Verzicht auf Vergabe
Aufhebung der Ausschreibung

Aufhebung und Verzicht auf Vergabe

Die Aufhebung ist in den §§ 48 UVgO, 63 VgV geregelt.

In diesen Vorschriften sind die Aufhebungsründe genannt

- Kein Angebot entsprechend Bewerbungsbedingungen

- Wesentliche Änderung der Grundlagen des Vergabeverfahrens

- Unwirtschaftliches Ergebnis

- andere schwerwiegende Gründe.

Die Aufhebung ist oberhalb der Schwellenwerte im Nachprüfungsverfahren überprüfbar (Rechtmäßigkeitskontrolle nicht Zweckmäßigkeitskontrolle).

Es besteht kein Zuschlagszwang.

Die Aufhebung kann rechtswidrig sein, wenn der „Aufhebungsgrund“ bereits vor Bekanntmachung bestand und Sca nicht beachtet wurde (Schadensersatz).

Wird die Beschaffungsabsicht mit unveränderten Grundlagen nach Aufhebung in einem zweiten Vergabeverfahren weiterverfolgt, so können bei rechtswidriger Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens Schadensersatzansprüche des erstrangigen Bieters im ersten  Verfahren entstehen, wenn dieser im zweiten Verfahren den Zuschlag nicht erhält.

Literatur

Pilarski, Michael, Anforderungen an eine Kostenabschätzung als Voraussetzung für eine Aufhebung einer Ausschreibung ohne Schadensersatzansprüche am Beispiel  von Bauvergaben, VergabeR 1/2020, 300
Kirch, Thomas/ Jentsch, Laura, Erstattung von Angebotsbearbeitungskosten, Vergabe News 9/2017, 130-134
Figgen, Markus/ Schäffer, Rebecca, Von der Freiheit des Vertragsschlusses – Die Aufhebung von Ausschreibungen, Vergabe Fokus 1/2017, 16


Entscheidungen:

 Ältere  Entscheidungen:
Grundsatzentscheidung - Aufhebung - EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - Rs. C-92/00 - NZBau 2002, 458 Hospitalingenieure – Überprüfungsmöglichkeit der Aufhebung.
Grundsatzentscheidung - Aufhebung - BGH, Beschl. v. 18.2.2003 – X ZB 43/02 - NZBau 2003, 293 VergabeR 2003, 313 m. Anm. v. Müller-Wrede, Malte – Jugendstrafanstalt – Aufhebung der Aufhebung einer Ausschreibung – Rohbauarbeiten.

