Nach einem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat festgestellt, dass bei einer Interimsbeauftragung nur dann ein Nachprüfungsverfahren zulässig ist, wenn der Auftragswert den Schwellenwert übersteigt.

Leitsätze aus dem Beschluss des Brandenburgischesn Oberlandesgerichts vom 06.03.2012 ‑ Verg W 16 / 11‑ Interimsvergabe‑ betriebliche Altersversorgung:

1. Eine Interimsvergabe stellt sich dann nicht als ein nach den §§ 115, 118 GWB verbotener Zuschlag dar, wenn die ausgeschriebene Leistung nur teilweise vergeben wird und die Interimsvergabe deshalb einen anderen Gegenstand hat als das durch den Nachprüfungsantrag angehaltene Vergabeverfahren.

2. Eine Interimsbeauftragung kann nur dann einer Nachprüfung unterzogen werden, wenn ihr Auftragswert den Schwellenwert übersteigt. Beschaffen eine Holdinggesellschaft und ihr angeschlossene Unternehmen Versicherungsleistungen gemeinsam, spricht alles dafür, die Auftragswerte zusammenzurechnen, auch wenn die Einzelunternehmen jeweils Einzelverträge abschließen.

3. Für einen Nachprüfungsantrag dürfte insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, als er die Feststellung der Unwirksamkeit von Verträgen zum Ziel hat, die nicht vom Gegner des Nachprüfungsantrages abgeschlossen worden sind, sondern von ihm angeschlossenen Unternehmen.

4. Ob eine Erweiterung des Nachprüfungsantrages auf weitere Auftraggeber im Beschwerdeverfahren nach abgeschlossenem Verfahren vor der Vergabekammer prozessual zulässig ist, ist zweifelhaft.

5. Wer sich darauf beruft, die von mehreren Unternehmen abgeschlossenen Verträge seien bei der Ermittlung des Auftragswertes zusammenzurechnen, kann nicht geltend machen, seine Unterrichtung durch nur eines der vertragsschließenden Unternehmen sei für die Ingangsetzung der kenntnisabhängigen Frist des § 101b GWB nicht ausreichend.

Beschluss: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 07.11.2011 (VK 40/11) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 10.000 € festgesetzt.

Gründe: Die Auftraggeberin zu 1.) ist eine Holdinggesellschaft, zu deren Verbund mehrere Gesellschaften gehören, darunter die Auftraggeberin zu 2.). Die Auftraggeberin zu 1.) schrieb im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften vom 08.10.2010 die betriebliche Altersvorsorge der Mitarbeiter der zu ihrer Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften über Direktversicherungen und Unterstützungskasse aus. Der ausgeschriebene Auftrag sollte vom 1.4.2011 bis zum 31.3.2015 laufen. Bis zur Ausschreibung hatten die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen Unternehmen bis auf eines als Leistungsträger den Antragsteller eingeschaltet, der als Dachverband von Unterstützungskassen die Leistung durch ein ihm angeschlossenes Mitglied erbracht hat. Diese Ausschreibung hat der Senat auf den Nachprüfungsantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 13.9.2011 (Verg W 10/11) wegen Ausschreibungsmängeln aufgehoben und die Auftraggeberin zu 1.) angewiesen, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Vergabeabsicht neu durchzuführen. Noch während des laufenden Nachprüfungsverfahrens entschlossen sich die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen Unternehmen am 3.8.2011, die betriebliche Altersversorgung der vom 1.4.2011 bis zum 30.9.2011 neu eingestellten Mitarbeiter im Wege der Direktversicherung durch eine Beauftragung der Beigeladenen durchführen zu lassen, der die Auftraggeberin zu 1.) im Vergabeverfahren den Zuschlag hatte erteilen wollen. Die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen Gesellschaften, darunter die Auftraggeberin zu 2.), erteilten der Beigeladenen am 8.8.2011 entsprechende Aufträge. Mit Schriftsatz vom 15.09.2011 hat der Antragsteller wegen eines Schreibens der Auftraggeberin zu 1.) vom 16.08.2011, in dem eine beabsichtigte Interimsbeauftragung erwähnt wird, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt. Er hat gemeint, es komme nicht darauf an, ob der Schwellenwert bei der Interimsbeauftragung überschritten sei. Eine Direktvergabe während des laufenden Nachprüfungsverfahrens missachte die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrages und deren Verlängerung durch den Vergabesenat. Der Schwellenwert sei im Übrigen auch überschritten.

