Leistungsbeschreibung, Funktionale Leistungsbeschreibung , zu lösende Aufgabe
Leistungsbeschreibungen sind das "Kernstück" der Vergabeunterlagen. Sie sind u. a. in den §§ 121 GWB, 31 VgV,23 UVgO geregelt.
Zu den Grundsätzen vgl. Leistungsbeschreibung. Zur vollständigen und eindeutigen Beschreibung (so erschöpfend wie möglich) der Leistung, die von allen Bewerbern bzw. Bietern gleich verständlich ist und zu vergleichbaren Angeboten führt ( § 23 I UVgO - schärfer § 31 II VgV <"so genau wie möglich">, so auch § 121 I GWB).
Übersicht
1. § 23 UVgO Leistungsbeschreibung
2. Grundsätzliches - Übericht
3. Rechtsprechung
4. Literatur
1. § 23 UVgO Leistungsbeschreibung
(1) In der Leistungsbeschreibung ist der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich ist, sowie Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung.
(2) Die Leistungsbeschreibung kann auch Aspekte der Qualität sowie soziale, innovative und umweltbezogene Merkmale umfassen. Diese können sich auch auf den Prozess oder die Methode zur Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstandes einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.
(3) In der Leistungsbeschreibung kann ferner festgelegt werden, ob Rechte des geistigen Eigentums übertragen oder dem Auftraggeber daran Nutzungsrechte eingeräumt werden müssen.
(4) Bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, sind bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderungen oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen.
(5) Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren wie beispielsweise Markennamen dürfen ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz „oder gleichwertig", verwendet werden, wenn eine hinreichend genaue Beschreibung durch verkehrsübliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Der Zusatz „oder gleichwertig" kann entfallen, wenn ein sachlicher Grund die Produktvorgabe ansonsten rechtfertigt. Ein solcher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Auftraggeber Erzeugnisse oder Verfahren mit unterschiedlichen Merkmalen zu bereits bei ihnen vorhandenen Erzeugnissen oder Verfahren beschaffen müssten und dies mit unverhältnismäßig hohem finanziellen Aufwand oder unverhältnismäßigen Schwierigkeiten bei Integration, Gebrauch, Betrieb oder Wartung verbunden wäre. Die Gründe sind zu dokumentieren
2. Grundsätzliches - Übersicht
- Leistungsanforderungen oder
- Funktionsanforderungen oder
- Beschreibung der zu lösenden Aufgabe
- „so eindeutig und erschöpfend wie möglich“
- Aspekte der Qualität sowie soziale, innovative und umweltbezogene Aspekte
- nur ausnahmsweise Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse etc.
3. Rechtsprechung
BGH, Urt. v. 11.07.2019 - VII ZR 266 – 17 – Baukostenobergrenze - Vertragsmuster des Bundes für Verträge mit Architekten mit Baukostenobergrenze <Beschaffenheitsvereinbarung> betreffend "Objektplanung - Gebäude und Innenräume", "Fachplanung Technische Ausrüstung", "Tragwerksplanung" und "Freianlagen" - jeweils mit identischer Baukosten-Obergrenze-Klause wie folgt. "Die Baukosten für die Baumaßnahme dürfen den Betrag von € brutto/€ netto nicht überschreiten. Die genannten Kosten umfassen die Kostengruppen 200 bis 600 nach DIN 276-1: 2008-12, soweit diese Kostengruppen in der ES-Bau/KVM-Bau/HU-Bau/AABau erfasst sind." - §§ 305 I S. 1, 307 III S. 1, 651p I BGB, 1, 3 UKlaG – Klagebefugnis eines Architektenverbands - bei Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen keine AGB-Inhaltskontrolle - Baukosten-Klausel und AGB-Recht im Übrigen –keine Transparenz oder Unklarheit – Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen (keine Inhaltskontrolle) - Amtlicher Leitsatz: „1. Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten, d.h. den Bereich von Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Zu den Leistungsbestimmungen, von denen die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit der Leistungspflichten des Architekten abhängig ist und die damit den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistungspflichten bilden, gehören sämtliche Vereinbarungen der Vertragsparteien zur Beschaffenheit der von dem Architekten zu erreichenden Planungs- und Überwachungsziele. – 2. Zur Frage, ob die in Vertragsmustern des Bundes für Verträge mit Architekten vorgesehenen Regelungen "Die Baukosten für die Baumaßnahme dürfen den Betrag von € brutto/€ netto nicht überschreiten. Die genannten Kosten umfassen die Kostengruppen 200 bis 600 nach DIN 2761: 200812, soweit diese Kostengruppen in der ES-Bau/KVM-Bau/HU-Bau/AA-Bau erfasst sind." als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind (verneint).
