Die Antragsbefugnis nach § 160 GWB (zuvor § 102 II GWB) war nicht unumstritten.

Antragsbefugt ist jeder Bieter, der ein Angebot abgegeben oder nachweist, daß er nicht in der Lage war (z.B. infolge der fehlerhaften Leistumgsbeschreibung nicht zur Angebotsabgabe in der Lage ist - neben den anderen in § § 160 I, IIGWB- vorher 102 II GWB - genannten Voraussetzungen.

§ 160 GWB

Einleitung, Antrag

  • Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.
  • Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Verga­bevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
  • Der Antrag ist unzulässig, soweit
  1. der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
  2. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung er­kennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung be­nannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftrag­geber gerügt werden,
  3. Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkenn­bar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur An­gebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
  4. mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.

Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

Entscheidungen

EuGH, Urt. v. 28.11.2018 - C‑328/17 - Vergabe des Nahverkehrsdiensts ohne förmliche Ausschreibung – Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Antragsbefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnis ohne Teilnahme am Wettbewerb bei Verhinderung des Angebots durch Vergabeunterlagen (Rn. 43 ff) Nachprüfungsverfahren „zumindest“ für jeden, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen Auftrag hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen umgesetzte nationale Regelungen ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht; grundsätzlich aber Teilnahme am Wettbewerb Voraussetzung, jedoch dann keine Angebotsabgabe z. B. bei „angeblich diskriminierenden Spezifikationen“ in Vergabeunterlagen und dadurch keine Aussicht Zuschlags – kein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch Nachweisverlangen, dass die Klauseln der Ausschreibung bereits die Abgabe eines Angebots unmöglich machen – ferner Einschränkung durch Beschleunigungs- und Effizienzziele: Antrag auf Nachprüfung nicht nach Entscheidung des Auftraggebers über die Vergabe des Auftrags.

KG Berlin, Beschl. v. 07.01.2020 - 9 U 79 – 19 - Erd- und Abbrucharbeiten – Rechtsschutz unter Schwellenwert (im Streitfall verneint) – grundsätzliche und lesenswerte Entscheidung (einstweilige Verfügung auf Unterlassung bzw. „Weiterführung“ der Vergabe) zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte, zur „zeitlichen Reichweite“ vergabe- und zivilrechtlicher Ansprüche vom Beginn bis zum Ende des Vergabeverfahrens (Aufhebung oder hier Zuschlag) – keine Mitteilungs- und Wartepflicht nach § 134 GWB unterhalb der Schwellenwerte in Berlin (anders im Landesrecht z. B. in Thüringen) und keine entsprechende Anwendung des § 135 GWB bzw. Unwirksamkeit im unterschwelligen Vergabeverfahren (Ausnahme bei hier nicht vorliegender Binnenmarktrelevanz) – im Streitfall keine sonstigen Ansprüche aus §§ 823, 826 BGB bzw. Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB – amtliche Leitsätze: 1. Zum Rechtsschutz bei Vergabeverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts der §§ 97 ff. GWB. 2. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts besteht Primärrechtsschutz grundsätzlich erst mit Beginn des Vergabeverfahrens und erlischt mit seiner Beendigung (vgl. Senat, Urteil vom 28.06.2019 – 9 U 55/18 –, juris Rn. 45). 3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts besteht eine den Vorgaben des § 134 GWB entsprechende Mitteilungs- und Wartepflicht nur bei entsprechender (landes)gesetzlicher Grundlage oder europarechtlich, soweit der ausgeschriebene Auftrag eine Binnenmarktrelevanz aufweist, und ist ein unter Verstoß hiergegen geschlossener Vertrag weder entsprechend § 135 GWB noch grundsätzlich nach § 134 BGB unwirksam (gegen OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.12.2017 – I-27 U 25/17 –, juris Rn. 44).