Die Antragstellerin hat beantragt, 1. die Auftraggeberin zu 1.) zu verpflichten, den Auftrag zur Beschaffung einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung für seit dem 1. April 2011 eingetretene Mitarbeiter und mit Wirkung seit dem 1. April 2011 neu zu beschaffenden Altersversorgungszusagen durch Entgeltumwandlung für Mitarbeiter der zur Unternehmensgruppe der P. GmbH gehörenden Gesellschaften nicht ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens mit europaweiter Bekanntmachung und nicht ohne Berücksichtigung des Antragstellers zu vergeben, 2. hilfsweise, festzustellen, dass etwaige bereits an Drittanbieter erteilte Altersversorgungsaufträge in dem Zeitraum seit dem 1. April 2011 unwirksam sind. Die Auftraggeberin zu 1.) hat beantragt, die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Auftraggeberin zu 1.) hat gemeint, der Nachprüfungsantrag sei mangels Überschreitung des Schwellenwertes bereits unzulässig. Sie hat mit Schriftsatz vom 10.10.2011 im Einzelnen vorgetragen, die ihr angeschlossenen Gesellschaften hätten jeweils Interimsbeauftragungen vorgenommen. Die Auftragswerte für jeden Auftraggeber lägen unter dem Schwellenwert. Auch die Summe aller Auftragswerte liege darunter.

Aufgrund der Interimsbeauftragung seien bei allen Unternehmen der Unternehmensgruppe 63 neu eingestellte Mitarbeiter versichert worden, der Gesamtauftragswert liege daher bei 151.200 €. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 07.11.2011 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Auftraggeberin zu 1.) habe einen anderen als den ausgeschriebenen Auftrag interimsweise vergeben. Der Schwellenwert werde weder bei einem einzelnen Auftraggeber noch bei den addierten Auftragswerten in dem Halbjahreszeitraum überschritten, für den eine Interimsvergabe stattgefunden habe. Für eine den sechsmonatigen Zeitraum übersteigende Beauftragung gebe es keine Anhaltspunkte.

Gegen diesen Beschluss, ihr zugestellt am 7.11.2011, richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 21.11.2011, die sie zunächst nur gegen die Auftraggeberin zu 1.) gerichtet hat. Während des vorliegenden Beschwerdeverfahrens schrieb die Auftraggeberin zu 1.) für ihre Unternehmensgruppe im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Gemeinschaften vom 07.12.2011 die arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung im Durchführungsweg Direktversicherung aus, ohne in der Ausschreibung Angaben zur Vertragslaufzeit zu machen.

Der Antragsteller meint, die Interimsbeauftragung stelle eine ihn benachteiligende vergaberechtlich unzulässige De-facto-Vergabe dar. Es handele sich nicht um eine Interimsbeauftragung, weil endgültige, unbefristete Versicherungsverträge abgeschlossen worden seien. Die Auftraggeberin zu 1.) habe für Zwischenzeiträume Angebote aller am ersten Vergabeverfahren Beteiligten einholen müssen, also auch ein solches des Antragstellers. Dies sei unterblieben. Eine Zwangslage der Auftraggeberin zu 1.), die interimsweise vergebenen Leistungen zu beschaffen, habe nicht bestanden, weil der Antragsteller aufgrund bestehender Verträge die vergebenen Leistungen hätte erbringen wollen und können. Die Beauftragungen der Beigeladenen beruhten auf einer umfassenden rahmenvertraglichen Abrede. Der Schwellenwert werde überschritten, wenn die Beauftragung bis wenigstens Ende des 1. Quartals 2012 laufe. Es sei von einer Interimsbeauftragung für mindestens ein Jahr auszugehen.

