Geheimhaltung - Sicherheit
Geheimhaltungsbereich, Sicherheitsbereich
Oberhalb der Schwellenwerte
§ 107 II GWB betrifft Beschaffungen, die von der Pflicht zur Durchführung des Vergabeverfahrens ausgenommen sind.
§ 107 Allgemeine Ausnahmen
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
- für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
- zu Arbeitsverträgen,
- zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
1. bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
- sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
- Leistungen betreffen, die
- a) für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
- b) Verschlüsselung betreffen und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
Art. 346 AEUV
(ex-Artikel 296 EGV)
(1) Die Vorschriften der Verträge stehen folgenden Bestimmungen nicht entgegen:
a) | Ein Mitgliedstaat ist nicht verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seines Erachtens seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen widerspricht; | |
b) | jeder Mitgliedstaat kann die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen; diese Maßnahmen dürfen auf dem Binnenmarkt die Wettbewerbsbedingungen hinsichtlich der nicht eigens für militärische Zwecke bestimmten Waren nicht beeinträchtigen. |
(2) Der Rat kann die von ihm am 15. April 1958 festgelegte Liste der Waren, auf die Absatz 1 Buchstabe b Anwendung findet, einstimmig auf Vorschlag der Kommission ändern.
Unterhalb der Schwellenwerte
Insofern ist auf §§ 8 IV Nr. 15 UVgO zu verweisen, der die Verhandlungsvergabe im unterschwelligen Bereich zulässt.
Hierzu Bartl, Harald, UVgO, § 8 IV Nr. 15 UVgO: 15. „wenn es aus Gründen der Sicherheit oder Geheimhaltung erforderlich ist,“
Kommentierung
Verhandlungsverfahren sind nach dieser Bestimmung in zwei Fällen zulässig:
- Gründe Sicherheit
oder
-Gründe der Geheimhaltung.
Soweit Sicherheitsinteressen betroffen sind, folgt auch für das EU-Verfahren eine Ausnahme vom Vergaberegime (vgl. §§ 107 II, auch § 117 GWB). Der Begriff der Sicherheit ist als Rechtsbegriff in diesem Zusammenhang eng auszulegen. Ein Verhandlungsverfahren kommt nur in Betracht, wenn nicht andere Maßnahmen bereits ausreichen, um für die erforderliche Sicherheit zu sorgen. Das kann z. B. aus den Vorgaben für die Eignung der Bieter etwa in einer Beschränkten Ausschreibung bestehen.
Vgl. hierzu für den EU-Bereich Müller-Wrede, GWB, § 117 Rn. 21, 22, ferner 23-24 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
Geheimhaltungsgründe ergeben sich aus Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Aus den Vorschriften müssen sich die Gründe nach objektiver Einschätzung ergeben (nicht erheblich die subjektive Einschätzung des Auftraggebers).
Regelmäßig werden hier genannt
- Vorschriften der Verschlusssachenanweisung (VSA)
- Sicherheitsüberprüfungsgesetz.
Vgl. Kulartz u. a., VOL/A, § 3 Rn. 69; Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 3 VOL/A, Rn. 21; auch Müller-Wrede, VOL/A, § 3 Rn. 51.
Abgesehen hiervon muss das Verhandlungsverfahren aus diesen Gründen erforderlich sein. Können Sicherheit und Geheimhaltung auch im Rahmen einer anderen Verfahrensart erreicht werden, so kommt das Verhandlungsverfahren nicht in Betracht.
In beiden Fällen – Sicherheit wie Geheimhaltung – ist eine Einzelfallprüfung durchzuführen. Die Voraussetzungen für das Verhandlungsverfahren sind konkret und nachvollziehbar zu dokumentieren (§ 6 I UVgO).