Versicherungsleistungen gehören zu den Dienstleistungen, die insbesondere von dem EU-weiten Vergabeverfahren betroffen sein können. Die geschätzte Gesamtvergütung (Versicherungsprämien) ist insofern maßgeblich für den Auftragswert - vgl. insofern § 1 a Nr. 4 III VOL/A.

Versicherungsleistungen gehören zu den Dienstleistungen in einem umkämpften Markt. Zahlreiche öffentliche Auftraggeber haben hier erhebliche Probleme in folgenden Bereichen, nämlich
- dem Finden geeigneter Sachverständiger "ohne Interessenkollision"
- dem Fehlen eigener Sachkunde
- der Beschreibung der Versicherungsleistungen für die Basis der zu erstellenden Angebote
- der Wahl der richtigen Vergabeart und deren Begründung.
Eine grundsätzliche Entscheidung des OLG Düsseldorf sowie die darin zitierten Fundstellen der Literatur zeigen dies mit aller Deutlichkeit:
OLG Düsseldorf, Beschluß vom 18.10.2000 - Verg 2/00 - NZBau 2001, 156 - Durchführung eines Vergabeverfahrens für Versicherungen - Auftrag zur weitgehend vollständigen Durchführung des Vergabeverfahrens an Makler
- Rechtsschutzinteresse: ausreichend das "Interesse am Auftrag" neben anderen z.B. "geschäftspolitischen Interessen" - Drohen des Entstehens eines Schadens: "Der "Schaden", der unter dem Blickwinkel des Primärrechtsschutzes begriffen werden muß, besteht darin, dass durch den einzelnen beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des Antragstellers auf den Zuschlag beeinträchtigt worden sind oder dass die Zuschlagschancen zumindest verschlechtert worden sein können ... Die Eignung der gerügten Vergaberechtsverstöße, eine solche Chancenbeeinträchtigung zu verursachen, ist ohne weiteres zu bejahen. Das gilt sowohl für die beanstandete Vergabeart des Verhandlungsverfahrens, zumal dann, wenn der Antragsteller sich konsequent weigert, an derartigen Vergabeverhandlungen teilzunehmen, als auch für die gerügte Übertragung der Gestaltung und Durchführung des Vergabeverfahrens auf einen Versicherungsmakler, der eigene, vergabefremde Geschäftsinteressen mit dieser Auftragsdurchführung verbindet oder zumindest - als Gefahrenpotenzial für die nicht mit Versicherungsmaklern zusammenarbeitenden Anbieter - verbinden kann. Dass der Antragsteller dennoch mit seinen Angeboten für drei der vier Versicherungssparten Erfolg haben sollte, war zu Beginn des Nachprüfungsverfahrens nicht vorhersehbar. Einer solchen Entwicklung des Vergabeverfahrens kann und muss nach den Regeln über die Erledigung der Hauptsache Rechnung getragen werden." - Nichterforderlichkeit der Abgabe eines Angebots für die Antragsbefugnis: "Es ist einem Unternehmen im Allgemeinen nicht zumutbar, sich unter den von ihm für vergaberechtswidrig gehaltenen Bedingungen mit einem Angebot am Vergabeverfahren zu beteiligen, so dass die Antragsbefugnis nicht von einer (technisch und kalkulatorisch an sich möglichen) Angebotsabgabe abhängig gemacht werden darf (vgl. KG, Beschl. V. 5.1.2000, BauR 2000, 1579). Zwar wird vom OLG Koblenz (NZBau 2000, 445 [446]) die Ansicht vertreten, bei unterlassener Angebotsabgabe im Vergabeverfahren erfordere die Darlegung der Antragsbefugnis den Vortrag des Antragstellers, welches Angebot er in einem fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahren abgegeben hätte. Unter den Umständen des vorliegenden Falls gilt dies jedoch nicht. Bei einer erneuten Ausschreibung für eine Vergabe im offenen Verfahren kann und darf der Antragsteller damit rechnen, dass der Antragsgegner (eventuell mit gutachterlicher Hilfe Dritter) für die anzubietende Sachversicherung genauere vertragliche Spezifikationen vorschreiben wird, was er im jetzigen Vergabeverfahren - wie er vorträgt - gerade unterlassen hat, weil es ihm mit hinreichender Genauigkeit nicht möglich gewesen sei.Solange der Antragsteller aber die zu erwartenden vertraglichen Spezifikationen nicht genau kennt, ist ihm eine verlässliche Angebotskalkulation nicht möglich. Folglich steht der gerügte Rechtsverstoß derzeit einer sinnvollen Angebotskalkulation entgegen. Für diesen Fall verlangt auch das OLG Koblenz .... im Rahmen der Prüfung der Antragsbefugnis keinen Vortrag des Antragstellers, welches Angebot er in einem fehlerfrei durchgeführten Vergabeverfahren abgegeben hätte. Unter diesen Umständen reicht es aus, dass der Antragsteller am 25.4. 2000 - unter Mitwirkung seines Vorstandsvorsitzenden - unzweideutig erklärt hat, er werde im Falle der Neuausschreibung auch ein Alternativangebot für eine Allgefahrenversicherung abgeben. .....

