Primärrechtsschutz - Nachprüfungsverfahren - auch Vergabeüberprüfungsverfahren

Übersicht

1. Vergabekammer - VK - Rechtsschutz im EU-Verfahren

2. Rechtsschutz im "Unterschwellenbereich"

Voraussetzung für das Nachprüfungsverfahren istgrundsäzlich ein EU-weites Verfahren mit oberschwelligem Auftragswert (vgl.§§ 97, 106 GWB. Unterhalb der Schwellenwerte ist grundsätzlich kein Nchprüfungsverfahren vorgesehen (vgl. aber die landeserechtlichen Vorschriften).

Nur auf Antrag leitet die VK das Nachprüfungsverfahren nach den §§ 160 ff GWB  ein. Vgl. insofern die Stichworte Rüge -Präklusion - Akteneinsicht  - Bechwerde etc.
Übersicht

  • GWB – Nachprüfungsverfahren
  • Kapitel 2
  • Nachprüfungsverfahren
  • Abschnitt 1
  • Nachprüfungsbehörden
  • 156 Vergabekammern
  • 157 Besetzung, Unabhängigkeit
  • 158 Einrichtung, Organisation
  • 159 Abgrenzung der Zuständigkeit der Vergabekammern
  • Abschnitt 2
  • Verfahren vor der Vergabekammer
  • 160 Einleitung, Antrag
  • 161 Form, Inhalt
  • 162 Verfahrensbeteiligte, Beiladung
  • 163 Untersuchungsgrundsatz
  • 164 Aufbewahrung vertraulicher Unterlagen
  • 165 Akteneinsicht
  • 166 Mündliche Verhandlung
  • 167 Beschleunigung
  • 168 Entscheidung der Vergabekammer
  • 169 Aussetzung des Vergabeverfahrens
  • 170 Ausschluss von abweichendem Landesrecht
  • Abschnitt 3
  • Sofortige Beschwerde
  • 171 Zulässigkeit, Zuständigkeit
  • 172 Frist, Form, Inhalt
  • 173 Wirkung
  • 174 Beteiligte am Beschwerdeverfahren
  • 175 Verfahrensvorschriften
  • 176 Vorabentscheidung über den Zuschlag
  • 177 Ende des Vergabeverfahrens nach Entscheidung des Beschwerdegerichts
  • 178 Beschwerdeentscheidung
  • 179 Bindungswirkung und Vorlagepflicht
  • 180 Schadensersatz bei Rechtsmissbrauch
  • 181 Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens
  • 182 Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer

 

  • Die Vergabekammern des Bundes (Bundeskartellamt) und der Länder etc. sind im EU-weiten Verfahren für das Vergabeüberprüfungsverfahren als Nachprüfungsbehörden nach den §§ 154 ff GWB zuständig.
  • ie Vergabekammern üben ihre Tätigkeit im Rahmen der Gesetze unabhängig und in eigener Verantwortung aus (§ 157 I GWB). Es handelt sich um eine gerichtsähnliche Institution. Die Mitglieder der Vergabekammer mit einer Amtszeit von fünf Jahren entscheiden unabhängig und sind nur dem Gesetz unterworfen.
  • Das Verfahren richtet sich nach den §§ 160 f GWB.
  • Sehr häufig scheitern  Anträge in Nachpprüfungsverfahren an  fehlender, unsubstantiierter oder  nicht rechtzeitiger Rüge, aber auch an der Antragsbefugnis nach § 160 II GWB, scheitern.
  • Zur notwendigen Rechtsverfolgung wird der Bewerber oder Bieter regelmäßig auf einen spezialisierten Rechtsanwalt angewiesen sein.
  • Der Vergabestelle werden im allgemeinen die Kosten für eine entsprechende Rechtsverfolgung nicht erstattet, da von ihr die Beherrschung des Vergabeverfahrens verlangt wird. Gleichwohl sollten auch Vergabestellen nach aller Erfahrung diese Kostrn für die Rechtsberatung nicht scheuen, da es meist nicht unvorteilhaft ist, wenn ein entsprechender Rechtsberater die Dinge "unabhängig" - damit ist kein Vorwurf erhoben - beurteilt.
  • Die Vergabekammer ist nicht für zivilrechtliche  Schadensersatzansprüche zuständig.

