Individualvereinbarungen unterliegen nicht den §§ 305 f BGB - früher dem AGBG - , sondern lediglich einer Kontrolle nach dem BGB, mithin eine Überprüfung nach den §§ 134 (Gesetzwidrigkeit), 138 (Sittenwidrigkeit), 125 (Formnichtigkeit), 276 (keine Freizeichnung für Vorsatz), 306 (Nichtigkeit eines bereits vor Vertragsschluß "unausführbaren" Vertrages - ursprüngliche objektive Unmöglichkeit <technisch, tatsächlich, rechtlich>).

AGB im Rechtsverkehr mit der öffentlichen Hand

Übersicht

Grundsätze

1. AGB-Probleme

2. Bestandteile der Vergabeunterlagen

3. Einbeziehung

Grundsätze

VOL/B, BVB und etwa EVB-IT etc. sind AGB i. S. d. §§ 305 f BGB und

unterfallen § 9 I VOL/A.

Leistungsbeschreibung und „Besondere Individualvereinbarungen“ gehen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Sie unterliegen keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff BGB, können aber Gegenstand von Rügen und damit von Überprüfungsverfahren nach den §§ 102 f, 107 III GWB sein bzw. unterhalb der Schwellenwerte überprüft werden.*)

Verschärfungen, Abweichungen oder auch Ergänzungen der AGB der öffentlichen Hand gehören in den „Individualteil“ und bedürfen der nachvollziehbaren und dokumentierten Begründung (vgl. § 9 II – IV VOL/A) – möglicher Gegenstand vergaberechtlicher Überprüfungsverfahren.

AGB der öffentlichen Hand sind ergänzend in den Vertrag einbeziehen, also zum Vertragsinhalt zu machen (Ausnahme „Monopolist“) ( vgl. § 21 II UVgO, § 29 II VgV – bisher § 9 I VOL/A).

Auch AGB der öffentlichen Hand unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307, 310 BGB.

Einige Klauseln der EVB-IT bzw. BVB enthalten ohne eine entsprechende Dokumentation und Begründung der Vertragsstrafen etc. Hierbei kann es sich um vergaberechtliche Verstöße handeln, die von den Bewerbern und Bietern gerügt werden können (Rüge im oberschwelligen Verfahren nach § 160 III GWB – bisher § 107 III GWB - auch teils Rechtsschutz im unterschwelligen Verfahren in Landesgesetzen - vgl. § 21 III – V UVgO – bisher § 9 II – IV VOL/A).

Die EVB-IT sind damit AGB-rechtlich und vergaberechtlich bedenklich., Sie unterliegen der zivilrechtlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 307, 310 BGB. Klauseln mit Vertragsstrafen <BVB> und Schadenspauschalierungen <EVB-IT> können damit auch möglicherweise AGB-rechtlich unwirksam sein.**)

*) Fehlende Preisanpassungsklausel - Vertragsstrafe – Kündigungsregelung - Vergabekammer Baden Württemberg, Beschl. v. 7.11.20-- – 1 VK 43/07 –- Schülerbeförderung - Bindefrist bis zur rechtskräftigen Entscheidung (unzulässig) – Vertragsstrafe (5 %) – Kündigungsregelung ohne Differenzierung – „bei einer Vertragslaufzeit von 3 1/2 Jahren für Beförderungsleistungen ist es vergaberechtswidrig, die Ausschreibung ohne Preisanpassungsklausel vorzunehmen, da zur Zeit die Kraftstoffpreise nicht kalkulierbar sind  Gegenstand von Nachprüfungsverfahren können neben den Regelungen verfahrensrechtlichen Inhalts auch solche sein, die den vertraglichen Inhalt betreffen; eine generelle Ausdehnung der Zuschlags- und Bindefrist bis zum rechtkräftigen Abschluss evtl. Vergabenachprüfungsverfahren verstößt gegen § 19 Nr. 2 VOL/A; eine Vertragsstrafe darf 5 % der Auftragssumme im Regelfall nicht überschreiten; eine Kündigungsregelung, bei der jeder, auch der geringste, Vertragsverstoß zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, verstößt gegen das Vergaberecht.

