Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Bietergemeinschaften – Anhaltspunkte – Darlegungslast der Bietergemeinschaft - § 19 Abs. 3 Buchst. f) VOL/A-EG (§ 124 I Nr. 4 GWB, 42 VgV) – OLG Düsseldorf

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.06.2016 - VII - Verg 3/16 - Rabattvereinbarungen gemäß § 130a VIII SGB V- Bietergemeinschaft – Zulässigkeit – „Die Angebote der Beigeladenen sind nicht von der Wertung auszuschließen. Nach § 19 Abs. 3 Buchst. f) VOL/A-EG werden Angebote ausgeschlossen von Bietern, die in Bezug auf die Vergabe eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben oder gegen Wettbewerbsregeln verstoßen. Ob ein Verstoß gegen das Kartellrecht vorliegt, ist inzident im Rahmen der vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm, hier §§ 97 Abs. 1 GWB, 19 Abs. 3 Buchst. f) VOL/A-EG, zu prüfen. Die Bildung einer Bietergemeinschaft und Abgabe eines gemeinsamen Angebots kann gegen § 1 GWB und Art. 101 AEUV verstoßen, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (Senat, Beschluss v. 01.07.2015, VII-Verg 17/15 .... - Rn. 13 mwN). Wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind Bietergemeinschaften zwischen konzernangehörigen Unternehmen, da diese gemäß § 36 Abs. 2 GWB als ein Unternehmen anzusehen sind (sog. Konzernprivileg, vgl. Senat, Beschluss v. 29.07.2015, VII-Verg 5/15, juris Rn. 24), ebenso zwischen auf unterschiedlichen Märkten tätigen Unternehmen, wenn unter ihnen kein Wettbewerb besteht (Senat, Beschluss v. 17.02.2014, VII-Verg 2/14, juris Rn. 35 mwN). Handelt es sich - wie im Streitfall - um Unternehmen, die auf demselben Markt tätig sind und zueinander in einem potentiellen Wettbewerbsverhältnis stehen, ist die Bildung einer Bietergemeinschaft wettbewerbsunschädlich, wenn - die beteiligten Unternehmen jedes für sich zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenständigen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen und geschäftlichen Verhältnisse (z.B. mit Blick auf Kapazitäten, technische Einrichtungen und/oder fachliche Kenntnisse) nicht leistungsfähig sind und erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die Lage versetzt, sich daran mit Erfolgsaussicht zu beteiligen (Fallgruppe 1), oder - die Unternehmen für sich genommen zwar leistungsfähig sind (insbesondere über die erforderlichen Kapazitäten verfügen), Kapazitäten aufgrund anderweitiger Bindung aktuell jedoch nicht einsetzbar sind (Fallgruppe zwei), oder - die beteiligten Unternehmen für sich genommen leistungsfähig sind, aber im Rahmen einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung erst der Zusammenschluss ein erfolgversprechendes Angebot ermöglicht (Fallgruppe 3). In den vorgenannten Fällen wird durch die Zusammenarbeit der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern aufgrund des gemeinsamen Angebots gestärkt (vgl. Senat, Beschluss v. 01.07.2015, VII-Verg 17/15, .... Rn. 14 mwN). Die Entscheidung eines Unternehmens, sich als Mitglied einer Bietergemeinschaft an einer Ausschreibung zu beteiligen, unterliegt der Einschätzungsprärogative der beteiligten Unternehmen, die nur beschränkt auf die Einhaltung ihrer Grenzen kontrollierbar ist.Sie muss freilich auf objektiven Anhaltspunkten beruhen, deren Vorliegen uneingeschränkt zu überprüfen ist, so dass die Entscheidung zur Eingehung einer Bietergemeinschaft vertretbar erscheint (Senat, aaO, juris Rn. 16 mwN). Auf Aufforderung haben die beteiligten Unternehmen hierzu vorzutragen, um dem Auftraggeber eine gezielte kartellrechtliche Einzelfallprüfung zu ermöglichen (Senat, Beschluss v. 17.02.2014, VII-Verg 2/14, ... Rn. 36 mwN). Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist die Bildung der Bietergemeinschaften der Beigeladenen wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Zusammenschlüsse waren jeweils im Rahmen einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung vertretbar: ....“ – Auch OLG Celle, Beschl. v. 08.07.2016 - 13 Verg 2/16 - Uni-Betriebsführung – Kältezentrale - §§ 1 GWB, 19 III f EG VOL/A – Bietergemeinschaft und Zulässigkeit: “b) Der Ausschlussgrund nach § 19 EG Abs. 3 lit. f) VOL/A setzt eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede voraus. ... Die Bildung von Bietergemeinschaften und deren Gleichbehandlung mit Einzelbewerbern ist in sämtlichen Vergabeordnungen, so auch in dem hier maßgeblichen § 6 EG Abs. 2 VOL/A, ausdrücklich vorgesehen und daher nicht per se unzulässig. Die Bildung einer Bietergemeinschaft und die Abgabe eines gemeinsamen Angebots kann gegen Art. 101 AEUV, § 1 GWB verstoßen, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juni 2015 - VII - Verg 17/15, juris Rdnr. 13). Es gelten folgende Grundsätze: aa) Verstöße gegen das Kartellrecht sind im Vergabeverfahren und im Nachprüfungsverfahren grundsätzlich zu