2. Rechtsschutz im Unterschwellenbereich

 

  • Bundesverfassungsgericht - kein Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte
  • Das Bundesverfassungsgericht hat ibereits n seinem lBeschluss vom 13. 6. 2006 (Aktenzeichen: 1 BvR 1160/03) einen Rechtsschutz in Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwerts abgelehnt und die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des OLG Saarbrücken vom 29. 4. 2003 (Aktenzeichen: 5 Verg 4/02) zurückgewiesen. Nach dem BVerfG bindet der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zwar staatliche Stellen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Indessen führt dies nicht dazu, daß nicht berücksichtigte Bieter z. B. bei einem Auftrag von 4 Mio. € effektiv gegen den Zuschlag vorgehen können. Diese Bieter sind damit auf Schadensersatzklagen z. B. bei Zuschlag an den Falschen angewiesen – anders als die unterlegenen Bieter in Vergaben oberhalb von 5 Mio. €, die die Vergabekammern und Oberlandesgerichte zur Überprüfung vor dem Zuschlag anrufen können. Im Rahmen einer Interessenabwägung muß nach dem BVerfG berücksichtigt werden, daß die „kleineren Aufträge“ unterhalb von 5 Mio. € zugunsten der öffentlichen Hand nicht durch Zeit- und Kostenverluste belastet werden sollen, die durch derartige Überprüfungsanträge vor dem Zuschlag entstehen. Damit ist das BVerfG z. B. dem Deutschen Städte- und Gemeindetag, nicht aber dem Deutschen Industrie- und Handelstag gefolgt, der einen entsprechenden Rechtsschutz auch bei kleineren Aufträgen zumindest im Baubereich unterstützt hatte. Speziell mittlere und kleinere Unternehmen werden sich durch die neue Entscheidung des BVerfG im Stich gelassen fühlen. Sie werden auf eine Klage auf entgangenen Gewinn vor den Zivilgerichten verwiesen – sie wollen aber keinen entgangenen Gewinn, sondern vor allem die Aufträge auch unter 5 Mio. € , mit denen sie ihre Mitarbeiter beschäftigen können. Schon jetzt nehmen nach einer Umfrage der IHK Rhein-Main mehr als 60 % der mittleren und kleineren Unternehmen nicht an Vergabeverfahren teil. Dieser Haltung des Mittelstands wird sicherlich nicht durch die Entscheidung des BVerfG entgegengewirkt. Man kann gewiss darüber streiten, ob Aufträge unter 300.000 oder 400.000 € ohne eine Möglichkeit der Zuschlagsverhinderung durch eine gerichtliche Instanz vergeben werden können. Aufträge ab ein oder zwei Mio. € aber sollten doch gerichtlich vor dem Zuschlag überprüft werden können. Weitere Einzelheiten vgl. BVerfG.

 WeitereEntscheidungen

  • Die Produktangabe in der Leistungsbeschreibung steht der Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn es sich um das derzeit eingesetzte Produkt handelt, der Zusatz „oder gleichwertig“ aufgenommen wird, Nebenangebote zugelassen sind und der Auftraggeber auch darüber hinaus deutlich macht, funktionell gleichwertige Produkte zu akzeptieren (OLG Rostock, Beschl. v. 22.11.2019 - 2 U 9-19 – Flugzeughallentore - offen gelassen die Geltung der Wartepflichten unterhalb des Schwellenwerts sowie Voraussetzungen des  Zuschlagsverbots nach § 173 GWB bei Einstweiliger Verfügung).
  • Auch im Unterschwellenbereich sind Vergabesperren wegen Interessenkonflikts nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig (BGH, Beschl. v. 03.06.2020 - XIII ZR 22 – 19 – Vergabesperre - Senatorin (verheiratet mit Mitarbeiter eines Bewerbers).
  • Akteneinsicht ist im unterschwelligen Bereich nicht vorgesehen und ergibt sich auch nicht aus den §§ 242, 810 BGB (OLG Köln, Beschl. v. 29.01.2020 - 11 U 14 – 19 – Krankenhaus).
  • Eine Kostenentscheidung nach Erledigung im Verfahren unterhalb der Schwellenwerte (Einstweilige Verfügung) bei offener Ausgang des Verfahrens („50./.50“ trifft das OLG München (Beschl. v. 19.06.2017 - 21 W 314 / 17 – Demontagearbeiten).
  • Unterhalb des Schwellenwerts ist die Akteneinsicht gesetzlich nicht geregelt und ergibt sich auch nicht aus den §§ 242, 810 BGB (OLG Köln, Beschl. . v. 29.01.2020 - 11 U 14 – 19 – Krankenhaus).

 Literatur:

  • Burgi, Martin, 20 Jahre Rechtsschutz durch Vergabekammern, NZBau 2020, 3, (7)
  • Hausmann, Friedrich Ludwig, Geltung der vergaberechtlichen Rahmenbedingungen für Versorgungsverträge im Unterschwellenbereich, NZBau 2020, 228;
  • Tomerius, Stephan, Die Beauftragung von Architekten- und Ingenieurleistungen im Unterschwellenbereich in der Praxis – Verfahrensgestaltungen und „bestmöglicher  Wettbewerb“ nach § 50 UVgO ZfBR 2020, 646-651;
  • Leinemann, Ralf/Gesing, Simon, Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte und  Kostentragungen,  Vergabe News 2019, 194;
  • im Übrigen zur Vorinformationspflicht Dageförde NZBau 2020, 72; vgl. auch zum Unterschwellenbereich Burgi NZBau 2018, 579; Siegel, NZBau 20219, 353 – (Konzession im Unterschwellenbereich).




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