Mit Schriftsatz vom 09.01.2012 hat der Antragsteller seinen Nachprüfungsantrag auch gegen die Auftraggeberin zu 2.) gerichtet. Der Antragsteller beantragt zuletzt, I. den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 7.11.2011 - VK 40/11 - aufzuheben, II. festzustellen, dass die Beauftragungen von Altersversorgungsleistungen der Auftraggeberin zu 1.) und der zu ihrer Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften ‑ das sind die Auftraggeberin zu 2.), die O. GmbH, die G. GmbH und die H. GmbH ‑ im Rahmen der Interimsbeauftragung vom 8.8.2011 und zeitlich danach unwirksam sind, III. festzustellen, dass der Antragsteller durch das Vorgehen der Antragsgegnerin zu 1.) und der Antragsgegnerin zu 2.) in seinen Rechten verletzt worden ist. Den in der Beschwerdeschrift angekündigten Antrag, die Auftraggeberin zu 1.) zu verpflichten, den Auftrag zur Beschaffung einer arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Alterversorgung für seit dem 1.4.2011 neu eingetretene Mitarbeiter und mit Wirkung seit dem 1.4.2011 neu zu beschaffende Altersversorgungszusagen durch Entgeltumwandlung für Mitarbeiter der zur Unternehmensgruppe der Auftraggeberin zu 1.) gehörenden Gesellschaften nicht ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zu vergeben, in dem der Antragsteller berücksichtigt wird, haben die Beteiligten übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Auftraggeberinnen zu 1.) und 2.) beantragen, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Die Auftraggeberin zu 1.) hält den Beschluss der Vergabekammer für richtig. Sie meint, sie habe die Beigeladene in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb in rechtmäßiger Weise beauftragt. Die mit Beschluss vom 19.01.2012 Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Der Vergabesenat hat Beweis erhoben zur Dauer der Interimsbeauftragung durch die Auftraggeberin zu 1.) und die zu ihrer Unternehmensgruppe gehörenden Unternehmen durch Vernehmung der Zeugen I. H. und H. A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 6.3.2012 Bezug genommen. II. Die gemäß den §§ 116 Abs. 1 und 3, 117 GWB zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers war zurückzuweisen. Zu Recht hat die Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss den Nachprüfungsantrag des Antragstellers als unzulässig zurückgewiesen. Das Nachprüfungsverfahren nach den §§ 102 ff. GWB ist gemäß § 100 Abs. 1 GWB nur für Aufträge eröffnet, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind (Schwellenwerte). Für den vorliegenden Liefer- und Dienstleistungsauftrag beträgt der Schwellenwert gemäß § 2 Nr. 2 VgV in der seit dem 11.6.2010 geltenden Fassung 193.000 €. Dieser Schwellenwert ist nicht überschritten.

1.) Der auf Feststellung der Unwirksamkeit der Interimsbeauftragungen von Altersversorgungsleistungen der Auftraggeberin zu 1.) und der zu ihrer Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften gerichtete Antrag des Antragstellers hat nicht schon deshalb Erfolg, weil die streitgegenständliche Interimsvergabe sich als ein nach den §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 GWB verbotener Zuschlag in dem aufgehobenen Vergabeverfahren darstellen würde, das Gegenstand des vom Senat entschiedenen Nachprüfungsverfahrens Verg W 10/11 war. Die streitgegenständliche Interimsbeauftragung hat gegenüber dem vorangegangenen Vergabeverfahren, das die arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altervorsorge über Direktversicherungen und Unterstützungskasse für alle in der Zeit vom 1.4.21011 bis 31.3.2015 neu eingestellten Mitarbeiter zum Gegenstand hatte, einen anderen Gegenstand. Das Zuschlagsverbot steht ihrer Wirksamkeit deshalb nicht entgegen. Die Interimsbeauftragung hat zum einen nur die arbeitgeberfinanzierte, nicht auch die ‑ im aufgehobenen Verfahren ebenfalls ausgeschriebene ‑ arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung zum Gegenstand. Des Weiteren betraf das vorangegangene Vergabeverfahren die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der zur Unternehmensgruppe der Auftraggeberin zu 1.) gehörenden Gesellschaften in den Durchführungswegen "Direktversicherung" und "Unterstützungskasse", die Interimsbeauftragung betrifft allein den Durchführungsweg "Direktversicherung". Außerdem wurden durch die Interimsbeauftragung Versicherungsleistungen nur für in einem kurzen, inzwischen bereits verstrichenen Zeitraum von sechs Monaten neu eingestellte Mitarbeiter beschafft. Das aufgehobene Vergabeverfahren betraf die betriebliche Altersversorgung für Mitarbeiter, die im Zeitraum vom 1.4.2011 bis zum 31.3.2015 neu eingestellt werden.

