Information vor Zuschlag nach § 134 GWB
Information - Unterrichtung über Zuschlag nach § 62 I VgV
Unterrichtung über Zuchlag nch 46I S. 1 UVgO
- Verletzung der Informationspficht vor dem Zuschlag im EU-Verfahren: Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 I Nr.1 GWB.
- Durch die Information gemäß § 134 I GWB erfährt der Bewerber bzw. der Bieter
- - den Namen des Gewinners
- - die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots des unterlegenen Bieters
- - und den „frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses“.
- Sinn der Information ist es, dem unterlegenen Bieter die Chance zu geben, die Entscheidung durch die Vergabekammer überprüfen zu lassen.
- Die Informationspflicht entfällt in den Fällen des § 134 III GWB (u. a. Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb wegen besonderer Dringlichkeit).
- Um den Bieter sicher zu stellen, ist in § 134 II GWB die „Wartepflicht“ bzw. „Wartefrist“ vorgesehen.
- Verletzung der Wartefrist nach § 134 II GWB: Unwirksamkeit des Vertragsnach § 135 INr. 1GWB
- Die Wartefrist (§ 134 II S. 1 GWB (15 bzw. 10 Kalendertrage nach Absendung der Information gemäߧ 134 I GWB.
- Die Frist beträgt grundsätzlich 15 Kalendertage und kann bei elektronischer Versendung der Information oder Fax auf zehn Kalendertage verkürzt werden.
- Der Fristlauf beginnt mit der Absendung der Information durch den Auftraggeber.
- Auf den Tag des Zugangs kommt es für den Fristenlauf nicht an (vgl. § 134 II GWB).
- Geht das Informationsschreiben z. B verloren (vgl. §130 BGB), so fehlt es bereits an der Information. Die Pflichten des § 134I GWB sind nicht erfüllt, die Wartefrist läuft nicht. Es treten die Wirkungen des § 135 Nr. 1 GWB ein: Der Vertrag ist von Anfang an unwirksam.
- In der Praxis müssen daher Zugang der Information und Ablauf der Wartefrist nachweisbar sein.
- Insofern kommen insbesondere Fax oder E-Mail (§ 126 BGB: Textform) mit Rückbestätigung des Empfängers in Betracht. Geht die Rückbestätigung des Bewerbers oder Bieters nicht unverzüglich nach Absendung bei dem Auftraggeber ein, ist dieser zur Nachforschung gezwungen, wenn er sicher gehen will.
- Natürlich kann auch der Postweg mit der längeren Frist von 15 Kalendertagen gewählt werden. Das sollte aber auch praktischen Gründen nicht erfolgen – zudem müsste ein Einschreiben mit Rückschein gewählt werden.
- Vielmehr empfiehlt es sich, unverzüglich nach der Feststellung der Entscheidungsabsicht für die erforderlichen Informationen und deren Absendung beweisgesichert zu sorgen sowie den Ablauf der Wartefrist vor Zuschlagserteilung abzuwarten. Informationsinhalt, Absendung und Fristablauf müssen nachvollziehbar dokumentiert sein.
- Ausnahme: Verhandlungsverfahren wegen „besonderer Dringlichkeit“
- Lediglich bei Verhandlungsverfahren wegen besonderer Dringlichkeit entfällt die Informationspflicht nach § 134 III GWB. Hier wird das Tatbestandsmerkmal der „besonderen Dringlichkeit“ zu beachten sein, das wie in § 14 Nr. 3 VgV als Ausnahmefall eng auszulegen ist (Daseinsvorsorge, Pandemie, akute Gefahrensituationen oder unvorhergesehene Katastrophen etc.). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so greift die § 135 INr. 1 GWB vorgesehene Unwirksamkeit des Vertrags von Anfang an ein.
Entscheidungen
- KG Berlin, Beschl. v. 07.01.2020 - 9 U 79 – 19 - Erd- und Abbrucharbeiten – Rechtsschutz unter Schwellenwert (im Streitfall verneint) – grundsätzliche und lesenswerte Entscheidung (einstweilige Verfügung auf Unterlassung bzw. „Weiterführung“ der Vergabe) zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte, zur „zeitlichen Reichweite“ vergabe- und zivilrechtlicher Ansprüche vom Beginn bis zum Ende des Vergabeverfahrens (Aufhebung oder hier Zuschlag) – keine Mitteilungs- und Wartepflicht nach § 134 GWB unterhalb der Schwellenwerte in Berlin (anders im Landesrecht z. B. in Thüringen) und keine entsprechende Anwendung des § 135 GWB bzw. Unwirksamkeit im unterschwelligen Vergabeverfahren (Ausnahme bei hier nicht vorliegender Binnenmarktrelevanz) – im Streitfall keine sonstigen Ansprüche aus §§ 823, 826 BGB bzw. Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB – amtliche Leitsätze: 1. Zum Rechtsschutz bei Vergabeverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts der §§ 97 ff. GWB. 2. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts besteht Primärrechtsschutz grundsätzlich erst mit Beginn des Vergabeverfahrens und erlischt mit seiner Beendigung (vgl. Senat, Urteil vom 28.06.2019 – 9 U 55/18 –, juris Rn. 45). 3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts besteht eine den Vorgaben des § 134 GWB entsprechende Mitteilungs- und Wartepflicht nur bei entsprechender (landes)gesetzlicher Grundlage oder europarechtlich, soweit der ausgeschriebene Auftrag eine Binnenmarktrelevanz aufweist, und ist ein unter Verstoß hiergegen geschlossener Vertrag weder entsprechend § 135 GWB noch grundsätzlich nach § 134 BGB unwirksam (gegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 – I-27 U 25/17 –, juris Rn. 44).