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07.01.2019, Verg 30 – 18 - Stomaartikel ... Inkontinenzhilfen - § 127 I SGB V - Zweckmäßigkeit - §§ 155, 156, 168 GWB – Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahren – „Streitgegenstand“ nicht wie im Zivilprozess - Krankenkasse (öffentliche Auftraggeberin) - § 127 I S. 1, 6 SGB V nicht bieterschützend: „...Verletzung von subjektiven Rechten ... nach § 97 Abs. 6 GWB, die § 160 Abs. 2 GWB dem § 42 Abs. 2 VwGO vergleichbar für die Antragsbefugnis ... kommt nur wenn es sich bei den .. Vorschriften um solche des Vergaberechts handelt oder um Rechtsvorschriften, für die es eine vergaberechtliche Anknüpfungsnorm gibt.“

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.07.2020 - Verg 17 – 16 – ÖPNV - Direktvergabe – Insolvenz des Bieters - Vorinformation (Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007) – Nachprüfungsverfahren und Insolvenz (Rechte in Insolvenzmasse) – nicht mehr vorhandene Antragsbefugnis (Fortbestand des Interesses während des Nachprüfungsverfahrens) – keine Darlegung (trotz richterlicher Aufforderung) der Bereitschaft der weiteren Ausführung des operativen Geschäfts trotz Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und der Bereitschaft zur Teilnahme am Wettbewerb) – Ablehnung der Akteneinsicht („nur in dem Umfang, wie es zur Durchsetzung der subjektiven Rechte des betreffenden Verfahrensbeteiligten erforderlich ist“ und Schriftsatznachlass infolge unzulässig gewordenen Nachprüfungsantrags