2.) Eine Interimsbeauftragung kann ihrerseits nur dann einer Nachprüfung unterzogen werden, wenn deren Auftragswert den Schwellenwert übersteigt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. a.) Der Schwellenwert von 193.000 € ist nach dem Inhalt der Beauftragungsschreiben der Auftraggeberin zu 1.) und der ihr angeschlossenen fünf Unternehmen vom 8.8.2011 an die Beigeladene nicht überschritten. Nach dem Inhalt dieser Schreiben soll eine Interimsvergabe für Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.9.2011 erfolgen, wobei die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen fünf Unternehmen sich das Recht vorbehalten hatten, diese Interimsbeauftragung vor dem 30.09. jederzeit und ohne Frist zu beenden.

Es spricht zwar alles dafür, dass die Auftragswerte aller abgeschlossenen Verträge zusammengerechnet werden müssen. Denn die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen Unternehmen beschaffen die nachgefragten Versicherungsleistungen gemeinsam. Dies ergibt sich aus dem ersten vom Senat aufgehobenen Vergabeverfahren, aus der Neuausschreibung vom 07.12.2011 und aus den weitgehend identischen Vergabevermerken zur hier streitgegenständlichen Interimsbeauftragung. Der geschätzte Auftragswert übersteigt auch bei Zusammenrechnung aller Einzelvergaben den Wert von 193.000 € jedoch nicht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Schwellenwertes ist nach § 3 Abs. 9 VgV der Tag, an dem die Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe abgesendet oder das Vergabeverfahren auf andere Weise eingeleitet wird. Eingeleitet wurde die Interimsvergabe hier Anfang August 2011.

Es kann demgegenüber nicht etwa darauf abgestellt werden, welches sich als der tatsächliche Auftragswert nach Beschaffung der Dienstleistung darstellt. Denn die Schwellenwertermittlung dient dazu, bei Beginn eines Vergabeverfahrens festzustellen, ob das für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte geltende Recht anzuwenden ist oder nicht. Nur wenn die Schwellenwerte bei einer ex ante-Betrachtung erreicht sind, hat der Bieter einen Anspruch darauf, dass die Vorschriften des Vergaberechts eingehalten werden und kann diesen Anspruch in einem besonders geregelten Nachprüfungsverfahren durchsetzen. Die Zahl der nach dem Vortrag der Auftraggeberin in ihrem Unternehmensverbund insgesamt vorgenommenen Vertragsabschlüsse von 63, aus der sich ein addierter Auftragswert von 151.200 € (63 x 50 € x 48) errechnet, ist als ex post-Betrachtung für die Schwellenwertermittlung ungeeignet. Maßgeblich ist vielmehr allein der geschätzte Auftragswert im Zeitpunkt des Entschlusses der Auftraggeberin zu 1.) und der mit ihr verbundenen Unternehmen, sich die in der aufgehobenen Ausschreibung genannten Leistungen für eine Übergangszeit von sechs Monaten zu beschaffen. Die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen Unternehmen haben den Gesamtwert der von ihnen erteilten Interimsaufträge in ihren Vergabevermerken mit insgesamt 178.800 € beziffert. Sie haben dabei Anfang August die Zahl der in der Zeit vom 1.4.2011 bis zum 30.9.2011 neu eingestellten Mitarbeiter auf der Basis der vorliegenden Zahlen auf sechs Monate hochgerechnet und sie mit 48 multipliziert.

