VK-Entscheidungen - Auswahl
1. 2022
2. 2021
1. VK-Entscheidungen 2022 - Auswahl
- VK Berlin, Beschl. v. 25.03.2022 - VK - B 2 - 53 – 21 – Erdarbeiten-Tiefbau – Fördermittel - §§ 99 Nr. 4, 182 GWB, § 16d I1 Nr. 2 VOB/A – Maßgeblichkeit des Zuwendungsbescheids – Aufgreifschwelle grundsätzlich 20 % Preisabstand (Pflicht zur Aufklärung) – hier 10 % Preisabstand: Recht, aber keine Pflicht zur Aufklärung des Angebotspreises - nicht ausreichende Behauptung der „Auskömmlichkeit“ - Präklusion: „Von einem durchschnittlichen Bieter ist zu erwarten, dass er insbesondere das Leistungsverzeichnis, dass das von ihn zu erbringende Leistungssoll definiert, intensiv betrachtet. Dementsprechend ist für einen solchen fachkundigen Bieter auch erkennbar, wenn die darin enthaltenen Vorgaben zu unbestimmt oder unzutreffend sind. Gleiches gilt nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß gegen die Pflicht zur Bekanntmachung von Eignungskriterien im Hinblick auf die Laborakkreditierung. Die vorstehenden Aspekte waren erkennbar und hätten – was hier nicht erfolgt ist – bis zur Angebotsabgabe gerügt werden müssen.“
- VK Bund , Beschl. 25.5.2022 - VK 2 – 56/22 – Open-House-Vergabe – Rabattverträge - offensichtliche Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages- fehlende Statthaftigkeit auch bei möglicher diskriminierender Zugangsvoraussetzungen zum Open-House-Verfahren – Open-House-Verfahren ohne Auswahlentscheidung - Zuständigkeit der Sozialgerichte - zwei mögliche Wege: entweder wettbewerbliches Verfahren gemäß § 103 V GWB oder Vergabe von Rabattverträgen im Open-house-Verfahren (vergaberechtsfrei) – aus der Entscheidung: „Es ist danach zu differenzieren zwischen dem Open-house-Verfahrens und dessen Rechtmäßigkeit; selbst wenn es nicht rechtskonform ausgestaltet ist, nimmt ihm dieser Umstand nicht den grundlegenden Charakter als Open-house-Verfahren, sondern es handelt sich dann um ein rechtswidrig ausgestaltetes Open-house-Verfahren, das sich dadurch aber nicht zum öffentlichen Auftrag wandelt. Anders formuliert, sind eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung und verhältnismäßige Vorgaben keine Tatbestandsmerkmale des Open-house-Modells, sondern Anforderungen an dessen Rechtmäßigkeit. Für die Rechtmäßigkeitsüberprüfung sind indes die Sozialgerichte zuständig.“ - grundlegend EuGH, Urt. v. 11. 2009 – C-300/07, „Oymanns“ - Grundsatzentscheidung des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31. 10. 2018 – VII Verg 37/18 m. Hinw. auf EuGH Urt. v. 2. 6. 2016 – C 410/14 „Dr. Falk Pharma GmbH“ und v. 1. 3. 2018 – C 9/17 „Tirkkonen“).
- VK Bund, Beschl. v. 26.4.2022 - VK 2 – 34/22 – HPC-Schnellladeinfrastruktur –fehlende Antragsbefugnis der Bewerbergemeinschaft <Bietergemeinschaft> bei Teilnahme eines Einzelbieters am Wettbewerb – keine Rubrumsberichtigung – keine zulässige subjektive Klageänderung auf Antragstellerseite - Rügepräklusion(Erkennbarkeit von Eignungsanforderung aus der Bekanntmachung) - öffentliche Zugänglichkeit von Ladesäulen als zulässige Voraussetzung für Errichtungsverfahren
- VK Bund, Beschl. v. 7.6.22 - VK 2 – 40-22 – Reinigungsleistungen – ungewöhnlich niedriges Angebot (verneint) Rahmenvertrag - Berücksichtigung eines als Qualitätskriterium ausgestalteten Faktors bei der Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes - Aufgreifschwelle bei der Preisprüfung – Aufklärung nach § 60 I VgV wegen zweifelhafter Auskömmlichkeit des Preises - lediglich pauschale Preisaufklärungsbitte des Auftraggebers und dem entsprechend ausreichende abstrakte Detaillierung der Bieterantwort - Zuschlagskriterien „Gesamtangebotspreis in Euro pro Jahr (brutto) für Raumreinigung“ (50 %), der „Preis in Euro pro Stunde (netto) für Sonderreinigung“ (5 %) sowie die „Durchschnittliche Leistung in m2 Fußbodenfläche pro Stunde“ (45 %).: „„der Bieter mit einem durchschnittlichen Leistungsansatz von 210 m2 [...] pro Stunde oder niedriger erhält 90 Punkte, Leistungsansätze über 210 m2 pro Stunde werden anteilig bewertet“ –kein ungewöhnlich niedriges Angebot – unzulässiger Ausschluss - fehlender „0-Punkteansatz“ (ausführlich) – Untersagung des Zuschlags - Wertungswiederholung.