Eine Rügeobliegenheit besteht aber nur im Vergabe-, nicht im Nachprüfungsverfahren. Eine Obliegenheit zur (unverzüglichen Rüge) "außergerichtlichen" Erklärung einer Rüge entsteht somit nicht mehr, wenn der Antragsteller während des Nachprüfungsverfahrens , das er wegen einem anderen Vergaberechtsverstoß beantragt hat, von einem weiteren Verstoß Kenntnis erlangt, den - zulässigerweise - in das Verfahren einbringen will...."
Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 20001, 106 - Restabfallbehandlungsanlage II; OLG Celle NZBau 2000, 105 = NJW 1999, 3497 = NVwZ 1999, 1257 - Bio-Tonnen.
<Begründetheit:>
Verhandlungsverfahren bei Versicherungsleistungen nicht das Regelverfahren:
"Es bleibt aber auch für Versicherungsleistungen dabei, dass die Abweichung von der öffentlichen Ausschreibung, also dem Offenen Verfahren, die Ausnahme von der Regel ist (Dreher, NVersZ 1999, 10 [14] und VersR 2000, 666 [668 f.].
Das bedeutet, dass in jedem Einzelfall genau und eher streng zu prüfen ist, ob die vertraglichen Spezifikationen des vom Auftraggeber benötigten und/oder gewünschten Versicherungsschutzes nicht doch vom Auftraggeber selbst, eventuell mit Hilfe externer Fachspezialisten (vgl. § 6 Nr. 1 VOL/A), hinreichend genau festgelegt und beschrieben werden können, ohne das Ziel (im Offenen oder Nichtoffenen Verfahren) zu verfehlen, den Auftrag auf das beste Angebot zu vergeben.
Eine andere, das Verhandlungsverfahren bevorzugende Auslegung des § 3 a Nr. 1 IV lit. C VOL/A (und das gilt auch für Art. 11 II lit. C DLR) stünde mit den übergeordneten vergaberechtlichen Grundsätzen, insbesondere mit dem Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz, nicht im Einklang. .....
Das bedeutet, dass für die Vergabe von Versicherungsaufträgen, die bekannt oder gar schon bisher versicherte Risiken decken sollen, oder bei deren Ausschreibung auf weitgehende bereits vorhandenen Deckungskonzepten - eventuell mit einer Überarbeitung und Anpassung an den sich ändernden Versicherungsbedarf - aufgebaut werden kann, eine Abweichung vom Offenen Verfahren in der Regel nicht in Betracht kommt (vgl. Dreher, NVersZ 1999, 10 [14] und VersR 2000, 666 [669.]; vgl. auch Müller-Stüler, VersR 1999, 1060 [1064 re. Sp.]).
Sollte die Bedarfssituation im Einzelfall anders beschaffen sein, so dass sie für die Neuvergabe von Versicherungsaufträgen das Offene und das Nichtoffene Verfahren als ungeeignet erscheinen lässt und die Wahl des Verhandlungsverfahrens rechtfertigt, ist es Aufgabe des öffentlichen Auftraggebers, die hierfür maßgebenden tatsächlichen Umstände darzulegen. Denn ihn trifft die Beweislast für die Tatsachen, die die Ausnahme (des Verhandlungsverfahrens gegenüber den vorrangigen Vergabearten) rechtfertigen...."

