Interessenkollision - Mitwirkung bei der Vorbereitung der Vergabe - §§ 4, 5 UVgO, 6, 7 VgV

*Doppelmandate
*Parteilichkeit
*Befangenheit

Übersicht

1.Vermeidungvon Interessenkollision - §§ 4 UVgO, 5 VgV

2.Ausschluss von derMitwirkung an derVorberatungder Vergabe -§§ 5 UVgO, 7 VgV

3. Literatur - Auswahl

1. Vermeidungvon Interessenkollision - §§ 4 UVgO, 5 VgV

Vermeidung von Interessenkonflikten

(1) Organmitglieder oder Mitarbeiter des Auftraggebers oder eines im Namen des Auftraggebers handelnden Beschaffungsdienstleisters, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, dürfen in einem Vergabeverfahren nicht mitwirken.

(2) Ein Interessenkonflikt besteht für Personen, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang eines Vergabeverfahrens nehmen können und die ein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte.

(3) Es wird vermutet, dass ein Interessenkonflikt besteht, wenn die in Absatz 1 genannten Personen

  1. Bewerber oder Bieter sind,
  2. einen Bewerber oder Bieter beraten oder sonst unterstützen oder als gesetzliche Vertreter oder nur in dem Vergabeverfahren vertreten, oder
  3. beschäftigt oder tätig sind
  4. a) bei einem Bewerber oder Bieter gegen Entgelt oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, Aufsichtsrates oder gleichartigen Organs oder
  5. b) für ein in das Vergabeverfahren eingeschaltetes Unternehmen, wenn dieses Unter­nehmen zugleich geschäftliche Beziehungen zum Auftraggeber und zum Bewerber oder Bieter hat.

(4) Die Vermutung des Absatzes 3 gilt auch für Personen, deren Angehörige die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nummer 1 bis 3 erfüllen. Angehörige sind Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten und Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten und Lebenspartner, Geschwister der Eltern sowie Pflegeeltern und Pflegekinder.§ 5 5

2. Ausschluss von der Mitwirkung an derVorbereitung der Vergabe -§§ 5 UVgO, 7 VgV

Text

§ 5 UVgO (vgl. § 7 VgV) Mitwirkung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens

(1) Hat ein Unternehmen oder ein mit ihm in Verbindung stehendes Unternehmen den Auf­traggeber beraten oder war auf andere Art und Weise an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens beteiligt (vorbefasstes Unternehmen), so ergreift der Auftraggeber angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme dieses Unternehmens nicht verzerrt wird.

(2) Die Maßnahmen nach Absatz 1 umfassen insbesondere die Unterrichtung der anderen am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen in Bezug auf die einschlägigen Informationen, die im Zusammenhang mit der Einbeziehung des vorbefassten Unternehmens in der Vorbereitung des Vergabeverfahrens ausgetauscht wurden oder daraus resultieren, und die Festlegung angemessener Fristen für den Eingang der Angebote und Teilnahmeanträge.

(3) Kann der Wettbewerbsvorteil eines vorbefassten Unternehmens nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden, so kann dieses Unternehmen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Zuvor ist ihm die Möglichkeit zu geben nachzuweisen, dass seine Beteiligung an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens den Wettbewerb nicht verzerren kann

Beispiele

Der Fall der Interessenkollision und Befangenheit  kann auftreten, wenn

  • im Vergabeverfahren Beteiligte sowohl als Bewerber bzw. Bieter sowie in irgendeiner Weise für die Vergabestelle tätig sind,
  • Sachverständige als Bieter oder Bewerber tätig werden,
  • Beteiligte am Vergabeverfahren "Doppelmandate" sowie bei der Vergabestelle (z.B. Aufsichtsrat) als auch bei Bewerbern oder Bietern innehaben.


In diesen Fällen besteht zumindest die Besorgnis der Befangenheit.
Die entsprechenden Beteiligten dürfen sich an den Entscheidungen des Vergabeverfahrens nicht beteiligen bzw. darauf Einfluß nehmen oder mitwirken.

In jedem Vergabeverfahren ist die Frage der potentiellen Interessenkollision zu prüfen. Die Nichtbeachtung dieser Frage kann zur Anrufung der Vergabekammer und zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen.

Rechtsprechungshinweis :

EuGH, Urt. v. 12.03.2015, C - 538 /13 – eVigilo – Offenes Verfahren - Kauf eines Warnsystems zur Information der Öffentlichkeit - Interessenkonflikt, Wertungskriterien - Vorlage zur Vorabentscheidung – „Verbindung“ des ausgewählten Bieters zu den Sachverständigen des öffentlichen Auftraggebers – Prüfungspflicht des Auftraggebers – keine Beweislast des Bieters für die Parteilichkeit eines Sachverständigen, nur Darlegungslast objektiver Anhaltspunkte für Befangenheit - angemessene Nachprüfungsfristen – unberechtigte Rüge der Zuschlagskriterien – Bestimmung des „Grads der Übereinstimmung der Angebote mit den technischen Spezifikationen als Bewertungskriterium
Literatur:
Danckwerts, Rolf N.,Widerlegbarkeit der Befangenheitsvermutung: Hat der Bundesrat bei der letzten Änderung des § 16 VgV die Lehren aus dem "Flughafen-Berlin-Schönefeld"-Entscheidung des OLG
Brandenburg schon wieder vergessen ? NZBau 2001, 242.
Der Verfasser behandelt ausgehend von den Entscheidungen des OLG Brandenburg NZbau 2000, 29 = NVwZ 1999, 1142 = WUW 1999, 929 - Flughafen- Berlin- Schönefeld - und BayObLG NZBau 2000, 259 = WUW 200, 769 - Tragwerksplanung - deren Ausgangspunkte, den § 20 I VwVG - hierzu auch Dreher, NZBau 2000, 178 - und kritisiert die Fassung des § 16 VgV wegen der dort vorgesehenen Widerlegbarkeit der Vermutung der Befangenheit.
Hinweise:
Für die Praxis bedeutet dies zumindest, daß die Frage der Widerlegung der Vermutung der Befangenheit äußerst kritisch betrachtet werden muß.

3. Literatur - Auswahl 

Interessenkonflik

Prieß, Hans-Joachim/ Friton, Pascal; Rummel, Leonard von, Der „böse Schein“ im  Vergabeverfahren, NZBau 2019,  690-696

Pustal, Alexander, Die potenzielle Interessenkollision bei Auftragsausführung nach § 46 Abs. 2 VgV und andere Interessenkonflikte, VergabeR 3/2020, 466

 Mitwirkung – Berater

Deelmann, Thomas, Berater in Behörden und Unternehmen – Fluch oder Segen?, VergabeFokus 2020, 14

Vincze, Attila, Anmerkung zu EuGH Urt. v. 7.8.2018 – C-300/17 - Hochtief AG gegen  Budapest Főváros Önkormányzata,  EuGH Urt. v. 7.8.2018 – C-300/17, GPR 2019, 77 (Mitwirkung eines Experten als Planer auf der Seite des Auftraggebers)

 



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