überprüfen, und zwar im Wege einer inzidenten Prüfung innerhalb einer vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2012 - X ZB 9/11, juris Rdnr. 14; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juni 2015 - VII - Verg 6/15, juris Rdnr. 19; Beschluss vom 17. Februar 2014 - VII - Verg 2/14, juris Rdnr. 20; Wanderwitz, WRP 2016, 684 [685). Es steht mithin nicht im Belieben des öffentlichen Auftraggebers, ob die Eingehung einer Bietergemeinschaft als ein Kartellrechtsverstoß anzusehen ist oder nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juni 2015 - VII - Verg 17/15, juris Rdnr. 12). bb) Grundsätzlich kann die Bildung einer Bietergemeinschaft eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede darstellen, wenn sich die Mitglieder der Bietergemeinschaft in demselben Marktsegment gewerblich betätigen, dort (ansonsten) in einem Wettbewerb stehen und in der Lage wären, sich - jeweils eigenständig - an Ausschreibungen der vorliegenden Art zu beteiligen (OLG Schleswig, Beschluss vom 15. April 2014 - 1 Verg 4/13, juris Rdnr. 48). Die Verabredung einer Bietergemeinschaft in Bezug auf eine Auftragsvergabe schließt regelmäßig die gegenseitige Verpflichtung ein, von eigenen Angeboten abzusehen und mit anderen Unternehmern nicht zusammenzuarbeiten, was grundsätzlich den Tatbestand einer Wettbewerbsbeschränkung i. S. des § 1 GWB erfüllt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. November 2011 - VII - Verg 92/11, juris Rdnr. 7; Wanderwitz, a. a. O., 684 [687]). Dabei sind Bietergemeinschaften zwischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen kartellrechtlich eher unbedenklich, weil unter ihnen in der Regel kein Wettbewerb besteht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. November 2011, a. a. O., juris Rdnr. 7), während sogenannte horizontale Bietergemeinschaften, die sich auf demselben Markt gewerblich betätigen und zueinander jedenfalls in einem potentiellen Wettbewerbsverhältnis stehen, wettbewerbsrechtlich problematisch sein können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2014, a. a. O., juris Rdnr. 35; Wanderwitz, a. a. O., 684 [688]). cc) Bietergemeinschaften zwischen auf demselben Markt tätigen Unternehmern sind aber als wettbewerbsunschädlich anzusehen (siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juli 2015, a. a. O., juris Rdnr. 14; Beschluss vom 17. Februar 2014, a. a. O., juris Rdnr. 35; Wanderwitz, a. a. O., 684 [687, 688]), - sofern die beteiligten Unternehmen ein jedes für sich objektiv aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse (z. B. mit Blick auf Kapazitäten, technische Einrichtungen und/oder fachliche Kenntnisse) zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenständigen Angebot nicht leistungsfähig sind, oder - sie für sich genommen zwar leistungsfähig sind (insbesondere über die erforderlichen Kapazitäten verfügen), Kapazitäten aufgrund anderweitiger Bindung aktuell jedoch nicht einsetzbar sind, oder - die beteiligten Unternehmen für sich genommen leistungsfähig sind, aber im Rahmen einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Entscheidung erst der Zusammenschluss ein Erfolg versprechendes Angebot ermöglicht (subjektives Kriterium).Liegt einer der vorgenannten Fälle vor, wird durch die Zusammenarbeit in der Bietergemeinschaft der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern aufgrund des gemeinsamen Angebots erst ermöglicht und gestärkt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juli 2015, a. a. O.; OLG Schleswig, Beschluss vom 15. April 2014, a. a. O., juris Rdnr. 48). Dient die Beteiligung an einer Bietergemeinschaft hingegen lediglich dem Zweck, die Chancen auf einen Zuschlag zu steigern, oder mit der Hilfe der Bietergemeinschaft Synergiepotentiale oder -effekte zu realisieren, ist eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Absprache zu bejahen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2014, a. a. O., juris Rdnr. 38; KG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - Verg 11/13, juris Rdnr. 34; Wanderwitz, a. a. O., 684 [688]; Hausmann/Queisner, NZBau 2015, 402 [404]). dd) Darüber hinaus bedarf es einer spürbaren Auswirkung durch die Vereinbarung der Unternehmer, sich als Bietergemeinschaft an der Ausschreibung zu bewerben (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1983 - KRB 3/83, juris Rdnr. 12; VK Südbayern, Beschluss vom 1. Februar 2016 - Z3-3-3-194-1-58-11/15, juris Rdnr. 146; Wanderwitz, a. a. O., 684 [689]). Eine Spürbarkeit ist dann zu bejahen, wenn die Zuschlagschancen der übrigen Bieter beeinträchtigt werden. Denn durch die Erteilung des Zuschlags an eine Bietergemeinschaft verwirklicht sich die Wettbewerbsbeschränkung in einem Ausschreibungsmarkt und wird nach außen hin spürbar (Wanderwitz, a. a. O., 684 [691]). ee) Die Entscheidung