Literatur

Bühs, Jacob, Nichtzuschlagsbieter in Orbit!, VergabeR 2020,29

Burgi, Martin, 20 Jahre Rechtsschutz durch Vergabekammern, NZBau 2020, 3

Ältere Entscheidungen
OLG Düsseldorf, Beschluß vom 18.10.2000 - Verg 2/00 - NZBau 2001, 156 - Versicherungsauftrag an Makler - Vergabeverfahren und Durchführung:
Nichterforderlichkeit der Abgabe eines Angebots für die Antragsbefugnis:"Es ist einem Unternehmen im Allgemeinen nicht zumutbar, sich unter den von ihm für vergaberechtswidrig gehaltenen Bedingungen mit einem Angebot am Vergabeverfahren zu beteiligen, so dass die Antragsbefugnis nicht von einer (technisch und kalkulatorisch an sich möglichen) Angebotsabgabe abhängig gemacht werden darf (vgl. KG, Beschl. V. 5.1.2000, BauR 2000, 1579). Zwar wird vom OLG Koblenz (NZBau 2000, 445 [446]) die Ansicht vertreten, bei unterlassener Angebotsabgabe im Vergabeverfahren erfordere die Darlegung der Antragsbefugnis den Vortrag des Antragstellers, welches Angebot er in einem fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahren abgegeben hätte. Unter den Umständen des vorliegenden Falls gilt dies jedoch nicht. Bei einer erneuten Ausschreibung für eine Vergabe im offenen Verfahren kann und darf der Antragsteller damit rechnen, dass der Antragsgegner (eventuell mit gutachterlicher Hilfe Dritter) für die anzubietende Sachversicherung genauere vertragliche Spezifikationen vorschreiben wird, was er im jetzigen Vergabeverfahren - wie er vorträgt - gerade unterlassen hat, weil es ihm mit hinreichender Genauigkeit nicht möglich gewesen sei.Solange der Antragsteller aber die zu erwartenden vertraglichen Spezifikationen nicht genau kennt, ist ihm eine verlässliche Angebotskalkulation nicht möglich. Folglich steht der gerügte Rechtsverstoß derzeit einer sinnvollen Angebotskalkulation entgegen. Für diesen Fall verlangt auch das OLG Koblenz .... im Rahmen der Prüfung der Antragsbefugnis keinen Vortrag des Antragstellers, welches Angebot er in einem fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahren abgegeben hätte. Unter diesen Umständen reicht es aus, dass der Antragsteller am 25.4. 2000 - unter Mitwirkung seines Vorstandsvorsitzenden - unzweideutig erklärt hat, er werde im Falle der Neuausschreibung auch ein Alternativangebot für eine Allgefahrenversicherung abgeben. .....
Antragsbefugnis - drohender Schaden – KG, Beschl. u 22. 8.2001 - KartVerg 3/01 – NZBau 2002, 402 – Bibliotheksbau – Antragsbefugnis – rechtzeitige Rüge – „a) Beide Bf. stehen auf dem Standpunkt, es fehle bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung eines drohenden Schadens (§107 II GWB), nachdem die Ast. zu Recht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei und deshalb keinerlei Aussichten habe, den Auftrag zu erhalten. Dem kann nicht beigetreten werden ... ---b) Zu Unrecht vermissen die Bf. eine ausreichend substanziierte vorprozessuale Rüge des Rechtsverstoßes. Die Ast. hat sowohl im Schreiben vom 8.12.2000 als auch vor allem im Schreiben vom 21.1.2000 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Ausschluss vom Vergabeverfahren als unrechtmäßig ansieht und verlangt, diese Entscheidung zu revidieren. Das reichte nach Lage des Falles aus. Es kann dahinstehen, inwieweit dem nach § 107 III GWB zu unverzüglicher Rügeerhebung verpflichteten Bieter überhaupt im Rahmen dieser Obliegenheit eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Erwiderungen der Vergabestelle abverlangt werden kann. --- Von der Ast. konnte eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Ausschlussgründen schon deshalb nicht verlangt werden, weil die diesbezüglichen Mitteilungen der Ag. jede Konkretisierung vermissen lassen. In ihrem Schreiben vom 5.12.2000 hieß es lediglich, das Angebot habe nach § 25 Nr.1 lit. b VOB/A ausgeschlossen werden müssen; im Schreiben vom 22.12.2000 wurde darüber hinaus nur noch mitgeteilt, das Angebot habe Änderungen aufgewiesen und sei nicht vollständig ausgefüllt gewesen. Die Ag. hat in ihrer ersten schriftsätzlichen Äußerung im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren aufgezählt, auf welche Änderungen an den Verdingungsunterlagen sie sich bezieht. Es ist nicht ersichtlich, warum sie diese Informationen der Ast. nicht vorprozessual erteilt hat. --- Soweit die Ag. darauf verweist, die fragliche Punkte seien im Aufklärungsgespräch behandelt worden, findet dies in dem über dieses Gespräch angefertigten Vermerk keinen Niederschlag. Es ist vor allem auch nicht ersichtlich, dass die Ag. dabei sämtliche Punkte, auf die sie sich im Nachprüfungsverfahren beruft, als unverrückbar feststehende Ausschlussgründe aufgeführt hätte. In der Einladung zu diesem Gespräch waren die aus Sicht der Ag. entscheidenden Defizite, nämlich die vorgenommenen Änderungen an den Verdingungsunterlagen, mit keinem Wort erwähnt. Im Übrigen hatte das Aufklärungsgespräch fast zwei Monate vor dem Ausschluss stattgefunden, so dass es schon in Anbetracht des Zeitablaufs angemessen gewesen wäre, dem vom Ausschluss betroffenen Bieter die Punkte zu benennen, auf die sich diese Entscheidung bezog. --- c) Die Bt. vermissen in den Rügen der Ast. ferner zu Unrecht die ultimative Androhung, Vergaberechtsschutz für den Fall in Anspruch zu nehmen, dass ihr Ausschluss vom Vergabeverfahren nicht rückgängig gemacht wird. .....“