- VK Bund, Beschl. v.13.2022 - VK 2 – 52-22 – Bauleistungen - Aufhebung des Vergabeverfahrens - Grund für Aufhebung: Bieterrüge – Wirksamkeit der Aufhebung – Rechtswidrigkeit der Aufhebung infolge Korrektur eigener Fehler der Vergabestelle - wirksam, aber rechtswidrig bei Korrektur eigener Fehler
- VK Nordbayern, Beschl. v. 05.06.2022 - RMF - SG 21 - 3194 - 6 – 20 – Wartung/Reparatur – medizinische Geräte – Antragsbefugnis – verfristete Rüge – keine Berücksichtigung von Amts wegen – Ausschluss wegen Änderung/ergänzung der Vergabeunterlagen – Teilnahmewettbewerb – Übergang vom Verhandlungsverfahren in wettbewerblichen Dialog – Ausschluss bei der noch verbliebener Angebote wegen Abänderung etc. – amtliche Leitsätze: 1. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft. Für die Zulässigkeit genügt eine schlüssige Behauptung. Die Rechtsfrage, ob die ASt tatsächlich in ihren Rechten verletzt ist, ist eine Frage der Begründetheit. Sofern wenigstens Anknüpfungstatsachen oder Indizien vorgetragen werden, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergabeverstoß begründen, darf die ASt aufgrund ihres Wissens subjektiv mögliche bzw. wahrscheinliche Vergabeverstöße behaupten, insbesondere wenn es um solche geht, die ausschließlich der Sphäre des Auftraggebers zuzuordnen sind oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen. 2. Die Berücksichtigung einer verfristeten Rüge durch die Vergabekammer von Amts wegen ist nicht möglich. Wenn ein Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht gerügt wird und damit präkludiert ist, kann die Kammer insoweit nicht mehr auf eine Abhilfe hinwirken, da der Antragsteller durch den präkludierten Verstoß auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein kann. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen ist es zulässig, dass präkludierte Verstöße aufgegriffen werden, nämlich dann, wenn ein so schwerwiegender Fehler vorliegt, dass eine tragfähige Zuschlagsentscheidung bei einer Fortsetzung des Verfahrens praktisch nicht möglich ist, etwa weil nur willkürliche oder sachfremde Zuschlagskriterien verbleiben oder das vorgegebene Wertungssystem so unbrauchbar ist, dass es jede beliebige Zuschlagsentscheidung ermöglicht. 3. Gem. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind Angebote von der Wertung auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. 4. Grundsätzlich liegt eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Ob eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen durch das Angebot im Einzelfall vorliegt, ist anhand einer Auslegung in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB sowohl der Vergabeunterlagen als auch des Angebots nach dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont festzustellen. Maßgeblich ist hinsichtlich der Vergabeunterlagen der Empfängerhorizont der potentiellen Bieter Für die Auslegung von Vergabeunterlagen ist auf die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen Bieters abzustellen, der mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertraut ist. Maßgeblich ist nicht das Verständnis eines einzelnen Bieters, sondern wie der abstrakt angesprochene Empfängerkreis die Leistungsbeschreibung und Vergabeunterlagen versteht. Hinsichtlich des Angebots des Bieters ist Maßstab der Auslegung, wie ein mit den Umständen des Einzelfalls vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte.
- VK Westfalen, Beschl. v. 15.06.2022 - VK 1 - 20 – 22 – Rettungsdienst – NRW – keine Ausnahme in NRW nach § 107 I Nr. 4 GWB (umfangreiche Darstellung der sonstigen Länderbestimmungen und VK-Entscheidungen) – unzulässiger Auftrag – Unwirksamkeit nach § 135 I GWB – amtliche Leitsätze: 1. Maßgeblich für den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme gemäß § 107 Absatz 1 Nummer 4 GWB die Ausgestaltung der landesrechtlichen Regelung zur Übertragung rettungsdienstlicher Leistungen. 2. Sofern die Regelung gemeinnützige Organisationen bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen privilegiert, ist der Anwendungsfall der Bereichsausnahme eröffnet. 3. Sieht die landesrechtliche Regelung dagegen eine Gleichrangigkeit zwischen gemeinnützigen Organisationen und privaten Akteuren vor, kann sich der Auftraggeber nicht auf die Bereichsausnahme berufen. 4. Die derzeitige Regelung in Nordrhein-Westfalen sieht keine Privilegierung vor, der Anwendungsbereich der Bereichsausnahme ist daher nicht eröffnet.
