Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand –Zertifizierung - § 7 I EG VOL/A (§§ 122 GWB, 42 f VgV, §§ 6 f EU VOB/A) – OLG Koblenz
OLG Koblenz, Beschl. v. 20.04.2016 - Verg 1/16 – Grünabfälle Mainz – Eignung (Mindestbedingungen) ungerechtfertigte Anforderung an die Eignung: „Die Auftraggeberin hat zudem unter Verstoß gegen § 7 EG Abs. 1 VOL/A eine durch den Auftragsgegenstand nicht gerechtfertigte und deshalb unzumutbare Anforderung an die Eignung bzw. deren Nachweis gestellt, dadurch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen und zugleich den Wettbewerb (§ 97 Absatz 1 GWB) unzulässig eingeschränkt. a) (Mindest-)Anforderungen an die Eignung dienen allein dem Zweck sicherzustellen, dass nur Unternehmen eine echte Chance auf den Auftrag haben, die nach menschlichem Ermessen die Gewähr für eine einwandfreie und reibungslose Auftragsausführung bieten.Sie sind nicht dafür gedacht, Auftraggeber vor Problemen und Risiken zu bewahren, die nichts mit der Eignung des (potentiellen) Vertragspartners zu tun haben, sondern z.B. auf Besonderheiten und Schwierigkeiten eines bestimmten Marktes zurückzuführen sind. ... b) Welche Eignungsnachweise vorzulegen sind, hat der Auftraggeber bereits in der Bekanntmachung mitzuteilen (§ 7 Absatz 5 Satz 1 VOL/A, § 15 EG Absatz 2 VOL/A i. V. m. dem Standardformular 2). Die Festlegung ist für das weitere Verfahren grundsätzlich verbindlich. ....“ Bevorzugung örtlicher Bieter - Zertifizierung keine „Ausführungsbedingung“, sondern betrifft die Leistungsfähigkeit (Eignung) – Mindestanforderungen und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: „Eine Mindestanforderung an die Eignung wie die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb kann vom öffentlichen Auftraggeber zwar in Ausübung der ihm eingeräumten Bestimmungsfreiheit festgelegt werden. Aber auch insoweit gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Die Anforderung muss durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sein (§ 7 EG Abs. 1 Satz 1 VOL/A). f) Nach dem unmissverständlichen und keiner abweichenden Auslegung zugänglichen Wortlaut der Bekanntmachung war der Nachweis einer Zertifizierung als Eignungsnachweis mit dem Angebot zu führen. Es genügte allerdings nicht der allgemeine Nachweis, ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb (auch für Grünabfälle) zu sein. Vielmehr hatte jeder Bieter zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit dem Angebot eine Zertifizierungsurkunde beizufügen, die „sämtliche Tätigkeiten der ausgeschriebenen Leistungen“ umfasst. ... Eine entsprechende standortbezogene Zertifizierung (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 EfbV) kann aber auch ein Entsorgungsfachbetrieb nur dann nachweisen, wenn er entweder, wie wohl die „Platzhirsche“, schon über eine den Standort Mainz einschließende Zertifizierung verfügt bzw. mit einem lokalen Unternehmen zusammenarbeitet oder innerhalb der Angebotsfrist eine geeignete Fläche findet, die notwendigen Genehmigungen erhält und seine Zertifizierung auf den neuen Standort erweitern lässt. Letzteres ist zum einen unmöglich, zum anderen kann von einem Unternehmen, das überhaupt noch nicht weiß, ob es den Auftrag erhalten wird, nicht verlangt werden, eine Betriebsstätte vorrätig zu halten.“ – Zu unzulässigen Eignungskriterien anstelle von ZuschlagskriterienOLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.06.2016 - VII - Verg 49/15 - Rettungsdienst: Notfallrettung und Krankentransport (incl. Bewältigung von Großschadensereignissen) –unzulässige Eignungskriterien statt Zuschlagskriterien: „... die Anforderung der Erstellung eines Konzepts "Stärkung des Bevölkerungsschutzes" sowie eines Konzepts "Förderung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung" unzulässige Eignungskriterien ... § 6 Abs. 3 Satz 1 VOL/A. Da ausweislich der Vergabedokumentation, Vergabevermerk Teil 1 vom 19.03.2014, Ziffer V., nicht die Kapazitäten eines Bieterunternehmens, sondern die Qualität der anzubietenden Leistung im Vordergrund der nach Ziffern II.2.3) lit. b) der Bekanntmachung geforderten Konzepte stand und sich damit auf die Ausführung des Auftrags bezog, also einen Leistungsbezug aufweist, handelt es sich um Zuschlags- und nicht um allein das Unternehmen, seine Organisation und Ausstattung betreffende Eignungskriterien (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 12.01.2013, 13 Verg 9/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.04.2012, 2 Verg 1/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.2013; VII-Verg 35/12; Beschl. v. 15.02.2012, VII-Verg 85/11). ... Die Verwendung der geforderten Konzepte als Zuschlagskriterien ist dem gegenüber nicht zu kritisieren. Als Zuschlagskriterien dürfen Kriterien zur Anwendung kommen, die mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, d.h. sich auf die Leistung beziehen, die den Gegenstand des Auftrags bildet (EuGH, Urt. v. 24.01.2008, C-532/06 "Lianakis" - juris Rn. 26-30; EuG, Urt. v. 17.10.2012, T-447/10 (n.v. englische Übersetzung); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.11.2012, VII-Verg 24/12 - juris Tz. 42; Beschl. v. 03.08.2011, VII-Verg 16/11; Beschl. v. 02.05.2012, VII-Verg 68/11; Beschl. v. 15.02.2012, VII Verg 85/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 12.04.2012, 2 Verg 1/12). Diese Voraussetzungen liegen vor.“