Literatur
- Dageförde, Angela, Die Vorabinformationspflicht im Vergaberechtsschutz, Eine unendliche Geschichte, NZBau 2020,72
- Noch, Rainer, Wiedervorlage Vorabinformation, Vergabe Navigator 2020,23
- Schäffer, Rebecca, Alle Wege führen über die Vergabeplattform – außer bei der Vorabinformation, VergabeFokus 2020,13
- Stoye, Jörg/ Schoepffer, Chadidscha, Versendung der Vorabinformation nach § 134 GWB über Vergabeplattform, NZBau 6/2020, 357
Unangemessene Wartefrist nach Information vor dem Zuschlag (Wartefrist und Osternfeiertage)
- Die Ausnutzung der Mindestfristen des § 134 I GWB kann im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen missbräuchlich sein. Wird die Information nach § 134 I GWB am 17.4.2014 (Gründonnerstag), um 17.00 Uhr, per Fax an die Bieter versandt, würde zum Ablauf der Frist für die Antragstellung an die Vergabekammer am Sonntag, dem 27.4.2014, führen. Im Ergebnis würden damit dem Geschäftsführer eines Bieters praktisch nur drei Werktage für eine Überprüfung, Einschaltung eines Anwalts und Entscheidung zur Verfügung stehen.
- OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.11.2014, VII - Verg 20/14 – Rahmenvertrag über Spot-Schaltungen –- Vorinformation vor Ostern durch Fax vom 17.4.2014, 17.00 Uhr, Gründonnerstag – Rüge durch Fax und Nachprüfungsantrag am 25.4.2014, - im Ergebnis unzulässige Abkürzung der Wartefrist auf drei Tage: „Die zeitlichen Auswirkungen einer solchen Vorgehensweise liegen offen zutage und sind dem Auftraggeber bekannt, weil er damit erfahrungsgemäß Überlegungen verbindet, zu welchem Zeitpunkt die Wartefrist endet und der Auftrag erteilt werden darf. Die dargestellte Vorgehensweise - hier die Wahl des Zeitpunkts der Bieterinformation in Ansehung der der Feiertage und der Wochenenden um Ostern 2014 - hat objektiv und unmittelbar zu einer drastischen Erschwerung für den Antragsteller geführt, effektiven Rechtsschutz gegen die Vergabeentscheidung zu erlangen. Innerhalb von drei Tagen nach Kenntnisnahme von der Bieterinformation in einem nicht einfach gelagertem Fall wie dem vorliegenden einen Nachprüfungsantrag einreichen zu müssen, ist dem Antragsteller nicht zuzumuten. Um die praktische Wirksamkeit der Rechtsschutzvorschriften des GWB zu gewährleisten, sind bei diesem Befund die Gerichte befugt, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet erscheinen, die objektiv eingetretene Erschwerung eines effektiven Rechtsschutzes auszugleichen und die Wirksamkeit des Rechtsschutzes wiederherzustellen. Zu den in diesem Zusammenhang zu treffenden Maßnahmen zählt zum Beispiel die Auslegung, dass eine Bieterinformation der vorliegenden Art die Wartefrist des § 101a GWB nicht in Lauf setzen kann. Zu ihnen gehört aber auch der Verzicht darauf, dass der Nachprüfungsantrag von einer vorherigen Rüge durch den Antragsteller abhängig zu machen ist. Der Antragsteller darf sich in der Kürze der Zeit allein auf den Nachprüfungsantrag konzentrieren und der Auftraggeber kann sich in solchen Fällen nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit berufen.“
- OLG Celle, Beschl. v. 24.09.2014 - 13 Verg 9/14 – NZBau 2014, 784 – Motoren für Küstenboot – unzulässiges "beschleunigtes Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb" – Rubrumsberichtigung (Land Niedersachsen statt Landesbetrieb – Auslegung – Regelung der Vertretungsfragen in Erlass) – Zuschlagserteilung ohne vorherige Information nach § 101a GWB – Antragsbefugnis – Rechtswidrigkeit der Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb - Vorschriften über Vergabeart bieterschützend – nicht präkludierte Rügen - § 3 EG Abs. 4 d) VOL/A: unbedingt erforderlich, dringliche zwingende nicht vorhersehbare und nicht zurechenbare Gründe: „Dieser Tatbestand ist eng auszulegen ..... Als zwingende und dringliche Gründe kommen nur akute Gefahrensituationen und höhere Gewalt in Betracht, die zur Vermeidung von Schäden für Leib und Leben der Allgemeinheit ein sofortiges, die Einhaltung von Fristen ausschließendes Handeln erfordern. Ebenso hohe Anforderungen sind an die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses zu stellen ....