Diese Berechnung ist zutreffend. Aus dem vorangegangenen Vergabeverfahren ist dem Senat bekannt, dass die Auftraggeberin mit monatlichen Aufwendungen in Höhe von 50 € für die betriebliche Altersversorgung pro Mitarbeiter gerechnet hat. Die Auftraggeberin und die zu ihrer Gruppe gehörenden Unternehmen sind damit ersichtlich von insgesamt 74,5 zu versichernden neu eingestellten Arbeitnehmern ausgegangen (178.800 € : 50 € : 48). Diese Schätzung ist nicht zu beanstanden. Jedenfalls liegt sie nicht zu niedrig. Wenn man den dem Senat aus dem vorangegangenen Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren bekannten Durchschnitt der jährlichen Neueinstellungen aus den Jahren 2007 bis 2010 von 146 zugrunde legt, läge der zu schätzende Auftragswert noch darunter, denn dann wäre lediglich von 73 Neueinstellungen in einem Zeitraum von sechs Monaten auszugehen. Der geschätzte Auftragswert ist nicht wegen einer Beschaffung von ‑ arbeitnehmerfinanzierten ‑ Entgeltumwandlungen zu erhöhen, bei der weitere Arbeitnehmer in die Schwellenwertberechnungen einzubeziehen wären. Denn die Auftraggeberin hat bei der Beigeladenen interimsweise nur arbeitgeberfinanzierte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beschafft.

b.) Dass die Auftraggeberin zu 1.) und die ihr angeschlossenen Unternehmen eine Interimsbeauftragung an die Beigeladene über den 30.9.2011 hinaus vorgenommen hätten, wie der Antragsteller behauptet, hat der Senat nicht feststellen können. Im Gegenteil ist nach dem Ergebnis der am 6.3.2012 durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die seit dem 1.10.2011 bei den Auftraggeberinnen zu 1.) und 2.) und den weiteren zum Unternehmensverbund gehörenden Unternehmen neu eingestellten Mitarbeiter bisher unversichert geblieben sind. So hat der inzwischen abberufene Geschäftsführer der Auftraggeberinnen zu 1.) und 2.), der als Zeuge gehörte Horst Michael A., bestätigt, dass er für die zur Unternehmensgruppe gehörenden Unternehmen eine Interimsbeauftragung für die Zeit vom 01.4.2011 bis zum 30.09.2011 vorgenommen hat und dass er die Anweisung erteilt hat, für danach eintretende Mitarbeiter keine Verträge zur betrieblichen Altersversorgung abzuschließen. Er hat auch nachvollziehbar erläutert, dass das Ende des Zeitraums der Interimsbeauftragung sich an den Erwartungen der Auftraggeberin zu 1.) orientiert habe, dass das die Auftragserteilung in dem vorangegangenen Vergabeverfahren hindernde, beim Oberlandesgericht anhängige Nachprüfungsverfahren Verg W 10/11 bis zum 30.9.2011 abgeschlossen sein würde. Dies erscheint angesichts des Umstandes nachvollziehbar, dass in diesem Verfahren Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 09.08.2011 anberaumt war und dann auch am 13.09.2011 eine Entscheidung verkündet worden ist.

Auch die Personalleiterin der Auftraggeberin zu 1.) und der ihr angeschlossenen Unternehmen, die Zeugin H., hat entsprechend ausgesagt. Sie hat die Entscheidung zur Interimsbeauftragung nachvollziehbar damit erklärt, dass Bestandteil der Verträge zur betrieblichen Altersversorgung auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung der jeweiligen Mitarbeiter sei und dass angesichts der Möglichkeit, dass ein neu eingestellter Mitarbeiter vor Abschluss eines Vertrages zur betrieblichen Altersversorgung berufsunfähig werden könnte, Handlungsbedarf bestanden habe. Beide Zeugen haben darüber hinaus ausgesagt, dass auf Seiten der Auftraggeberin zu 1.) und der ihr angeschlossenen Unternehmen zum Zeitpunkt der Interimsbeauftragung die Hoffnung bestanden habe, dass der Nachprüfungsantrag bzw. die sofortige Beschwerde des Antragstellers in dem Verfahren Verg W 10/11 zurückgewiesen werden würde, so dass nach Ablauf des Interimszeitraumes eine reguläre Beauftragung der Beigeladenen hätte erfolgen können. Damit stimmen die Aussagen der Zeugen inhaltlich mit den Vergabevermerken und den Auftragsschreiben an die Beigeladene überein. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen nicht glaubwürdig wären, bestehen nicht.