Ergebnis: Keine Erfüllung der Voraussetzungen des Verhandlungsverfahrens - Pflicht zur Durchführung des Offenen Verfahrens - völlige Aufhebung des Vergabeverfahrens
Weitere Rüge - nahezu Übertragung des Vergabeverfahrens auf einen Versicherungsmakler: Unzulässigkeit wegen Interessenkollision - "Da aber die Gefahr, dass Bieter durch die Übertragung zahlreicher und für das Vergabeverfahren wesentlicher Befugnisse auf Dritte trotz deren eigenen wirtschaftlichen Interesse an bestimmten Vergabeergebnissen benachteiligt werden, aus der Sphäre des Auftraggebers stammt, die Entstehung der Gefahr also ihm zuzurechnen ist, ist eine Beweislastumkehr gerechtfertigt (im Ergebnis ebenso: OLG Rostock, NZBau 2000, 479 [481] = VersR 1999, 1511 [1512 f.]; BayOLG, NZBau 2000, 259 [261] = EWiR § 97 GWB 1/2000, 531 f)." -
Verstoß im übrigen gegen § 2 Nr. 3 VOL/A - Aufhebung des Vergabeverfahrens - kein Feststellungsinteresse für den Fall/trotz des Zuschlags wegen eventueller Verstöße - keine Wiederholungsgefahr.

OLG Celle, Beschl. v. 1.3.2001 - 13 Ver 1/01 - NZBau 2001, 454 - Eletronikversicherungen - Vorbereitung der Ausschreibung durch einen Versicherungsmakler - weitgehende Abwicklung des Vergabeverfahrens durch Versicherungsmakler - Zahlung der Maklercourtage durch gewinnenden Bieter ("Ausgliederung" der Kosten der Beratung durch den Versicherungsmakler) - Aufhebung des Vergabeverfahrens - Verstoß gegen § 97 I GWB infolge der Verpflichtung des gewinnenden Bieters zur Übernahme einer nicht ihn betreffenden Schuld (Maklercourtage) - Verstoß gegen § 97 IV GWB: Weitergehende Anforderungen über Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde hinaus ohne gesetzliche Grundlage - a.A. Vergabekammer Lüneburg, Beschl. v. 8.1.2001 - 203-VgK-17/00 - NZBau 2001, 455 (aufgehoben durch OLG Celle, aaO)

Hinweis für die Praxis: Die Entscheidung ist ein Musterbeispiel dafür, daß zum einen das Vergabeverfahren "nicht ausgegliedert" werden kann, also die Entscheidung in den einzelnen Stufen des Verfahrens der Vergabestelle obliegt - ferner aber auch dafür, daß entsprechende Vorbereitungsleistungen nicht auf den Bieter abgewälzt werden können. Es stellt sich die Frage, wie es überhaupt zu einer entsprechenden "Idee" kommen kann, einen Versicherungsmakler insofern durch den Bieter bezahlen zu lassen bzw. einem Versicherungsmakler über das Vergabeverfahren eine entsprechende "Provision" zukommen lassen.
OLG Schleswig, Beschl. V. 18.1.2001 - 11 U 139/99 - vgl. NZBau 2001, Heft 6/2001 IX - Schadensersatz bei Aufhebung der Ausschreibung und Vergabe eines geänderten Auftrags - nicht rechtmäßige Aufhebung begründet Schadensersatzansprüche zum Ersatz der Angebotskosten der Bieter - Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gewinns: Zuschlagserteilung oder zwingende Zuschlagserteilung - fehlerhafte Wahl des Vergabeverfahrens führt - als solche - nicht zu Schadensersatzansprüchen eines Bieters, "weil die diesbezügliche Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers im Vorfeld des - frühestens nach Anforderung der Vergabeunterlagen durch den Bieter begründeten - vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses getroffen wird."

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