Antragsbefugnis – KG, Beschl. u 22. 8.2001 - KartVerg 3/01 – NZBau 2002, 402 – Bibliotheksbau – Antragsbefugnis – rechtzeitige Rüge –„1. Die von beiden sofortigen Beschwerden erhobenen Bedenken gegen die Zulässigkeit des von der Ast. gestellten Nachprüfungsantrags sind nicht begründet. --- a) Beide Bf. stehen auf dem Standpunkt, es fehle bereits an der Zulässigkeitsvoraussetzung eines drohenden Schadens (§107 II GWB), nachdem die Ast. zu Recht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sei und deshalb keinerlei Aussichten habe, den Auftrag zu erhalten. Dem kann nicht beigetreten werden ... ---b) Zu Unrecht vermissen die Bf. eine ausreichend substanziierte vorprozessuale Rüge des Rechtsverstoßes. Die Ast. hat sowohl im Schreiben vom 8.12.2000 als auch vor allem im Schreiben vom 21.1.2000 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Ausschluss vom Vergabeverfahren als unrechtmäßig ansieht und verlangt, diese Entscheidung zu revidieren. Das reichte nach Lage des Falles aus. Es kann dahinstehen, inwieweit dem nach § 107 III GWB zu unverzüglicher Rügeerhebung verpflichteten Bieter überhaupt im Rahmen dieser Obliegenheit eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit den jeweiligen Erwiderungen der Vergabestelle abverlangt werden kann....“

