(früher EuGH-Rechtsprechung - jetzt § 132 GWB2016) – OLG Düsseldorf
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.06.2016, VII - Verg 6/16 - Deutschland-Unna: Eisenbahnverkehr nach Anhang I B Kat. 20 - §§ 97 III GWB, 3 V VOL/A, 8 II EG VOL/A – unzulässige Verlängerungsklausel und Option – Verstoß gegen das Transparenz - und Gleichbehandlungsgebot (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) durch Leistungsänderungsklausel: „Die Regelungen in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrag verschaffen dem Auftraggeber die Möglichkeit, den ausgeschriebenen Auftrag nachträglich in wesentlichem Umfang zu ändern. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist von einer wesentlichen Vertragsänderung auszugehen, wenn (1) hierdurch Bedingungen eingeführt werden, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebot erlaubt hätte, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären, (2) sie den Auftrag in größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert oder (3) das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008, C-454 /06 - Pressetext; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juli 2011; VII Verg 20/11 ... OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Februar 2014, VII - Verg 32/13 ... ).“ – ....“Es fehlt an einer vorherigen Bekanntmachung einer Vertragserweiterung .... (EuGH, Urteil vom 22. April 2010 (C-423/07, Kommission/Spanien, Rn. 55; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 2. 2014, VII-Verg 32/13, ...). Da in dem Standardformular für die Bekanntmachung regelmäßig nur ein begrenzter Raum zur Verfügung steht, können die Informationen in den Vergabeunterlagen als natürliche Ergänzung der Bekanntmachung näher ausgeführt werden (EuGH, Urteil vom 22. April 2010 (C-423/07, Kommission/Spanien, Rn. 60). Diesen Anforderungen genügen die Angaben des Auftraggebers nicht. Er hat für die Bekanntmachung das Standardformular gemäß Anhang II der VO (EU) Nr. 842/2011 verwendet. Dort werden unter Ziff. II.2.2) Angaben zu Optionen gefordert. Der Antragsgegner hat angegeben: "Optionen: ja; Beschreibung der Optionen: - weitere stationäre Fahrkartenautomaten - weitere Entwerter". Anders als die Vergabekammer meint, handelt es sich bei der in Rede stehenden Vertragsklausel um eine Option. Unter einer Option wird die Rechtsmacht einer Vertragspartei verstanden, durch einseitige Erklärung den Leistungsumfang in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht zu verändern (Rechten in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, 3. Aufl., § 15 EG Rn. 39). Hierzu zählen in der Regel Vertragsverlängerungsklauseln oder auch Bedarfspositionen.Charakterisierend ist in jedem Fall, dass die betreffende Leistung erst nach einer einseitigen Erklärung des Auftraggebers vom Auftragnehmer zu erbringen ist. Ein solches Optionsrecht ist in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags geregelt. Dort enthalten sind Regelungen, nach welchem Verfahren und in welchem Rahmen die zu erbringenden Vertriebsdienstleistungen quantitativ und qualitativ nachträglich geändert werden können. Wie sich aus § 11 Abs. 1 Satz 1 ergibt, kann der Antragsgegner eine Änderung der Vertriebsleistungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht zwar nur gemeinsam mit dem jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmen verlangen. Gleichwohl hängt die Änderung der Leistung nicht von einem Zutun des Auftragnehmers ab und wird daher einseitig verlangt. Enthält § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags somit ein Optionsrecht des Antragsgegners, sind die Angaben in der Bekanntmachung nicht ausreichend. Aus den Angaben unter II.2.2) der Bekanntmachung ergibt sich zwar, dass Optionen vorgesehen sind. Allerdings betreffen diese Optionen nicht nur - wie dort angegeben - weitere stationäre Fahrkartenautomaten und Entwerter. Sie betreffen vielmehr den gesamten Leistungsumfang in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Entscheidend aber ist, dass die Bekanntmachung keine Angaben dazu enthält, in welchem Umfang und unter welchen Umständen der Vertrag geändert werden kann. Anders als der Antragsgegner meint, ist eine vollständige Bekanntgabe der Regelungen in § 11 des Vertriebsdienstleistungsvertrags nicht zu fordern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine zumindest stichwortartige Bekanntgabe einer maximal möglichen Auftragserweiterung. Daran fehlt es hier.“ – Vgl. auch OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 3.5.2016 – 11 Verg 12/15 – Online-Rechtsinformationssystem - Rüge u. a.: dreifache Verlängerung der Ausführungsfrist keine wesentliche Vertragsänderung und damit keine vergaberechtlich relevante unzulässige direkte Vergabe