EuGH, Urt. v. 28.11.2018 - C‑328/17 - Vergabe des Nahverkehrsdienstes ohne förmliche Ausschreibung – Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnis ohne Teilnahme am Wettbewerb bei Verhinderung des Angebots durch Vergabeunterlagen (Rn. 43 ff) ... Nachprüfungsverfahren „zumindest“ für jeden, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen umgesetzte nationale Regelungen ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht; grundsätzlich aber Teilnahme am Wettbewerb Voraussetzung, jedoch dann keine Angebotsabgabe z. B. bei „angeblich diskriminierenden Spezifikationen“ in Vergabeunterlagen und dadurch keine Aussicht Zuschlags – kein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch Nachweisverlangen, dass die Klauseln der Ausschreibung bereits die Abgabe eines Angebots unmöglich machen – ferner Einschränkung durch Beschleunigungs- und Effizienzziele: Antrag auf Nachprüfung nicht nach Entscheidung des Auftraggebers über die Vergabe des Auftrags.
OLG Celle, Beschl. v. 19.03.2019 - 13 Verg 7 – 18 - Rahmenvertrag – Postdienste - Aufhebung – Fortsetzungsfeststellungsantrag – Rüge (Zuschlagskriterien: „Preis“ (zu 30 %), „Einheitliches Codiersystem“ (zu 20 %), „Möglichkeit der E+1-Zustellung“ (zu 20 %) und „Quote der garantierten E+1-Zustellung“ (zu 30 %) etc. – Eignungsanforderungen (Zustellgeschwindigkeit etc.) – Leistungsbeschreibung (Rahmenvereinbarung) : Einschränkung durch das Gebot des Mach- und Zumutbaren sowie Verhältnismäßigkeit – Pflicht zur sorgfältigen Ermittlung des ..voraussichtlichen Bedarfs“ nach Möglich- und Zumutbarkeit – Ausreichen der sorgfältigen Prognose der wesentlichen Bedingungen – Diskriminierung durch Kriterien etc. – umfangreiche Einzelfallprüfung hinsichtlich zahlreicher Kriterien.
OLG Celle, Beschl. v. 25.06.2019 - 13 Verg 4 – 19 - Rettungsdienst (Notfallrettung, qualifizierter Krankentransport und Komponenten des erweiterten Rettungsdienstes) - gemeinnützige und gewerbliche Organisationen oder Vereinigungen – nach Zuschlag Kenntnis des unterlegenen Bieters über Rettungswache außerhalb des Suchgebietes bei zwingend vorgegebenen Standorte – kein Eingreifen der Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB wegen Ausschreibung gleichermaßen an gemeinnützige Organisationen wie an gewerbliche Unternehmen richtet – Zurückverweisung an Vergabekammer
OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 6.11.2019 - 11 Verg 4-19 - Schutz- und Leiteinrichtungen an Bundesautobahn - Streitpunkt Auslegung des Leistungsverzeichnisses: „Schutzeinrichtung, mit korrosionsgeschützter Bewehrung´“
OLG München, Beschl. v. 26.03.2020 - Verg 22 – 19 – Medienausstattung für Gymnasium - Produktneutralität - Vertraulichkeit des Angebots
OLG München, Beschl. v.08.03.2019 - Verg 4 – 19 - 3-Achs-LKWs für den Winterdienst – vgl. auch OLG München, Beschl. v. 17.05.2019 - Verg 4 / 19 - einziges Zuschlagskriterium Preis mit Berücksichtigung der Entfernung für Werkstattbesuche maximal 100 km – Angaben in Formblättern– 1. Ausschlussmitteilung und Nachforderung diverser Unterlagen – fristgemäße Rüge (E-Mail) – Ausschluss wegen abweichender Angabe 8541 mm statt Höchstmaß von 8000 mm – kein „korrigierbarer offensichtlicher Eintragungsfehler“ – Entfernung von 100 km: Erkennbarkeit für durchschnittlich fachkundiges Unternehmen - Präklusion - kein Aufgreifen von Amts wegen – im Übrigen auch sachliche Rechtfertigung der Höchstentfernung von 100 km
