Nebenangebote - §§ 25 UVgO, 35 VgV - Besonderheiten in § 8 I Nr. 3 VOB/A, § 8 I Nr.3 EUVOB/A.

Grundsätze

Ob Nebenangebote ohne Hauptangebot zugelassen sind, ist in §§ 25 UVgO, 35 II VgV unterschiedlich zu beantworten. Für § 35 II VgV wird Zulässigkeit nur von Nebenangebot ohne Hauptangebot  bejaht. Anders ist dies in § 8a II Nr. 3 a) EU VOB/A geregelt (Nebenangebote ausnahmsweise nur in Verbindung mit einem Hauptangebot -Goede/Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 35 VgV, Rn. 7).

Nebenangebote müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (vgl. §§ 25 S.3 UVgO 35 I VgV, § 8a INr. 3 EU VOB/A). Andere Leistungen ("aliud") erfüllen diese Voraussetzung nicht. Im EU-Verfahren ist die Vorgabe von Mindestanfordrungen mit "Spielraum" für die Bieter und Zuschlagskrierien einheitlich für Hauptangebote und Nebenangebote (kritischer Bereich - Vgl. hierzu Goede/Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 35 VgV, Rn.2, 15, 21).

Der Auftraggeber kann Nebenangebote zulassen oder nicht zulassen. Fehlt eine Angabein den Vergabeunterlagen, so sind keine Nebenangebote zugelassen (vgl. §§ 25 S.2 UVgO, 35 I S. 2 VgV). Werden trotz Nichtzulassung Nebenangebote abgegeben, so sind sie nach §§ 42 I Nr 6 UVgO, 57 I Nr. 6VgV) auszuschließen.

Mindestanforderungen für Nebenangebote sind zwingend nur im Verfahren oberhalb der Schwellenwerte mit Zuschlagskriterien festzulegen (vgl. § 35 II VgV - fehlt in § 25 UVgO). Zur Ausschlussbeschränkung vgl. § 35 III VgV.

Mit Änderungen der Vergabeunterlagen hat dies nichts zutun. Änderungen der Vergabeunterlagen führen zwingend zum Ausschluss (vgl §§ 42 I Nr. 4 UVgO, 57 I Nr. 4 VgV).

Alternativangebote (vom Auftrageber in den Vergabeunterlagen abgefragte alternative Ausführung) stellen kene Zulassungvon Nebenangeboten dar. Der Bieter mussneben dem Hauptangebot das geforderte  Alternativangebot abgeben (vgl. hierzu Goede/Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 35 VgV, Rn.2.

Praxishinweis

Nebenangebote sind vor allem sinnvoll, wenn es sich um Branchen handelt, in denen eine hohe Innovationsintensität gegeben ist. Ferner können sie (an sich unzulässige - vgl. §§ 20 UVgO, 28 VgV: Martkerkundung) veralteten, überholten Leistungsbeschreibungen im Einzelfall "vorbeugen", da die Interessenten vielfach auf die fehlende Aktualität hinweisen dürften. An sich müsste sich eine aktuelle Leistungsbschreibung im Rahmen der Markterkundung (vgl.§ 20 UVgO, 28 VgV) ergeben. Sind keine Nebenangebote zugelassen, so sind Nebenangebote auszuschließen (vgl. § 42 I Nr. 6 UVgO - auch § 57  I Nr. 6 VgV).

Ermessensentscheidung
Ob der Auftraggeber Nebenangebote zulässt, steht in seinem Ermessen ("kann" -vgl. § 25 UVgO, § 35 VgV - auch  §§ 8 II Nr. 3 VOB/A, 8 II Nr. 3 EU-VOB/A. Fehlen entsprechende Angaben über die Zulassung, so sind keine Nebenangebote zugelassen. Unterhalb der Schwellenwerte ist nicht vorgeschrieben, dass bei Zulassung auch Mindestbedingungen vorgeschreben werden (anders im oberschwelligen Verfahren, das nicht nur insofern einen höheren Aufwand erfordert).