Antragsbefugnis – Voraussetzungen bei Vergabe ohne Vergabeverfahren - BayObLG, Beschl. v. 22. 1.2002 - Verg 18/01 - NZBau 2002, 397 – Altpapierentsorgung – Stadtratsbeschluß (Antragsgegner) nach Kündigung des bisherigen Vertrages mit der Antragstellerin zur Vergabe an Beigeladene – Nachprüfungsverfahren: Untersagung der Auftragsvergabe ohne öffentliche Ausschreibung nach VOL/A – entsprechende Vergabekammerentscheidung - Bestätigung durch BayObLG - „Soll der gegenständliche Auftrag vergeben werden, ist, von Ausnahmen abgesehen (vgl. § 3 Nrn. 2 bis 4 VOL/A), nach §§ 97 I, 100 I, 101 GWB i. V. mit § 3a Nr.1 I VOL/A auszuschreiben“ - Nachprüfungsverfahren ohne förmliches Vergabeverfahren: „Zwar gewährleisten die §§ 102ff. GWB einen Primärrechtsschutz grundsätzlich nur während eines Vergabeverfahrens. Zulässig ist ein Nachprüfungsantrag deshalb unter anderem nur dann, wenn er sich auf ein konkretes Nachprüfungsverfahren bezieht, das begonnen und noch nicht abgeschlossen ist. Für einen vorbeugenden Rechtsschutz ist das Nachprüfungsverfahren nicht geschaffen (OLG Düsseldorf NZBau 2000, 306 [310]; vgl. auch OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 25.9.2000 - 11 Verg 2/99). Dies schließt die Zuständigkeit der Vergabekammern für Auftragsvergaben jedoch nicht aus, bei denen die Ausschreibung rechtswidrig unterblieben ist. Um nämlich einen solchen besonders schwerwiegenden Vergabeverstoß zu erfassen, ist ein materielles Verständnis des Vergabeverfahrens erforderlich. Es ist in Abgrenzung zu bloßen Markterkundungen darauf abzustellen, ob und inwieweit der öffentliche Auftraggeber den Beschaffungsvorgang organisatorisch und planerisch bereits eingeleitet und mit potenziellen Anbietern Kontakte mit dem Ziel aufgenommen hat, das Beschaffungsvorhaben mit einer verbindlichen rechtsgeschäftlichen Einigung abzuschließen (s. OLG Düsseldorf, NZBau 2001, 696). ---Von einem solchermaßen konkreten Vorgang ist hier auszugehen. Die Ag. hat nicht nur Angebote eingeholt, sondern darüber hinaus bereits durch den Stadtrat als das zuständige Organ (Art. 29, 30 II GO) entschieden, dass dem Vorschlag der Verwaltung folgend der gegenständliche Entsorgungsauftrag der Beigel. erteilt werden soll. Ein konkreter Beschaffungsvorgang liegt somit vor. Dieser Beschaffungsvorgang ist noch nicht zum Abschluss gebracht (vgl. §§ 104 111, 114 II GWB), weil er dazu noch der rechtlichen Umsetzung durch den ersten Bürgermeister bedarf (5 Art. 38 GO). Demnach ist jedenfalls in zeitlicher Hinsicht die Zuständigkeit der Vergabekammer zur Gewährung von Primärrechtsschutz gegeben.“ – Antragsbefugnis – „Ihr Interesse am Auftrag (§107 II 1 GWB) hat sie hier schon dadurch ausreichend belegt, dass sie auf Anforderung der Ag. hin, außerhalb eines Vergabeverfahrens, dieser am 16.5.2001 ein Angebot unterbreitet hat. Dies in Verbindung mit dem Umstand, dass die Ast. als Fachunternehmen der Entsorgungs- und Abfallwirtschaft einen ähnlichen Entsorgungsauftrag bis 31.12.2001 innehatte, also in der Lage war, gleichartige Leistungen zu erbringen, lässt erwarten, dass sie sich an einem Vergabeverfahren beteiligt und in diesem Verfahren zumindest eine Aussicht auf Berücksichtigung gehabt hätte (vgl. Boesen, Komm. z. VergabeR, § 107 Rdnr. 53). ---Nach § 107 II 2 GWB ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Bei einer Auftragserteilung ohne Vergabeverfahren genügt hierfür regelmäßig, dass der Antragsteller darlegt, durch die Missachtung der Vergabevorschriften sei ihm bisher die Möglichkeit genommen worden, im Wettbewerb ein aussagekräftiges und detailliertes Angebot zur Erbringung der (noch auszuschreibenden) Leistung abzugeben (OLG Düsseldorf, NZBau 2000, 45 [481], sowie Beschl. v. 20.6.2001 - Verg 3/01).“ – Gewährleistung der Grundsätze nur durch förmliches Verfahren - „Sofern also bei der fraglichen Maßnahme eine Auftragsvergabe ,,nach außen- und nicht nur eine innerorganisatorische Aufgabenverlagerung vorliegt, hat die Ast. aus § 97 VII GWB einen subjektiven Anspruch auf Einhaltung der einschlägigen Vergabevorschriften nach VOL/A.