Unberechtigte Sicherheitsleistung – Vergabekammer Bund, Beschl. v. 9.1.20-- - VK 3 - 145/07 – „Die vergaberechtswidrige Forderung nach einer Sicherheitsleistung hat die ASt von der Abgabe eines Angebots abgehalten. Sie ist darüber hinaus relevant für die Kalkulation des Angebotspreises der ASt und der übrigen Bieter. Der Vergaberechtsverstoß ist daher nur dadurch zu beseitigen, dass allen Bietern, die sich bereits beteiligt haben, nach Streichung der Anforderung bezüglich der Sicherheitsleistung und unter Setzung einer Frist die Gelegenheit gegeben wird, ihre Angebote entsprechend anzupassen bzw. im Fall der ASt, erstmals ein Angebot abzugeben.

**) Schmitt, Michaela, Vertragsstrafen und Schadenspauschalierungen in AGB der öffentlichen Hand, insbesondere in BVB und EVB-IT, CR 2010, 693.

 

1. AGB-Probleme

Problembereiche:

1.          AGB – Definition - § 305 I BGB

2.          Einbeziehung - § 305 II BGB – gilt nicht im Rechtsverkehr mit der öffentlichen Hand – vgl. § 310 BGB – aber auch hier zumindest stillschweigende Einigung erforderlich

3.          Ausschluss bei Beifügung der eigenen AGB durch Bieter - §§ 41 I Nr. 4 UVgO, 57 I Nr. 4 VgV - bisher z. B. § 16 III d) VOL/A

4.          Klauseln in AGB – Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (nicht §§ 308, 309 BGB – vgl. § 310 BGB

5.          Rüge bei Verstößen durch Individualvereinbarungen nach §§ 8 I c), 9 II – IV VOL/A und unwirksame Klauseln nach § 160 III GWB – bisher § 107 III GWB - bzw. landesrechtliche Bestimmungen

6.          Unterlassungsklage nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UklagG – vgl. OLG Frankfurt/M zu Bewerbungsbedingungen - Inhaltskontrolle).

 

Unterschiede zwischen besonderen „Vertragsbedingungen“ („individuell ausgehandelt“ bzw. im Vergabeverfahren „konkret festgelegt“) und AGB

Individualvereinbarungen – Grundsatz der Privatautonomie - Vertragsfreiheit

AGB - §§ 305 ff BGB

- Vertragsbedingungen

- „im einzelnen ausgehandelt“ - § 305 II BGB

- Vertragsbedingungen

- vorformuliert für eine Vielzahl von Fällen vorgesehen

- einseitig gestellt

- Form etc. gleichgültig

Vertragsinhalt durch Vereinbarung - § 151 1. Halbs., 150, 154 BGB - Einigungsgrundsatz

Vertragsinhalt durch Einbeziehung – Hinweis und zumindest stillschweigendes Einverständnis der anderen Seite im Rechtsverkehr mit Kaufleuten bzw. der öffentlichen Hand

Zivilrechtliche Schranken nach den §§ 134, 138, 242 BGB

Inhaltskontrolle nach den §§ 307 f, 310 BGB – Unterlassungsklage nach dem UklagG

Vergaberechtliche Schranken – fehlende Begründung und Dokumentation – vgl. §§ 21 III – V UVgO - § 29 II VgV (ohne Anführung der Schranken)

 

Rüge im Vergabeverfahren gemäß § 160 III GWB – bisher §107 III GWB bzw. nach Landesvorschriften – Anrufung der Vergabekammer etc. – Dokumentation und Begründung erforderlich – vgl. §§ 21 I Nr. 3 UvgO, 29 I Nr. 3 VgV – bisher § 8 Ic, 9 II - IV VOL/A

Rüge im Vergabeverfahren gemäß § 107 III GWB bzw. nach Landesvorschriften – Anrufung der Vergabekammer etc. – Rüge wegen fehlender Dokumentation und Begründung von Vertragsstrafen, Gewährleistungsfristen, Sicherheiten etc.