2. VK-Entscheidungen 2021 - Auswahl
Übersicht
- 1. Rahmenvereinbarung - VK Bund Beschl. v. 19.1.2021 - VK 2 - 109/20 – Büromaterial
- 2. Rahmenvereinbarung - VK Lüneburg, Beschl. v. 13.10.2020 - VgK - 36 – 2020 – interaktive Display-Tafelsysteme für Schulen
- 3. „Scheinbeschluss der VK“- VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.01.2021 - VK 1 - 22 – 19 - Modernisierung einer Mensa – angeblicher „Scheinbeschluss“ der VK
- 4. VK Berlin, Beschl. v. 06.01.2021- VK - B 2 - 53 – 20 – Akteneinsicht – rechtliches Gehör
- 5. VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.01.2021, VK 2 – 2 – 21 – Autobahn-GmbH des Bundes – Wechsel der Zuständigkeit der VK – Verweisung an zuständige VK
Entscheidungen 2021 mit Stichworten - Auswahl
1. VK Bund Beschl. v. 19.1.2021 - VK 2 - 109/20 – Büromaterial – Rahmenvertrag – Katalog - Antragsbefugnis – Präklusion (<nicht vorliegende> unzulässige de-facto-Vergabe des „Randsortiments“) - Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes durch „durchschnittlichen Bieter bei Durchsicht etc. der Vergabeunterlagen ohne anwaltliche Hilfe – Unbegründetheit: kein zulässiges Wertungskriterium Preis: Schwerpunkt der Preisprüfung auf sog. Kernsortiment <63 „Highrunner“-Büroartikel> und „eher grobe Sichtung des Randsortiments“) –– kein spekulatives bzw. unauskömmliches Angebot (Aufgreifschwelle nicht erreicht) – kein unterbliebener Nachweis der Punch-Out-Referenz, nicht erforderliche Nachunternehmererklärung (Hilfsleistung: Logistik) – Vorliegen der Referenzen für Punchout-Katalog des Bieters (Anzahl, Vergleichbarkeit, Leistungszeitraum) - Prüfung – Gleichbehandlung – Vorlage der geforderten Aufklärung für Punchout-Katalog - OCI-Punchout-Katalog <branchenübliche Software> – Erfüllung der Anforderungen an Punchout-Referenz.
2. VK Lüneburg, Beschl. v. 13.10.2020 - VgK - 36 – 2020 – interaktive Display-Tafelsysteme - Rahmenvereinbarung für die Lieferung, die Installation und den Service von interaktiven Display-Tafelsystemen für Schulen - Abnahmemenge von 800 bis 1 200 Display-Tafelsystemen – intransparente Referenzanforderungen – Änderung der unzulässige Eignungsanforderungen – Grundsätze für die Vergleichbarkeit der Referenzen – Zurückversetzung in Stadium vor Angebotsaufforderung und erneute Aufforderung zu Angeboten sowie Wertung unter Beachtung der Vorgaben der VK
3. VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.01.2021 - VK 1 - 22 – 19 - Modernisierung einer Mensa – angeblicher „Scheinbeschluss“ der VK u. a. wegen fehlender Unterschrift des Beschlusses – Ablauf: Kostenentscheidung der VK nach Einstellung – nach Beschwerde Aufhebung durch OLG Koblenz durch Beschl. v. 17. Juni 2020 (Verg 1/20) – Vorsitzende der VK erhält hiervon Kenntnis und führt erneute Entscheidung der VK herbei insbesondere mit der Begründung, dass kein „Scheinbeschluss“ vorliegt – ausführliche Behandlung der formellen Fragen (Unterschriften, Ausfertigung, Zustellung etc. des Verwaltungsaktes – vgl. §§ 37 III, 44 VwVfG, 168 III GWB – die zutreffende und ausführliche Entscheidung sollte in jeder VK beachtet werden.
4. VK Berlin, Beschl. v. 06.01.2021- VK - B 2 - 53 – 20 – Akteneinsicht – rechtliches Gehör (umfassende grundsätzliche Entscheidung) – Offenlegung und Geheimhaltungsinteresse – Abwägung (Beurteilungsspielraum) – „in camera-Verfahren“ – „multipolarer Konflikt“ - § 165 II GWB – Anordnung der eingeschränkten Akteneinsicht auf bestimmte Teile – grundsätzliche und ausführliche Auseinandersetzung zur Akteneinsicht
5. VK Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 28.01.2021, VK 2 – 2 – 21 – Autobahn-GmbH des Bundes – Wechsel der Zuständigkeit der Vergabekammer(nicht mehr VK Rheinland-Pfalz, sondern VK Bund) – Verweisung ohne mündliche Verhandlung an VK Bund (unanfechtbare Zwischenentscheidung – vgl. §§ 83VwGO, 17a GVG.
Siehe auch weitere Vergabekammerentscheidungen im Newsletter 1. Jahreshälfte 2021