl. v. 09.11.2021 - Verg 5 – 21 – Dienstleistungskonzession (Rettungswagen) – rechtliches Gehör - nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
- OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2021, 19 Verg 2 – 21 - Lieferung mobiler Endgeräte und Zubehör für Schulen – produktspezifische Ausschreibung ohne vorherige Markterkundung
- OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 30.03.2021- 11 Verg 18 – 20 – IT – „ Besonders hohe Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit bzw. die berufliche Erfahrung Beurteilungsspielraum –
- VK Bund, Beschl.v.15.07.2021 - VK 2 – 73 – 21 – Grenzen der Losvergabe - Fachlosvergabe - Abwägungsentscheidung - Markterkundung
- Jentzsch, Laura/ Kirch, Thomas, Markterkundung – Raum für Erkenntnisse, Vergabe News 3/2021, 38
- Grundsätzlich soll eine vorgelagerte“ Markterkundung“ hinsichtlich einer anderen Lösung nicht nötig sein. Anforderungen müssen aber objektiv auftrags- und sachbezogen sowie nachvollziehbar begründet werden. Bedeutungslos sind Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit. Kann die Leistung nur von einem Unternehmen erbracht werden, so ist das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV (keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung, keine künstliche Einschränkung der Auftragsvergabeparameter, kein völliger Wettbewerbsverzicht. Ob eine mögliche Alternative oder Ersatzlösung vernünftig ist, unterliegt dabei der Einschätzung durch den Auftraggeber (Mindestanforderungen eines leistungsfähigen, integrierten DMS mit OCR (Schrifterkennung - OLG Rostock, Beschl. v. 25.11.2020 - 17 Verg 1/20- Software): „Es ist grundsätzlich keine .... Markterkundung notwendig, ob eine andere Lösung möglich ist. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, die Beschaffungsentscheidung unter sachverständiger Hilfe zu „verobjektivieren“, um eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung zu erreichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Bestimmungsrecht grenzenlos ist. Die Anforderung muss vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung nachvollziehbar sein. Ob Anforderungen erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (Senat, Beschl. v. 12. 8. 2020 – 17 Verg 3/20 –, Rn. 49 ... ). Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands ... allerdings dazu, dass i. S. d. § 14 IV Nr. 2 b) VgV die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ... nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit ... unterliegt damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens. Eine Leistungsbestimmung, die ... zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine ... , die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs ... (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt ..... Ob eine mögliche Alternative oder Ersatzlösung vernünftig ist, unterliegt dabei der Einschätzung durch den Auftraggeber ...“ – Im Streitfall: Mindestanforderungen eines leistungsfähigen, integrierten DMS mit OCR (Schrifterkennung) mit weiteren Punkten .... „stehen mit dem Vergaberecht in Einklang.“
- Literaturauswahl:
- Greb, Klaus, Der Ermessens- und Beurteilungsspielraum öffentlicher Auftraggeber unter Druck, NZBau 2020, 147; Gerlach, Jens, Entscheidungsspielräume öffentlicher Auftraggeber im GWB Vergaberecht, VergabeR 2020, 451-465.
- OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 30.03.2021- 11 Verg 18 – 20 – IT – „ Besonders hohe Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit bzw. die berufliche Erfahrung Beurteilungsspielraum –
- BayObLG, Beschl. v. 09.11.2021 - Verg 5 – 21 – Dienstleistungskonzession (Rettungswagen) – rechtliches Gehör - nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum
- OLG Brandenburg, Beschl. v. 08.07.2021, 19 Verg 2 – 21 - Lieferung mobiler Endgeräte und Zubehör für Schulen – produktspezifische Ausschreibung ohne vorherige Markterkundung
- VK Bund, Beschl.v.15.07.2021 - VK 2 – 73 – 21 – Grenzen der Losvergabe - Fachlosvergabe - Abwägungsentscheidung - Markterkundung