“ – Untermotorisierung des 2000 (!) in Dienst gestellten Polizeiboots (nur Geschwindigkeit von 16,8 Knoten, statt der erwarteten 19,6 Knoten) – Vergabe 2014 (!) – fehlende besondere Dringlichkeit – rechtzeitige Rüge, keine Präklusion (ausführliche Auseinandersetzung) – keine Heilung des Verstoßes gegen § 101a GWB durch Information nach Zuschlag – Pflicht zur Erfüllung der Informationspflicht vor Zuschlagserteilung – Unwirksamkeit des Zuschlags nach § 101b I Nr. 1 GWB – kein Verstoß gegen Anspruch auf rechtliches Gehör der beigeladenen Mitbewerberin (Art. 103 Abs. 1 GG) trotz fehlender vollständiger Einsicht in die ungeschwärzten Vergabeakten und Verfahrensakten der Vergabekammer ( Abwägung Geheimhaltungsinteresse der konkurrierenden Bewerber gegenüber dem Rechtsschutzinteresse des Beteiligten - Berücksichtigung des Transparenzgebotes und des Grundrechts auf rechtliches Gehör): „Diese Abwägung führt dazu, dass Akteneinsicht in dem Umfang gewährt wird, in dem dies zur Durchsetzung der subjektiven Rechte der Beteiligten - beschränkt auf den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens - erforderlich ist und ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nicht entgegensteht. Das Verfahren wird dadurch nicht intransparent. Es ist Sache der Nachprüfungsinstanzen zu beurteilen, ob ein schützenswertes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt oder nicht, welches der begehrten Akteneinsicht unter Abwägung der Belange der Beteiligten entgegensteht (EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - C-450/06; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30. Januar 2014 - Verg W 2/14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2008 - VII-Verg 12/08). Grundsätzlich ist das Geheimschutzbegehren eines Bewerbers konkret nachvollziehbar darzulegen und zu begründen (OLG Düsseldorf, a. a. O.), soweit sich das Geheimhaltungsinteresse nicht von selbst erklärt (Kus in: Kulartz/Kus/Porz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 111 Rn. 57; OLG Düsseldorf, a. a. O. Tz. 18 betreffend die Höhe des Kaufpreises und ähnliche Vertragskomponenten).“ – keine Einsicht in das Angebot des Konkurrenten infolge Irrelevanz für das konkrete Verfahren – Kostenentscheidung zu Lasten des Antragsgegners und der Beigeladenen infolge vollen Unterliegens im Beschwerdeverfahren trotz fehlender Antragstellung der Beigeladenen
- Vergabekammer Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.02.2013, 1 VK LSA 21 / 12 - arbeitsmedizinische und arbeitssicherheitstechnische Betreuungsleistungen –Rückversetzung des Vergabeverfahrens - § 97 Abs. 7und Abs. 2 GWB, § 2 Abs. 1 VOL/A, § 4 Abs. 2 Nr. 2 VgV, § 14 Abs. 1, Abs. 2 S. 1u Abs. 3 VOL/A, § 16 Abs. 3 VOL/A - amtliche Leitsätze: - unzureichender Inhalt des Informationsschreibens gemäß § 101a I GWB; - Verstoß gegen elementare Grundlagen der Transparenz und des Wettbewerbs bei der Dokumentation der Angebotsöffnung - Informationspflicht –
- OLG Düsseldorf Beschl. v. 19.6.2013 – VII-Verg 55/12 – BWI Informationstechnik – öffentlicher Auftraggeber: integrierter Leistungsverbund für die Bundeswehr im Bereich der nicht militärischen Informationstechnik (Aufsicht über die Leitung etc.) – Unwirksamkeit des geschlossenen Vertrags nach § 101b I Nr. 1 GWB – keine Verfristung nach § 101b II GWB - Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot durch Überlassen kalkulationsrelevante Informationen über eine geplante Auftragsvergabe
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