BGH, Urt. v. 12.6.2001 - X ZR 150/99 - BB 2001, 1549 = NZBau 2001, 637 - Verschrottung von U-Bahn-Waggons - Vergabe des Auftrags an Dritten - Klage auf entgangenen Gewinn - Aufhebung der Ausschreibung und Voraussetzungen - BGH: Grundsatz - Schadensersatz bei Verletzung eines Vertrauensverhältnisses bei Vergabe öffentlicher Aufträge: Gegenstand des Vertrauens ist die Einhaltung der Regelungen über öffentliche Aufträge - Voraussetzung des Anspruchs: Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Ausschreibung - Sektorenbereich (Verkehr) - Vorlage an den EuGH wegen Auslegung der Richtlinie 93/98/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung vom 14.6.1993 (ABlEG Nr. L 199 v. 9.8.1993, S. 84) - Richtlinie bezieht sich auf Beschaffung - Verschrottung ist lediglich das spiegelbildliche Gegenstück zur Beschaffung, "die - obwohl ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 lit. C der Richtlinie nicht ausdrücklich erwähnt - nach Sinn und Zweck der Regelung in den Katalog der ausschreibungspflichtigen Geschäfte einbezogen werden muss." - "nicht eindeutige Rechtslage" - Nichtumsetzung der Richtlinie steht der Vorlage nicht entgegen - Bindung der nationalen Gerichte an die unbedingt gehaltene und bestimmte Richtlinie auch vor oder nach Erlass der Richtlinie hinsichtlich der Auslegung (Wortlaut und Zweck der Richtlinie) - auch im Verhältnis privater Rechtsteilnehmer untereinander - Einholung einer Vorabentscheidung aber nur, wenn die Voraussetzungen für Bestehen oder Nichtbestehen des Ersatzanspruchs hinreichend geklärt sind (hier nicht der Fall - kein Vertrauensschutz, "wenn der Geschäftspartner der öffentlichen Hand vor seiner jeweiligen Entscheidung über den Vertragsschluß oder dessen Vorbereitung erkannt hat oder ohne weiteres hätte erkennen müssen, dass sein Vertragspartner von den für ihn geltenden Regeln abweicht oder abgewichen ist. Wer erkannt hat oder bereits bei Anwendung geringer Sorgfalt ohne weiteres hätte erkennen müssen, dass die andere Seite sich an das geltende Recht nicht hält, kann nicht damit gehört werden, er habe ein mit Recht und Gesetz übereinstimmendes Verhalten der Gegenseite erwartet. Schutzwürdig ist ein solches Verhalten nur dort, wo nach dem gegebenen Sachverhalt die Erwartung der Einhaltung dieser Regeln berechtigt erscheint.") - Ausschreibungsverfahren war mangels öffentlicher allgemeiner Bekanntmachung rechtsfehlerhaft - aber: Erkennbarkeit oder Kenntnis von der Nichteinhaltung der Regeln seitens des nichtberücksichtigten Bieters läßt ein schutzwürdiges Vertrauen entfallen - Klauseln in Vergabebestimmungen, die das Recht zur jederzeitigen Nichtvergabe der Leistung enthalten verstossen gegen § 9 AGBG - Aufhebung nur nach § 26 I VOL/A: "schwerwiegender Gründe": "Zu deren Annahme genügt nicht, dass der Ausschreibende im Verlauf des Verfahrens rechtlich oder tatsächlich fehlerhaft gehandelt hat. Bei der Prüfung des schwerwiegenden Grundes im Sinne der Vorschrift sind vielmehr strenge Maßstäbe anzulegen ... Dafür kann ein Fehler des Ausschreibenden schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil er es andernfalls in der Hand hätte, nach seiner freien Entscheidung durch Verstöße gegen des Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Eine solche Folge wäre mit dem Sinn und Zweck des Ausschreibungsverfahrens, das - insbesondere auch im Hinblick auf die Vorgaben des Rechts der europäischen Gemeinschaften - zu einer größeren Klarheit und Überprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hände führen sollte, nicht zu vereinbaren. Berücksichtigungsfähig sind daher grundsätzlich nur solche Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe das Auftrags selbst ausschließen, wie etwa das Fehlen der Bereitstellung der öffentlichen Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber (vgl. dazu Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 48/97, BB 1998, 2182 (ls.) = NJW 1998, 3636 = MDR 1998, 1408; X ZR 99/96, BB 1998, 2181 = NJW 1998, 3640). Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die maßgeblich die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls sind. Danach kann ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens zu einem schwerwiegenden Mangel in diesem Sinne führen, wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, dass eine Bindung des öffentlichen Auftraggebers mit Recht und Gesetz nicht zu vereinbaren wäre, und andererseits von dem an den öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere dieses Fehlers, erwartet werden kann, dass sein auf diese rechtlichen und tatsächlichen Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen. Auch für dies Würdigung reichen die bisher getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht aus." - Zurückverweisung zur weiteren Aufklärung und gegebenenfalls Vorlage an den EuGH durch das OLG
Hinweis für die Praxis: Es wird mit Recht immer wieder davor gewarnt, Vergabeverfahren unbegründet aufzuheben. Nach hier vertretener Ansicht kommt eine Aufhebung nur dann in Betracht, wenn die Fehler bzw. Mängel des Vergabeverfahrens bei Bekanntmachung bzw. Aufforderung zur Angebotsabgabe für die Vergabestelle nicht erkennbar waren. Die BGH-Entscheidung ist insofern nicht so eindeutig wie die früheren Entscheidungen auf dem Jahre 1998 (s.o.).
Soweit aus dem Urteil ersichtlich, war hier überhaupt nicht klar, wie man vorging (Ausschreibung ? Vergabeverfahren ? Offenes Verfahren ? Beschränkte Ausschreibung = Nichtoffenes Verfahren ? Verhandlungsverfahren ?). Das ist angesichts des erheblichen Auftragswertes (120 U-Bahn-Waggons - entgangener Gewinn angeblich eine knappe Million DM) erstaunlich. Im übrigen zeigt auch dieser Fall, daß Fehler in der Vorbereitung des Vergabeverfahrens zumindest dann, wenn man die potenziellen Bewerber und Bieter kontaktiert oder ausschreibt, im Nachhinein kaum mehr korrigiert werden können - auch nicht durch eine Aufhebung ohne eine unangreifbare Begründung nach § 26 VOL/A. Die hier zu bearbeitenden Fragen lagen an sich recht klar auf der Hand: Öffentlicher Auftraggeber, Schwellentwertüberschreitung, Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens nach den SKR-Vorschriften (AG), Wahl der richtigen Vergabeart (wohl Nichtoffnes Verfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung = Teilnehmerwettbewerb). Die entsprechenden Fehler dürften sich schwerwiegend für die Vergabestelle auswirken.

 OLG Hamburg, Beschl. v. 12.12.2000 - 1 Verg 1/00 - NZBau 2001, 461 - "Mühlenberger Loch" - Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des § 118 I 3 GWB - Antragsbefugnis bei Ausscheiden eines Mitglieds der Bietergemeinschaft im laufenden Vergabeverfahren - im Vergabeverfahren beratendes Unternehmen und gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen beratendem Unternehmen und Bietern (nicht zwangsläufig Verstoß gegen Vergabevorschriften vgl. auch OLG Saabrücken, NZBau 2000, 158; OLG Koblenz NZBau 2000, 534) - Antragsbefugnis der nicht mehr existierenden Bietergemeinschaft bei Ausscheiden von Mitgliedern (offen gelassen) - Beendigung des Vergabeverfahrens durch Aufhebung, nicht rechtsmissbräuchlich (keine Angebote entsprechend Ausschreibungsbedingungen bzw. Erwartung einwandfreier Ausführung) - Vergabeverfahren beendet: daher keine Nachprüfungsmöglichkeit - Wahl des Verhandlungsverfahrens nach § 3 a Nr. 5 lit. A VOB/A mit der Folge: "Er (erg. Der Auftraggeber) kann auf einige oder alle Bieter aus der vorangegangenen Ausschreibung zurückgreifen, er kann andere Bewerber zusätzlich auffordern oder er kann den Bewerberkreis insgesamt wechseln. Mit der Aufhebung der Ausschreibung sind die dadurch eingegangenen Bedingungen (Bindungen ?) erloschen; keiner der an der Ausschreibung beteiligten Bieter hat einen Anspruch darauf, daß er bei anschließenden Verhandlungsverfahren zur Angebotsabgabe aufgefordert wird oder dass Bewerber, die an der Ausschreibung nicht beteiligt waren, vom erneuten Wettbewerb ausgeschlossen bleiben..., immer unter Beachtung von § 3 a Nr. 5 a VOB/A...."

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