Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs

In einer lange erwarteten Grundsatzentscheidung vom 11.05.2009 hatte sich der Bundesgerichtshof mit den Folgen der Verlängerung der Zuschlagsfrist zu befassen, zu der es im Einvernehmen mit den Betracht kommenden nach § 28 Nr. II VOL/A vielfach kommen kann.

In bisherigen Entscheidungen war diese Fallgestaltung bereits bedeutsam. Besonders kritisch war und ist es, wenn der Auftraggeber sich hier nicht zu einer Vertragsanpassung bereit erklärt und den Auftragnehmer z. B. trotz eines entsprechenden des Ausragnehmers verbindlich auffordert, zu den Preisen des Angebots zu leisten.

Lehnt der Auftragnehmer dies ab, so liegt der weitere schwerwiegende Fehler darin, dass der Vertrag nach § 8 Nr. 1 I VOB/A gekündigt wird; denn die Voraussetzungen für einen Auftragsentzug liegen hier nicht vor. Vielmehr stehen in diesen Fällen der Kündigung dem Auftragnehmer Ansprüche nach § 649 BGB zu, d. h. der Auftragnehmer rechnet auf der Basis der vereinbarten Vergütung (abzüglich Ersparnisse und „anderweitige Erlöse“) ab. Es ist also zu zahlen. Dann geht es nur noch um die Höhe der Ansprüche des Auftragnehmers.

Die weitere Folge ist, dass der Auftraggeber nochmals ein Vergabeverfahren durchzuführen hat; denn das alte Vergabeverfahren ist „verbraucht“ und lebt nicht wieder auf. Es kann also nicht einfach dem Bieter mit 2. Rang der Auftrag erteilt werden. Dadurch geht erhebliche Zeit verloren, zusätzliche Aufwendungen entstehen, und im Übrigen sind höhere Vergütungen infolge zwischenzeitlicher Preissteigerungen zu zahlen. Die dadurch entstehenden Nachteile sind enorm und führten z. B. in einem von dem OLG Thüringen/Jena bereits am 22.03.2005 entschiedenen Fall zu Mehrkosten von mehr als ca. zehn Millionen €. Den Auftraggeber trifft folglich ein schwerwiegendes Risiko. Er trägt die Verantwortung für die Verspätung des Zuschlags.

BGH, Urt. v. 11.5.2009 - VII ZR 11/08 – NZBau 2009, 370 - §§ 133, 157 BGB, 28 VOB/A, 2 Nr. 5 VOB/B - Anspruch auf Mehrvergütung nach verzögertem Vergabeverfahren – Ablehnung des Anspruchs auf Mehrvergütung – Zustimmung zur Bindefristverlängerung einschränkungslos - Leits.: „a) Ein Zuschlag in einem durch ein Nachprüfungsverfahren verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen erfolgt auch dann zu den ausgeschriebenen Fristen und Terminen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können. b) Der so zustande gekommene Bauvertrag ist ergänzend dahin auszulegen, dass die Bauzeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der vertragliche Vergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen sind.“ – Volltext der Entscheidung unter www.vergabetip.de (Link: VOLaktuell 7/2009).

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen – jedenfalls im Ergebnis. Die Entscheidung befasst sich ausführlich auch mit dem Vertragsschluss im Vergabeverfahren. Letztlich gelten hier die §§ 151 1. Halbs., 133, 157, 150 BGB.

Es ist freilich nicht erstaunlich und überraschend, dass die Vergabestelle eine Vertragsänderung ablehnte. Bekanntlich verlangen die haushaltsrechtlichen Bestimmungen, dass Vertragsänderungen nur unter entsprechenden Voraussetzungen zulässig sind. Vor dem Zuschlag im Vergabeverfahren scheiden sie entsprechend der BGH-Entscheidung im Grunde aus. Nach Vertragsschluss bestehen u. a. auch die haushaltsrechtlichen Hürden; vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 24.11.2008 – 10 U 97/08 - VergabeR 2009, 514, m. Anm. v. Herrmann, Alexander – Bahnhofsanlage – Sektorenbereich – Erhöhung der Stahlpreiskosten; ferner OLG Naumburg, Urt. v. 2.1.2008 – 1 U 42/08 – NZBau 2009, 379 – Brückenbau – verspäteter Zuschlag infolge Nachprüfungsverfahren (7 Wochen später) – Risiko der verzögerten Vergabe trägt Auftraggeber; auch OLG Jena, Urt. v. 22.03.2005 - 8 U 318/04 – NZBau 2005, 341 – Talsperren Leibis-Lichte – voreiliger Auftragsentzug mit schwerwiegenden Folgen.

~1503