“ – kein Verstoß gegen eine Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge oder Unzulässigkeit wegen Treuwidrigkeit – Rügeobliegenheit: „Unabhängig hiervon setzt auch die Rügeobliegenheit des § 107 III 1 GWB die positive Kenntnis des vertretungsberechtigten Organs des Unternehmens voraus. Diese besitzt grundsätzlich erst, wer nicht nur die die Rechtswidrigkeit begründenden Tatsachen kennt, sondern auch den Schluss aus den Tatsachen auf die Fehlerhaftigkeit gezogen hat. Kenntnis wird allerdings regelmäßig auch dann angenommen, wenn sich ein redlich Denkender nicht der Überzeugung verschließen würde, die der rechtlichen Würdigung der tatsächlichen Umstände zu Grunde liegt. Dabei dürfen objektive Unsicherheiten in der rechtlichen Bewertung nicht einseitig zu Lasten der Bieterrechte gehen (Marx, in: BeckŽscher VOB-Komm., §§ 107, 108 Rdnr. 27; s. auch BayObLGZ 1999, 127 [139 f.]). ---Die Ast. ist dem mit ihren Rügen vom 3./5. 9. 2001 rechtzeitig nachgekommen.“ – „Letztendlich wird die Rügepflicht nur dann ausgelöst, wenn die Rechtslage selbst eindeutig ist; objektive Unsicherheiten allein genügen also nicht (BayObLGZ, 1999, 127 [139]; zustimmend: Marx, in: BeckŽscher VOB-Komm., §§ 107, 108 Rdnr. 27). Von einer eindeutigen Rechtslage kann jedoch bei den hier aufgeworfenen Fragen nicht die Rede sein (vgl. nur: Boesen, §100 Rdnr. 98).“ – kein Verstoß gegen das der Vorschrift des § 107 III 1 GWB zu Grunde liegende Prinzip von Treu und Glauben (Marx, in: BeckŽscher VOB-Komm., §§ 107, 108 Rdnr. 26; s. auch: Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242 Rdnrn. 16, 17): „Zwar war der Ast. spätestens seit 4.7.2001 bekannt, dass sie den Auftrag nicht erhalten werde. Ferner ergibt sich aus einem Aktenvermerk vom gleichen Tage und einem weiteren Angebot vom 20.7. 2001 an die Beigeladene das Bemühen der Ast. als Subunternehmerin ins Geschäft zu kommen. Diese Umstände allein genügen jedoch nicht, um die Rüge des unterbliebenen Vergabeverfahrens als treuwidrig zu bezeichnen. Denn es ist jedenfalls solange nicht widersprüchlich, sich außerhalb eines Vergabeverfahrens um einen Auftrag zu bemühen, als dem Bewerber nicht positiv bekannt ist, dass ein Vergabeverfahren rechtlich zwingend durchgeführt werden muss. Von einer treuwidrigen Verzögerung der Rüge kann angesichts der konkreten Umstände des Falles ebenso wenig die Rede sein. Dabei ist insbesondere der Umstand bedeutsam, dass für die Ast. Rechtsklarheit erst mit dem Gutachten ihrer anwaltlichen Berater vom 31.8.2001 geschaffen war, die Rüge wenige Tage später erhoben wurde und die Beigeladene die Abnahme und Verwertung des Altpapiers erst zum 1.1.2002 übernehmen sollte.“ --- Kein vergabefreies Eigengeschäft – „Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Richtlinie 93/36/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge anwendbar, wenn eine Gebietskörperschaft als öffentliche Auftraggeberin beabsichtigt, mit einer Einrichtung, die sich formal von ihr unterscheidet und die ihr gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt, einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen, wobei es unerheblich ist, ob diese Einrichtung selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist (EuGH, NZBau 2000, 90 - ,,Teckal"). In einer weiteren Entscheidung vom 7.12.2000 hat der EuGH zu erkennen gegeben, dass für den Bereich der Dienstleistungsrichtlinie 92/50/EWG das Vorliegen eines Eigengeschäfts nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen ist wie im Bereich der Richtlinie 93/36/EWG (NZBau 2001, 99 [101 unter Rdnr. 40] - ,,ARGE Gewässerschutz"). ---Auch der BGH folgt den in der Teckal-Entscheidung aufgestellten Grundsätzen für den Bereich der Dienstleistungsrichtlinie (BGH, NZBau 2001, 517 [519]). Nach dieser vom erkennenden