Notwendige Unterstützung von oben fehlt

Einkaufen kann nur die Fachkraft mit Ausbildung. Ob allerdings die Leitung der öffentlichen Auftraggeber der Beschaffung das richtige Gewicht beimisst? Das fragen sich die Fachleute der CitoExpert GmbH.

Immerhin geht es um die Verwendung von öffentlichen Mitteln. Prof. Dr. Harald Bartl von CitoExpert: „In vielen Berichten von Einkäufern der öffentlichen Hand kommt zum Ausdruck, dass die notwendige Unterstützung von oben fehlt. Die Tätigkeit des Einkaufs wird vielfach in ihrer Bedeutung nicht richtig eingeschätzt. Auch die Schwierigkeiten und Probleme der Beschaffung werden unterschätzt. Kontrollen und Prüfungen nach der Vergabe sollen es richten. Für die Unterstützung in den auch bei kleineren komplizierten Vergabeverfahren aber fehlt nicht selten die erforderliche Sensibilität manches Vorgesetzten. Freilich finden sich auch Behördenleiter in den Seminaren – aber das sind die Ausnahmen.“

Und das, obwohl jetzt auch Vergaben mit niedrigen Auftragswerten vor allem von kleineren und mittleren Unternehmen nicht erst heute kritisch betrachtet werden. In einer Zeit, in der jedes Unternehmen um Aufträge der öffentlichen Hand kämpft, werden die Vergaben von den Unternehmern nachdrücklicher als früher verfolgt. Es wird sogar versucht, Auftragsvergaben mit Hilfe der Zivil- und Verwaltungsgerichte zu überprüfen. Das scheitert zwar im Regelfall, weil unterhalb der so genannten Schwellenwerte derzeit keine ernsthafte Möglichkeit besteht, den Zuschlag zu stoppen. Berichte in den Medien und „Gerüchte“ sorgen aber für Imageverluste und einen permanenten Verdacht, dass es bei Auftragsvergaben „nicht immer mit rechten Dingen“ zugeht.

Information, Schulung und Unterstützung der Mitarbeiter in Beschaffungsstellen können und müssen hier für Abhilfe sorgen. Die Leitung der jeweiligen Auftrageber kann und darf nur qualifizierte Mitarbeiter für die Beschaffung einsetzen. Andernfalls setzt sie sich selbst entsprechenden Vorwürfen aus. Kompetenz- und Organisationsmängel treffen die Leitung der Einrichtungen der öffentlichen Hand.

Vielfach fehlt auch die aktuelle Information über den neuesten Stand des Vergaberechts, insbesondere über die teilweise bereits eingetretene Vergaberechtsreform 2009.

Nebenbei ist zu bemerken, dass auch die Reform der §§ 97 ff GWB zahlreiche Streitpunkte enthält, mit der sich die aktuelle Literatur schon intensiv befasst. Der deutsche Gesetzgeber ist zwar in der vergangenen Legislaturperiode besonders aktiv gewesen (verabschiedete Gesetze und Verordnungen in einer bisher früher nicht erreichten Zahl). Aber: Die „Menge“ macht es bekanntlich nicht.

Die Vergaberechtsreform ist im Wahlkampf stecken geblieben. Zwar sind die neuen Vorschriften der §§ 97 ff GWB 2009 am 24.4.2009 in Kraft getreten (vgl. „Texte“ in www.vergabetip.de). Diese Vorschriften beziehen sich aber nur auf Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte (VOL/A- und VOF-Aufträge über 206.000 €, VOB/A-Aufträge bis 5.150.000 €). Hier besteht aber erhebliche Verunsicherung bei den Mitarbeitern, die teils auch Auswirkungen des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts insgesamt annehmen.

Für die Tagesarbeit, also die Vergaben unterhalb der Schwellenwerte, hat die Reform jedoch noch nichts gebracht (Ausnahmen merkwürdigerweise für Beschaffungen nach dem Konjunkturpaket II). Nach wie vor gelten hier die bisherigen Bestimmungen der VOL/A und VOB/A 2006 – also die so genannten Basis-§§.