 

2. Bestandteile der Vergabeunterlagen - „Vertragsbedingungen“ nach § 21 I Nr. 3 UVgO - § 29 I Nr. 1. – 3. VgV – bisher § 8 I c) VOL/A

Übersicht zur Vertragshierarchie (vgl. z. B. § 2 VOL/B):

I. Individuelle Leistungsbeschreibung

II. Individualvereinbarungen – besondere „Vertragsbedingungen“

wie Vertragsstrafen etc.

II.1. Mit Hinweis auf AGB der öffentlichen Hand

Es gelten ergänzend die ......

II.2. Ergänzende Geltung der Allgemeine Geschäftsbedingungen der öffentlichen Hand

- BVB und EVB -
- VOL/B -

 

I. Leistungsbeschreibung - vgl. §§ 23 UVgO, 122 GWB, 31 VgV - bisher § 7 VOL/A

II.1. „Besondere Vertragsbedingungen“ „im einzelnen ausgehandelt“ - § 305 I S. 2 BGB – vgl. §§ 21 I Nr. 3 UVgO, 29 I Nr. 3 VgV - bisher §§ 8 I c), 9 II – IV VOL/A

Vertragsvereinbarungen sind nur dann im Einzelnen ausgehandelt, wenn dem anderen zumindest eine ernsthafte Gelegenheit zur

Einflussnahme infolge wirklichen Ver- und Aushandelns eingeräumt ist.

Im Vergabeverfahren wird grundsätzlich nicht verhandelt. Jedoch werden die Vergabeunterlagen für den jeweiligen Vertrag in einem aufwändigen Vorgehen Stufe für Stufe mit Begründungen entwickelt – neben der Leistungsbeschreibung der individuelle Teil der Vergabeunterlagen.

Ausführlich der Bundesgerichtshof zu „Individualvereinbarungen“ in Vergabeunterlagen - keine Inhaltskontrolle nach §§ 307 f BGB: BGH, Urt. v. 26.9.1996 - VII ZR 318/95 (Düsseldorf)- NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535.

II.2. „Allgemeine Vertragsbedingungen“ = AGB, insbesondere VOL/B, BVB und EVB-IT, VOB/B – sonstige EVB bzw. BVB - §§ 8 I c), 9 I VOL/A Die Allgemeinen Vertragsbedingungen sind für alle Verträge der öffentli­chen Hand in dem jeweiligen Auftragsbereich entwickelt und erfüllen den Begriff der AGB i. S. d. § 305 I BGB.

Diese AGB gelten nicht per se. Sie sind vielmehr in die Verträge der öffentlichen Hand „einzubeziehen“ (§ 9 I VOL/A). VOL/B, VOB/B, BVB und EVB-IT sind damit keine "Normen", sondern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die insbesondere der Inhaltskontrolle i.S.d. §§ 305 c, 307, (308, 309) BGB unterliegen.

Ausführlich der Bundesgerichtshof zu „Individualvereinbarungen“ in Vergabeunterlagen - keine Inhaltskontrolle nach §§ 307 f BGB: BGH, Urt. v. 26.9.1996 - VII ZR 318/95 (Düsseldorf)- NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535.

Vgl. BGH, Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 1076 = BB 1991, 373 - BVB I. Hierzu Schmitt, Michaela, Vertragsstrafen und Schadenspauschalierungen in AGB der öffentlichen Hand, insbesondere in BVB und EVB-IT, CR 2010, 693; ferner BGH - Urteil vom 4. März 1997 - X ZR 141/95 - CR 1997, 470 – BVB II.

Beifügung zum Angebot - OLG Naumburg, Urt. v. 26.10.2004 – 1 U 30/04 - VergabeR 2005, 261 (Anm. v. Noch): Beifügung eigener AGB durch Bieter in Angebotsschreiben – „Hiermit hat sie (ergänzt Bieter) sogar massiv gegen in die vorgegebenen Vertragsbedingungen ... verstoßen...“