Vgl. Bartl/Bartl/Schmitt, UVgO 2017, § 25 - Auszug:

§ 25 Nebenangebote

Der Auftraggeber kann Nebenangebote bei Öffentlichen Ausschreibungen und Verfahrensarten mit Teilnahmewettbewerb bereits in der Auftragsbekanntmachung, ansonsten in den Vergabeunterlagen zulassen. Fehlt eine entsprechende Angabe, sind keine Nebenangebote zugelassen. Nebenangebote müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Bei der Entscheidung über den Zuschlag sind die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung zu beachten.

 Kommentierung

1. Zulassung bzw. fehlende Angabe

Die Regelung des § 25 UVgO entspricht im Wesentlichen § 35 I VgV. Fehlt eine entsprechende Angabe in der Auftragsbekanntmachung, so sind keine Nebenangebote zugelassen. Sofern keine Bekanntmachung erfolgt, ist die Angabe in die Vergabeunterlagen aufzunehmen („ansonsten“ – vgl. auch u. Erläuterungen). Fehlt eine entsprechende Angabe, so sind eingereichte Nebenangebote nach § 42 I Nr. 6 UVgO (vgl. auch § 57 I Nr. 6 VgV) zwingend auszuschließen.

 Ist in einer Auftragsbekanntmachung keine Angabe enthalten, so kann diese nachträglich oder nur in die Vergabeunterlagen aufgenommen werden. Denkbar ist auch eine öffentliche Korrektur der Bekanntmachung bzw. der Vergabeunterlagen (sofern keine Bekanntmachung) mit Änderung der Angebotsfristen etc.

So wohl Kulartz u. a., VgV, § 35 Rn. 10, m. Hinw. auf OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.01.2015 – VII Verg 31/14; a. A. Bartl, § 35 VgV Anm. 1; vgl. auch Müller-Wrede, Malte, Hrsg., VOL/A, 4. Aufl., 2014, § 9 EG VOL/A Rn. 71.

 Der Auftraggeber kann anders als im EU-Verfahren (vgl. § 35 I VgV: „...zulassen oder vorschreiben..“) das Einreichen von Nebenangeboten nicht vorschreiben (so ausdrücklich die Erläuterungen – s. u.). Auch ein „Ausweichen“ auf unzulässige Optionen, Bedarfspositionen oder Parallelausschreibungen ist damit (Umgehung?) nicht gestattet.

 2. Nebenangebote in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand

Wie in § 35 I S. 2 VgV „müssen“ die Nebenangebote mit dem „Auftragsgegenstand“ in Verbindung stehen.

Eine „Verbindung“ mit dem Hauptgegenstand liegt jedenfalls dann vor, wenn das Nebenangebot im Ergebnis an die Stelle des ausgeschriebenen Hauptgegenstands treten kann. Hierbei kann es sich um teilweise und vollständige Abweichungen vom Hauptgegenstand handeln, soweit die Leistung die funktionalen oder konstruktiven Anforderungen erfüllt.

 

Nebenangebote nutzen folglich den technischen oder funktionalen Spielraum aus, der sich im Vergleich mit dem Hauptgegenstand erschließt. Der Nachweis für die „Verbindung“ mit dem Hauptgegenstand obliegt dem Auftragnehmer.

 

Von einer Koppelung an ein Hauptangebot – mithin nur zusammen mit einem Hauptangebot – ist in der Vorschrift nicht die Rede. Es ist also möglich, nur ein zugelassenes Nebenangebot ohne ein Hauptangebot abzugeben. Die Vorschrift des § 25 UVgO schließt nicht aus, dass der Auftraggeber Nebenangebote nur zusammen mit der Abgabe eines Hauptangebots zulässt. Jedenfalls steht dem § 25 UVgO nicht entgegen. Hierfür kann es sachliche Gründe geben (z. B. bessere Vergleichbarkeit der beiden Angebote).

 3. Mindestanforderungen

Anders als nach bisherigem Recht im oberschwelligen Verfahren hat der Auftrageber nach § 25 UVgO keine Mindestanforderungen vorzugeben, wenn er Nebenangebote zulässt. Das stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung überein.

Hierzu BGH, Urt. v. 30.8.2011 – X ZR 55/10 – Regenentlastung.

 Wenn der Auftraggeber damit bei der Zulassung von Nebenangeboten keine Pflicht zur Angabe von Nebenangeboten hat, kann er gleichwohl Mindestangaben vorsehen, soweit er damit nicht den erforderlichen „Spielraum“ des Bieters beseitigt.