Die Vergabeverordnung 2009 ist nämlich noch nicht in Kraft getreten, obwohl der Text seit April 2009 ebenfalls bereits vorliegt. Sie wird in dieser Legislaturperiode nach aktuellen Informationen erst Ende des Jahres nach der Bundestagswahl erlassen werden. Davon abhängig sind die Neufassungen der VOL/A, VOB/A und der VOF. Hier allerdings ist kritisch anzumerken, dass die bekannt gewordenen Entwürfe vor allem von VOL/A und VOB/A mehr als kritisch zu betrachten sind. „Das sind ausgesprochene Fehlleistungen, die nicht weiterführen“, kommentiert Prof. Dr. Harald Bartl.

Für nationale Vergabeverfahren (ca. 80 % aller Vergaben als tägliches Geschäft) ändert sich damit nur auf den ersten Blick zunächst nichts. Allerdings gilt hier nach wie vor, dass sich die Mitarbeiter auf dem neuesten Stand halten müssen. Auswirkungen neueren Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte in Schadensersatzprozessen, sind zu beachten.

Aktuelle Schulung ist folglich unumgänglich, da die Unsicherheit bei der Bewältigung des Tagesgeschäfts nach den Feststellungen von CitoExpert bei vielen Mitarbeitern stark verbreitet ist. Auch hier darf und kann die Beschaffung von der Führung der Vergabestellen im Übrigen nur delegiert werden, wenn die Mitarbeiter entsprechend ausgebildet worden sind. Gerade auch diese „kleineren“ Vergaben sind vermehrt im Blick der Öffentlichkeit, der internen Revision, der Rechnungshöfe, des Steuerzahlerbundes und natürlich auch der Bewerber und Bieter. Speziell die hier besonders betroffenen mittleren und kleineren Unternehmen sind hier „aktiver“ als früher und äußern sich teils sogar auch kritisch in den Medien.

Für eine effektive Beschaffung sind professionelle Organisation, qualifizierte Mitarbeiter und eine Mindestausstattung mit aktuellen Hilfen unumgänglich. Dadurch können, so die Ansicht von Fachleuten wie Prof. Dr. Harald Bartl von CitoExpert, regelmäßig im Einkauf Kosten von mindestens 15 % jährlich eingespart werden.

Man sollte sich vor Augen halten, dass die öffentliche Hand alljährlich nach Schätzungen ca. 400 bis 500 Milliarden ausgibt. Selbst in kleineren öffentlichen Einrichtungen mit entsprechendem Budget macht sich der professionelle Einkauf damit auf jeden Fall bezahlt. Entsprechende Konsequenzen müssen daher gezogen werden. Die verantwortliche Führung der öffentlichen Stellen ist damit eindeutig gefordert – vor allem in Zeiten knapper werdender Mittel.

Letzte Anmerkung: Die Reform der §§ 97 ff GWB ist kaum in Kraft getreten, da ist sie bereits Gegenstand erheblicher und auch berechtigter Kritik (vgl. den Streit in der Literatur zur Frage der sozialen, umweltbezogenen und innovativen Aspekte – Unklarheiten der Auslegung des § 97 IV GWB zu dem Merkmal „in der Leistungsbeschreibung“ sowie „im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand“ – hierzu etwa Diemon-Wies/Graiche, NZBau 2009, 409; Varga, Zsofia, VergabeR 2009, 535; Mohr, Jochen, VergabeR 2009, 543; Frenz, Walter, VergabeR 2009, 569; vgl. auch Hattig, Oliver, Bericht 13. Badenweiler Gespräche, VergNavi 2009, 13 („gemischte Bilanz“, § 97 IV GWB als ordnungspolitischer Sündenfall?).

Einfacher wird in der Beschaffung nichts.

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