eines Unternehmens, sich als Mitglied einer Bietergemeinschaft an einer Ausschreibung zu beteiligen, unterliegt einer Einschätzungsprärogative der beteiligten Unternehmen, die nur beschränkt auf die Einhaltung ihrer Grenzen kontrollierbar ist.Sie muss freilich auf objektiven Anhaltspunkten beruhen, deren Vorliegen uneingeschränkt zu überprüfen ist, so dass die Entscheidung zur Eingehung einer Bietergemeinschaft vertretbar erscheint (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juli 2015, a. a. O., juris Rdnr. 16; Hausmann/Queisner, a. a. O., 402 [404]). Maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit der Bietergemeinschaft ist die Situation zum Zeitpunkt der Gründung der Bietergemeinschaft im Hinblick auf die Frist für die Angebotserstellung und auf den voraussichtlichen zeitlichen Rahmen der Leistungserbringung nach der Erteilung des Zuschlags (Hausmann/Queisner, a. a. O., 402 [404]). ff) Der als Bieter auftretenden Bietergemeinschaft obliegt es, die objektiven Umstände als auch die kaufmännischen bzw. Zweckmäßigkeitserwägungen darzulegen, die für die Bildung der Bietergemeinschaft wesentlich waren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - VII - Verg 22/14, juris Rdnr. 21; Hausmann/Queisner, a. a. O., 402 [403]). gg) Die Beigeladene hat im Teilnahmewettbewerb mit ihrem Schreiben vom 11. Februar 2015 (Ordner 4) sowie im Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 18. März 2016 (Bl. 591ff. VKA) zu der Leistungsfähigkeit der E. GmbH und der Stadtwerke G. AG sowie zu den Erwägungen, die zur Entscheidung des Zusammenschlusses geführt haben, vorgetragen. Diese nachvollziehbare und widerspruchsfreie Darstellung ist ausreichend konkret und umfassend, um der ihr obliegenden Darstellungslast zu genügen. Auf dieser Grundlage kann der Senat feststellen, dass die Bildung der Bietergemeinschaft für beide Lose wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig erscheint und sich daher als vertretbar darstellt.“ - Zulässigkeit der Bietergemeinschaft bei Nachweis auf Anforderung - OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.06.2016 - 1 Verg 2/16 – Abfallbeseitigung - Grundsätze:Bietergemeinschaften zwischen gleichartigen Unternehmen können wettbewerbsunschädlich sein, wenn die beteiligten Unternehmen ein jedes für sich zu einer Teilnahme an der Ausschreibung mit einem eigenständigen Angebot aufgrund ihrer betrieblichen oder geschäftlichen Verhältnisse (z.B. mit Blick auf Kapazitäten, technische Einrichtungen und/oder fachliche Kenntnisse) objektiv nicht leistungsfähig sind, und erst der Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft sie in die Lage versetzt, sich daran zu beteiligen, so dass die Entscheidung zur Zusammenarbeit auf einer wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Unternehmensentscheidung beruht (vgl. BKartA Bonn, Beschluss vom 05. Januar 2016 - VK 1 - 112/15 - juris, Rn. 42). Maßgebend ist somit, ob eine selbständige Teilnahme der Bietergemeinschaftsmitglieder an einer Ausschreibung wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1983 - KRB 3/83 - juris, Rn. 16). Nicht ausreichend ist hingegen das von jedem Kartell verfolgte Ziel, Aufwendungen zu sparen oder die zu erzielende Vergütung zu maximieren (Jäger/Graef, NZBau 2012, 213, 215). Die zulässige Eingehung einer Bietergemeinschaft ist hiernach nicht allein davon abhängig, dass die beteiligten Einzelunternehmen objektiv - was, sieht man von der Fa. J B r Entsorgungs-GmbH ab, streitig ist - nicht in der Lage sind, den Auftrag allein auszuführen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1983 - KRB 3/83 - juris, Rn. 15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01. Juli 2015 - VII-Verg 17/15 - juris, Rn. 14). Ist der Zusammenschluss in einer Bietergemeinschaft wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig wird durch die Zusammenarbeit der Wettbewerb nicht nur nicht beschränkt, sondern aufgrund des gemeinsamen Angebots gestärkt. In subjektiver Hinsicht ist außerdem darauf abzustellen, ob die Zusammenarbeit eine im Rahmen wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Unternehmensentscheidung darstellt. Dabei ist den beteiligten Unternehmen eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen, deren Ausübung im Prozess nicht uneingeschränkt, sondern - wie im Fall eines Beurteilungsspielraums - lediglich auf die Einhaltung ihrer Grenzen, kurz zusammengefasst: auf Vertretbarkeit, zu kontrollieren ist (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 01. Februar 2016 - Z3-3-3194-1-58-11/15 - juris, Rn. 133 mwN; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01. Juli 2015 - VII-Verg 17/15 - juris, Rn. 16). Die als Bieter auftretende Bietergemeinschaft muss daher darlegen, dass ihre Bildung und Angebotsabgabe nicht gegen § 1 GWB verstößt.“