Dann wäre die Zulassung des Nebenangebots „sinnlos“.

Insofern sollte an die Grundsätze gedacht werden, die § 35 II VgV enthält.

Vgl. die Begründung des RegE zu § 35 II VgV: „Die für Nebenangebote vorzugebenden Mindestanforderungen brauchen dabei im Allgemeinen nicht alle Details der Ausführung zu erfassen, sondern dürfen Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen und sich darauf beschränken, den Bietern, abgesehen von technischen Spezifikationen, in allgemeinerer Form den Standard und die wesentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine Alternativausführung aufweisen muss.“ Zum früheren Recht auch Bartl, VgV, § 35 Anm. 2 m. w. Nachw.; zu Mindestanforderungen und „Konkretisierung OLG Koblenz, Beschl. v. 26.7.2010 – 1 Verg 6/10 – ZfBR 2010, 708 – hierfür nicht erforderlich die Einstellung auf jede denkbare Variante oder „gar für jede Position der Leistungsbeschreibung.

 

4. Zuschlagskriterien und Zuschlag

§ 25 S. 4 UVgO verlangt für die Entscheidung über den Zuschlag die Beachtung der Transparenz und Gleichbehandlung. Das folgt ohnehin bereits aus § 2 I, II UVgO. Wie den Erläuterungen (s. u.) zu entnehmen ist, wurde auf die Übernahme von § 35 Absatz 2 und 3 VgV bewusst verzichtet.

Vgl. Bartl, VgV, § 35 Anm. 3 - ..“die für das oberschwellige Verfahren geltenden Bestimmungen sind daher im unterschwelligen Verfahren nicht maßgeblich: Für Hauptangebote und Nebenangebote sind Zuschlagskriterien so festzulegen, dass sie unterschiedslos auf beide Angebotsarten anwendbar sind. Von einer „Gleichwertigkeit“ mit dem „Amtsvorschlag“ (= Hauptangebot) muss nicht ausgegangen werden. Allerdings muss das Nebenangebot die „Mindestanforderungen“ erfüllen. Andernfalls darf es nicht gewertet werden. Nicht mehr unzulässig ist es, den Preis alleiniges Kriterium festzulegen. Wie der Begründung zu Abs. II zu entnehmen ist, kann es hier zu Problemen der Wertung kommen. Es wird in der Begründung daher empfohlen, die Mindestanforderungen „besonders sorgfältig“ festzulegen. Das frühere Verbot des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium hat sich durch die Neufassung erledigt.“

 

Folglich darf die Zuschlagsentscheidung hinsichtlich der Nebenangebote nicht intransparent oder diskriminierend sein. Diskriminierend wäre, wenn für Nebenangebote andere Kriterien (vgl. § 43 UVgO) vorgesehen würden als für das Hauptangebot. Für die Transparenz sind die in § 43 UVgO enthaltenen Grundsätze zu beachten – insbesondere § 43 V UVgO (s. dort).

 5. Lieferauftrag und Dienstleistungsauftrag

Anders als § 35 III S. 2 VgV enthält § 25 UVgO keine Regelung für die Fälle, in denen das Nebenangebot nicht mehr ein Lieferauftrag ist, sondern infolge des „Spielraums“ zum Dienstleistungsauftrag (Lieferung mit höherwertigen Dienstleistungen) wird. Das entsprechende Nebenangebot darf dann auch grundsätzlich im unterschwelligen Verfahren nicht ausgeschlossen werden. Dem Wechsel von Lieferung zu Dienstleistung wird in § 25 UVgO keine Bedeutung zugemessen („gemischter Vertrag“ mit höherem Wert der Dienstleistung im Vergleich zur Lieferung (vgl. § 110 II Nr. 2. GWB – höherer Wert entscheidend für Einordnung).

Voraussetzung ist  auch hier, dass das Nebenangebot im Ergebnis gleichwertig mit „Amtsvorschlag“ für das Hauptangebot ist bzw. (falls vorgegeben) die „Mindestanforderungen“ erfüllt sind.

___________________________ Ende Auszug

6. Rechtsprechung

7. Literatur