OLG Rostock, Beschl. v. 25.11.2020 - 17 Verg 1 – 20- Software (DMS mit OCR für Verwaltung von SGB II-Leistungen) – zulässige Direktvergabe ohne Teilnahmewettbewerb - § 14 IV Nr. 2 b), 14 VI VgV - §§ 97 VI, 160 II, 172 GWB - Zulässigkeit (Antragsbefugnis, Interesse, „Schadensdarlegung schlüssig und nachvollziehbar“ etc. – wie bisherige Rechtsprechung) –– amtliche Leitsätze: „1. Für die Zulässigkeit einer Direktvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 b), Abs. 6 VgV kommt es grundsätzlich nicht auf die subjektive Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers, sondern auf die objektive Unmöglichkeit der Deckung des Beschaffungsbedarfs durch andere Unternehmen an. 2. Auf die eigene Leistungsfähigkeit kann sich ein Wettbewerber im Nachprüfungsverfahren allerdings nicht berufen, wenn im Rahmen der Markterkundung dessen mit dem Vertrieb beauftragte Mitarbeiter unmissverständlich erklärten, das Produkt verfüge nicht über bestimmte technische Spezifikationen, die später - vergaberechtlich zulässig - zu Mindestanforderungen erhoben wurden, und deren Umsetzung werde auch nicht erfolgen. 3. Den Auftraggeber trifft die Beweislast für behauptete Erklärungen [der Mitarbeiter der Antragstellerin] zur Leistungsunfähigkeit.“ – mit der Leistung nicht übereinstimmende Angaben der Antragstellerin in Gesprächen, Präsentationen etc. – Zeugenvernehmungen durch OLG - „Ausübung des Leistungsbestimmungsrecht innerhalb der vorgegebenen Grenzen – Bedeutung der „vorgelagerten Markterkundung“: „Es ist grundsätzlich keine .... Markterkundung notwendig, ob eine andere Lösung möglich ist. Darüber hinaus ist der Auftraggeber auch nicht verpflichtet, die Beschaffungsentscheidung unter sachverständiger Hilfe zu „verobjektivieren“, um eine möglichst produkt- oder technikoffene Leistungsbeschreibung zu erreichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass dieses Bestimmungsrecht grenzenlos ist. Die Anforderung muss vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung nachvollziehbar sein. Ob Anforderungen erforderlich oder zweckmäßig sind, ist demgegenüber ohne Belang (Senat, Beschl. v. 12. 8. 2020 – 17 Verg 3/20 –, Rn. 49 ... ). Führt die Bestimmung des Auftragsgegenstands ... allerdings dazu, dass i. S. d. § 14 IV Nr. 2 b) VgV die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, greift das Korrektiv des § 14 Abs. 6 VgV, wonach die Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ... nur dann gelten, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die Bestimmungsfreiheit ... unterliegt damit engeren vergaberechtlichen Grenzen als bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens. Eine Leistungsbestimmung, die ... zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine ... , die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs ... (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt ..... Ob eine mögliche Alternative oder Ersatzlösung vernünftig ist, unterliegt dabei der Einschätzung durch den Auftraggeber ...“ – Im Streitfall: Mindestanforderungen eines leistungsfähigen, integrierten DMS mit OCR (Schrifterkennung) mit weiteren Punkten .... „stehen mit dem Vergaberecht in Einklang.“
4. Literatur
Noch, Rainer, Offene Deckung, Vergabe Navigator 2020,21
Fischer, Jennifer/ Blank, Felix/ Bogaschewsky, Ronald, Die Beschaffung biobasierter Produkte, Vergabe Navigator 2019, 16
Noch, Rainer, Spezifische Technik, Vergabe Navigator 2019, 31
Tarampouskas, Demis, Open-Source-Anbindung kann technisches Alleinstellungsmerkmal begründen!, VergabeFokus 3/2020, 7
Pfannkuch, Benjamin, Zu den Anforderungen an den Vergabemerk bei einer produktscharfen Ausschreibung und der Möglichkeit der Heilung von Dokumentationsmängeln, ZfBR 1-2021, 39 (zu OLG Celle vom 31.03.2020 - 13 Verg 13/19 - digitale Meldeempfänger, DME, Feuerwehr)
Schippel, Robert, Leistungsbeschreibung 2.0 am Beispiel der agilen Entwicklung von, Micro-Services, ITRB 1/2021,19
Gyulai-Schmidt, Andrea, Strategische Nutzung des Vergaberechts für mehr Qualität am Beispiel von deutschen, österreichischen und ungarischen Umsetzungsmaßnahmen ,ZfBR 8/2019, 762-770
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