Oberlandesgericht Brandenburg:

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem Einzelfall nochmals grundsätzlich zum Ausschluss wegen verspäteten Eingangs und Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen wichtige Grundsätze behandelt.

Die erst jetzt bekannt gewordene Entscheidung (OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.1.2009 (Aktenzeichen: Verg W 2/09 – veröffentlicht in VergabeR 2009, 820, m. krit. Anm. v. Hölzl, Franz Josef/von Hoff, Gerung) betrifft die Vergabe von Leistungen aus dem Sektorenbereich (Niederflurstraßenbahn – Verhandlungsverfahren mit Teilnehmerwettbewerb – Rahmenvertrag – Losaufteilung – Rüge von nachträglichen Mindestanforderungen <unartikulierte Rüge verspätet>). Es geht um geringfügige Verspätungen des Angebotseingangs (statt am Freitag, 12. September 2008, 24.00 Uhr, Eingang nach 24.00 Uhr erst am Samstag 13. September 2008). Die verbindliche Ausschlussfrist Freitag, 12. September 2008, 24.00 Uhr, war zwingend zu beachten. Das OLG stellte fest, verspätete Angebote sind nicht nur mängelbehaftet, sondern „überhaupt nicht existent“ (nicht mehr am Wettbewerb teilnehmend). Auch der Rückgriff auf früheres, durch die Verhandlungen überholtes Angebot ist nicht zulässig.

Die Entscheidung mag in einigen Punkten, vgl. die Anm. Hölzl/von Hoff, kritisch zu betrachten sein. Sie ist allerdings im Ergebnis richtig (vgl. auch OLG München, Beschl. v. 2.3.2009 – Verg 1/09 - VergabeR 2009, 816, m. teils krit. Anm. v. Deckers, Stefan.) Die Rügepflicht ist durch die Neufassung des § 107 III GWB 2009 verschärft worden. Der Inhalt der Bekanntmachung und der Verdingungsunterlagen ist daher in einer „Eilmaßnahme“ jeweils in der Praxis sofort zu untersuchen und gegebenenfalls im Grunde „sofort“ zu rügen, wenn Verstöße vorliegen. Die Hoffnung mancher Bieter, auf „großzügige Entscheidungen“ in diesem Punkt zu vertrauen, ist in keiner Weise gerechtfertigt. Zu einem erfolgreichen Bietermanagement gehören entsprechende Absicherungsmaßnahmen, die offensichtlich selbst bei „Weltunternehmen“ und nicht nur bei kleineren und mittleren Unternehmen fehlen. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf für die Bieter. Das ist leider immer wieder festzustellen. Eine große Zahl von Überprüfungsverfahren scheitert an der Erfüllung der Rügepflicht (geschätzt ca. 40 bis 50 Prozent), wobei nicht verkannt werden darf, dass das jeweilige OLG im Regelfall rechtskräftig entscheidet. Ebenfalls stellt der verspätete Angebotseingang einen zwingenden Ausschlussgrund dar. Selbst die Überschreitung von wenigen Minuten reicht für eine Verspätung. Insofern stehen den Bietern allerdings auch die Möglichkeiten zur Verfügung, nicht eingehaltene Mindestfristen für Angebotsabgabe etc. zu rügen und eine Verlängerung zu beanspruchen. Davon wird allerdings nach aller Erfahrung ebenfalls kein Gebrauch gemacht. Grund sind organisatorische Mängel in den Bewerber- und Bieterunternehmen. Auch scheinen hier vielfach die Grundkenntnisse des Vergaberechts zu fehlen.

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