Zurückversetzung wie Aufhebung – Aufhebungsgründe – Ausnahmetatbestände (manipulative Aufhebung etc. Aufhebung zur Fehlerkorrektur) – OLG Brandenburg
OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.01.2016 - Verg W 4/15 – Neubau und Sanierung - § 17 EG VOBA –Berechtigung des Auftraggebers zur Fehlerkorrektur – Zurückversetzung steht Aufhebung gleich – Rechtswidrigkeit/Rechtmäßigkeit der Aufhebung: „Das folgt aus der Vertragsfreiheit, die auch für im Wege öffentlicher Ausschreibung vergebene Aufträge gilt. Mithin haben Bieter eine Aufhebung des Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht nur dann hinzunehmen, wenn sie von einem in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (§ 17 Abs. 1, § 17 EG Abs. 1 VOB/A; § 17 Abs. 1, § 20 EG Abs. 1 VOL/A) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann das Fehlen eines Aufhebungsgrundes zu einem Anspruch auf Schadensersatz führen, der regelmäßig auf das negative Interesse beschränkt ist (vgl. BGH, Beschluss v. 20.03.2014 a.a.O.). Zu unterscheiden von der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens nach Maßgabe der einschlägigen Vergabe- und Vertragsordnung ist die Frage der Wirksamkeit der Aufhebung. Ein Anspruch auf Weiterführung des Vergabeverfahrens kommt nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht, wenn die Aufhebung ausnahmsweise unwirksam ist. Das ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, ein Vergabeverfahren aufzuheben, in manipulativer Weise dazu einsetzt, durch die Aufhebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können (vgl. BGH, Beschluss v. 20.03.2014 a.a.O.). Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt hier nicht vor.“ – zulässige Fehlerkorrektur: „Der Auftraggeber hat das Vergabeverfahren aufgehoben, nachdem die Vergabekammer im anhängigen Nachprüfungsverfahren den Hinweis erteilt hat, dass die Ausschreibung an einem Fehler leide, der nur durch neuerliche Bekanntmachung geheilt werden könne. Damit beruht die Aufhebung allerdings nicht auf einer Abkehr von der Vergabeabsicht, sondern dient der Korrektur eines dem Auftraggeber zuvor unterlaufenen Fehlers. Die Aufhebung der Ausschreibung zum Zwecke der Durchführung eines neuen fehlerfreien Vergabeverfahrens ist wirksam, denn die Entscheidung des Auftraggebers, das Verfahren in den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen, ist weder nur zum Schein, noch willkürlich oder sonst aus manipulativen Gesichtspunkten erfolgt (vgl. BGH, Beschluss v. 20.03.2014 a.a.O.). Stellt ein öffentlicher Auftraggeber vor der Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Ausschreibungsunterlagen fest, ist er zu einer Fehlerkorrektur grundsätzlich berechtigt, was auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens beinhalten kann (vgl. BGH, Beschluss v. 26.09.2006, X ZB 14/06 - BGHZ 169, 131 = VergabeR 2007, 59; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2015 - Verg 29/14, VergabeR 2015, 435; OLG Koblenz, Beschluss v. 30.04.2014 - 1 Verg 2/14, VergabeR 2014, 733). Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2015 a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber im Hinblick auf die nach Beurteilung der Vergabekammer unzureichende Bekanntmachung der geforderten Eignungsnachweise einen sachlichen Grund für die Aufhebung heranzogen. Die Entscheidung des Auftraggebers ist mithin weder willkürlich, noch stellt sie ein missbräuchliches Vorgehen dahin dar, durch die Aufhebung die formalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können. Die Zurückversetzung führt zu einem neuen, auch der Antragstellerin eröffneten Wettbewerb (so auch BGH, Beschluss v. 20.03. 2014 a.a.O.). Die Antragstellerin ist weder in ihren Rechten auf Durchführung eines transparenten und fairen Vergabeverfahrens, noch in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt, § 97 Abs. 7 GWB.“ – kein manipulatives Verhalten: „Soweit die Antragstellerin ein manipulatives Vorgehen darin sehen will, dass der Auftraggeber mit der zwischenzeitlich erfolgten neuen Bekanntmachung ergänzend zu den ursprünglich geforderten Eignungsnachweisen zusätzliche Nachweise verlangt, ist ein Missbrauch der Möglichkeit der Verfahrensaufhebung nicht zu erkennen. Die zusätzlichen Anforderungen, „mindestens 3 nachprüfbare Referenzbaumaßnahmen innerhalb der letzten 3 Jahre …“ nachzuweisen und „auf Verlangen einen XXX Bauablaufplan vorzulegen, welcher den Ressourceneinsatz (Arbeitskräfte, Maschinen und Geräte) darstellt und aufzeigt, wie Zwischentermine eingehalten werden …“ sind jedenfalls nicht sachfremd oder willkürlich gewählt. Dem Vorbringen der Antragstellerin ist auch nichts dafür entnehmen, dass sie außerstande sei, die Anforderungen zu erfüllen, und dass dem Auftraggeber eine solche Sachlage bekannt sei.“