Vergabeunterlagen - hierzu gehört neben der Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen nach § 29 I Nr. 3 VgV sowie § 21 I  Nr. 1-3 UVgO - das Anschreiben und die Bewerbungsbedingungen mit den Eignungs- bzw. Zuschlagskriterien.

Die Ausschreibung darf entsprechend dem "Fertigstellungsgebot" ("Vergabereife")  auch erst dann erfolgen, wenn alle Vergabeunterlagen fertig gestellt sind. Das folgt m. E.usdrücklich aus § 2 IV, V VOB/A. Hierbei geht es vor allem um die Leistungsbeschreibung, den Zeitrahmen, die Markerkundung - Marktübersicht - Kostenschätzung sowie die Individualrvereinbarungen. Das gilt grundsätzlich auch für das Verhandlungsverfahren bzw.die Freihändige Vergabe.

Hinsichtlich des heute noch in § 2 IV, V VOB/A enthaltenen Fertigstellungsgebots handelt es sich um eine "soll" -Vorgabe. Das bedeutet, daß dem zu entsprechen ist, sofern nicht sachlich gebotene, nachvollziehbare und nach § 20 VOB/A dokumentierte Gründe eingreifen.

Der Mißbrauch des Vergabeverfahrens zu "Zwecken der Markterkundung" kann insbesondere vorliegen bei
- funktionaler Leistungsbeschreibung infolge unterbliebener Planung etc. - Verstoß gegen § 7 I VOL/A 2009,
- bei sog. Parallelauschreibung = Aufforderung zur Abgabe eines Angebots in zwei Varianten (A: Fassadenverkleidung in Naturstein und B: Fassadenverkleidung in anderer Verschalung,
- Bedarfspositionen oder Optionen, obwohl nicht alle Erkenntnisquellen etc. ausgeschöpft sind.

Vergabereife- OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.02.2020 - Verg 26 – 17 – ÖPNV - Bekanntmachung (Ankündigung der Direktvergabe) - Art. 7 II VO (EG) 1370/2007 - Art. 5 II VO 1370/2007 - Statthaftigkeit – Rechtsweg in entspr. Anw. des Art. 8a Abs. II S. 1, Abs. VII S. 1 PBefG – Nachprüfung von Dienstleistungsaufträgen nach Art. 5 II bis V VO (EG) 1370/2007 (auch bei unzutreffender Ankündigung der Direktvergabe und tatsächlichem In-House-Geschäft nach § 108 GWB (Überprüfung allerdings in Begründetheit) – Antragsbefugnis (Rüge) – gesonderte Prüfung für jede Rüge: Antragsbefugnis verneint für Falschbezeichnungen in Ankündigung, fehlende Bedingungen für Unteraufträge und deren Wert (keine Darlegung drohenden Schadens bzw. der Auswirkungen auf die Zuschlagchancen) – „fehlende Vergabereife“ nicht einschlägig (da bei Direktvergabe nicht bieterschützend) – Art. 5 II VO (EG) 1370/2007 nicht anwendbar auf Direktvergabe von Dienstleistungskonzession (hier nicht vorliegend), aber für Dienstleistungsaufträge nach Art. 5 I S. 2 der VO (EG) 1370/2007 (öffentlichen Busverkehr) – Zulässigkeit als In-House-Vergabe nach § 108 I GWB (Erfüllung der Kriterien („Kontrolle“, „Wesentlichkeit“, keine privaten Beteiligungen) – Unschädlichkeit fehlerhafter Bezeichnung in Vorinformation („Direktvergabe“ nach Art. 5 II VO (EG) 1370/2007) und Beschlussfassung – Pflicht zur Prüfung der Unbedenklichkeit der In-House-Vergabe – kein Dokumentationsmangel infolge zulässigen Nachschiebens von Gründen im Nachprüfungsverfahren (anders bei Anhaltspunkten für Manipulation und Intransparenz - kein Anlass für Divergenzvorlage an BGH - kein Verstoß gegen Art. 4 VII S. 2 der VO (EG) 1370/2007 (bedeutendes Selbsterbringen der Leistung – ausführliche Darlegung – keine Ausnutzung marktbeherrschender Stellung durch unbillige Behinderung oder ungerechtfertigte Diskriminierung nach § 19 I, II Nr. 1 GWB (Inzidentprüfung bei vergaberechtlicher Anknüpfungsnorm <Wettbewerbsgrundsatz?> -vgl. BGH, Beschl. v. 18. 06. 2012 - X ZB 9/11 – Ausschluss kartellrechtswidriger Ausnutzung wegen Inhouse-Vergabe - keine Verletzung der Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG infolge Rechtfertigung des Eingriffs durch die Inhouse-Vergabe – bei In-House-Vergaben nicht anwendbar: § 97 IV S. 1 u. 2 GWB/§ 3 VI TVgG NRW (Mittelstandsberücksichtigung, Losaufteilung) – Ablehnung der Akteneinsicht (keine Erforderlichkeit zur Durchsetzung der subjektiven Rechte (Kenntnisse auch vorhanden, bereits umfassende Nutzung) - kein Schriftsatznachlass - keine Aussetzung nach § 148 ZPO i. V. m. §§ 73 Nr. 2 und 175 II GWB wegen Verstöße gegen EU-Beihilferecht – Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Beiladung (§ 162 S. 2 GWB – schwerwiegende Interessenberührung) – keine Wiedereröffnung des  Verfahrens – Kostenentscheidung -

Zu Bedarfspositionen - OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.2.2010— VII- Verg36/09 - NZBau 2010, 720 (Leits.) – Bedarfspositionen – Vergabeunterlagen – Unbedenklichkeit bei Unvorhersehbarkeit und bei Fehlen einer zumutbaren Aufklärungsmöglichkeit – keine Angabe der Bedarfspositionen in der Vergabebekanntmachung – Leitsätze: 1. Die Aufnahme einer Bedarfsposition in die Vergabeunterlagen ist nicht zu beanstanden, wenn im Zeitpunkt der Versendung der Vergabeunterlagen für den Auftraggeber nicht voraussehbar und zumutbar aufzuklären ist, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Leistungen bei der Auftragsausführung erforderlich sein werden, daran ein anzuerkennendes Bedürfnis besteht und Bedarfspositionen in den Vergabeunterlagen hinreichend deutlich als solche gekennzeichnet sowie bei verständiger Sicht der Dinge für einen fachkundigen Bieter als solche unzweideutig zu erkennen sind. 2. Bedarfsleistungen (Bedarfspositionen) müssen vom öffentlichen Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung nicht angegeben werden (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28. 2.2008 — VII-Verg 57/06. 3. Die für Bedarfspositionen abgefragten und angegebenen Preise sind vom Auftraggeber grundsätzlich in die Angebotswertung einzustellen. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn ein Bedarf im Zeitpunkt der Angebotswertung weiterhin nicht voraussehbar ist und die Notwendigkeit einer Beschaffung auch hei sorgsamer Ausschöpfung der dem Auftraggeber bis dahin zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden kann. – vgl. auch OLG Saarbrücken, NZBau 2009,265— „Ortsdurchfahrt W“ – Bedarfs- und Eventualpositionen.

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