3.) Der dem Vergabesenat unterbreitete Nachprüfungsantrag dürfte auch aus anderen Gründen teilweise unzulässig sein. So dürfte für den nunmehr allein noch weiterverfolgten, auf Feststellung der Unwirksamkeit der mit der Beigeladenen geschlossenen Verträge der Auftraggeberinnen zu 1.) und 2.) und der übrigen Unternehmen des Unternehmensverbundes gerichteten Antrag teilweise kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Am vorliegenden Nachprüfungsverfahren sind außer den Auftraggeberinnen zu 1.) und zu 2.) die Vertragspartner der Beigeladenen nicht beteiligt. Eine im vorliegenden Verfahren getroffene Feststellung der Unwirksamkeit von Verträgen dürfte den übrigen Unternehmen der Unternehmensgruppe keine Wirkung entfalten können, so dass insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Zweifelhaft ist auch die Zulässigkeit des gegen die Auftraggeberin zu 2.) gerichteten Nachprüfungsantrages, der erst im Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat und dies auch erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gestellt worden ist. Ob eine solche "Erweiterung" des Nachprüfungsantrages auf weitere Auftraggeber vor dem Vergabesenat nach abgeschlossenem Verfahren vor der Vergabekammer prozessual zulässig ist, ist zweifelhaft. Bedenken bestehen auch, ob bezogen auf die Auftraggeberin zu 2.) die Frist des § 101b Abs. 2 GWB eingehalten ist. Der Antragsteller kann sich kaum darauf berufen, es gelte hier nicht die kurze, kenntnisabhängige Frist von 30 Kalendertagen, sondern diejenige von sechs Monaten, weil die Auftraggeberin zu 2.) ihn von dem mit der Beigeladenen abgeschlossenen Vertrag hätte unterrichten müssen, die Unterrichtung durch die Auftraggeberin zu 1.) reiche nicht aus.

Wer sich wie der Antragsteller darauf beruft, die von mehreren Unternehmen abgeschlossenen Verträge seien bei der Ermittlung des Schwellenwertes zusammenzurechnen, weil sie letztlich als ein Auftrag zu behandeln seien, kann bei der Frage, wer ihm die Kenntnis vom Vertragsabschluss vermittelt, die für den Beginn der kenntnisabhängigen Frist maßgeblich ist, nicht abweichend geltend machen, seine Unterrichtung durch eines der den Auftrag gemeinsam erteilenden Unternehmen sei nicht ausreichend. Auf all diese Fragen kommt es jedoch letztlich nicht an, weil der Nachprüfungsantrag mangels Überschreitens des maßgeblichen Schwellenwertes insgesamt unzulässig ist.

4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Es entspricht der Billigkeit, dem unterliegenden Antragsteller die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG.

Die entsprechenden Fragen sind auch Gegenstand der Entscheidung der Vergabekammer Sachsen (Beschluss vom 31.08.2011 ‑ 1 / SVK / 030-11 ‑ Rettungsdienste) sowie des OLG Dresden (Beschluss vom 11.11.2008, Verg 006-08 – Rettungsdienste). Zu nennen ist auch der Beschluss der Vergabekammer Arnsberg vom 25.08.2008 VK 14 / 08 ‑ freihändige Interimsvergabe der Asylbewerberunterkunft (Leistung gemäß Anhang I B bis zu 1 Jahr zulässig). Ausführlich behandeln diese Probleme Marx, Fridhelm/Hölzl, Franz Josef, Interimsaufträge – Schneller als das Vergaberecht erlaubt? - Zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten der Vergabe von Interimsaufträgen, NZBau 2010, 535.

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