Auslegung - §§ 133, 157 BGB
Übersicht
- Grundsätze
- Rechtsprechung zum Vergaberecht
- Literatur zum Vergaberecht
1.Grundsätze
Die Auslegung von Angeboten und Eignungsunterlagen ist strikt zu trennen von
- unzulässigen Verhandlungen nach § 9 II UVgO,
- Erläuterungen nach § 35 IV UVgO und
- Nachforderungen nach § 41 II UVgO.
Insofern ist auf Verhandlungen und die dortigen Ausführungen zu verweisen.
1.1.Auslegung von Gesetzen etc.
Die Auslegung von Gesetzen einschließlich der Normen etc. in Vollzug einer EU-Richtlinie erfolgt im Wesentlichen unter Beachtung der Wortbedeutung, des Bedeutungszusammenhangs und des Gesetzeszwecks. Für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen gelten die §§ 133, 157 BGB.
Zu allem Palandt, 80. Aufl. 2021, BGB, Einl (Grüneberg), Rn. 40 f; § 133 (Ellenberger), Rn. 7 f; § 157 Rn.17 zu Erklärungen der Beteiligten Vergabeverfahren m. w. Nachw.
1.2. Auslegung von Angeboten und Eingungsunterlagen - s. Verhandlungen
2. Rechtsprechung zum Vergaberecht
- BGH, Urt. v. 08.08.2019 - VII ZR 34 – 18 - Restwerklohn bei Einheitspreisvertrags und Mengenmehrung – Lücke- ergänzende Vertragsauslegung - § 2 III Nr. 2 VOB/B, §§ 133, 157 BGB - Berechnung der Mehrvergütung für den Fall der Nichteinigung der Parteien - Amtlicher Leitsatz: a) Wie die Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen vorzunehmen ist, wenn eine Einigung über den neuen Einheitspreis nicht zustande kommt, ist in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt.... . b) Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss für den ungewissen Fall, dass Mengenmehrungen im Sinne dieser Bestimmung eintreten, als auch nachträglich, sobald aufgrund konkret eingetretener Mehrmengen ein neuer Einheitspreis verlangt wird, sich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. .... c) Haben sich die Parteien nicht insgesamt oder im Hinblick auf einzelne Elemente der Preisbildung geeinigt, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. Dabei entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen im von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmten Umfang keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll. d) Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nach Treu und Glauben ergibt, dass – wenn nichts anderes vereinbart ist – für die Bemessung des neuen Einheitspreises bei Mehrmengen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind.
- Auslegung – Leistungsbeschreibung – OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 05.11.2019 - 11 Verg 4-19 – Schutz- und Leiteinrichtungen – Auslegung der Leistungsbeschreibung: „Maßgeblich für das Verständnis der Vergabeunterlagen ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter. Dabei ist auf einen verständigen und sachkundigen, mit den einschlägigen Beschaffungsleistungen vertrauten Bieter abzustellen (BGH, Urteil vom 3.4.2012, X ZR 130/10, juris Rn. 10). Maßgeblich ist also, wie ein branchenkundiger und mit der ausgeschriebenen Leistung durchschnittlich vertrauter Unternehmer, der über das für die Angebotsabgabe notwendige Fachwissen verfügt und die Leistungsbeschreibung sorgfältig liest, die Leistungsbeschreibung verstehen kann (Lampert in: Burgi/Dreher aaO., Rn 77 zu § 121 GWB m. w. N.). Dem Wortlaut der Ausschreibung kommt eine vergleichsweise große Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 22.4.1993, VII ZR 118/92; Urteil vom 11.3.1999, VII ZR 179/98). Bei der Leistungsbeschreibung muss daher zuerst auf die konkret im Streit stehende Position abgestellt werden. Die speziellen Angaben sind dann in Verbindung mit den anderen Angaben im Leistungsverzeichnis und den anderen Vertragsunterlagen unter Einbeziehung der technischen Normen und des Stands der Technik als sinnvolles Ganzes auszulegen (BGH, Beschluss vom 11.3.1999, VII ZR 179/98). Bei Leistungsmerkmalen von technischen Ausstattungen kommt es im Zweifel darauf an, dass deren ordnungsgemäßer Betrieb gesichert ist (Lampert in: Burgi/Dreher aaO., Rn 78 zu § 121 GWB m. w. N.) Aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen fachkundigen Bieters ergab sich hier, dass unter der oben genannten Leistungsziffer entweder eine Schutzeinrichtung durch Betonfertigteilelemente mit dem von der Beigeladenen gewählten System oder dass eine Schutzeinrichtung in Ortbeton mit der von der Antragstellerin gewählten korrosionsgeschützten Bewehrung mittels einer PE-ummantelten Stahllitze angeboten werden konnte.“
3. Literatur
- Zu Aufklärungspflichten - Gaßner, Maximilian, Verwendungspatente, Aufklärungs- und Informationspflichten im Open-House-Verfahren, GuP 2021, 148Glahs, Heike, Einflüsse des Vergaberechts auf die Auslegung von öffentlichen Bauaufträgen, NZBau 2020, 213
- Greb, Klaus, Auslegung und Aufklärung von Angeboten, EPPPL 1/2020, 61
- Schroeter, Ulrich, Grenzfragen des Anwendungsbereichs und international einheitliche Auslegung des UN-Kaufrechts, CISG, IHR 2020, 133