Senat gebilligten Rechtsprechung ist bei funktioneller Betrachtungsweise auch dann, wenn ein entgeltlicher Vertrag vorliegt, der der Richtlinie 92/50/EWG unterfallen würde, eine Auftragsvergabe gem. § 99 I GWB zu verneinen, wenn ein Eigengeschäft in dem Sinne vorliegt, dass die Dienstleistung von einer Stelle erbracht wird, die der öffentlichen Verwaltung bzw. dem Geschäftsbetrieb des öffentlichen Auftraggebers zuzurechnen ist. ---Dies ist nach den vom EuGH aufgestellten Kriterien nur dann der Fall, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche juristische Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben (EuGH, NZBau 2000, 90 [91 bei Rdnr. 50]). Zutreffend wird diese Aussage dahingehend verstanden, dass damit nicht eine identische, sondern nur eine vergleichbare Kontrolle gemeint sein kann (vgl. Faber, DVBI 2000, 248 [253 f.]). Denn wenn man eine identische Kontrolle für erforderlich hält, bleibt für eine Ausnahme nahezu kein Anwendungsbereich, weil der Grad der Weisungsgebundenheit integrierter Dienststellen von beherrschten Unternehmen auch bei größter Abhängigkeit des selbstständigen Trägers von der öffentlichen Hand nicht erreicht werden kann (Faber, DVBI 2000, 248 [253]). ---Es kommt demnach auch weniger auf eine „Beherrschung“ als vielmehr auf die Möglichkeit einer ,,umfassenden Einflussnahme" der Gebietskörperschaft auf das Unternehmen an (Dreher NZBau 2001, 360 [363]).“ – Verneinung der Weisungsgebundenheit der Beigeladenen gegenüber der Ag., „die mit derjenigen über eine eigene Dienststelle vergleichbar wäre. Ob das zusätzliche Kriterium, nämlich eine Tätigkeit der Beigel. im Wesentlichen für die Ag. oder A, der ihre Anteile innehat, erfüllt ist, kann offenbleiben.” – maßgeblich Verhältnisse des Gesellschaftsvertrags – kein Ausnahmefall des § 100 II lit. g GWB: „Zwar ist die Ag. entsorgungspflichtig (Art. 3 I AbfG); jedoch hat die Beigel. kein auf Gesetz oder Verordnung beruhendes ausschließliches Recht zur Erbringung der Leistung (dazu VK Düsseldorf NZBau 2001, 46 [47], Boesen, § 100 Rdnr. 82, Faber, DVBI 2000, 248 [255], Gnittke/Siederer, ZVgR 2000, 236 [239 f.]; Gröning, ZIP 2001, 497 [500]). Die auf § 16 I KrW-/AbfG beruhende Beauftragung der Beigel. durch die Ag. vollzieht sich nämlich nicht durch Gesetz oder Verordnung. Im Übrigen verbliebe trotz ihrer Beauftragung weiterhin eine Entsorgungspflicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegenüber privaten Haushalten (vgl. § 15 II KrW-/AbfG; s. auch: Gröning; ZIP 2000, 497 [500]).” – Vergaberegime hier auch kommunalverfassungsrechtlich (Art. 28 II GG, Art. 11 II GV) unbedenklich (dazu ausführlich: Burgi, NVwZ 2001, 601 [604 f.]; auch VK Düsseldorf NZBau 2001, 46 [47]): „Die Ag. und A werden nämlich nicht gehindert, sich zur Erfüllung von Pflichtaufgaben gemischt-wirtschaftlicher Gesellschaften zu bedienen. Öffnen sie sich durch die Hereinnahme privater Unternehmen bewusst dem Markt, um dessen Chancen zu nutzen, so ist es auch nur konsequent, diese Betätigung grundsätzlich den für einen freien Wettbewerb geltenden Vergabevorschriften zu unterwerfen.“ --- Zur Auftragsvergabe an gemischtwirtschaftliche Gesellschaften auch grundlegend Dreher, NZBau 2002, 245.

Antragsbefugnis aus Beteiligung am Teilnahmewettbewerb – Vergabekammer des Bundes, Beschl. v. 31.5.2002 – VK 2 – 20/02 – Einsatz-, Leit- und Unterstützungssysteme für die Polizei“ – Nichtoffenes Verfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung unter Abkürzung der Fristen (17 Tage für Teilnahmefrist) – Rechtzeitigkeit der Rüge – Antragsbefugnis aus Beteiligung am Teilnahmewettbewerb – keine ausreichende Zeit zur Bildung einer Bietergemeinschaft infolge der Abkürzung von 37 Tagen auf 17 Tage – keine “besondere Dringlichkeit“ –Nachteile für Bietergemeinschaft – Dringlichkeit – Besondere Dringlichkeit – Fristverlängerung für Teilnahmeantrag.

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