Ausführlich zu „Individualvereinbarungen“ in Vergabeunterlagen - keine Inhaltskontrolle nach §§ 307 f BGB  BGH, Urt. v. 26.9.1996 - VII ZR 318/95 (Düsseldorf)- NJW 1997, 135 = BB 1996, 2535; vgl. andererseits BGH, Urteil vom 27.11.1990 - NJW 1991, 1076 = BB 1991, 373 - BVB I; auch OLG Naumburg, Beschl. v. 5.12.2008 - 1 Verg 9/08 – unwirksame Klausel in Bewerbungsbedingungen (Verzicht auf Primärrechtsschutz); Schmitt, Michaela, Vertragsstrafen und Schadenspauschalierungen in AGB der öffentlichen Hand, insbesondere in BVB und EVB-IT, CR 2010, 693; ferner BGH - Urteil vom 4. März 1997 - X ZR 141/95 - CR 1997, 470 – BVB II; auch zur fehlenden Preisanpassungsklausel, Vertragsstrafe und Kündigungsregelung -Vergabekammer Baden Württemberg, Beschl. v. 7.11.20-- – 1 VK 43/07 –- Schülerbeförderung - Bindefrist bis zur rechtskräftigen Entscheidung; zur unberechtigten Sicherheitsleistung – Vergabekammer Bund, Beschl. v. 9.1.20-- - VK 3 - 145/07.

 

3. Einbeziehung

Die AGB müssen in den Vertrag einbezogen werden. Die Voraussetzungen sind im Rechtsverkehr mit der öffentlichen Hand etc. nicht so streng wie im Endverbraucherbereich (vgl. § 305 II sowie § 310 BGB - § 305 II BGB greift im Rechtsverkehr „mit der öffentlichen Hand“ nicht ein. Es reicht ein Hinweis auf die jeweiligen AGB aus. Die Aushändigung der AGB ist nicht erforderlich. Werden sie vom Kaufmann verlangt, so sind sie allerdings auszuhändigen. Da die BVB und EVB-IT (wie auch VOL/B und VOB/B) im Internet abgerufen werden können, reicht ein Verweis auf die betreffende Website aus.

 

3.1. Verträge in der Wirtschaft und kollidierende AGB:

 

Vertragsantrag mit AGB

Vertragsannahme

AGB - Vertragsinhalt ?

 

Vertragsantrag mit AGB

(z. B. Lieferbedingungen)

Vertragsannahme mit Abweichenden eigenen AGB (z. B. Einkaufsbedingungen)

Beide AGB werden Vertragsinhalt, soweit sie übereinstimmen und sich nicht widersprechen – an die Stelle der sich widersprechenden AGB tritt das Gesetz

Kein Fall des § 150 II BGB (neuer Antrag!), sondern Vertrag mit beiden AGB (übereinstimmend etc.) -

Vgl. § 306 BGB

 

 

3.2. Kollision der AGB in Vergabeverfahren

Wie ist es, wenn der Bieter dem Angebot seine eigenen AGB beifügt oder auf sie verweist?

 

Vergabeunterlagen

A

Angebot

+ Arz

Zuschlag

+Arz

Vertragsinhalt

Vergabeunterlagen mit AGB

A

Angebot ohne eigene AGB

+ Arz

Zuschlag

 

+ Arz

Vertrag mit

Auftraggeber - AGB

Vergabeunterlagen mit AGB

A

Angebot mit eigenen AGB*)

B

Ausschluss nach § 16 III d) VOL/A

Kein Vertrag

Vergabeunterlagen mit AGB

 

A

Angebot mit eigenen AGB*)

 

B

Zuschlag statt Ausschluss nach § 16 III d) VOL/A

+ Brz

Vertrag mit Bieter-AGB – schwerer Fehler

Vergabeunterlagen mit AGB

 

A

Angebot nur mit eigenen AGB – Monopolist

 

B

Zuschlag

 

 

Brz

Angebot maßgeblich für Vertragsinhalt – Vertrag mit AGB – Begründung in Dokumentation (fehlende Durchsetzbarkeit der eigenen AGB)

*) Beifügung zum Angebot - OLG Naumburg, Urt. v. 26.10.2004 – 1 U 30/04 - VergabeR 2005, 261 (Anm. v. Noch): Beifügung eigener AGB durch Bieter in Angebotsschreiben – „Hiermit hat sie (ergänzt Bieter) sogar massiv gegen in die vorgegebenen Vertragsbedingungen ... verstoßen...“